Colts, Cowboys, Revolverschwinger

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker präsentiert, 2017.

Inhaltsverzeichnis

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Colts, Cowboys, Revolverschwinger: Western-Sammelband

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GILMORE DER EINSAME

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Alfred Bekker: Nelsons Rache

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Alfred Bekker: Das Gesetz des Don Turner

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Der Geächtete

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Alfred Bekker: Zum Sterben nach Sonora

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Alfred Bekker: ENTSCHEIDUNG IN NOGALES

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Dunkler Prediger

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About the Author

About the Publisher

Colts, Cowboys, Revolverschwinger: Western-Sammelband

von Alfred Bekker

Geschichten aus der wilden Zeit des amerikanischen Westens. Männer im Kampf um Recht und Rache. Atemberaubend schöne Frauen, die diese Männer um den Verstand bringen. Einsame Gunfighter auf ihrem dunklen Trail.

Der Umfang dieses Buchs entspricht 500 Taschenbuchseiten.

Dieses Buch enthält folgende Romane:

––––––––

Gilmore der Einsame

Nelsons Rache

Das Gesetz des Don Turner

Der Geächtete

Zum Sterben nach Sonora

Entscheidung in Nogales

Dunkler Prediger

––––––––

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Ein CassiopeiaPress Buch

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

GILMORE DER EINSAME

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 84 Taschenbuchseiten.

Ein Mann gegen alle - der einsame Kampf des Revolvermanns Gilmore. Knochenhart und dramatisch gestaltet sich dieser Kampf für Gilmore, aber er weiß, wofür er ihn kämpft.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

1

Schon sehr früh, kurz nach Sonnenaufgang, hatte John Gilmore seinen Lagerplatz aufgeräumt und war weitergeritten. Diese kühlen Morgenstunden musste man nutzen, um ein paar Meilen hinter sich zu bringen. Für Mensch und Tier war es um diese Zeit leichter, als zu späterer Stunde, wenn die lähmende Hitze alles in ihren Griff genommen hatte. Der Tag würde sonnig und heiß werden, so wie es zu dieser Jahreszeit normal war. Gilmore blickte über die sanften, grasbewachsenen Hügel, die sich vor ihm ausbreiteten. Hin und wieder war eine kleine Gruppe halbverdorrter, knorriger Bäume auszumachen.

Das Gras war größtenteils braun geworden, hier und da kam nackter Sand zum Vorschein. Das Land lechzte geradezu nach dem ersten Herbstregen.

Die Stunden gingen schnell dahin, und es wurde rasch wärmer. Bald schon zog Gilmore sich seine dicke Tweedjacke aus und schnallte sie hinten auf den Sattel. Er zog sich den Hut ins Gesicht und blinzelte in die Sonne.

Seit mehr als einer Woche war er schon keinem Menschen mehr begegnet.

Gilmore hatte die Gesellschaft allerdings auch seinerseits kaum gesucht. Er war es gewohnt, tage- und wochenlang allein zu sein, vor sich die Weite der Prärie, über sich den wolkenlosen Himmel des Spätsommers.

Es war schon fast Mittag, da erreichte Gilmore ein Wasserloch. Er stoppte, ließ sich dann aus dem Sattel gleiten und führte das Pferd zum Wasser.

Es war höchste Zeit gewesen, seine Feldflasche war schon fast ganz leer und auch sein Gaul brauchte dringend wieder etwas Flüssiges.

Ein paar Vögel wurden aufgescheucht und flogen davon. Gilmore ließ zunächst sein Pferd ausgiebig trinken. Er selbst ließ den Blick aufmerksam umherschweifen.

Alles war ruhig, nirgends schien eine Gefahr zu lauern. Aber Gilmore wusste aus eigener Erfahrung, dass sich die Stille, die hier draußen herrschte, urplötzlich in etwas anderes, Tödliches verwandeln konnte.

Es galt, auf der Hut zu sein.

Schließlich nahm Gilmore die Feldflasche und beugte sich zum Wasser nieder.

Er nahm den Hut ab und tauchte kurz den Kopf ein. Dann schüttelte er sich wie ein wildes Tier. Das war eine herrliche Erfrischung!

2

Einen Augenaufschlag später vernahm Gilmore ein Geräusch, das ihn aufhorchen ließ.

Sein Instinkt sagte ihm, dass er jetzt aufpassen musste. Er fuhr hoch und sah dann eine Gruppe von Reitern über die Hügel heranpreschen.

Gilmore machte die Augen schmal, trank einen kräftigen Schluck aus der inzwischen wieder gefüllten Feldflasche, nahm seinen Hut vom Boden auf und erhob sich.

Die Feldflasche hängte er dann an den Sattelknauf, während die Rechte gewohnheitsmäßig zur Hüfte fuhr und den Griff des Revolvers berührte.

Die Reiter bremsten etwas ab, als sie Gilmore am Wasserloch entdeckten. Einen Moment lang schienen sie unschlüssig zu sein. Ihre Blicke kreisten herum.

Sie schien abschätzen zu wollen, ob der einsame Reiter auch wirklich allein war und nicht hinter einem benachbarten Gebüsch noch jemand lauerte.

Als sie sich sicher waren, kamen sie näher heran. Gilmore sah ihre unrasierten Gesichter. In den Augen dieser Wölfe blitzte es gefährlich. Sie waren zu fünft und gut bewaffnet.

Im ersten Moment dachte Gilmore, dass es sich möglicherweise um Cowboys handelte, die bei irgendeiner Ranch in der Umgebung in Lohn und Brot standen.

Aber dann bemerkte er, dass keiner der Männer Chaps um die Beine trug und nur einer von ihnen ein Wurfseil am Sattelknauf hängen hatte...

Nein, dachte Gilmore. Diese Männer sehen mir mehr nach Gesindel aus!

Es hieß also, doppelt vorsichtig zu sein.

Die Männer waren heran.

Der offensichtliche Anführer der Gruppe hatte einen schwarzen Vollbart und tiefliegende, gefährlich funkelnde Augen. Auf dem Kopf trug er eine graue Südstaatler-Mütze, wie sie die Angehörigen der Konföderierten-Armee im Bürgerkrieg getragen hatten.

"Tag, Gentlemen", grüßte Gilmore einigermaßen höflich. Der Mann mit der Konföderierten-Mütze verzog das Gesicht und lächelte dünn.

Seine Männer warteten erst einmal ab, aber Gilmore hatte es bereits jetzt deutlich im Gefühl, dass diese Sache kein gutes Ende nehmen konnte.

"Ich weiß nicht, ob Ihr Tag so gut wie der unsere wird, Mister!", feixte der Mann mit der Konföderierten-Mütze und seine Männer lachten kurz und rau.

Gilmore blieb ruhig und gelassen.

Er tat gleichgültig und zuckte mit den Schultern.

"Warum sollte er nicht?"

"Abwarten..."

Gilmore runzelte die Stirn.

"Wenn Sie etwas Bestimmtes von mir wollen, dann sagen Sie es jetzt. Ich habe nämlich vor, mich auf meinen Gaul zu setzen und weiterzureiten."

Gilmore stellte sich neben sein Pferd, die eine Hand am Sattelknauf. Aber er schwang sich noch nicht hinauf und das hatte seinen guten Grund.

