Originaltitel: Sukyandaru

Copyright © 1986, The Heirs of Shūsaku Endō

All rights reserved

 

 

 

 

 

 

Die Übersetzung von Jürgen Berndt wurde behutsam überarbeitet und der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.

 

 

Shūsaku Endō, Skandal

© 2017, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

Cover: Jürgen Schütz

Umschlagbild: © fotolia – pingebat

EPUB-Konvertierung: Esther Unterhofer

ISBN: 978-3-903061-52-1

 

Printausgabe: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

ISBN: 978-3-902711-66-3

 

 

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Shūsaku Endõ

(1923 – 1996) studierte französische Literatur in Japan und katholische Literatur in Frankreich. Er gilt in Japan als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller und erhielt zahlreiche Preise, u.a. den »Akutagawa-Preis«, den wichtigsten japanischen Literaturpreis. Seine Haupt-Werken zählen die Romane Schweigen, Samurai und Skandal.

 

Klappentext

Während einer Preisverleihung wird Suguro, ein angesehener japanischer Schriftsteller, von einer betrunkenen Frau angesprochen, die behauptet, ihn aus dem Rotlichtbezirk Tokyos zu kennen. Ab jetzt wird er mit immer neuen Verdächtigungen und Gerüchten konfrontiert, die seine Ehe, seine Ehre und seine Existenz bedrohen. Suguro macht sich auf die Suche nach dem "Doppelgänger", denn für ihn steht außer Zweifel, diese lüsterne, heimtückische Person selbst sein zu können. Die Suche führt ihn in eine Welt der Sexualität und Perversion. Allmählich erkennt er, dass das Böse um ihn in ihm selbst wurzeln könnte, dass das degenerierte Porträt des Doppelgängers sein eigenes Gesicht sein könnte.

 

 

 

Shūsaku Endō

SKANDAL

Roman | Septime Verlag

 

Aus dem Japanischen von Jürgen Berndt

 

 

1

 

 

 

Der altersschwache Drehstuhl hätte wohl mal geölt werden müssen, denn er quietschte fürchterlich, als der Doktor sich umwandte, nachdem er einen Blick auf die Laborwerte geworfen hatte. Dies schrille Geräusch war Suguro nicht neu, er kannte es, seit er die Klinik hier aufsuchte. Wie immer, so öffnete der Arzt auch heute bedächtig den Mund, kaum dass das Quietschen aufgehört hatte.

»GOT dreiundvierzig. GPT achtundfünfzig. Die Werte liegen ein bisschen höher als sonst. Das ist aber nicht weiter schlimm, Sie dürfen sich nur nicht überanstrengen. Als Sie mal mächtig in Arbeit steckten, da waren wir doch schon über vierhundert.«

»Ja.«

»Hat man erst eine Leberzirrhose, besteht immer die Gefahr, dass Krebs daraus wird. Und darum sage ich Ihnen mit allem Nachdruck: Bitte übernehmen Sie sich nicht.«

Ein Gefühl der Beruhigung stieg wie warmer Dampf in ihm auf, denn er war in Sorge gewesen, weil er seit der Untersuchung im Vormonat seinem Körper allerhand zugemutet hatte. Während er sich bedankte, dachte er bei sich, nun kann ich unbeschwert zur Preisverleihung gehen.

Einen rechten Grund wusste Suguro nicht, aber immer, wenn er die Palastanlage schweigend im Regen versunken dastehen sah, zog Ruhe in sein Herz. Von allen Stellen Tokios war ihm diese die liebste. Der Mietwagen fuhr am Burggraben entlang zur Festhalle.

Gleich würde Suguro eine Auszeichnung für ein Werk entgegennehmen, in dem drei Jahre Arbeit steckten. Während seiner Laufbahn als Schriftsteller hatte er schon viele Preise bekommen. Jetzt, in einem Alter von über fünfundsechzig, war er nicht mehr sonderlich darauf aus, und trotzdem kitzelte es seine Selbstachtung, dass dieses Werk beifällige Aufnahme gefunden hatte. Aber dieses Kitzeln allein war es nicht, stärker noch bewegte ihn ein Gefühl tiefer Befriedigung, weil er innerlich davon überzeugt war, dass mit diesem Roman sowohl sein persönliches Leben als auch sein Schaffen in gewissem Sinne ihre Vollendung erfahren hatten. Auf die Armlehne gestützt, betrachtete Suguro die über die Scheiben rinnenden Regentropfen.

Der Wagen hielt. Ein Page riss die Tür auf. Seine Uniform roch muffig. Ein junger Mitarbeiter des Verlagshauses, das die heutige Feier ausrichtete, wartete hinter der automatischen Tür bereits auf Suguro.

»Herzlichen Glückwunsch. Das ist eine große Stunde. Auch für mich!«

Kurimoto hieß der junge Lektor, der dieses Buch betreut hatte und Suguro auch sonst behilflich gewesen war. Er hatte ihm Material besorgt und ihm sogar die Reise gewissenhaft vorbereitet, als es einmal etwas vor Ort zu recherchieren gab.

»Zu verdanken ist das alles Ihnen.«

»Davon kann keine Rede sein! Aber eine feine Sache ist es doch. Weil sich nämlich mit diesem Buch der von Ihnen vorgezeichnete Kreis schließt. Gehen wir in den Festsaal. Die Herren von der Jury sind schon da.«

Die Veranstaltung begann pünktlich zu der in der Einladung angegebenen Zeit. Die Plätze für Suguro als den Preisträger und für die Juroren befanden sich links und rechts von einem mitten auf dem Podium stehenden Mikrofon. Ihnen gegenüber saßen an die hundert Gäste. Die Begrüßungsworte sprach der Verleger. Ihm folgte die Rede Kanos, der zu den Mitgliedern der Jury gehörte.

