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Jochen Gartz

Psilocybin-Pilze

Neue Arten, ihre Entdeckung
und Anwendung

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Jochen Gartz

Psilocybin-Pilze – Neue Arten, ihre Entdeckung und Anwendung

Nachtschatten Verlag AG

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CH-4500 Solothurn

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© 2018 Jochen Gartz

© 2018 Nachtschatten Verlag

Gesamtredaktion und Lektorat: Markus Berger, Felsberg (D)

Korrektorat: Inga Streblow, Salento (I)

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald, Lüterkofen (CH)

Layout: Nina Seiler, Zürich

Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier, Deiningen

Printed in Germany

ISBN: 978-3-03788-568-0

eISBN: 978-3-03788-584-0

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.

Zur Erinnerung an meinen Freund
Gerhard Drewitz (1921–2001)
Mykologe

Inhalt

Einleitung

Psilocybin-Pilze

Die Gattung Psilocybe

Arten auf Rasen

Psilocybe semilanceata

Psilocybe samuiensis

Psilocybe natalensis

Arten auf Holzresten

Psilocybe bohemica

Psilocybe cyanescens

Psilocybe azurescens

Psilocybe germanica

Die Gattung Conocybe

Conocybe cyanopus

Die Gattung Pluteus

Pluteus salicinus

Die Gattung Gymnopilus

Gymnopilus purpuratus

Die Gattung Panaeolus

Panaeolus subbalteatus

Panaeolus cyanescens

Die Gattung Inocybe

Inocybe aeruginascens

Zusammenfassung und Perspektiven

Anhang

Tabellen

Literatur

Bildnachweis

Der Autor

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Einleitung

Vor über 60 Jahren entdeckte der Banker und Ethnopharmakologe R. Gordon Wasson (1898–1986) zusammen mit seiner Frau Valentina Pawlowna (1901–1958) einen uralten Pilzkult in Oaxaca, Mexiko, der in der ländlichen Region immer noch praktiziert wurde (1, 2). Der weltbekannte französische Mykologe Roger Heim (1900–1979) ordnete die neuen psychoaktiven Arten in die Gattung Psilocybe (Kahlkopf) ein (3). Diese sechs Pilzarten enthielten als heute noch wichtigste Spezies aus dieser Region die Psilocybe mexicana HEIM sowie die weltweit in den feuchten Tropen verbreitete Psilocybe cubensis (EARLE) SINGER, die beide heute besonders durch ihre leichte Kultivierung Bedeutung erhalten haben (1, 4).

Der überragende Naturstoffchemiker Albert Hofmann (1906–2008) publizierte im Januar 1958 über die Isolierung, Strukturanalyse und schließlich die rein chemische Synthese der Pilzwirkstoffe Psilocin und Psilocybin, die als relativ einfach strukturierte Indolalkaloide erkannt wurden (5, 6) (Abb. 1).

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Abb. 1: Psilocybin (1) und Psilocin (2)

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Abb. 2: Eine gute Darstellung der mexikanischen Erforschung durch Wasson auf afrikanischen (!) Briefmarken

Die subtropischen mexikanischen Arten enthalten vergleichsweise geringe Mengen an Psilocybin (0,2% bis 0,6 % in der Trockenmasse), während die instabile phenolische Verbindung Psilocin meist das Nebenalkaloid darstellt (5, 6) (Abb. 2, 3, 4). Diese Pilzarten zeigen typischerweise eine blaue Verfärbung der Pilze nach Verletzung und spontan im Alter, besonders bei feuchtem Wetter (1–3, 5, 6). Aus unbekannten Gründen zeigen einige Arten selbst von einem Standort unterschiedlich ausgeprägte Verfärbungen (1–3).

Psilocybe cubensis hat Stiele, die sich sehr intensiv blau verfärben, während sich die Hüte bei Druck durch die Stabilität der Haut nicht verfärben, dagegen sehr wohl das weiße Fleisch nach dem Aufbrechen der Pilze. Schließlich beobachtete die Arbeitsgruppe um Albert Hofmann erstmalig 1958, dass sich Lösungen von reinem Psilocin blaugrün verfärben, besonders im alkalischen Bereich und durch Sauerstoffeinwirkung (6). Diese Ergebnisse zeigen, dass die Blauverfärbung der psychoaktiven Pilze aus der oxydativen Zerstörung der Inhaltsstoffe resultiert.

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Abb. 3: Vorgeschichtlicher Pilzstein

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Abb. 4: Pilzstein (etwa 1500 Jahre alt)

Ab 1960 bewiesen verschiedene Autoren in biochemischen Studien von Psilocybin und Psilocin (in-vitro), dass nur die letztere Substanz instabile blaue Zersetzungsprodukte bildet (7, 8).

Die Phosphatgruppe des Psilocybins verhindert die direkte Oxydation dieses Alkaloids. Jedoch tritt die typische Verfärbung ein, wenn Enzyme (Phosphatasen) diese Schutzgruppe abspalten: Diese Enzyme werden sehr häufig in verschiedenen Organismen gebildet, auch in Pilzen und im menschlichen Gewebe (7, 8). Diese Reaktion bedeutet praktisch, dass nur Psilocin das eigentliche psychoaktive Agenz der Pilze nach der schnellen Ablösung der Phosphatgruppe vom Psilocybin darstellt. So konnte auch im menschlichen Körper die schnelle Bildung des Alkaloids nachgewiesen werden (1, 2, 6).

