Charmaine Gamisch
1992 in Wiesbaden geboren und im Rheingau aufgewachsen, studierte Buchwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Durch ihre Arbeit Albatross Books – Ein Pionier des modernen Taschenbuchs, erlangte sie 2015 den Bachelor of Arts, auf den 2016 der Master in Mainz folgen soll.

1Einleitung

1.1 Moderne Taschenbücher

Die Frage, wann und von wem das Taschenbuch erfunden wurde, ist schwierig zu beantworten. Denn dies hängt auch von der Frage ab, welche Kriterien ein Taschenbuch ausmachen. Hier gibt es verschiedene Auffassungen und Varianten in der Definition des Begriffs »Taschenbuch«, denn es zeigt sich, dass die Merkmale, die ein Taschenbuch auszeichnen, komplex sind. Es gibt womöglich nicht den einen Erfinder, sondern verschiedene Ansätze zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Ländern, die letztlich zum modernen Taschenbuch führten.

Im Lexikon des gesamten Buchwesens wird der Begriff Taschenbuch wie folgt erläutert:

Taschenbuch ist eine vieldeutige Bezeichnung, heute jedoch wird als T. ein kleinformatiges, meist preiswertes Buch mit flexiblem Einband bezeichnet.[1]

Nach dieser eher mageren Definition folgt allerdings auf drei Seiten die Schilderung der Entwicklung des Taschenbuchs, was wiederum zeigt, dass eine kurze Definition schwierig ist.

Ausführlicher beschrieben ist das Taschenbuch im Wörterbuch des Buches. Neben der geschichtlichen Erklärung des Begriffs werden hier mehr charakteristische Merkmale erläutert, die ein Taschenbuch besitzt, wie hohe Auflagen, Reihen-Bücher und Lizenz-Ausgaben:

Taschenbuch. Ein Buch in Taschenformat, das – hist. gesehen – ein bestimmtes Wissensgebiet in kurzer und gedrängter Form behandelt (s. a. Vademecum). Als literarische Gattung war das T. in der 1. Hälfte des 19. Jh. weit verbreitet. Es kann als Nachfolger der Musenalmanachen bezeichnet werden und enthielt Beiträge für gehobene Unterhaltung und praktisches Wissen. Die Bez. T. tritt häufig bereits im Buchtitel auf, so z. B. »T. zum geselligen Vergnügen«, »T. für Frauenzimmer« usw. Im 20. Jh. (USA seit 1939, BRD seit 1950 durch Rowohlt) hat der Begriff einen neuen Inhalt bekommen.

Als T. gelten Bücher, im Taschenformat, mit werbewirksamen Karton-Einbänden, niedrigerem Preis, der durch hohe Auflagen und reduziertes Autorenhonorar ermöglicht wird. Es sind meist Reihen-Bücher mit einheitlicher Grund-Ausstattung und Lizenz-Ausgaben von bereits anderweitig erschienenen Büchern. Ab den 1960ern stieg mit dem Siegeszug des T. auch der Anteil der Originalausgaben deutlich, s. u. a. dtv. In Dtld. sind 2004 5078 T. (Erstaufl.) erschienen.[2]

Genauer betrachtet, gibt es schon früher Beispiele für Taschenbücher auf dem deutschen Buchmarkt, wie die Tauchnitz Edition, die bereits 1841 zum ersten Mal erschien, welche durchaus Merkmale des heutigen Taschenbuchs besaß.[3] Ein weiteres Beispiel bilden die Bände von Reclams-Universal-Bibliothek, die erstmals 1867 erschienen sind.[4] Diese erfüllen ebenfalls die oben genannten Kriterien. Auch der Albatross Verlag hat schon vor dem Zweiten Weltkrieg Buchreihen veröffentlicht. Offensichtlich haben sich Taschenbücher über viele Jahrzehnte auf unterschiedlichen Märkten entwickelt und wurden durch die Akzeptanz bei den Kunden zu einem Erfolgsmodell des Verlagsgeschäfts, ohne dass man konkret sagen konnte, wer es erfunden hat. Moderne Taschenbücher zeichnen sich vor allem sowohl durch ihr praktisches Format, als auch durch ihren günstigen Preis aus. Zu dieser Entwicklung des Taschenbuchs haben vermutlich sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Faktoren beigetragen. Während teure, gebundene Bücher in der Vergangenheit neben ihrem Inhalt oftmals auch als Statussymbol präsentiert werden konnten, steht beim Kauf des Taschenbuchs weniger der Besitz, sondern vielmehr der Inhalt und das Lesevergnügen im Vordergrund. Auch der Wille, ein Buch mitzunehmen und zum Beispiel auf einer Reise zu lesen, spielt dabei eine Rolle, was ebenfalls mit soziokulturellen Änderungen in der Gesellschaft einherging. Des Weiteren konnten sich vorher nicht alle Gesellschaftsschichten Bücher leisten, da Original- oder Erstausgaben mit festem Einband zu teuer waren. Taschenbücher haben einen neuen Weg aufgezeigt. Es war möglich eine breitere Masse an das Buch heranzuführen. Das Taschenbuch war und ist somit ein Buch für jedermann.

