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Lilian Green

Die verbotenen
Früchte der Wollust

Titelfoto: Magic Zyks – www.magiczyks.de
Umschlaggestaltung: Ubooks

©opyright by Lilian Green 2007
Lektorat: Andreas Mayerle

ISBN 978-3-86608-578-7

Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck oder eine andere
Verwertung ist nur mit schriftlicher
Genehmigung des Verlags gestattet.

Ubooks-Verlag
Dieselstr. 1
86420 Diedorf

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Inhaltsverzeichnis

Flower

Malèna

Voyeur

Prinzessinnen

Farben eines Sommers

Die verbotenenFrüchte der Wollust

My Michelle

Blütenstaub

Faerie

Imperia

Flower

Now scented with lilies the gentle breeze whispers
(The storm hath finally come to an end,
Whilst the angels in heaven, whither pure souls ascend)
Light a white candle for my brothers and sisters

So tempting, thy lips that I still devour
(So sweet, the draught dripping down velvet thighs
And enchanting, the look of thy satin eyes)
Still reflecting the beauty of a silent flower

Dost thou not feel Venus’s overflowing chalice
Leaving its purple-coloured stains
On trembling limbs of ivory
and pounding violet veins?

Never have I seen a gleaming hall nor marble palace
That could withstand the kiss divine,
Bearing the taste of bitter-sweetened,
blissful and elysian wine.

Malèna

Manche behaupten, jeder von uns hüte ein unausgesprochenes Geheimnis. Ein dunkelrotes, scharlachfarbenes Verlangen, qualvoll wie ein Versprechen, das niemals eingelöst wurde. Sie sagen, es sei von Anfang an in uns – das lodernde Mal der Verführung, fiebrig und sündhaft, tief in unserem Fleisch. Unsichtbar für die Augen, und doch flammend wie die weiße Glut des Wahnsinns in den Leibern jener, denen die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunschs verwehrt bleibt.

Sie sagen, der Anblick wahrer Schönheit schmerzt. Es ist die Wahrheit.

Meine Verführung trägt einen edlen Namen. Und mein Geheimnis besitzt ein Gesicht, einen Körper von schamloser Anmut und Schönheit – so unglaublich nah, und doch so unerreichbar weit entfernt.

Mein uneingelöstes Versprechen ist ... Malèna.

Malèna d‘Orsini, meine Schwester.

●●●

Alles begann in den Morgenstunden des 16. Mai 1672. Ich kann das mit Gewissheit sagen, denn nichts bleibt gegenwärtiger in uns als jene seltenen Augenblicke, in denen sich das Schicksal für eine unbegreifliche Sekunde zu uns herabneigt. Für die flüchtige Dauer eines Wimpernschlags, um unsere Lippen mit einem Kuss zu benetzen. Ein Kuss, so süß wie goldener Honig und zugleich von unsagbarer Bitterkeit. Nur ein leichter Mandelhauch von Belladonna, der auf der Haut zurückbleibt, um uns in Euphorie und unterschwelligen Schrecken gleichermaßen zu versetzen ...

Gemeinsam mit unseren Eltern verließen wir den Palazzo d‘Orsini in Cittá di Castello, um der heiligen Messe in der altehrwürdigen Kirche Santa Maria Nuova beizuwohnen. Gleißendes Sonnenlicht umfing uns, und der dunkle, melodische Klang des Glockengeläuts war an jenem frühsommerlichen Morgen unser treuer Begleiter durch das enge Gespinst der Häusergassen, die in bläuliche Schatten eingebettet lagen.

Die Luft hatte sich trotz der frühen Stunde schon spürbar erhitzt, und der würzige Geruch der Wildkräuter und Gräser wurde von den umliegenden Hügeln und Feldern zur Stadt herübergeweht. Dort vermischte er sich mit dem penetranten Odeur der Gosse, in dem sich die Inhalte der Nachttöpfe zu einem eigenwilligen Gebräu vermengt hatten.