Das Tier stand nun zwischen ihm und den Kerlen und wenn wirklich zu den Waffen gegriffen wurde, dann hatte er zumindest den Pferdekörper zwischen sich und dem Bleihagel, mit dem er rechnen musste.

"Sie befinden sich hier auf fremdem Land, Mister", meinte der Schwarzbart mit der grauen Mütze dann und verzog dabei den Mund zu einem hässlichen Grinsen, das sich auf die anderen Männer übertrug.

"Sagen Sie bloß, dieses Land gehört Ihnen, Sir!", zischte Gilmore, nicht ohne einen spöttischen Unterton.

Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern.

"In gewisser Weise schon..."

Die Männer lachten schallend. Gilmore wurde mehr und mehr bewusst, dass hier eine ganz üble Nummer mit ihm abgezogen werden sollte...

Insgeheim ahnte er auch schon, welche. Als der Anführer des Reitertrupps das nächste Mal den Mund aufmachte, kam es dann endlich heraus.

"Es ist nicht üblich, dass wir Fremde ohne einen gewissen Wegzoll durch dieses Land reiten lassen...", meinte der Mann mit der grauen Mütze. "Dafür schützen wir Sie dann auch davor, dass womöglich andere diesen Wegzoll von Ihnen einfordern!" Die Männer brüllten vor Lachen.

Gilmore konnte das hingegen kaum mehr als ein müdes Lächeln entringen.

"So etwas in der Art habe ich erwartet", meinte er.

"Um so besser, Mister! Dann trifft es Sie ja nicht unvorbereitet!"

Die Hände der Männer gingen jetzt zu den Hüften, was Gilmore nicht entging.

Diese Kerle waren ganz gewöhnliche Halunken, die sich in der Gegend herumtrieben und die jetzt glaubten, ein passendes Opfer gefunden zu haben. Gilmore wusste, dass er jetzt höllisch aufpassen musste.

"Vermutlich gehört Ihnen nicht ein Grashalm hier", meinte Gilmore kühl. "Und selbst wenn, so hätten Sie trotzdem kein Recht, Reisende auszunehmen."

Der Mann mit der grauen Mütze machte eine wegwerfende Bewegung und spuckte dann aus.

"Wir sind fünf und Sie nur einer!", fauchte er. "Das ist Recht genug, finden Sie nicht auch?"

"Er sieht nicht aus, als hätte er viel Bargeld", meinte einer der Kerle.

"Aber das Pferd ist gut in Schuss!", meldete sich ein anderer. "Und die Winchester, die da aus dem Sattelschuh herausguckt, ist auch nicht zu verachten!"

"Treten Sie zurück und machen Sie uns keine Schwierigkeiten, Mister!", sagte dann der Mützenmann. Sein Ton war unmissverständlich und befehlsgewohnt.

Gilmore bemerkte, wie die Blicke der Männer ihn fixierten, wie sich ihre Muskeln und Sehnen in bedrohlicher Weise spannten.

"Seien Sie sich Ihrer Sache nicht zu sicher, Gentlemen!", warnte Gilmore.

Aber die Männer auf der anderen Seite quittierten das nur mit einem überheblichen Grinsen.

Einen Moment lang geschah überhaupt nichts.

Niemand sagte ein Wort.

Es war so etwas Ähnliches wie die berühmte Stille vor dem Sturm.

Fünf zu eins!, dachte Gilmore.

Das war nicht gerade ein Verhältnis, wie man es sich wünschen konnte.

Sein Blick glitt die Reihe seiner Gegner entlang und er versuchte abzuschätzen, wie groß wohl ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Revolver waren.

Dann brach der Sturm endlich los.

Es war der Mann mit der grauen Mütze, der als Erster zur Waffe griff. Blitzschnell fuhr die Hand des schwarzbärtigen Mannes zur Hüfte und riss den Revolver heraus.

Aber der Schuss, den er abfeuerte, war schon nicht mehr richtig gezielt und ging irgendwo in den strahlend blauen Himmel.

Gilmore war schneller gewesen, hatte den Colt gezogen und sofort abgefeuert.

Der Mann mit der grauen Mütze hatte jetzt ein kleines, rundes Loch mitten auf der Stirn. Die Wucht des Treffers hatte ihn zurückgerissen und jetzt fiel er rückwärts vom Pferd herunter.

Das Pferd des Mannes bäumte sich auf und spielte verrückt. Ein Fuß hatte sich im Steigbügel verfangen und als der Gaul dann in panischer Angst davonpreschte, wurde der Tote noch ein paar Meter weit durch das braune Gras geschleift. Dann musste Gilmore den Kopf einziehen.

Der erwartete Kugelhagel prasselte in seine Richtung. Einige Geschosse schlugen in den Körper von Gilmores Pferd ein, dass daraufhin wild strampelnd zu Boden ging. Gilmore warf sich auf die Erde, rollte sich herum und feuerte dann zweimal kurz hintereinander. Er war ein hervorragender Schütze.

Zwei von den Kerlen holte er mit gut gezielten Schüssen aus dem Sattel.

Dann rappelte Gilmore sich kurz hoch und verschwand mit einem Hechtsprung hinter einem Sandhügel, auf dessen Kuppe sich eine kleine Grasnabe befand.

Er presste sich zunächst so dicht es ging an den Boden. Wütend schlugen die Kugeln rechts und links von ihm ein und wirbelten den Sand zu kleinen Fontänen hoch.

Dann wurde es für kurze Zeit etwas ruhiger.

Zwei Mann waren es noch!, wusste Gilmore.

Er wagte einen Blick über die Grasnabe, und wollte zunächst einen weiteren Schuss hinübersenden. Er ließ das dann aber bleiben, als er sah, dass seine Gegner unterdessen aus den Sätteln gesprungen und in Deckung gegangen waren. Als die Kerle Gilmores Hut auftauchen sahen, veranstalteten sie gleich eine Art Preisschießen. Das gute Stück wurde ihm vom Kopf gerissen. Mindestens vier Kugeln hatten den Filz durchsiebt.

Gilmore gab ein paar Schüsse zurück.

Die Ballerei hatte ihm die Positionen seiner Gegner verraten. Ein paarmal ging es hin und her, dann traf er einen von ihnen.

Der Getroffene stöhnte laut herum.

Aus seiner Ecke kam kein Schuss mehr, also war er wohl kampfunfähig. Aber er war ohne Zweifel noch am Leben. Dann donnerte ein Schuss, der weder aus der Richtung des anderen Wegelagerers, noch aus Gilmores Colt stammte. Dem dumpfen, vollen Klang nach stammte er aus überhaupt keinem Revolver, sondern aus einem Gewehr. Einem ziemlich großen Gewehr sogar, vielleicht einer langen Sharps-Rifle. Aus der Richtung des letzten, bis dahin noch kampffähigen Banditen kam ein kurzer Todesschrei.

Gilmore schluckte und steckte einigermaßen erleichtert seinen Revolver zurück ins Holster. Dabei fiel sein Blick auf das rechte Bein.

Es war blutbesudelt, aber eine kurze Untersuchung sagte ihm, dass das Blut von seinem Pferd stammte.

Er selbst hatte wie durch ein Wunder nichts abbekommen. Dann blinzelte Gilmore hinaus in die Sonne.