Suguro und Kano verkehrten seit mehr als dreißig Jahren miteinander. Sie hatten fast zur gleichen Zeit die literarische Bühne betreten und sich in jungen Jahren von ihren Arbeiten gegenseitig herausgefordert gefühlt. Manchmal hatte einer den anderen abgelehnt, manchmal hatten sie ins gleiche Horn getutet, aber nachdem sie in die Vierziger gekommen waren, wussten sie nur allzu gut um ihre Verschiedenartigkeit, und jeder war von da an seine eigenen Wege gegangen.

Die rechte Schulter leicht angehoben, sprach Kano zu den geladenen Gästen über seine Eindrücke von Suguros neuestem Buch. Sie hatten beide als junge Männer an Tuberkulose gelitten und sich danach einer orthopädischen Operation unterzogen. Man konnte machen, was man wollte, aber mit zunehmender Ermüdung hob sich die operierte Schulter ganz von selbst. Das Alter Kanos staute sich gleichsam in dem Neigungswinkel. So wie Suguro an einer kranken Leber litt, hatte Kano es schon lange mit dem Herzen und trug deshalb stets ein Nitranginpräparat in der Tasche.

»Suguro ist bei uns hier in Japan zum Christen geworden. Das ist meiner Meinung nach in gewissem Sinne ein Glück für ihn, in gewissem Sinne aber auch ein Unglück.« So begann Kano, der ein guter Redner war, seine Ausführungen, um von vornherein Interesse und Neugier aller auf das Kernproblem im Schaffen des Preisträgers zu lenken. »Das Unglück besteht darin, dass er unter unseren Verhältnissen, wo es für uns als Japaner beim besten Willen keinen Platz gibt für das, was man Gott nennt, so tun muss, als gäbe es ihn. Deshalb tanzte zuerst auch niemand nach seiner Pfeife. Von Anfang an hat Suguro sich damit abgequält, wie er das, was er sagen möchte, nämlich all diese Dinge von Gott, den Japanern nahebringen könnte, obwohl die meisten von ihnen kein Ohr dafür haben. Mehr als dreißig Jahre liegt das nun zurück. Der Krieg war gerade vorbei, als wir uns kennenlernten. Damals lief er ständig mit trübsinniger Miene herum.«

Vor mehr als dreißig Jahren – ganz deutlich erinnerte sich Suguro an die nach alten Strohmatten riechende kleine Bar Fukusuke im Obergeschoß eines Hauses nahe der Station Meguro. Es war an einem Sommerabend, ein sonnenverbranntes Bambusrouleau hing schief vor dem Fenster, und unten auf der Straße blies jemand Trompete. Fünf, sechs junge Männer lehnten, die Knie mit den Armen umschlungen, an der Wand, an der ein Kalender hing, und redeten heftig auf Suguro ein. Auf dem Kalenderblatt posierte stolz ein Mädchen in Badekleidung mit einer Sonnenbrille. Das Tragen von Sonnenbrillen war damals gerade in Mode gekommen. Man hatte es sich den Mädchen der Besatzungssoldaten abgeguckt. Unter denen, die Suguro attackierten, war auch Kano, zu der Zeit ein schmächtiger Bursche mit vorstehenden Backenknochen.

»Mich überzeugt das nicht, was du schreibst, Suguro«, sagte einer aus der Gruppe, er hieß Shiba, während er sich mit dem kleinen Finger im Ohr bohrte. »Suguro, das ist doch nicht dein wahres Ich. Das ist bloß eine fixe Idee. Mir kommt das alles so unecht vor.«

Suguro widersprach ihm nicht.

»In einem bestimmten Teil des Romans gibt es etliche Stellen, die du selber noch nicht richtig verdaut hast. Von Gott reden, bitte schön, wenn’s sein muss, aber irgendwie ist mir das nicht ganz geheuer, weil das von den Europäern geborgte Gedanken sind.«

Shiba sah ihn, während er sprach, von unten herauf lauernd an, als wollte er herausfinden, wie sehr seine Worte Suguro verletzten.

»Ein Roman ist was anderes als ein Essay. Hast du dir mal überlegt, wieweit du dein Thema überhaupt in Bilder fassen kannst? Also wirklich, mir kommt das nicht geheuer vor.«

Suguro hätte sich gern verteidigt, und die Worte lagen ihm schon auf der Zunge; aber spräche er sie aus, würden sie die ohnehin schon schwer zu überbrückende Entfernung zu seinen Freunden nur noch vergrößern: Ihr habt ja nicht die geringste Ahnung davon, wie schwer es für einen Christen in Japan ist, Literatur zu schreiben.

Verdrossen spülte er diese Worte mit dem letzten Schluck Bier in seinem Glas hinunter. Gleichzeitig spürte er selber, dass es ihm unmöglich war, Shibas Eindruck, er, Suguro, sei ihm nicht ganz geheuer, zu entkräften, weil es ihm nämlich so vorkam, als verberge sich tief in seinem Herzen irgendetwas.