Wohin ich auch blickte, glitzerten Dutzende von Miniatursonnen. Das Licht brach sich spielerisch in den Rautenmustern der Butzenscheiben, reflektierte in den Wasserpfützen an der Fontanella und legte sich wie ein schwermütiger, irisierender Flor um das hocherhobene Haupt meiner Schwester. Ein jäher Windhauch trieb mir den Duft ihres seidig schimmernden Haars in die Nase.

In einem Zustand angespannter Erwartung und unerklärlicher nervöser Erregung schienen meine Sinne, meine Wahrnehmung an jenem Morgen klarer, schärfer und präziser zu arbeiten als üblich. Überdeutlich prägten sich meine Empfindungen, prägten sich sämtliche Sinneseindrücke in all ihrer atmenden, schwitzenden und ausgelassen pulsierenden Lebendigkeit unauslöschlich in mein Gedächtnis ein.

Mit gemessenen Schritten gingen wir die abgewetzten Treppenstufen hinab, weiter durch den Torweg, der zur Piazza di Sopra führt, und mein irritierter Blick glitt über die Familienwappen an den Fensterrahmen, die hölzernen Fensterläden und die geschwungenen Balustraden der Adelshäuser. In der Ferne, vor dem tiefblauen Hintergrund eines wolkenlosen Himmels, thronte auf einem felsigen Hügel voller Olivenbäume das Castello di Selci, wo die Herrschaftsfamilie Vitelli residierte, und schien argwöhnisch jeden unserer Schritte zu belauern.

Kaum dass wir aus der Hitze des erglühenden Tages in das Innere der Kirche getreten waren, als uns die eisige, schwere und weihrauchgeschwängerte Kühle entgegenschlug, die innerhalb des Mauerwerks vorherrschte. Ein plötzlicher Schauer überlief mich und ich kniff widerwillig die Augen zusammen, da ich vorübergehend so gut wie erblindete. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sich die Augen nach der grellen Helligkeit der Straße an die allgegenwärtige, von Kerzen illuminierte Dämmerung gewöhnten, die zwischen den hohen Säulen und Heiligenstatuen ins Mittelschiff der Kirche eingesickert war.

Als ich meine Augen wieder öffnete und die schemenhaften Umrisse endlich wieder an Kontur gewannen, sah ich sie. Ich sah sie, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte: Maria Maddalena d‘Orsini – eine verführerische Madonna von strahlender Anmut und Grazie.

Mit einem Mal glaubte ich, ein schattenhaftes Huschen am Rande des Blickfelds wahrzunehmen – wie ein Riss, der blitzartig durch die Wirklichkeit verlief. So, als wäre die vertraute Welt, die wir alle kannten, um eine Winzigkeit zur Seite verrückt worden.

Unverwandt erwiderte meine Schwester meinen Blick. Dann lächelte sie ... auf eine sonderbare, hintergründige, ja wissende Weise. Und ich spürte, wie mir das Blut vom Herzen fort- und schwindelerregend in den Kopf strömte.

Malèna hatte ihr schwarzes Haar mit vielen Nadeln aufgetürmt und zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Während sie andächtig das Haupt gesenkt hielt, so wie ich es auch tat, beobachtete ich ebenso verstohlen wie aufgeregt ihre makellose Gestalt und hoffte, dass mein Vater es nicht bemerken würde, wie offensichtlich ich die Predigt des Pfarrers ignorierte.

Aber ich hatte nur noch Augen für meine Schwester, die neben mir saß. Diese verlockende, aufregende Schönheit, die ganz einer Traumwelt entsprungen zu sein schien. Bewundernd musterte ich ihre glatte, vornehm weiß gepuderte Haut, unter der sich hier und da der purpurne Verlauf ihrer Adern abzeichnete.

Da war dieses dumpfe Pochen an ihrem Hals, ein unruhiges, begehrendes Pulsieren in der kleinen Höhlung, eine Handbreit oberhalb des Dekolletés. Und da war Malènas sanft nach oben geschwungene normannische Nase, die ihr eine Unnahbarkeit und Noblesse verlieh und mich, ebenso wie der ewig spöttische Ausdruck ihres roten Kirschmündchens und der neckische Schönheitsfleck neben den hübsch aufgeworfenen Lippen, völlig rasend machen wollte.