Die Gestalt eines Reiters war dort auf einem der näheren Hügel postiert, in der Hand eine lange Rifle, deren Kolben er auf den Schenkel stützte.

3

Warum sollte der Feind meiner Feinde nicht mein Freund sein?, überlegte Gilmore und erhob sich zögernd. Der Reiter hatte einen der Kerle mit einem gut gezielten Schuss erledigt. Jetzt kam er herangeritten.

Unterdessen ging Gilmore herum und sah nach den Kerlen. Vier waren tot, ein fünfter wand sich vor Schmerzen am Boden.

Gilmore hatte ihn übel erwischt.

Mit einem Fußtritt kickte er den Colt des Mannes ein paar Meter weiter.

Im Moment schien er zwar vollauf genug mit sich und seiner Verwundung zu tun zu haben und kaum fähig, eine Waffe ruhig genug in den Händen zu halten, um damit irgendwelchen Schaden anrichten zu können, aber Gilmore wollte keine unangenehme Überraschung erleben.

Er ging ein paar Schritte weiter zu seinem zerschossenen Gaul, dessen Seele sich bereits in den ewigen Jagdgründen befand, nahm die Feldflasche vom Sattelknauf und ging zurück zu dem Verletzten.

Er gab sie ihm und dieser trank so gierig, als hinge sein Leben davon ab. Er lag zusammengekrümmt da, hielt sich mit einer Hand die Seite und mit der anderen setzte er die Flasche an die Lippen.

Es war schwer zu beurteilen, ob er eine Überlebenschance hatte. Schließlich war John Gilmore kein Arzt.

Dann war der Reiter herangekommen.

Gilmore sah in ein hartes, entschlossenes Gesicht, das von der Sonne verbrannt war. Dunkelblondes, mit grauen Strähnen durchzogenes Haar kam unter dem Hut hervor.

"Was ist passiert?", fragte er, ohne den Finger dabei vom Abzug der Rifle zu nehmen.

Gilmore glaubte, einen leisen Hauch von Misstrauen aus der Stimme seines Gegenübers heraushören zu können. Aber vielleicht täuschte er sich auch.

"Ich war am Wasserloch. Mein Pferd und ich, wir hatten beide verdammt trockene Kehlen. Da kamen diese Hunde vorbei und meinten, ich müsste ihnen mein Pferd und meine Winchester für die Durchquerung dieses Landes übergeben, das ihnen angeblich gehören würde!"

"Ha!" Der Reiter schüttelte energisch den Kopf und verzog dann ärgerlich den Kopf. "Das sieht diesen Halunken ähnlich!" Er nahm jetzt das Gewehr bei Seite und steckte es in den Sattelschuh.

Dann stieg er ab und reichte Gilmore die Hand.

"Darrow, mein Name. Kevin Darrow. Ich bin der größte Rancher hier in der Gegend. Dies ist mein Land, nicht das dieser Schurken hier - obwohl sie es zweifellos gerne gehabt hätten!" Dann wurden seine Augen schmal. "Wer sind Sie?"

"Ich heiße Gilmore. John Gilmore." Gilmore deutete auf einen der Toten. "Kennen Sie diese Männer?"

"Sie sind nicht gerade meine Freunde, wenn Sie das meinen", brummte er. Er deutete auf die Leiche des Anführers, dessen graue Südstaatler-Mütze im Gras lag. "Das ist Cole Greedy, ein bekannter Viehdieb und Wegelagerer, der seinen Arbeitsbereich in letzter Zeit unglücklicherweise in dieses County verlegt hatte!" Darrow spuckte aus und sein Gesicht bekam einen grimmigen Ausdruck. "Vier von meinen Leuten hat dieser Hund auf dem Gewissen! Ich hätte ihn gerne aufgehängt, aber so ist es auch in Ordnung!"

"Sie haben mir geholfen", meinte Gilmore. "Dafür möchte ich Ihnen danken!"

Darrow sah nicht auf.

"Keine Ursache", meinte er. "Ich hab's nicht nur für Sie getan, sondern in erster Linie für mich selbst. Jeder von diesen Halunken, der unter der Erde liegt, erleichtert mir meine Arbeit, Mister!"

Dann ging der Rancher die Leichen ab, bedachte sie jeweils mit einem hasserfüllten Blick, zischte ihre Namen, sofern er sie kannte, wie einen Fluch vor sich hin und kam schließlich zu dem Verletzten, der sich noch immer am Boden wand. Als er sich herumdrehte und in das harte, mitleidslose Gesicht des Ranchers sah, wurde er bleich. Er schien zu ahnen, was ihm bevorstand.

Gilmore wusste es nicht, daher konnte er auch nicht mehr rechtzeitig reagieren.

Jedenfalls stand dem Kerl der Schrecken bereits im Gesicht, bevor irgendetwas geschehen war. Die Lippen des Verletzten versuchten irgendwelche Worte zu formen, aber es kam nichts, was man hätte verstehen können.

Ein Röcheln, ein Hauch, mehr war es nicht.

Darrow setzte ihm den Stiefel auf die Brust und presste ihn so rücklings auf den Boden. Der Mann hatte nicht mehr die Kraft zu einem Schmerzensschrei.

Blitzschnell riss Darrow dann den Colt aus dem Holster und jagte dem wehrlosen Mann eine Kugel in den Kopf. Er traf ihn mitten zwischen die vor Schreck geweiteten Augen, die jetzt erstarrt waren.

John Gilmore hatte in seinem Leben schon eine Menge hässlicher Sachen mitansehen müssen. Und er war alles andere, als zart besaitet. Aber diese Sache bewirkte, dass sich ihm der Magen umdrehte.

Darrow steckte die Waffe wieder zurück und als er sich dann umdrehte stand unverhohlene Zufriedenheit in seinem Gesicht.

"Das war nicht nötig", erklärte Gilmore eisig. Darrow zog die Augenbrauen hoch.

"Ach, nein?"

"Nein!"

"Dieser Mann hätte Sie ohne mit der Wimper zu zucken ins Jenseits geschickt und Sie verschwenden einen Gedanken an ihn?" Er lachte rau. "Das ist eine noble Gesinnung, Mr. Gilmore."

"Nennen Sie es, wie Sie wollen. Aber was Sie eben getan haben, war ausgesprochen feige. Der Mann konnte sich nicht mehr wehren, er kämpfte um den letzten Rest Leben, der noch in ihm steckte..."

Darrow machte eine wegwerfende Geste.

"Nehmen Sie es als eine Art vorbeugende Notwehr! Wenn der Kerl wieder auf die Beine gekommen und mir begegnet wäre, hätte er mich bei der ersten besten Gelegenheit umgelegt, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche." Er zuckte mit den Schultern und grinste zynisch. "Jetzt wird er wohl keine Gelegenheit mehr dazu bekommen..."

Gilmore beschloss, die Diskussion zu beenden.

Sie hatten einfach unterschiedliche Auffassungen und daran würde sich auch kaum etwas ändern, selbst wenn sie noch stundenlang hier standen und argumentierten.

Alles in allem war er froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Die Sache hätte leicht anders ausgehen können. Gilmore ging zu seinem toten Pferd, um den Sattel abzunehmen.