»In jenen Tagen war Suguro für uns so eine Art Prügelknabe. Ja, und wir verlangten tatsächlich von ihm, sich vom christlichen Glauben loszusagen. Wir jungen Leute kurz nach dem Krieg hielten die Religion wie Freud für eine aus dem Ödipuskomplex geborene Überdimensionierung des Vaterbildes oder, um mit Marx zu sprechen, für Opium oder für irrationalen Aberglauben. Ein Christ war für uns ein unsympathischer Heuchler, weil uns einfach die Einsicht fehlte, warum Suguro so etwas Lästiges wie diesen fremden Gott nicht aufgab. Und da er sich außerdem nicht aus freien Stücken hatte taufen lassen, sondern als Kind nur dem Willen seiner verstorbenen Mutter gefolgt war, dachten wir, sein Glaube sei nichts anderes als Macht der Gewohnheit. Wie Sie wissen, hat Suguro später mehrere Romane geschrieben, die in der Zeit des frühen Christentums in Japan spielen und von armen Gläubigen erzählen, die durch unmenschliche Beamte gezwungen wurden, ihrem Glauben abzuschwören, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn er beim Schreiben auch mich vor Augen hatte, gleichsam als Vorbild für einen dieser boshaften Beamten.«

Lachen ertönte. Reden kannst du, mein Freund, das muss man dir lassen, dachte Suguro, während auch er lächelte, obschon etwas gezwungen. Die Blicke der Gäste in dem kleinen, zum Bersten gefüllten Saal hatten sich alle auf Kano gerichtet.

»Er verteidigte sich immer damit, dass keiner mehr von Gott loskäme, sobald er ihm einmal begegnet sei. Natürlich nahmen wir ihm solches Gerede nicht ab. Aber er ist in den mehr als dreißig Jahren seines Schriftstellerlebens unbeirrt dabei geblieben und hat uns den Beweis für die Glaubwürdigkeit seiner Worte erbracht. Auf welche Weise der eigene Glaube mit den spezifisch japanischen Verhältnissen in Einklang zu bringen sei, das hat er zum Thema seiner Literatur gemacht. Von diesem verzweifelten Kampf künden viele seiner bisherigen Werke, und der krönende Sieg, das ist dieses Buch.«

Erst die Zuhörer zum Lachen zu bringen, um sie gleich darauf in Spannung zu versetzen, das war der Rhythmus seiner Rede. Und auf diesen Rhythmus reagierten auch sofort die Gesichter der Frauen unter den dicht an dicht sitzenden Gästen. Kano war sich dessen bewusst. Er beobachtete genau das Mienenspiel der Zuhörerinnen und maß daran die Wirkung seiner Rede.

»Das Gute an Suguro ist, dass er die Literatur seinem Glauben niemals opferte. Er hat die Literatur nicht zur Magd einer zumindest mir doch sehr fernen Religion gemacht. Anders gesagt, Suguro hat als Schriftsteller, obschon es seinem Glauben wohl eher zuwiderlief, ebenfalls die hässlichen, widerwärtigen und schmutzigen Seiten des Menschen aufgezeigt. Deshalb kommt er einem in seinen Büchern auch nicht von oben herab.«

Kano wusste genau, wie das Selbstwertgefühl Suguros zu kitzeln war. Ja, und das war tatsächlich auch das Problem, unter dem Suguro zu einer bestimmten Zeit sehr gelitten hat. Er erinnerte sich, wie damals ein alter ausländischer Priester, dem er sehr zugetan war, zu ihm gesagt hatte: »Warum schreibst du keine Geschichten, die schöner sind und hübscher?«

Suguro hatte diesen alten Priester seit seiner Kindheit gekannt. Vor dem Krieg hatte er sich im Armenviertel von Osaka als Lumpensammler betätigt und sich dabei gleichzeitig um die Kranken und Waisen gekümmert, ein Sonderling, der bei den Japanern nach dem mittelalterlichen wohltätigen buddhistischen Priester Ryōkan stets nur der »Ryōkan aus der Fremde« hieß. Stand man ihm gegenüber, dann schmolz angesichts der weinfarbenen Augen und des babyhaft lächelnden Antlitzes selbst das verstockteste Herz. Jedes Mal, wenn Suguro ihn sah, fiel ihm das Bibelwort ein: »Selig sind die Sanftmütigen.«

Dieser bejahrte Priester hatte eines Tages mit tieftrauriger Miene ganz leise zu ihm gesagt: »Über Neujahr habe ich dein Buch gelesen. Es ist voller schwieriger Schriftzeichen, aber ich habe es gelesen. Darf ich dich etwas fragen?«

»Bitte!«

»Warum schreibst du keine Geschichten, die schöner sind und hübscher?«

Diese Worte und die tieftraurige Miene hatten Suguro auch dann noch im Herzen wehgetan, als er später in seinem Arbeitszimmer saß und den Bleistift über das Papier gleiten ließ. Trotzdem hatte er aber auch danach nicht eine einzige lichte und erbauliche Geschichte geschrieben. Immer wieder hatte er die schwarzen, düsteren und hässlichen Seiten der Gestalten in seinen Werken nachgezeichnet. Als Schriftsteller konnte er keine der Welten, die zum Menschen gehörten, totschweigen oder übersehen. Und während er die finstere Seele seiner Gestalten beschrieb, war ihm, als geriete er selber in eine ebenso finstere Gemütsverfassung. Um ein hässliches Herz zu beschreiben, brauchte man selber ein hässliches Herz. Um Eifersucht zu beschreiben, musste er sich selber besudeln und sein Herz mit Eifersucht durchtränken. Je mehr er darüber schrieb, desto deutlicher wurde ihm, welch ein übler Gestank dem Innern eines Menschen entströmen kann. Und so gab es dann auch eine Zeit, in der er ständig an das Gesicht und die Worte des alten Priesters denken musste: »Warum schreibst du keine Geschichten, die schöner sind und hübscher?«

Die Jahre gingen dahin, und Suguro glaubte, für sich eine Antwort auf dieses Problem gefunden zu haben. Er sagte sich nämlich, dass wahrer Glaube auch mit den dunklen Melodien, den hässlichen Klängen und schrecklichen Tönen des menschlichen Herzens fertigwerden sollte. Diese unbestimmte Ahnung war ihm beim Schreiben seiner Bücher fast zur Gewissheit geworden, und das erlöste ihn schließlich aus seiner Unruhe.