Der unergründliche Blick dieser katzenhaften, mandelförmigen Augen. Der pralle, üppige Busen, der vom eng geschnürten Mieder beinahe aus dem Korsett gepresst wurde, sodass man zarte Andeutungen der dunklen Höfe erkennen konnte, die ihre Brustwarzen umgaben. Meine Phantasie trieb meinen ohnehin aufgebrachten Puls voran. Es fehlte nicht viel, malte ich mir in Gedanken aus, und ihre karminroten Knospen würden vollständig sichtbar werden.

Das Gemälde eines flämischen Malers kam mir plötzlich in den Sinn: Es zeigte den in Ketten liegenden Cimon, dazu verurteilt, elendig im Kerker zu verhungern. Doch seine hübsche Tochter Pero errettete ihren Vater vor dem Hungertod, indem sie ihn mit der Muttermilch ihrer Brüste ernährte. Eine Szene, die mir eindringlich im Gedächtnis geblieben war – und nun, angesichts des vollen und straffen Busens meiner Schwester, meine Imagination beflügelte.

Wie es wohl aussehen mochte, wenn tropfenförmige, milchig weiße Tränen aus ihren fleischigen Knospen hervorspritzen würden, aufgefangen durch meine unruhige, begierige Zunge? Wie es sich anfühlen würde, wenn das helle Nass ihres jungen Körpers sich über mich ergoss und den Geschmack ihrer heißen Säfte in meinem Mund ausbreitete?

Ich konnte sehen, wie schwer sie atmete. Wie ihre wogenden Brüste sich regelmäßig hoben und senkten. Manches Mal stieß sie die Luft so heftig aus den erbebenden Nasenflügeln, dass der hauchzarte, durchsichtige Schleier wehte, hinter dem sie ihr anbetungswürdiges Engelsgesicht verbarg.

Meine Gedanken überschlugen sich, tasteten sich unter dem ausladenden Reifrock, unter den vielen Volants, der Florentiner Spitze und den verspielten Rüschen voran. Sie wühlten sich durch die Falten und Zipfel der Stoffe, um über ihre Haut zu streicheln, ihre Wärme zu spüren, ihren Geruch einzuatmen und endgültig ihre fragile Weiblichkeit, das dunkle Heiligtum zwischen ihren Schenkeln zu ergründen ...

Jetzt erst bemerkte ich Malènas lasziven Blick auf mir ruhen und zuckte zusammen, wie ein ertappter Sünder ... der ich war. Ihre dunkel glitzernde Zunge fuhr aufreizend langsam über die Oberlippe, was ich trotz des Schleiers sehen konnte. Sie straffte ihren Leib, und wie zufällig, so, als wolle sie nur eine Unebenheit ihres Kleides glattstreichen, wanderte ihre rechte Hand über den Stoff an ihrer Seite. Die Fingerspitzen streiften die berauschende Wölbung ihres Busens und zogen dabei das Kleid um eine Winzigkeit tiefer. Für eine winzige, atemlose Sekunde nur entblößte sie dabei die verheißungsvolle Knospe ihrer rechten Brust! Eine taubenblutrote Krone inmitten eines schneebedeckten Hügels von sinnlichem Ebenmaß ...

Ich blickte rasch auf die breiten Schnallen meiner Schuhe zurück, während der Stoff ihres Kleids längst wieder alles so bedeckte wie zuvor.

Großer Gott! Wie lange schon hatte ich mich dem hingegeben? Wie lange hatte ich meine eigene Schwester begafft, als wäre sie eine wollüstige Hure, während in der Zwischenzeit auch sie mich auf diese sonderbare, beunruhigende, mehr als bloß neugierige Weise betrachtet hatte?

Waren meine lüsternen und sündhaften Gedanken denn so einfach von meinem Gesicht abzulesen? Oder hatte Malèna das Zweite Gesicht, dass sie so mühelos in mein Innerstes blicken konnte?