"Die Hunde haben ihnen den Gaul unter dem Hintern weggeschossen, was?" Darrow lachte rau. Dann meinte er nach kurzer Pause und nachdem Gilmore nichts erwiderte: "Nehmen Sie sich ein Pferd dieser Halunken! Den Kerlen werden die Tiere wohl kaum noch etwas nützen können. Außerdem sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin gestohlen und stammen ursprünglich aus meinen Beständen!"

Gilmore nickte.

Wenig später ritten sie dann zusammen über die Prärie. Gilmore hatte sich eines der Pferde ausgesucht und seinen Sattel draufgeschnallt. Die restlichen Tiere führte Darrow mit sich.

Es waren tatsächlich gestohlene Tiere. Sie trugen alle die Markierung der Darrow-Ranch.

"Gibt es in der Nähe eine Stadt?", fragte Gilmore.

"Ja. Sie heißt Sevenoaks. Klein, aber fein, könnte man sagen."

"Ein kleines Provinznest also."

Darrow zuckte mit den Schultern.

"Was erwarten Sie hier draußen!" Und dann, nach kurzer Pause: "Sie verstehen es, mit dem Eisen umzugehen, nicht wahr?"

"Woraus schließen Sie das?"

"Nun, Gilmore, schließlich gehen vier der Viehdiebe auf Ihr Konto! Und diese Kerle verstehen auch etwas vom Schießen, das haben einige meiner Leute bereits zu spüren bekommen!"

"Ich habe getan, was ich konnte, um am Leben zu bleiben", sagte Gilmore sachlich. "Nicht mehr und nicht weniger."

"Was haben Sie bisher so gemacht?"

"Ich war Cowboy, Hilfssheriff, Schienenleger, Army-Scout, Sattler-Gehilfe, Rausschmeißer in einem Saloon und ein paar Dutzend anderer Sachen..."

"Ah, ich verstehe... Sie sind für Abwechslung."

"Kann man so sagen, ja. Ich bin ganz schön herumgekommen."

"Ein richtiger Satteltramp also... Haben Sie Geld, Gilmore?"

Gilmore runzelte die Stirn. Eine seltsame Frage war das, so fand er.

"Mache ich etwa den Eindruck?"

Kevin Darrow lachte schallend.

"Nein, bestimmt nicht!"

"Ein paar Cent, das ist alles. Ich bin ziemlich abgebrannt!"

"Wollen Sie Arbeit?"

"Kommt drauf an."

"In Sevenoaks ist zur Zeit der Posten eines Sheriffs frei. Den letzten habe ich davongejagt. Er war ein Versager."

"Ich dachte immer, das Einsetzen eines Sheriffs sei Sache der Bürger."

"Dieses Land ist mein Land", erklärte Darrow. "So ist es von jeher gewesen. Ich war schon hier, als es Sevenoaks noch gar nicht gab. Niemand wird dort Sheriff oder Bürgermeister oder sonst irgendetwas, wenn ich das nicht will. Wenn mir die Nase des Saloonbesitzers nicht passt, dann sage ich meinen Männern, dass sie ihren Whisky dort nicht mehr trinken sollen und dann kann der Kerl seinen Laden dichtmachen!" Er lachte fröhlich.

In der Rolle des absoluten Herren schien er sich zu gefallen.

Gilmore wusste im ersten Moment nicht so recht, was er von dieser Offerte halten sollte. Einerseits mochte er das anmaßende, arrogante Gebaren seines Gegenübers nicht, andererseits waren da seine leeren Taschen.

Im Grunde war seine Lage so, dass er kaum nein sagen konnte.

"Warum bieten Sie mir das an?", fragte Gilmore dann, nicht ohne misstrauischen Unterton in der Stimme. "Gibt es keine geeigneten Kandidaten in der Gegend?"

"Sie können mit dem Eisen umgehen. Und ich bin Ihnen irgendwie etwas schuldig."

"In wie fern?"

"Sie haben vier Männer umgelegt, die mir äußerst lästig waren. Dafür bin ich Ihnen dankbar!"

Ihre Blicke trafen sich dann kurz. Gilmore sah in harte, eisgraue Augen.

"Was ist?", fragte Darrow. "Sevenoaks ist eine ruhige Stadt, Sie hätten nicht viel zu tun."

Das klang gut.

"Einverstanden, Mr. Darrow."

"Wenn Sie die Sache wirklich machen wollen, dann möchte ich Sie bitten, ein besonderes Auge auf meinen Sohn Mike zu werfen."

"Bin ich ein Kindermädchen oder ein Sheriff?"

"Ich sag's nicht gerne, aber Sie würden es ohnehin bald merken: Mike ist ein stadtbekannter Säufer mit cholerischem Temperament."

"Was soll ich machen? Ich bin nicht von der Heilsarmee!"

"Schon richtig, Gilmore. Sorgen Sie nur dafür, dass er nicht allzuviel Unfug anstellt! Mehr will ich nicht!"

4

Sevenoaks war eine kleine gemütlich Stadt, die aus einem Saloon, einer Kirche und ein paar wie dahingeworfen wirkenden Holzhäusern bestand.

Und doch war Sevenoaks von gewisser Wichtigkeit, weil sich hier die Cowboys und Rancher der gesamten Umgebung trafen, um im Drugstore einzukaufen oder sich bei Flaherty im Saloon volllaufen zu lassen.

Die Stadt gehörte tatsächlich mehr oder weniger zu Darrows Besitz. Es gab nichts, was hier gegen seinen Willen geschah. Wenn er es gewollt hätte, hätte er wahrscheinlich sogar die Lieder bestimmen können, die sonntags in der kleinen Kirche gesungen wurden...

Glück für den Reverend, dass Darrow musikalisch ziemlich uninteressiert war!

Mit ein paar Revolverschüssen trommelte Darrow die Leute aus ihren Häusern und präsentierte ihnen Gilmore.

"Das ist euer neuer Sternträger!", verkündete er in einem Tonfall, der es niemandem klug erschienen ließ, irgendwelchen Widerspruch lautwerden zu lassen.

Die Bürger standen da wie begossene Pudel und ließen alles mehr oder weniger glücklich über sich ergehen.

Darrow bleckte die Zähne wie eine Raubkatze.

"Irgendwelche Einwände?"

Sie alle wollten auf längere Sicht in Sevenoaks unbehelligt ihren Geschäften nachgehen und deshalb war keiner so dumm, den Mund aufzureißen und eine dicke Lippe zu riskieren.

"Dann wäre das also erledigt", meinte Darrow. Das Sheriff-Büro machte einen etwas verwaisten Eindruck, als Gilmore es eine halbe Stunde später in Besitz nahm. Darrow war mitgekommen, nahm einen Blechstern aus der Schreibtischschublade und heftete ihn Gilmore an die Brust.

"So, von nun an sind Sie hier für die Gerechtigkeit zuständig!", meinte er. "Wissen Sie, was das in Sevenoaks heißt?"

Gilmore zuckte mit den Schultern.

"Sie werden es mir sicherlich gleich sagen."

"Das bedeutet, dass Sie gefälligst dafür zu sorgen haben, dass sich meine Cowboys bei ihren verdammten Prügeleien nicht so schlimm zurichten, dass sie am nächsten Tag nicht zur Arbeit kommen können!"

Gilmore lachte.

"Das wird sich machen lassen."