Es wird in der Literatur zur Geschichte des Taschenbuchs eine Vielzahl an Verlagen genannt, die Taschenbücher verlegen und verlegt haben. Im Zusammenhang mit der Erfindung des Taschenbuchs werden oftmals die Penguin Books als die ersten »modernen« Taschenbücher genannt. Als Vorläufer werden die Tauchnitz Editions sowie die Reclam-Universalbibliothek aufgezählt, die auch heute noch bekannt sind. Ein Name, der in den Quellen und der Literatur zwar vorkommt, aber kaum bearbeitet ist, ist der Albatross Verlag. Vor allem durch sein Konzept und die Gestaltung der Bücher, die bei der Entwicklung des modernen Taschenbuchs womöglich beispielgebend für andere Verlage war, machen ihn für die Forschung interessant.

In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob Albatross Books im Sinne der vorangegangenen Definition als Pionier des modernen Taschenbuchs gelten kann.

Die Entwicklung der Taschenbücher, und die Bedeutung eines Taschenbuchverlags im Wandel der Zeit soll hier am Beispiel der Albatross Bücher untersucht werden. Ziel dieser Arbeit ist es, den Albatross Verlag und Aspekte seiner Entwicklung zu beleuchten und damit einen Beitrag zur Geschichte der Entwicklung des modernen Taschenbuchs und zur Verlagsgeschichte zu leisten. Dabei werden das Konzept des Verlags sowie das Verlagsprogramm und die Albatross Buchreihen in ihrer Gestaltung beschrieben und analysiert. Das Ganze wird zudem vor dem historisch kulturellen Hintergrund betrachtet. Im Anschluss daran wird der Albatross Verlag mit den Verlagen Bernhard Tauchnitz und Penguin Books verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszufiltern und daraus abzuleiten, ob der Albatross Verlag zu den Pionieren des modernen Taschenbuchs gehört.

1.2 Forschungsstand und Quellenlage

Der Albatross Verlag wurde von der buchwissenschaftlichen Forschung kaum bearbeitet. In einigen Publikationen, die sich mit dem Thema Taschenbuch beschäftigen, wird der Verlag erwähnt, aber nicht umfassend bearbeitet. Es existiert keine Bibliografie und keine umfassende historische Darstellung des Verlags.

Die Stellung des Taschenbuchs wurde vom wirtschaftlichen Standpunkt aus von Claudia Leonhardt in ihrer Dissertation Das Taschenbuch – seine Stellung und sein Einfluss im deutschen Buchmarkt[5] bearbeitet. Des Weiteren dient die Publikation Das Buch für die Massen[6] von Daniela Völker als Gesamtübersicht über die Geschichte des Taschenbuchs. Die gesellschaftliche, sowie die politische Lage zur Zeit des Albatross Verlags wird in einigen Werken erläutert. Volker Dahms Das jüdische Buch im Dritten Reich[7] beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten und Verboten für jüdische Werke. Die Gegebenheiten speziell für Verlage werden in Verlage im »Dritten Reich«[8], herausgegeben von Klaus Saur, verdeutlicht. Es existieren darüber hinaus noch weitere Publikationen, die nicht wissenschaftlich bearbeitet sind, aber dennoch Standpunkte und verschiedene Sichtweisen des Mediums Taschenbuch sowie des Albatross Verlags wiedergeben. Darunter befindet sich der Titel Macht unsre Bücher billiger!: Die Anfänge des deutschen Taschenbuchs 1946 bis 1963 herausgegeben von Jörg Drews, der sich unter anderem auch mit den Vorläufern des heutigen Taschenbuchs beschäftigt.[9]