»Das Besondere an Suguros Schaffen ist, dass er in dem, was man in seiner Religion Sünde nennt, einen neuen Sinn und Wert entdeckte. Areligiös, wie ich bin, habe ich leider nicht die geringste Ahnung davon, was Sünde ist …« Hier unterbrach sich Kano und schob ein ironisches Schweigen ein. Verführt von diesem Schweigen, lachten wieder einige der Zuhörer.

»Nach einer Zeit des Herumtastens im Dunkeln, in der Suguro mit Vorliebe von der Sünde des Menschen schrieb, ist es ihm gelungen, in seinen Werken zu zeigen, dass sich in der Sünde das Verlangen nach Wiedergeburt verbirgt. Welcher Art die Sünde auch sein mag, stets birgt sie den menschlichen Wunsch, einen Ausweg aus dem erstickenden Leben der Gegenwart, aus dem Dasein überhaupt zu finden, so sagt Suguro. Meiner Meinung nach liegt hierin die Originalität Suguros, und dieser originelle Gedanke findet ausgereift seine Darstellung in Suguros neuestem Buch.«

An dieser Stelle schlug Kano einen sehr zu Herzen gehenden Ton an, als übermannten ihn Erinnerungen an längst vergangene Tage.

»Vor über dreißig Jahren lernten wir uns kennen, und wenn ich es mir recht überlege, dann glaube ich, dass Suguro sich in den letzten zehn Jahren in einer Gemütsverfassung befindet, wie sie unser Dichter Bashō mit den Worten umschrieb: ›Keiner begleitet mich länger auf den Pfaden im herbstlichen Dämmern.‹ Hat von uns Schriftstellern jemand die fünfzig überschritten, lässt er sich nicht länger von dem beeinflussen, was alte Freunde schreiben, selbst wenn er davor den Hut zieht. Ihm bleibt eigentlich nichts anderes mehr, als bis zu seinem Tode den eigenen Acker Spatenstich für Spatenstich umzugraben. Ich glaube, da geht es Suguro ebenso wie mir.«

Nachdem er alle dazu gebracht hatte, ihm aufmerksam zu lauschen, kam Kano zum Schluss.

Kurimoto, der Lektor, der Suguro vorhin in den Saal geführt hatte, stand hinter den Stuhlreihen für die Gäste. Seine Aufgabe war es, zu spät Gekommene zu einem Platz zu geleiten, aber er wollte auch dabei sein, wenn Suguro der Preis überreicht wurde. Und Suguro seinerseits wollte sich nachher bei dem jungen Mann, der ihm so selbstlos und unauffällig bei der Arbeit geholfen hatte, ausdrücklich bedanken.

Neben Kurimoto stand eine Lektorin eines anderen Verlages. Wie sie hieß, wusste Suguro nicht, aber er erinnerte sich, dass er dieser kleinen Person mit den Lachgrübchen in dem niedlichen Gesicht schon öfter auf den Korridoren jenes Verlages begegnet war. Hinter Kurimoto und der jungen Frau sah er noch ein Gesicht.

Suguro blinzelte. Das war zweifellos sein eigenes. Ein Lächeln glitt darüber hin, ob ein unverbindliches oder ein höhnisches, das war nicht recht auszumachen. Er blinzelte noch ein paarmal. Hinter Kurimoto und der Lektorin aber stand niemand.

 

Die Party begann.

Hier und dort bildeten sich einzelne kleine Gruppen um bekannte Schriftsteller und Zeichner. Als Suguro die Augen schloss, hörte er aus lautem Gelächter und tausenderlei Geräuschen das Klappern von Schuhen heraus, es klang, als würde etwas in einem Mörser zerstoßen. Auch vor den Ständen mit Reishappen und Buchweizennudeln entlang der Wände sammelten sich Gäste, unter ihnen fielen die hellgesichtigen Hostessen, die zum Aushelfen gekommen waren, besonders auf.

»Vielen Dank für deine schöne Rede«, sagte Suguro und klopfte Kano, der ein paar Verlagsleute mit seinen Späßen unterhielt, auf die gekrümmte rechte Schulter.

»Meinst du, dass ich den richtigen Ton getroffen habe?«, erwiderte Kano, wechselte aber sofort das Thema, um seine Verlegenheit zu überspielen. »Du siehst schmal aus. Ist alles in Ordnung?«

»Ich denk schon. Aber du weißt ja, in unserem Alter darf man sich nicht wundern, wenn es mal hier, mal dort aushakt.«

»Genau davon haben wir eben gesprochen. In letzter Zeit lässt bei mir das Gedächtnis merklich nach. Selbst an ein Buch, das ich gerade gelesen habe, kann ich mich manchmal nicht mehr erinnern. Und jetzt, hier auf der Party, fällt mir mitunter einfach nicht der Name ein, wenn mich jemand anspricht.«

»Das geht mir genauso.«

»Erst die Augen, dann die Zähne und meistens noch was, sagt man ja. Bei mir sind’s die Augen, das Gedächtnis und die Zähne. Abgesehen vom Herzen, das schon vorher nicht in Ordnung war.«

»Und was ist mit dem anderen?«, fragte einer der jungen Lektoren.