Dann trat Darrow nahe an ihn heran, sehr nahe. Er war um einiges kleiner als der frischgebackene Sheriff und blickte streng zu ihm hinauf. Diese Perspektive schien ihm allerdings nicht sehr zu gefallen...

"Eines sollten Sie sich zu Herzen nehmen, Gilmore!" Es war ein gefährlicher Unterton in seiner Stimme.

"Und das wäre?"

"Sie haben völlig freie Hand. Aber wagen Sie es ja nicht, sich je gegen mich zu stellen!"

"Wenn es sich vermeiden lässt..."

"Sie würden es bereuen, Gilmore!"

Gilmore nickte schwach.

Er wusste, dass die Worte des Ranchers keine leere Drohung waren. Aber sein untrüglicher Instinkt sagte ihm, dass sie früher oder später aneinandergeraten würden. Es schien unvermeidlich, Gilmore hatte das im Gefühl. Zumindest, wenn er für länger bleiben sollte.

Ein paar Dollar verdienen und dann verschwinden!, dachte Gilmore.

Die Aussicht, auf längere Sicht unter dem unduldsamen Regiment dieses Ranchers zu stehen, erschien ihm alles andere als verlockend.

5

Die Wochen gingen dahin und Gilmore sorgte auf seine Art für Recht und Ordnung. Ein paar Schlägereien im Saloon und die unseligen Saufeskapaden von Mike Darrow waren alles, was an Arbeit anfiel.

Aber in Bezug auf Mike hatte Gilmore die ausdrückliche Genehmigung des Ranchers, ihn hart anzufassen.

Nach ein paar Tagen bereits stellte er einen Deputy ein. Es handelte sich um Harry Wynton, einen ehemaligen Sattlergehilfen.

Darrow hatte nichts dagegen.

Und Gilmores Hintergedanke bei der Sache war es gewesen, dem Deputy möglichst schnell das Handwerk zu zeigen und sich dann aus dem Staub zu machen.

Aber es kam anders, als Gilmore gedacht hatte. Und das hatte seinen Grund.

Dieser Grund hieß Bessy Norman, hatte strahlend blaue Augen und das reizendste Lächeln im ganzen County...

6

Als sie sich zum ersten mal begegnet waren, hatte es bei ihnen beiden wie ein Blitz eingeschlagen.

Gilmore war so etwas noch nicht passiert. Aber nun, da er sich darauf eingelassen hatte, wusste er, dass er kaum noch so einfach davon konnte, wie er es eigentlich gedacht hatte. Er selbst war es gewohnt, draußen in der Wildnis zu überleben, nur auf sich selbst und seine eigene Kraft gestellt.

Aber Bessy war ein Stadtgeschöpf, dass sich nicht so einfach in den sandigen Prärieboden pflanzen lassen würde. In Sevenoaks bewohnte Bessy Norman ein enges, nicht gerade komfortables Zimmer im Obergeschoss von Flahertys Saloon.

Bessy Norman arbeitete dort als Animiermädchen. Zeitweise hatte sie versucht, sich als Sängerin zu verdingen, aber ihr absolut unmusikalischer Gesang, der so schief klang, dass es selbst für Cowboys und Gold-Digger unüberhörbar war, hatte aus der Sache eine Lachnummer werden lassen.

Als solche war sie ein Erfolg, ohne Zweifel, aber sie empfand das als Demütigung und hatte die Sache daher drangegeben.

Gilmore räkelte sich in dem engen Bett, das kaum für zwei reichte, fühlte mit einer seiner braungebrannten, behaarten Pranken neben sich und stellte fest, dass da nichts war. Er schlug die Augen auf.

Bessy war schon aufgestanden.

Sie stand im Unterkleid vor dem Spiegel an der Kommode und schüttete Wasser aus einer Kanne in die Waschschüssel aus Porzellan.

Gilmore betrachtete mit Wohlwollen ihre Gestalt. Verdammt, dachte er, es hat mich wirklich voll erwischt!

Er hatte sich bis über beide Ohren verliebt und das Dumme war, dass es hier, in diesem erbärmlichen Nest geschehen musste, dass sich zudem unter der Knute eines Mannes wie Kevin Darrow befand!

Was machte eine solche Frau nur in einer Stadt wie Sevenoaks!

Ohne sich umzusehen, wusste sie, dass Gilmore aufgewacht war. Und während sie sich das Gesicht wusch, meinte sie: "Wie lange wirst du in Sevenoaks bleiben, John?" Er grunzte irgendetwas Unverständliches. Dann antwortete er wahrheitsgemäß: "Ich weiß es noch nicht."

"Du solltest nicht meinetwegen bleiben", meinte sie.

"Warum nicht?"

"Nicht, dass ich es nicht gerne hätte, wenn du dich hier auf Dauer niederlassen würdest, John... Aber es wäre nicht gut für dich."

"Weshalb? Ich empfinde etwas für dich. Was soll daran nicht gut für mich sein? Eine Frau wie du ist mir noch nicht begegnet..."

"Du bist ein Mann mit starkem Willen und Durchsetzungskraft...."

"Na und?"

"In Sevenoaks gehört selbst das Schwarze unter den Nägeln dem Mann, der dich zum Sheriff gemacht hat: Kevin Darrow. Ich glaube nicht, dass du dich ihm auf Dauer unterordnen wirst..."

"Hm..."

"Weißt du, was mit deinem Vorgänger geschehen ist?"

"Ich denke, Darrow hat ihn davongejagt..."

"Ja, John. Und ein paar Tage später fand ihn irgendein Farmersjunge tot im Präriegras - mit einer Revolverkugel im Kopf!"

"Ich werde schon auf mich aufpassen." Er lächelte. "Aber es freut mich, dass du dir um mich Sorgen machst, Bessy..."

"Ich will dir nur klarmachen, dass Kevin Darrow ein wirklich gefährlicher Mann ist. Gefährlich für seine Feinde, aber vielleicht ebenso gefährlich für seine Freunde."

"Ich bin nicht sein Freund."

"Das spricht für deinen Charakter, John."

"Warum gehst du nicht, wenn es hier so schlimm ist?" Sie zuckte mit den Schultern.

"Ich bin es gewohnt, mich unterzuordnen. Ich kenne es nicht anders und es macht mir auch nicht besonders viel aus. Außerdem..." Sie lachte und wirkte jetzt wieder etwas fröhlicher. "Sevenoaks ist die einzige Stadt weit und breit. Wo sonst könnte ich mir mein Geld verdienen? Du bist hier her geritten. Dann wirst du auch bemerkt haben, dass es hie nicht gerade von Ansiedlungen und Saloons und so weiter wimmelt..."

"Nein, das stimmt."

Sie kam zu ihm und legte ihm die Arme um den Hals. "Du solltest gehen, bevor es irgendwelchen Ärger gibt. Ich möchte nicht, dass auch du eines Tages tot im Gras liegst..."

7

Der Schlüssel wurde herumgedreht, die Zellentür sprang auf. Der Mann, der dort auf der harten Pritsche seinen Rausch ausgeschlafen hatte, blinzelte und rieb sich dann die Augen. Er schien nicht gerade in guter Verfassung zu sein.

"Los, auf geht's!", rief der Sheriff. "Oder willst du dich hier noch häuslich einrichten, Mike?"

Mike setzte sich langsam auf und zuckte dann mit den Schultern.