Als Quellengrundlage dienen dieser Arbeit die Bücher der Reihe The Albatross Modern Continental Library[10] sowie die Bücher der Reihen The Albatross Crime Club[11] und The Albatross Mystery Club[12] des Albatross Verlags. Diese Reihen umfassen die komplette Verlagsproduktion. Da keine vollständige Bibliografie des Verlags vorliegt, wurde für diese Arbeit durch Recherche mit Hilfe der Kataloge der deutschen Nationalbibliothek und des HeBIS Verbundskatalogs diese erstellt und als Quelle für Daten verwertet und verwendet. Ergänzend wurden Presseartikel über den Verlag und seinem Mitgründer Christian Wegner ausgewertet, welche dazu beitragen, seine Ideen und sein Konzept herauszufiltern. Dies ist zum Beispiel der Zeitungsartikel Des Rätsels Lösung: Taschenbücher[13]. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass es sich um subjektive Darstellungen handelt und auch hier individuelle Wahrnehmungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Die Geschichte, Konzepte und gestalterischen Grundlagen anderer Verlage, wie dem Bernhard Tauchnitz Verlag und dem Verlag Penguin Books wurden in der Vergangenheit ebenfalls bearbeitet. Hier dienen als Quellengrundlage die Festschriften der jeweiligen Verlage. Zum 125-jährigen Jubiläum des Bernhard Tauchnitz Verlags entstand die Publikation Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Firma Bernhard Tauchnitz Verlag 1837–1962[14] von Werner Jäckh, die die Geschichte des Tauchnitz Verlags wiedergibt. Informationen über die Geschichte des Bernhard Tauchnitz Verlags bietet auch die Publikation Tauchnitz-Edition[15], die von der British Library herausgebracht wurde.

Über den Penguin Books Verlag gibt es eine Vielzahl an Publikationen, die im eigenen Verlag erschienen sind. Die Geschichte des Verlags wird in The Penguin Story: 1935–1956, geschrieben von William Emrys Williams, dargestellt.[16] Phil Baines beschäftigt sich in Penguin by design: a cover story, 1935–2005 mit dem charakteristischen Design der Penguin Books.[17] Insgesamt kann man diese Literatur von und über diese Verlage verwenden, doch ist zu bedenken, dass es sich um Eigendarstellungen handelt, die in der Regel kein neutrales Bild zeichnen. In diesen Quellen über den Bernhard Tauchnitz Verlag und den Verlag Penguin Books wird auch der Albatross Verlag genannt, was die Verbindung der Verlage untereinander verdeutlicht, wodurch Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede bei den Konzepten und der Gestaltungen herausgefiltert werden können.

1Corsten, Severin [Hrsg.]: Lexikon des gesamten Buchwesens, Band 7. Schuhe bauen – Uzès. Stuttgart: Hiersemann 2007, S. 352.

2Hiller, Helmut/Füssel, Stephan: Wörterbuch des Buches. 7. grundlegend überarb. Aufl. Frankfurt am Main: Klostermann 2006, S. 320.

3Vgl. Völker, Daniela: Das Buch für die Massen: Taschenbücher und ihre Verlage (Innsbrucker Studien zu Literatur und Film der Gegenwart 9). Marburg: Tectum-Verlag 2014, S. 66.

4Vgl. Meyer-Dohm, Peter [Hrsg.]: Handbuch des Buchhandels in vier Bänden, Band 2. Verlagsbuchhandel. Hamburg: Verl. für Buchmarkt-Forschung 1975, S. 56.

5Leonhardt, Claudia: Das Taschenbuch – seine Stellung und sein Einfluss im deutschen Buchmarkt. Würzburg: Univ., Diss., 1982. Aus: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1985, Nr.77, S. 1947–2048.

6Völker: Das Buch für die Massen.

7Dahm, Volker: Das jüdische Buch im Dritten Reich. 2., überarb. Aufl. München: Beck 1993.

8Saur, Klaus Gerhard [Hrsg.]: Verlage im »Dritten Reich« (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie: Sonderbände 109). Frankfurt am Main: Klostermann 2013.

9Vgl. Drews, Jörg [Hrsg.]: »Macht unsre Bücher billiger!«: die Anfänge des deutschen Taschenbuchs 1946 bis 1963 (Veröffentlichungen der Eutiner Landesbibliothek 3). Bremen: Ed. Temmen 1994.

10The Albatross Modern Continental Library. Leipzig: Albatross 1-x(1932–1950). Siehe dazu die Bibliografie des Verlags im Anhang.

11The Albatross Crime Club. Leipzig; Paris; Bologna: Albatross 101-x(1933–1939). Siehe dazu die Bibliografie des Verlags im Anhang.

12The Albatross Mystery Club. Leipzig; Paris; Bologna: Albatross 401-x(1937–1939). Siehe dazu die Bibliografie des Verlags im Anhang.

13Wegner, Christian: Des Rätsels Lösung: Taschenbücher vom 23.10.1952. In: Die Zeit Online. http://www.zeit.de/1952/43/des-raetsels-loesung-taschenbuecher [28.04.2015].

14Jäckh, Werner: Festschrift zum 125 jährigen Bestehen der Firma Bernhard Tauchnitz Verlag 1837–1962. Stuttgart: Tauchnitz 1962.

15British Library [Hrsg.]: Tauchnitz-Edition (Patrimonia 47). London: British Library [u.a.] 1992.

16Vgl. Williams, William Emrys: The Penguin Story: 1935–1956. Harmondsworth: Penguin Books 1956.

17Vgl. Baines, Phil: Penguin by design: a cover story, 1935–2005. London [u.a.]: Allen Lane Penguin Books 2005.