»Mit dem anderen? Da sieht’s ganz mies aus. Und bei dir, Suguro?« Auf einmal blitzte der Schelm aus seinen Augen. »Aber du warst ja schon immer ein Christ und nennst außerdem die beste Frau der Welt dein Eigen. Eigentlich hast du nie so richtig einen draufgemacht, bevor du in die Jahre gekommen bist. Oder hast du’s uns gegenüber bloß nicht durchblicken lassen?«

»Soll ich vielleicht vor euch Geheimnisse lüften, von denen nicht mal meine Frau weiß?«

Im Unterschied zu früher wusste Suguro jetzt recht gut, wie er zu reagieren hatte, wenn ihn die anderen aufzuziehen versuchten.

Nach einer Weile verließ er die Gruppe, um noch den einen oder anderen zu begrüßen. Segi und Iwashita, die beiden großen alten Männer der literarischen Bühne, plauderten lachend miteinander.

»Suguro, für mich ist dein neues Buch das Beste, was du bisher geschrieben hast«, lobte der Kritiker Iwashita und umarmte ihn, das Weinglas in der Hand, mit gerötetem Gesicht. Iwashita war ihm nicht nur im literarischen Geschäft ein paar Jahre voraus, sondern hatte auch dieselbe Universität besucht und glaubte deshalb immer, Suguro unter seine Fittiche nehmen zu müssen. »Na, es stimmt doch?«, sagte er in einer Weise zu Michio Segi, wie er Kritiker, als wolle er, dass dieser ihm beipflichte.

»Ja, schon! Was nicht heißt, dass ich nicht den einen oder anderen Einwand hätte«, meinte der kleine, rundliche Segi mit einem gezwungenen Lächeln. »Aber da heute gefeiert wird, lassen wir das mal lieber.«

»Mach dir nichts draus! Segi ist immer sehr streng.«

»Was soll man als Kritiker sonst sein?«

Solche Wortgeplänkel sind bei Literaten nun mal üblich. Gleiches und Ähnliches hatte Suguro dreißig Jahre lang auf Partys, in Bars und bei Diskussionen schon unzählige Male gehört. Und während er von dem Whisky mit Soda, den ihm eine Hostess gereicht hatte, nur der Form halber nippte, überlegte er, wenn Segi an seinem jetzigen Buch etwas zu kritisieren habe, was es wohl sein könnte, und glaubte es dann auch zu wissen. Aber, soll er doch! Treffen wird er mich damit nicht – mit diesem Gedanken wappnete er sich, während er ein Lächeln aufsetzte. Ich habe mit diesem Buch mein Leben und mein Schreiben zu einem gewissen Abschluss gebracht. Da kann einer sagen, was er will, ändern wird sich daran nichts.

Er musste in dem Moment an die Worte Kurimotos denken, der von dem Kreis, der sich geschlossen hatte, sprach, und er fühlte wieder eine leichte Befriedigung. Als jemand kam, um die beiden alten Herren zu begrüßen, nutzte Suguro die Gelegenheit, sich einer anderen Gruppe zuzuwenden.

»Hallo! Großer Meister!«, sagte da eine ihm selbst vom Sehen her völlig unbekannte, etwa achtundzwanzigjährige Frau und zog ihn ungeniert am Jackett. Sie lachte ihn an. Ihre Vorderzähne waren mit Lippenstift beschmiert. In der rechten Hand hielt sie eine brennende Zigarette, in der linken ein Glas mit verdünntem Whisky. »Sagen Sie bloß, Sie haben mich vergessen?«

Suguro blinzelte. Kano hatte schon recht, sie waren in einem Alter, wo es einem schon mal passierte, dass man sich weder an den Namen noch an das Gesicht einer Person erinnerte, die man nur ein- oder zweimal gesehen hatte.

»Das find ich aber gar nicht nett von Ihnen«, sagte die Frau nun in einem ungenierten Ton und lachte. »Wir sind uns doch in Shinjuku begegnet. Als wir auf der Straße Porträts malten …«

»In Shinjuku? Wo da?«

»Na, in der Kirschgasse! Denn so ganz ohne sind Sie ja auch nicht.«

»Sie müssen mich mit jemandem verwechseln. Ich bin nie in einer Kirschgasse gewesen.«

»Na, Sie sind mir vielleicht einer! Haben Sie etwa nicht versprochen, sich unsere Ausstellung anzusehen? Meine Freundin hat Sie doch porträtiert. Und danach …«

Sie zwinkerte Suguro vielsagend zu, wobei sie ihn immer noch am Jackett festhielt. Ist sie betrunken?, fragte er sich.

Mit ihren lippenstiftbeschmierten Zähnen konnte man sie für eine gescheiterte Schauspielerin oder für eine angehende Modeschöpferin halten, wie sie in den Gassen von Shinjuku und Roppongi herumstrichen.

»Sind Sie sicher, dass Sie mich nicht mit jemandem verwechseln?«

»So ist das also! Ich verstehe. Dass Sie sich nachts an solchen Orten mit uns herumtreiben, soll niemand wissen. Weil Sie ein Christ sind! Natürlich, das wahre Gesicht und das, das man sonst zur Schau trägt, muss man schön auseinanderhalten …«

Suguro zerrte an seinem Jackett, um sich mit Gewalt aus dem festen Griff der Frau zu befreien und zu einer anderen Gruppe zu gehen. Instinktiv verzog er sein verkrampftes Gesicht zu einem gekünstelten Lächeln, als der Fotograf eines Zeitungsverlages seine Kamera auf ihn richtete und das Blitzlicht auslöste.