"Warum nicht?", meinte er. "War doch ganz nett hier!" Dann schüttelte er den Kopf, verengte die Augen und fuhr sich mit der Hand durch das gerötete Gesicht. Dann meinte er an den Sheriff gewandt: "Haben Sie einen Kaffee für mich, Gilmore?" Der Sheriff nickte.

"Ja, es müsste noch etwas in der Kanne sein - vorausgesetzt, mein Deputy hat nicht alles aufgetrunken!"

Sie gingen zusammen vom Zellentrakt ins angrenzende Office. Gilmore händigte Mike den Revolvergurt aus, den er ihm am Abend zuvor abgenommen hatte und goss ihm dann einen Kaffee ein.

"Mein Gott, ich weiß gar nicht mehr, was eigentlich los war!"

"Du hast schrecklich herumgetobt!", erklärte Gilmore und lachte dann herzhaft. "Harry und ich hatten alle Mühe, dich in die Zelle zu bugsieren!"

"Ich bin so blau gewesen, ich kann mich an nichts mehr erinnern!"

Er schlürfte den Kaffee hinunter und stellte die Tasse auf den Schreibtisch.

Gilmore bedachte sein Gegenüber mit einem nachdenklichen Blick. Mike Darrow war noch keine zwanzig, aber sein Gesicht wirkte bereits viel älter. Seine Augen machten einen müden Eindruck und um seine Lippen spielte ein zynischer, leicht verbitterter Zug, der eigentlich eher zu einem älteren Mann gepasst hätte.

Es kam häufiger vor, dass Mike die Nacht bei Gilmore in der Zelle verbrachte. Er trank viel, pokerte gerne, hatte selten genug Bargeld dabei, um alle seine Spielschulden zu begleichen und zeichnete sich darüber hinaus durch ein aufbrausendes Temperament aus.

Alles in allem eine explosive Mischung.

Mike war dauernd in irgendwelche Streitigkeiten verwickelt und es grenzte schon fast an ein Wunder, dass er bisher noch niemanden umgebracht hatte.

Aber auch dieser Tag würde irgendwann kommen, Gilmore sah das deutlich vor sich. Aber wie es schien, gab es nichts, was er dagegen tun konnte.

Mike nickte dem Sheriff zu und setzte sich den Hut auf den Kopf.

"Schätze, ich mach mich jetzt mal auf den Heimweg", murmelte er. "Mein Dad wird nicht gerade begeistert davon sein, dass ich mal wieder Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen musste!"

"Moment, Junge, da ist noch etwas!"

Mike hatte sich bereits zum Gehen gewandt. Jetzt drehte er sich wieder und zog die Augenbrauen hoch.

"Ich höre, Gilmore!"

"Letzte Nacht hast du dir einen Spaß daraus gemacht, die Whisky-Flaschen in Hank Flahertys Saloon zu zerballern!" Mike runzelte die Stirn und verzog dann den Mund.

"Ach, ja?"

Schwer zu sagen, ob er sich wirklich nicht erinnerte, oder nur so tat. Ein müdes Schulterzucken folgte, das Gilmore ärgerlich machte.

"Ist doch beruhigend, zu wissen, dass ich nichts Schlimmeres angestellt habe!", greinte Mike.

"Es war lebensgefährlich! Verdammt noch mal, es hätte leicht jemand verletzt werden können!"

"Ist aber nicht, oder?"

"Nein, zum Glück!"

"Na, also!"

"Es kommt trotzdem eine ziemliche Rechnung zusammen!"

"Ja, ja... Hank wird sein Geld schon kriegen!" Dann ging Mike hinaus auf die Straße und Gilmore folgte ihm. Es würde so ablaufen, wie jedesmal. Der alte Darrow bezahlte die Zeche. Zähneknirschend zwar, aber er tat es. Eigentlich war es fast ein bisschen verwunderlich, dass er das tat, denn ansonsten pflegte Kevin Darrow sich alles zu nehmen, was ihm gefiel - und Hank Flaherty, der Saloonkeeper hätte nie im Leben gewagt, auf Schadensersatz zu bestehen. Aber Darrow bezahlte stets für seinen Sohn, ohne mit der Wimper zu zucken.

Vielleicht lag es daran, dass es ihm peinlich war und er sich für Mikes Auftreten zutiefst schämte.

Während Mike Darrow müde davonwankte, blickte Gilmore zur anderen Seite. Ein Tross aus gut einem Dutzend Planwagen, der von einer ganzen Reihe von Reitern und Fußgängern begleitet wurde, rollte die Hauptstraße entlang. Ein Gewirr aus Stimmen, dem Knarren der Holzräder, dem Wiehern von Pferden und hundert anderen Geräuschen erfüllte die Luft. Hier und da liefen auch ein paar Schafe und Ziegen neben den sich schwerfällig vorwärts bewegenden Gespannen her.

Die Bürger der Stadt kamen aus ihren Häusern, um sich dieses Schauspiel anzusehen. Allzuviel Abwechslung gab es in Sevenoaks nicht und daher wollte sich niemand ein solches Ereignis entgehen lassen.

Gilmore sah auf der anderen Seite der Straße Harry Wynton, seinen Deputy, der verzweifelt versuchte, zwischen den Wagen hindurchzukommen.

Als er es schließlich geschafft hatte und Gilmore erreichte, schlug er sich mit den Händen den Staub von der Kleidung.

"Viel Verkehr heute, was, John!"

Gilmore nickte.

"Kann man wohl sagen!"

Für ein paar Augenblicke sahen sie gemeinsam dem bunten Treiben zu, dann meinte Wynton: "Irre ich mich, oder sind das Heimstätter?"

"Da ist wohl jeder Irrtum ausgeschlossen!", gab Gilmore lachend zurück. Aber Deputy Wynton machte ein besorgtes Gesicht.

"Ich hoffe, die Leute verschwinden bald wieder!"

"Es ist ihr gutes Recht, sich in der Gegend anzusiedeln, wenn ihnen danach ist, Harry!"

"Dann wird es Ärger mit den Ranchern geben, John! Vor allem mit Darrow."

"Ja...", machte Gilmore und seufzte. Sein Gesicht war nachdenklich geworden.

"Gibt es keine Möglichkeit, sie wegzuschicken?" Gilmore schüttelte energisch den Kopf.

"Wir können uns die Gesetze nicht so zurechtbiegen, wie sie uns gefallen - oder wie sie für unseren Job gerade am bequemsten sind!"

Harry Wynton lachte rau.

"Kevin Darrow ist hier das Gesetz. Das solltest du dir immer vor Augen halten!"

Gilmore schlug seinem Deputy auf die Schulter.

"Es wird selten so heiß gegessen, wie gekocht wird, Harry! Warten wir doch erst einmal ab, ob diese Leute sich tatsächlich in der Gegend niederlassen wollen!"

8

Kevin Darrow zügelte sein Pferd und ließ den Blick über das weite, hügelige Grasland schweifen.

Wenn man weiter geradeaus, nach Westen ritt, kam man auf direktem Wege zum Fluss, der die Lebensader dieses Landes war. Einige Meilen südlich lag Sevenoaks.

Darrow liebte das freie offene Land, die Weite der Prärie, die Unendlichkeit ihrer grasbewachsenen Hügellandschaft... Es hieß, dass weiße Siedler, die das zum ersten Mal erlebten, manchmal von einer Art Seekrankheit befallen wurden...