Ich schluckte schwer und richtete meinen Blick auf ein Gemälde rechts vom Altar – es zeigte Maria Magdalena.

Und hinter ihrem Schleier lächelte die süße Malèna ... sphinxhaft, spöttisch, anzüglich und verdorben.

●●●

«Sag, Niccolò», hauchte Malèna mir leise zu und zog mich in einen unbeleuchteten Seitenarm, der von der Galerie wegführte und in gespenstischem Halblicht vor uns lag, «wie gefalle ich dir?»

Es war am Abend desselben Tages. Im Palazzo d‘Orsini sollte ein großer Ball stattfinden, und zahlreiche Gäste waren geladen. Meine zauberhafte Schwester hatte sich zu diesem Anlass außergewöhnlich, extravagant hergerichtet – und ich musste mich bei ihrem hinreißenden Anblick immer wieder dazu ermahnen, ruhig und regelmäßig weiterzuatmen.

«Die Gäste werden von dir begeistert sein, Malèna! So hübsch, wie du dich –»

«Niccolò, das ist es nicht, was ich wissen will!», fiel sie mir ins Wort.

Der Klang ihrer Stimme, wann immer sie meinen Namen aussprach, ließ mir die Sinne schwinden. Ich versuchte zu antworten: «Ich ...»

Wo sind nur all die Worte geblieben, die ich dir schon immer sagen wollte, geliebte Schwester? Ich kann sie nicht finden! All die Dinge, die ich für einen Moment wie diesen aufgespart habe!

«Nun ... du bist meine Schwester, natürlich gefällst du –»

«Nico, die Schwester ist dir lieb und teuer, das weiß ich.» Malènas samtige Stimme nahm einen eigenartigen, säuselnden Tonfall an, wurde leiser und schließlich hauchte sie nur noch: «Aber die Frau? Könnte die Frau, die ich auch bin, dir jemals gefallen?»

Mein Hals war plötzlich wie ausgetrocknet, Hitze stieg mir ins Gesicht – und während Malèna mir näher und näher kam, bemerkte ich, wie sich meine Männlichkeit regte, anschwoll, wuchs und versteifte.

«Ich ...» Das war alles, was ich angesichts der atemberaubenden Schönheit vor mir hervorbrachte.

Meine Schwester lachte leise, presste mich gegen die Wand und näherte sich mit dem Mund meinem Ohr. Dann wisperte sie: «O Niccolò, es scheint, als müsste ich dir die Entscheidung ein wenig erleichtern ...»

Ich fühlte ihren heißen Atem auf meiner Haut und verspürte mit einem Mal einen sanften Schmerz, als sich ihre Zähne liebkosend in mein Ohrläppchen gruben. Ihre Hände tasteten nach meinem Gesicht, und schon presste sie mir ihren warmen, liebeshungrigen Mund auf die Lippen!

«Malèna ... aber der Ball ...», stammelte ich ungläubig.

«Sag jetzt nichts, Niccolò. Sag jetzt bitte nichts.»

Ihre Küsse wurden fordernder. Malènas Zunge drang schlängelnd in meinen Mund ein, wie ein eigenständiges, lebendes Wesen, und ihre Hände tasteten entschlossen weiter nach unten, gruben sich gierig zwischen meine Beine. Es hatte keinen Zweck, es vor ihr zu leugnen. Die wilde Lust, die sie schon längst in mir entfacht hatte, war überdeutlich zu erkennen – und vor allen Dingen zu ertasten!

Die feingliedrigen, äußerst geschickten Finger meiner Schwester schlüpften mir in den Stoff der Hose und schlossen sich besitzergreifend um mein erzitterndes Liebeszepter, als wäre es das Normalste von der Welt!

«Ich wusste doch, dass du der Hüter eines kostbaren Schatzes bist!», zischte sie lüstern, ging vor mir in die Knie und befreite meine sehnsuchtsvollen Juwelen aus ihrem beengten Verlies. «Aber ich werde ihn dir stehlen, Tropfen für Tropfen ...»