Nach den klassischen mexikanischen Untersuchungen wurden die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin zunehmend in anderen Psilocybe-Arten in Süd- und Nordamerika, in Asien und Europa nachgewiesen, auch in kleinen Arten, die schon lange bekannt waren (1, 2, 3).

Es ist bis heute sicher nachgewiesen worden, dass es weitere psychoaktive Arten mit diesen Inhaltsstoffen gibt, die in den Gattungen Pluteus, Panaeolus, Conocybe, Inocybe, Gymnopilus und einer Art von Galerina vorkommen. Diese Gattungen sind oft kaum noch mit der Gattung Psilocybe näher verwandt (1, 2, 9–12).

Als Teil meiner analytischen Arbeit, die sich mit der Identifizierung von neuen Naturstoffen beschäftigte, hatte ich das Glück, teilweise unter Zuziehung anderer Fachkollegen, die psychoaktiven Arten seit 1983 in den verschiedenen Gattungen umfassend bearbeiten zu können. Dabei konnten wir seit 1990 auch Feldforschung in Südafrika und Nordamerika betreiben, die zur Entdeckung neuer Pilzarten führten.

Ich denke, dass nun die Zeit gekommen ist, die Erkenntnisse der Erforschung dieser Arten mit ihren psychoaktiven Inhaltsstoffen umfassend darzustellen und Perspektiven der Forschung aufzuzeigen.

Psilocybin-Pilze

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Die Gattung Psilocybe

Arten auf Rasen

Psilocybe semilanceata

Psilocybe semilanceata (FR.) KUMMER ist eine Pilzart, die Psilocybe mexicana äußerlich ähnelt. Beide Arten wachsen auf gedüngtem Rasen und Weiden, jedoch nie direkt auf frischem Dung. Es scheint, dass Psilocybe semilanceata die meistverbreitete psychoaktive Pilzart in der Welt ist (1–3, 13, 21). In Europa konnte sie in allen Ländern nachgewiesen werden – von den Küstenregionen bis in Gebirgshöhen über 2000 Meter (1–3). Die Art zeigt keine Vorliebe für bestimmte Höhenlagen, bevorzugt aber feuchte Biotope, die durch zeitlich limitierte Sonnenbestrahlung erwärmt werden. Die dichten Gräser wirken so wie natürliche kleine Treibhäuser.

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Abb. 5: Psilocybe semilanceata auf Kompost in der eigenen Forschung (1985)

Psilocybe semilanceata hat sich in den letzten Jahrzehnten offensichtlich nicht ausgebreitet. Die Beschreibungen der Verbreitung mit Wachstum hauptsächlich vom September bis November, in der älteren Literatur seit über 200 Jahren zu finden, sind vergleichbar mit den heutigen Beobachtungen.

In den frühen mykologischen Werken wird Psilocybe semilanceata als »wertlos« beschrieben, was durch die Kenntnis des Psilocybins in den Pilzen seit 1963 eher amüsant wirkt. Heute hat sich Psilocybe semilanceata klar als die natürlich vorkommende, psychoaktive Art in Europa etabliert (1). Dies könnte sich in Zukunft aber durch die zunehmende Verbreitung der Holzbewohner ändern (vgl. die folgenden Kapitel).

Es wurde in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen, dass bei der kombinierten Analyse verschiedener Fruchtkörper ein durchschnittlicher Gehalt von 1 % Psilocybin in den Trockenmassen bestimmt wurde, unabhängig vom Land und dem Substrat (1, 9, 12, 18, 21) (Tabelle 1) (Abb. 5).

Die Pilzart enthält vergleichsweise hohe Konzentrationen an Psilocybin und auch viel Baeocystin (14, 16, 19), das als Abkömmling des Psilocybins nur eine Methylgruppe im Molekül enthält (Abb. 6). Dagegen ist das instabile Psilocin höchstens in Spuren bei einigen Pilzen nachweisbar.

REPKE et al. beschrieben schon früh das weitverbreitete Vorkommen von Baeocystin in psychoaktiven Pilzarten (15). So kann man davon ausgehen, dass die Substanz eine unmittelbare Vorstufe in der Biosynthese des Psilocybins darstellt, auch bedingt durch den Fakt, dass nur eine weitere Methylgruppe zum Molekül enzymatisch hinzugefügt werden muss. Baeocystin ist ebenfalls eine psychoaktive Substanz (9).

Im Labor unter kontrollierten Bedingungen gewachsene Psilocybe semilanceata (Abb. 5) enthielten ebenfalls kein Psilocin. Die Mengen an Psilocybin und Baeocystin variierten von einer Fruktifikationswelle zur nächsten, lagen aber auch in der gleichen Größenordnung wie bei den natürlich gewachsenen Pilzen (Tabelle 3).

Die hohen Konzentrationen an Psilocybin machen Psilocybe semilanceata