Es war gutes, fruchtbares Land, soweit das Auge reichte. Hier ließen sich vortrefflich Rinder züchten und genau das tat Darrow auch.

Es liebte dieses Land.

Es gehörte zu seinem kleinen Königreich und er war stolz auf das, was er erreicht hatte.

Alles war aus seiner Hände Arbeit entstanden und würde eines Tages, wenn es soweit war, dass er endgültig die Augen schließen musste, in den Besitz seines Sohnes Mike übergehen. Darrow dachte mit Schrecken daran.

Er war enttäuscht von Mike. Aus ihm war nichts Rechtes geworden. Er war ein Trinker und Spieler, der keine Verantwortung kannte. Darrow hatte sich nie wirklich mit Mike verstanden und nicht selten gerieten sie lautstark aneinander.

Aber er war nun einmal sein einziger Sohn.

Darrow trieb sein Pferd voran und preschte mit ihm den Hügel hinab und den nächsten Hang wieder hinauf. Der kühlende Wind, der aus Nordwesten blies, trocknete seinen Schweiß, während ihn die Hufe seines Gauls über das Gras trugen. Schließlich erreichte er den Fluss, der zu dieser Jahreszeit kaum mehr als ein größerer Bach war - so flach, dass man ihn fast überall durchreiten konnte.

Im Herbst, wenn die sintflutartigen Regengüsse kamen und im Frühjahr, wenn die Schmelzwässer aus den Bergen sich bemerkbar machten, dann trat er über die Ufer und wurde für kurze Zeit zu einem reißenden Strom.

Es war mehr als lebensgefährlich, den Fluss dann einfach mit dem Pferd durchqueren zu wollen. Es gab ein paar Stellen, die auch dann noch flach genug waren, aber diese Furten musste man kennen.

Bevor Darrow in das Flusstal preschte, blieb er auf dem vorgelagerten Hügelkamm stehen und blickte hinab. Die Sonne ließ das Wasser glitzern.

Dann bemerkte Darrow die Planwagen, die in der Umgebung einer schattenspendenden Baumgruppe aufgestellt waren. Er sah Männer, Frauen und Kinder - und auch ein paar Schafe!

Siedler!, durchzuckte es ihn.

Sein Gesicht veränderte sich schlagartig. Die Mundwinkel sackten nach unten, die Rechte ballte sich unwillkürlich zur Faust.

Sie sollen es ja nicht wagen, sich hier breitzumachen!, schwor er sich. Dieses Land war Land der Rancher, Land für Rinder! Die freie Weide gehörte allen, die ihr Hornvieh darauf grasen lassen wollten.

So war es immer gewesen, und Darrow war grimmig entschlossen, dafür zu sorgen, dass es auch so blieb. Diese Siedler waren in Darrows Augen eine schlimme Seuche, die mehr und mehr das Land verpestete. Vorzugsweise machten diese Leute sich entlang der Wasserläufe breit und schnitten die Rancher und ihre Herden damit im schlimmsten Fall von ihnen ab. Oft brachten sie Ziegen oder Schafe mit, die die unangenehme Eigenschaft hatten, das Gras mit der Wurzel abzubeißen, so dass die Weiden unter Umständen für längere Zeit für Rinder unbrauchbar wurde.

Das Schlimmste aber war, dass sie überall, wo sie auftauchten, Land einzäunten, um Felder anzulegen. Ja!, dachte Darrow grimmig. Diese verdammten Zäune sind das Schlimmste!

Die Gegend um Sevenoaks war bisher verschont worden, aber Darrow wusste, wie es andernorts gekommen war.

Man muss den Anfängen wehren!, dachte er, als er sein Pferd in Richtung der Siedler trieb.

Dies war sein Reich, in dem er unumschränkt herrschte. So war es von jeher gewesen und er würde dafür sorgen, dass es sich auch in Zukunft nicht ändern.

9

Darrows Blut kochte, als er die Gruppe von Planwagen erreichte. Sein Gesicht war zorngerötet, und es kostete ihn viel Überwindung, nicht gleich aus der Haut zu fahren. Die Siedler blickten misstrauisch von ihrer Arbeit auf, als sie den Reiter kommen sahen.

Gewehre wurden ergriffen, die Frauen schickten die Kinder hinter die Wagen in Deckung, während sich die Männer sammelten.

Darrow stellte fest, dass sie alle recht gut bewaffnet waren. Sie machten einen ziemlich entschlossenen Eindruck. Der Rancher zügelte sein Pferd und ließ den Blick über seine Gegenüber gleiten, die sich in einiger Entfernung vor ihm aufbauten.

"Wer sind Sie?", fragte ein etwas älterer, hagerer Mann mit fast schulterlangen Haaren. Seine Stimme hatte einen befehlsgewohnten Ton, und es schien Darrow ganz so, als hätte er es hier mit dem Anführer dieser Siedlergruppe zu tun.

"Ich heiße Darrow. Und Sie?"

"O'Kelly!"

Die beiden musterten sich kurz. Darrow blickte in zwei eisgraue Augen, die voller Entschlossenheit waren. Kein Zweifel, Darrow hatte es mit einer überaus starken Persönlichkeit zu tun, deren Willen nicht so einfach zu brechen sein würde.

"Was wollen Sie von uns?", fragte O'Kelly.

"Sie befinden sich auf einem Stück Land, auf dem sonst meine Rinder grasen!", erwiderte Darrow scharf. "Ich wollte Sie fragen, wann Sie weiterziehen!"

O'Kellys Gesicht blieb unbewegt.

Er klemmte den Daumen der Rechten hinter den Revolvergurt. Mit der Linken hielt er eine lange Sharps-Rifle am Lauf, die er mit dem Kolben auf die Erde aufgestützt hatte.

"Wir wollen überhaupt nicht weiterziehen", meinte er dann. Und dabei bekam seine Stimme einen gefährlichen Unterton. Darrow überlegte unwillkürlich, wie gut sein Gegenüber wohl den Revolver an seiner Seite zu handhaben wusste... Unterdessen fuhr O'Kelly ungerührt fort: "Diese Gegend gefällt uns! Wir werden uns hier niederlassen! Und wir hoffen auf gute Nachbarschaft!"

"Es wird keine Nachbarschaft geben!", versetzte Darrow eisig.

O'Kelly hob die Augenbrauen.

"Ach, nein?"

Einer der Männer lud sein Winchester-Gewehr durch und das erinnerte den Rancher daran, dass das Zahlenverhältnis entschieden zu seinen Ungunsten stand. Aber das war für ihn kein Grund, klein bei zu geben.

"Ich würde Ihnen dringend raten, hier freiwillig zu verschwinden!", zischte er.

"Wollen Sie uns drohen?", fragte O'Kelly.

"Ich will Ihnen nur einen guten Rat geben!", versetzte Darrow. "Ich werde es nicht zulassen, dass Leute wie Sie sich hier in der Gegend breitmachen! Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die anderen Rancher hier anders darüber denken!"

O'Kelly spuckte ins Gras und kniff die Augen zusammen.

"Haben Sie schonmal was vom Heimstätten-Gesetz gehört?" Darrow verzog zynisch den Mund und machte eine abfällige Handbewegung.