Dann verspürte ich ihre warme Zunge über mein zuckendes und heftig pulsierendes Fleisch gleiten: der todbringende Kuss eines Sukkubus. Ich erstarrte unter der intensiven Berührung zur Reglosigkeit, wie vom Bannfluch einer Magierin getroffen.

Erst als mir Malènas Stimme aus einiger Entfernung «Niccolò! Die Gäste! Wir wollen sie doch nicht unnötig warten lassen!» zurief, erwachte ich aus dem luziden Wahrtraum und brachte rasch meine Beinkleider wieder in Ordnung.

Wie grausam Malèna war! Mir ein verführerisches Versprechen zu geben, eine Ahnung künftiger Wonnen, und dann – entschwand sie einfach, kalt lächelnd, ohne ihren leidenschaftlichen Liebeseid an mir zu erfüllen!

Der hochgewachsene Mann flüsterte Malèna eine geheimnisvolle lateinische Losung zu, nachdem wir uns in die Menge der Tanzenden eingereiht hatten, die sich zu den Klängen einer Sarabande durch den großen Spiegelsaal bewegten. Festlich ausstaffierte Damen in gewaltigen Reifröcken, eng geschnürten Miedern, und vornehme Herren, die Gesichter weiß geschminkt, ihre weibischen Münder durch grelles Rot übertrieben betont.

Überall funkelnde Ohr- und Fingerringe, Perlenketten, Glacéhandschuhe und nicht zuletzt turmhohe, von dicken Puderschichten bedeckte Allonge-Perücken, die in vornehmen Kreisen ‹de rigueur› waren. Wie üblich trugen alle Gäste, ob weiblich oder männlich, eine geheimnisvolle weiße Halbmaske, sodass nicht zu erkennen war, wer sich dahinter verbarg.

‹Heute Nacht, wie gewöhnlich›, bedeutete die lateinische Losung übersetzt, die der Fremde Malèna zugeraunt hatte. Und Malèna hatte flüsternd mit derselben Losung geantwortet. Beide hatten so leise wie irgend möglich gesprochen, und doch hatte ich durch Zufall jedes einzelne Wort deutlich vernommen.

Fieberhaft überlegte ich, was der Edelmann Malèna mit diesen Worten hatte mitteilen wollen? Ich beschloss, mein verdorbenes Schwesterlein, das mir mit einem unschuldigen Lächeln, einem Handgriff und ihrem feurigen Zungenschlag den Verstand vollends in kreiselartige Rotationen versetzt hatte, besser im Auge zu behalten.

Unter einem Vorwand zog ich mich bald zurück und schlich, einer vagen Ahnung folgend, in das stille Gemach meiner Schwester. Ohne ein Licht zu entzünden, wartete ich in blauschwarze Dunkelheit getaucht auf ihr Erscheinen.

Meine innere Stimme hatte mich nicht getrogen: Es dauerte nicht lange, bis sich die Tür ihres Gemachs öffnete und die vertraute Silhouette der Geliebten im Türspalt erschien.

«Wie?», hörte ich ihre leise wispernde Stimme. „Ihr seid schon hier? Aber, wie kann das sein? Eben sah ich noch, wie Ihr die Contessa di Livorno zum Tanz –»

«Ja, ich bin schon hier», erwiderte ich sanft, nahm meine Maske ab und ging auf sie zu. Sie ließ die Tür lauter als beabsichtigt ins Schloss fallen, so erschrocken war sie, als sie erkannte, wer hier auf sie gewartet hatte.

«Niccolò! Hast du den Verstand verloren?! Was tust du hier zu dieser Stunde?»

«Ja!», rief ich, küsste und umarmte Malèna leidenschaftlich. «Ich habe den Verstand verloren! Endgültig! Ich bin süchtig nach dir, Malèna! Schwester, Geliebte! Du musst mich anhören! Ich –»

«Dafür ist jetzt keine Zeit! Er darf dich auf gar keinen Fall hier bei mir entdecken! Sonst wird ein Unglück geschehen!»