»Sieh einer an! Das haben Sie aber noch fein hingekriegt«, spottete die Frau von der Seite her. »War das nun ihr wahres Gesicht oder das, das Sie sonst immer zur Schau tragen?«

Die in der Nähe stehenden Gäste wandten sich nach ihnen um und richteten unverhohlen ihre Blicke auf Suguro. Um zu zeigen, dass ihm das überhaupt nichts ausmachte, zuckte er für alle sichtbar mit den Achseln, aber ein Lächeln gelang ihm nur unter großem Zwang. Kurimoto sprang herbei und schob die Frau recht unsanft aus dem Saal. Als er zurückkam, sagte er: »Entschuldigung. Wer die wohl hierhergebracht hat? Ich habe sie soeben in den Fahrstuhl verfrachtet, und nun ist sie weg.«

»Eine schöne Bescherung. Die ließ überhaupt nicht wieder locker …« Suguro sorgte sich, Kurimoto könnte ernstlich Zweifel an ihm hegen. »Sie behauptete doch glatt, wir wären uns nachts in Shinjuku in der Kirschgasse begegnet.«

»Ja, und sie wurde ziemlich laut.«

»Sagen Sie mal, wo ist denn die Kirschgasse überhaupt?«

»Im Kabuki-Viertel …« Kurimoto stockte. »Da reiht sich Peepshow an Peepshow und Pornoladen an Pornoladen.«

»Und die beschuldigt mich, ich hätte mich dort rumgetrieben.«

»Das hat sie draußen noch mal wiederholt. Aber ich habe ihr kräftig die Meinung gesagt und ihr klargemacht, dass man Sie niemals in so einer verrufenen Gegend finden würde.«

Suguro nickte beruhigt. Kurimoto würde das in seiner Redlichkeit entschieden von sich weisen, falls jemand auf der Party das Gespräch eben mit angehört haben sollte. So etwas konnte doch gar nicht stimmen …

 

Der Regen hatte aufgehört, aber auf der Straße standen noch überall Pfützen. Das Wasser spritzte hoch auf, als ein leeres Taxi nach dem anderen vorbeifuhr. Die Frau, die soeben noch nach einem Taxi gewinkt hatte, schien es sich anders überlegt zu haben, denn sie lenkte ihre Schritte in Richtung Hauptbahnhof. Ein Windstoß fuhr ihr unter das schwarze Regencape. Bei dem Anblick wurde Kobari, der ihr folgte, an eine Fledermaus erinnert, die ihre Schwingen ausbreitet.

Dicht vor dem Eingang zur U-Bahn sprach er sie an: »Das war ja ein tolles Ding vorhin.« Sie blieb stehen und straffte ihren ganzen Körper. »Was ist das für eine Art, jemanden mit Gewalt in den Fahrstuhl zu schieben! Dabei waren Sie doch bestimmt auch eingeladen.«

»Wer sind Sie überhaupt?«

»Verzeihen Sie, ich bin Reporter bei einem Wochenmagazin und will auch gar keinen Hehl daraus machen, dass die Zeitschrift, für die ich arbeite, nicht ganz so vornehm ist wie das, was der Verlag herausbringt, der den Empfang heute gegeben hat. Aber dafür sprüht sie vor Lebenskraft!« Ohne weitere Überleitung begann er dann seine Fragen in einer Art und Weise zu stellen, wie es dem Wesen seines Berufes entsprach.

»Was Sie da vorhin erzählt haben, war doch glatt gelogen? Ich meine, Ihre Behauptung, dass sich unser Herr Suguro an fragwürdigen Orten in Shinjuku amüsiert. Das nehme ich Ihnen nicht ab.«

»Wenn Sie meinen, dass es nicht stimmt, bitte schön, wie Sie wollen. Bloß, dann brauchten Sie mich ja gar nicht erst zu fragen.«

»Also, wenn die Geschichte wahr ist, dann rücken Sie mal raus damit. Ich würd auch was springen lassen.«

»Damit Sie Bescheid wissen, mit Gemeinheiten, da ist bei mir nichts. Sie wollen doch bloß Ihre Story, oder …«

»Aber nein, wirklich nicht«, beeilte sich Kobari zu versichern. »Ich will nicht darüber schreiben. Mich interessiert nur ganz privat, ob der Herr Suguro tatsächlich an solchen Orten zu finden ist oder nicht.«

»Warum, meinen Sie wohl, sollte ich vorhin gelogen haben? Wo er mich doch selber zu der Party eingeladen hat.«

»Was? Er hat Sie eingeladen? Entschuldigung, wenn ich da noch mal nachhake – wir reden von Herrn Suguro?«

»Ja, na klar.«

»Und wo in der Kirschgasse haben Sie ihn getroffen?«

»Vor dem Lokal ›Süßer Honig‹. Da ist er nämlich rausgekommen.«

»Und Sie sind wirklich Malerin?«

»Ja, ist das vielleicht was Schlechtes?«

»Und Sie stellen auch aus?«

»Weshalb fragen Sie?«

»Weil man Sie unter Umständen in der Zeitschrift, für die ich arbeite, als neues Talent vorstellen könnte.«

Sie nahm zwar die Visitenkarte, die er ihr jetzt rasch gab, sagte dabei aber mit einem Rest von Zorn in der Stimme: »In der Nähe der Straße ›Unter dem Bambus‹ in Harajuku werde ich ausstellen, ab Siebenundzwanzigsten.«

»Na, wunderbar! Und nun erzählen Sie mir mal ein bisschen was!«

Als Kobari diesen plump vertraulichen Ton anschlug und der Frau die Hand auf die Schulter legte, streifte sie ihr Cape ab, wohl um sich von ihm zu befreien, und rannte die Straße hinunter.