"Sie haben gehört, was ich Ihnen gesagt habe. Es ist überflüssig, weiter darüber zu diskutieren!" Darrows Blick ging über die Frauen und Kinder, die sich unterdessen etwas aus ihrer Deckung hervorgetraut hatten und dann zu den Schafen und Ziegen, die überall herumliefen.

"Das Gesetz ist auf unserer Seite!", erklärte O'Kelly. "Wir haben Ihnen gute Nachbarschaft angeboten und ich hoffe, dass Sie dieses Angebot noch annehmen. Aber wenn Sie versuchen, uns von hier zu vertreiben, dann werden wir uns zu wehren wissen!"

"Sie haben meine Erlaubnis, bis morgen früh hier zu kampieren!", erklärte Darrow daraufhin mit einem Anflug von Großspurigkeit. "Aber dann verschwinden Sie!" Darrow und O'Kelly wechselten noch einmal einen Blick. Er dauerte nur einen kurzen Moment, aber er machte Darrow klar, dass die Siedler am morgigen Tag nicht aufbrechen würden. Das bedeutete Krieg.

Grimmig riss Darrow sein Pferd am Zügel und preschte davon. Verdammt, sie wollen es nicht anders!, dachte er. Ich hoffe nur, dass sie wissen, mit welchem Gegner sie sich eingelassen haben...

Bis zum letzten Blutstropfen würde er kämpfen, um diese Fremden aus dem Land zu jagen! Darrow fühlte seinen Puls schneller schlagen, als er sein Pferd vorantrieb. Ein gefährliches Gemisch aus Hass und Furcht machte sich in ihm breit.

Als er den Hügelkamm erreicht hatte, blickte er noch einmal hinab zum Fluss und dem Lager der Siedler. Nein, es sollte diesen Schafhirten und Ackerbauern nicht gelingen, das zu zerstören, was er geschaffen hatte.

Was ist schon ein Gesetz!, durchzuckte es ihn grimmig. Ein gottverdammtes Stück Papier...

10

Die meisten anderen Siedler wandten sich wieder ihren Aufgaben zu, als der Rancher außer Sichtweite war. Nur Morgan O'Kelly blickte noch einige Augenblicke nachdenklich zu jener Hügelkette hinauf, hinter deren Kamm Kevin Darrow verschwunden war.

Hinter ihm tauchte ein hoch aufgeschossener Mann auf, dessen dunkles Gesicht nicht nur daher rührte, dass es ungeschützt der Sonne ausgesetzt gewesen war.

Er war ein Halbblut.

"Es wird Blut fließen!", erklärte er im Brustton bitterer Überzeugung, die aus Erfahrung geboren war und legte O'Kelly eine Hand auf die Schulter.

Dieser nickte leicht, ohne den Blick zu wenden.

"Ich fürchte, Sie haben Recht, Lowry!" Lowry hatte sich früher als Kundschafter und Fährtenleser bei der Army verdingt. Jetzt bot er seine Dienste Siedlern an, die sich von ihm durch die Wildnis führen ließen. Über den hohen Wangenknochen und der stolz hervorspringenden Nase lagen zwei dunkle, ruhige Augen, deren Blick schwer zu deuten war. Das dunkle, blauschwarze Haar quoll üppig unter einem breiten Stirnband hervor. O'Kelly wandte sich zu dem Halbblut und meinte: "Ihr Auftrag ist erledigt, Mr.Lowry, sie haben uns hier her geführt und Sie könnten sich jetzt davonmachen." Lowry nickte.

"Ja, das ist richtig!"

"Ich möchte Sie dennoch bitten, zu bleiben. Wir haben nicht viel, aber ich denke, wir werden noch einmal denselben Betrag aufbringen können, für den Sie uns hier her gebracht haben!" O'Kelly machte eine hilflose Geste. Dann deutete er hinter sich. "Diese Männer dort sind alles mutige Kerle, die bereit sind, ihr Leben dafür einzusetzen, um hierbleiben und für ihre Familien eine neue Existenz aufbauen zu können!

Aber..." - er machte eine Pause, bevor er weitersprach "...sie sind keine Krieger!"

"Das ist wahr!"

"Wir brauchen jeden Mann, der ein Gewehr halten kann! Und vor allem sind wir auf Männer mit Erfahrung angewiesen!"

"Ich werde bleiben", erklärte Lowry. O'Kelly klopfte ihm dankbar auf die Schulter.

Und für einen Moment entspannten sich seine Gesichtszüge etwas. Es würde nicht leicht werden, aber auch das, was sie auf dem Weg hier her hatten durchmachen müssen, war alles andere, als eine Spazierfahrt gewesen.

O'Kelly dachte an Mildred, seine Frau.

Ein Fieber hatte sie dahingerafft. Keine Chance, mitten in der Prärie rechtzeitig einen Doc herbeizuzaubern... Der Schmerz war immer noch frisch in ihm; ihr Tod lag noch nicht lange genug zurück, als dass es ihn nicht mehr mit tiefer Trauer und Bitterkeit erfüllte, wenn er sich erinnerte.

Sie war nicht die einzige gewesen, die sie unterwegs hatten begraben müssen. Ein paar Mal hatten sie es mit Indianern zu tun gekriegt...

O'Kelly dachte an seine Kinder. Sie hatten überlebt und für sie würde es sich trotz allem lohnen, hier etwas Neues aufzubauen. Mark und Patrick waren zu jungen Männern herangewachsen, die sich durch die Umstände früh hatten bewähren müssen.

Und aus Ruth, der jüngsten war eine bezaubernde junge Lady geworden, deren Charme die anderen Männer des Trecks hin und wieder den Kopf verlieren ließ.

11

Die Schwingtüren des Saloons wurden hart auseinandergestoßen. Kevin Darrow war mit schweren Schritten eingetreten und dann stehen geblieben. Seine Daumen hatte er hinter den Revolvergurt geklemmt, während er mit den Augen die Theke entlangwanderte.

Als er den Sheriff gefunden hatte, fixierte er diesen mit einem starren, nicht gerade freundlichen Blick.

Gilmore trank sein Glas aus und wandte sich dann zu dem Rancher um.

Er hatte erwartet, dass Kevin Darrow früher oder später bei ihm auftauchen würde und es war ihm auch klar, dass das nichts als Ärger bedeuten konnte.

Gilmore atmete tief durch.

Es war nun einmal sein Job, sich um solche Angelegenheiten zu kümmern. Er musterte Darrow abschätzig. Der Rancher hatte sich breitbeinig aufgebaut, sein Gesicht war vor Zorn rot angelaufen.

"Am Fluss hat sich eine Meute von Siedlern breitgemacht!", schimpfte er. "Sie werden mit ihren Schafen die Weiden verderben, sie werden Zäune ziehen und..."

"Sie übertreiben, Darrow! Eine Handvoll Siedler..."

"Es werden mehr werden, Sheriff!"

Gilmore zuckte mit den Schultern.

"Noch ist Platz genug für alle!", meinte er. Darrow trat nahe an Gilmore heran. Die beiden Männer waren annähernd gleich groß. Ihre Blicke bohrten sich ineinander, während das Stimmengewirr im Saloon verstummt war. Die Zecher blickten von ihren Gläsern auf und warteten gespannt die weitere Entwicklung ab.