«Wer ist es?», erwiderte ich in aufwallendem Zorn. «Ich werde ihn in Stücke schlagen!»

«Nein! Du musst sofort von hier verschwinden! O Gott –» Ihre Stimme begann zu zittern. «Es ist bereits zu spät! Ich höre seine Schritte nahen! – Nico, du musst dich verstecken! Rasch! In das Kabinett! Und du wirst keinen Laut von dir geben, verstehst du mich?! Egal, was hier gleich geschieht! Schwöre es mir!»

Mit diesen Worten zog sie mich rasch beiseite, öffnete mit einer Hand die verspiegelte Tür eines Seitenkabinetts und drängte mich hinein.

«Schwöre es!», zischte sie.

«Ich werde schweigen! Ich schwöre es dir!», das war alles, was ich noch sagen konnte, als sie das Kabinett auch schon verschloss und ich hörte, wie sich die Tür ihres Zimmers ein weiteres Mal öffnete. Es war nicht nötig, dass ich sah, wer dort erschien. Ich wusste, dass er es sein würde! Der fremde Edelmann, der mit ihr getanzt hatte. Glühende Eifersucht machte mich rasend, quälte mich – aber ich hatte meiner Liebsten mein Wort gegeben. Und ich würde es halten, so schwer es mir auch fallen mochte.

Es wurden nur wenige gedämpfte Worte gewechselt, die ich aus meinem Versteck heraus nicht verstehen konnte, dann aber vernahm ich plötzlich die Stimme Malènas, die aufgebracht rief: «Nein, bitte! Kein Licht!»

Und dann die Stimme des Fremden: «Ich bestehe darauf! Ich will deinen gespaltenen Hinterschinken wackeln sehen, während ich ihn dir kräftig durchstoße!»

Nach und nach wurden in Malènas Gemach Kerzen entzündet. Der milde Lichtschein enthüllte ihr wunderschönes Himmelbett – und die beiden ungleichen Gestalten, die sich davor befanden. Und ich fragte mich für eine Sekunde verblüfft, weshalb ich hier, hinter der verschlossenen Tür des Kabinetts, dies eigentlich sehen konnte?

Dann begriff ich: der Spiegel der Kabinetttür! Es war ein Spionspiegel, von vorne betrachtet nicht von anderen Spiegeln zu unterscheiden, von der Rückseite her aber durchsichtig wie gewöhnliches Glas! Durch eine sonderbare Verquickung der Umstände sollte ich nun also zum Zeugen eines aufregenden Schauspiels werden.

Der Fremde setzte sich breitbeinig auf das Bett, zog sein Geschlecht aus der Hose hervor, und neidlos musste ich anerkennen, dass dieser Mann prächtig gebaut war. An der Zeugungskraft des geschwollenen Schweifs und des darunter befindlichen, eindrucksvoll anzusehenden Gehänges zweifelte ich keine Sekunde.

Ohne dass ich mir diese körperliche Reaktion weiter erklären konnte, spürte ich plötzlich, wie sich beim Anblick des erigierten Schafts auch zwischen meinen Schenkeln etwas zu regen begann.

Der Maskierte machte eine herrische Bewegung – und Malèna kniete sich widerstandslos vor ihn hin, versperrte mir somit den Blick auf das Geschehen, das ich mir jedoch durch die sanft auf- und niederfahrenden Bewegungen ihres Kopfes leicht zusammenreimen konnte.

«Los jetzt!», fuhr der Fremde sie an. «Zeig mir deinen Popo!»

Malèna hielt kurz inne und warf einen beunruhigten Blick über die Schulter auf den großen Spiegel, dessen Geheimnis sie sicher kannte. Es schien ihr erst jetzt bewusst zu werden, dass sie und der maskierte Fremde sich darin nicht nur spiegelten, sondern dahinter auch einen unfreiwilligen Beobachter hatten.

«Hör nicht auf», sagte der Mann. «Lass mich einfach nur sehen, was du unter deinem Kleidchen verbirgst!»