»Wenn Sie mir schon weglaufen, dann schicken Sie mir wenigstens eine Einladung zu Ihrer Ausstellung«, rief er ihr nach, aber da war sie schon unten an der Treppe angelangt und augenblicklich verschwunden.

Aha! Also doch!, sagte er sich, denn die vagen Vermutungen, die ihm seit Langem jedes Mal kamen, wenn er ein Foto von Suguro in einer Zeitung oder einer Zeitschrift sah, schienen sich nun zu bestätigen.

Jetzt war er weit weg von der Literatur, aber in seiner Studentenzeit hatte er ernsthaft daran gedacht, selbst einmal Schriftsteller zu werden. Und schon damals waren ihm die Werke eines Suguro mit ihrem Geruch von Religiosität irgendwie unsympathisch gewesen. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das alles bloß Schönfärberei war.

Als Student hatte er sich für den Materialismus begeistert und Religion für Opium gehalten, weshalb ihm Leute wie Suguro Unbehagen einflößten, denn für ihn waren sie Volksbetrüger.

Dieses Gefühl hing auch mit Erinnerungen aus seiner Kindheit zusammen: In einer nahe gelegenen protestantischen Kirche gab es einen englischen Konversationszirkel, daran hatte er öfter teilgenommen. Aber die Lehrerin dort, eine bebrillte, flachbrüstige Missionarin, schien etwas gegen ihn zu haben, denn sie kränkte ihn so manches Mal mit ironischen Bemerkungen, was nur daher kam, dass er ausschließlich zum Englischunterricht erschien und nach Hause ging, sobald der Pastor zu predigen begann. Seither assoziierte Kobari Religion mit jener Frau.

Er stieg die Treppe zur U-Bahn hinunter. Doch die Malerin war nirgends mehr zu sehen, weder vor den Fahrkartenautomaten noch auf dem Bahnsteig der Hibiya-Linie. Aber eigentlich war er auch viel zu sehr damit beschäftigt, die Freude auszukosten, die in ihm aufwallte. Einen Schriftsteller, der sich in seinen Werken so glaubwürdig gab, vom Podest herunterzuholen, war für ihn als Klatschkolumnist eine lohnende Sache. Dabei fiel ihm ein, dass ein älterer Kollege von ihm seinerzeit den Ministerpräsidenten Kakuei Tanaka aus Amt und Würden vertrieben hatte.

»›Süßer Honig‹! ›Süßer Honig‹!«

Wie ein Lied sagte er den Namen des Lokals, den ihm die Frau genannt hatte, einige Male vor sich hin, bis der Zug in den Bahnhof glitt.

Der Wagen war erfüllt vom üblen Geruch der Mühsal des Lebens. Kobari stand, an einen Haltegriff geklammert, vor einem Mädchen, das vor sich hin schlummerte, die Beine liederlich gespreizt, sowie vor einem Mann in mittleren Jahren, der in eine Pferdesportzeitung rote Kreise malte, und ließ in Gedanken die Party noch einmal Revue passieren.

Er hatte sich dort eingeschmuggelt in der Hoffnung, Stoff für eine Geschichte zu finden, und war gerade gekommen, als die Frau Suguro am Ärmel packte. Die Bestürzung Suguros war unverkennbar mehr als nur eine augenblickliche, in der Situation begründete Verlegenheit. Das zeigte, dass die Frau eben doch nicht gelogen hatte. Verfluchter Heuchler …

Er fühlte sich in seinem lang gehegten Misstrauen gegenüber den Büchern Suguros bestätigt. Der Mann, der in Peepshows verstohlen nackte Frauen betrachtete und in anrüchigen Lokalen Mädchen begrapschte, reihte mit derselben Hand auf dem Papier vornehme Wörter aneinander.

Das Jackett, an dem die Frau Suguro gezerrt hatte, war offenbar vom Besten und Teuersten. Und Hass stieg erneut in Kobari auf, als er dabei an seine eigene Kleidung dachte. Er starrte auf die stockfinsteren Fenster der Untergrundbahn. Zu Hause hockte er sich neben die im Schlaf wie hingelümmelt daliegende Frau, mit der er zusammenlebte, und trank den Rest aus der Whiskyflasche.

 

Zwei, drei Tage später machte Kobari sich nach Shinjuku ins Kabuki-Viertel auf, dorthin, wo es, wie er aus eigener Anschauung wusste, die meisten Peepshows und türkischen Bäder gab. Den »Süßen Honig« ausfindig zu machen, bereitete ihm keine große Mühe. Dieses Lokal befand sich in einem Gebäude, bekannt als Porno-Warenhaus, mit Kinos, Zeitschriftenständen und türkischen Bädern in den einzelnen Etagen. Er betrat den Fahrstuhl früh am Abend, zu einer Zeit also, da sich Kundschaft erst spärlich einstellte, und trotzdem roch es schon ein bisschen ranzig nach Männern.

Kobari zeigte dem Portier vom »Süßen Honig« ein Foto Suguros, das er aus einer Anthologie ausgeschnitten hatte, und fragte: »Kommt dieser Mann oft hierher?«

»Wir haben so viele Gäste, da erinnert man sich nicht an jeden einzelnen«, antwortete der Portier und schüttelte den Kopf.

Es schien selbst bei dieser Art von Leuten zur Berufsehre zu gehören, über ihre Gäste nichts zu verraten, solange nicht gerade jemand von der Polizei kam und Fragen stellte. Und auch als er sich dann noch an ein paar andere Leute aus dem Hause wandte, bekam er mit dem gleichen, Unwissen vortäuschenden Lächeln immer dasselbe zur Antwort.

Aber nicht nur diese Männer maßen ihn mit geringschätzigen Blicken. Als er einem alten Freund, mit dem er zusammen in seiner Universitätszeit eine kleine Zeitschrift herausgegeben hatte, die Worte der Frau wiederholte, hatte der mit recht verdrossener Miene gesagt: »Und an so was glaubst du wirklich?« Kobari hatte sich in dem Augenblick eigentlich Zuspruch erhofft und deshalb etwas enttäuscht zurückgefragt: »Wie meinst du das?«

Darauf hatte der andere ziemlich verächtlich entgegnet: »Auch du hast dir offenbar eine ganze Portion Schuftigkeit zugelegt. Macht dir das etwa Spaß, mit aller Gewalt einen Skandal vom Zaun zu brechen, ohne etwas Hieb- und Stichfestes in der Hand zu haben, und einen Schriftsteller wie Suguro in den Dreck zu ziehen? Aber das scheint im Journalismus ja heute Mode zu sein.«

Kobari war verärgert, aber als er dann daran dachte, dass er ganz allein über eine Bombe verfügte, um die Leser aufzuschrecken, durchfuhr ihn eine unaussprechliche Freude.

 

Wenn Kobari mit Leuten aus seiner Branche einen trinken wollte, um mit ihnen Absprachen zu treffen, begab er sich nach Möglichkeit in die Goldene Gasse in Shinjuku. Sein Heimweg führte ihn dann immer durch das Kabuki-Viertel. Doch sooft er seine Schritte auch dorthin lenkte, er begegnete weder Suguro noch dieser Malerin. Und irgendwie hatte er sich mittlerweile schon damit abgefunden, dass aus der ganzen Geschichte nichts wurde. Aber als er sich eines Abends zu bereits ziemlich später Stunde aus dem Automaten im Bahnhof eine Fahrkarte holte und dabei unversehens aufblickte, da stockte ihm der Atem. Denn er sah einen Mann, dessen Profil dem Suguros sehr ähnelte, mit einer bebrillten Frau zum Taxistand eilen. Er pfiff auf das Wechselgeld aus dem Automaten und rannte den beiden hinterher, aber sie waren schon in ein Auto gestiegen. Schnell nahm auch er sich ein Taxi. »Dem Wagen vor uns hinterher!«, drängte er den Fahrer.

Durch das Rückfenster des Wagens vor ihm sah er, wie die Frau mit der Brille ihren Kopf an die rechte Schulter des Mannes lehnte. Das Taxi bog von der Stadtautobahn in Richtung Yoyogi ab, woraufhin der Fahrer mit einiger Verlegenheit in der Stimme fragte: »Die Gäste in dem Wagen da vorn scheinen in ein Stundenhotel zu wollen, von denen sich hier in der Gegend eins ans andere reiht. Soll ich noch länger dranbleiben?«

»Ja, natürlich! Und ein Stückchen vor ihnen halten Sie dann!«

Kaum waren sie nach Yoyogi eingebogen, da kam der Wagen vor ihnen auch schon vor dem großen Gartentor eines villenartigen Hauses zum Stehen. Kobaris Taxi fuhr, ohne dass es groß Aufmerksamkeit erregte, daran vorüber und stoppte siebzig, achtzig Meter weiter. Da waren aber die beiden aus dem ersten Auto bereits ausgestiegen und verschwunden. Kobari ging sich das Haus angucken. »Hotel zum Schwan« nannte es sich. Hinter dem Tor standen, in tiefschwarzes Dunkel getaucht, dicht an dicht Himalaja-Zedern bis hinauf zum Hauseingang. Kobari fragte beim Empfang nach, aber er wurde recht unfreundlich behandelt. Nein, hieß es, so ein Gast habe sich bei ihnen nicht einquartiert.

 

Suguro begab sich täglich von seinem Zuhause in sein Studio, das er sich in der Nähe von Harajuku gemietet hatte. Im Unterschied zu seinen Freunden konnte er nämlich nicht in Hotels oder Pensionen arbeiten. Um sich konzentrieren zu können, brauchte er einen Tisch, an den er gewöhnt war, in einem Zimmer, das vom Geruch seines eigenen Körpers erfüllt war.

Aber nicht nur das. Aus langjähriger Erfahrung wusste er, das Zimmer musste klein und düster sein und dazu eine bestimmte Luftfeuchtigkeit haben. Sein Studio hatte eine Küche, ein Bad und außerdem drei Zimmer, von denen ihm das größte als Empfangszimmer diente, wo er sich mit Verlags- und Presseleuten zu treffen pflegte. Im mittleren Zimmer schlief er, wenn er bis spät in die Nacht hinein gearbeitet hatte. Der Raum, in dem er schrieb, war von der ausländischen Familie, die vor ihm hier gewohnt hatte, wahrscheinlich als Abstellkammer genutzt worden. Da kaum einmal ein Sonnenstrahl hereinfiel, und vor dem Fenster dicke Gardinen hingen, musste selbst am Tag die Tischlampe brennen. Aber genau diese Atmosphäre entsprach Suguros unbewusst gehegten Wünschen, und deshalb hatte er diesen Raum zu seinem Arbeitszimmer gemacht.

Der Bildreporter M., der im vergangenen Jahr gekommen war, um in seiner Serie zum Thema »Das Atelier eines Schriftstellers« diesen Raum zu fotografieren, hatte nach ein paar Bemerkungen Suguros sogleich gemeint: »Das hier erinnert sehr an den Schoß einer Frau. In Ihnen, lieber Suguro, steckt sicherlich das starke Verlangen nach einer Rückkehr in den Mutterleib.«

M. hatte sich dann näher darüber ausgelassen und ihm erklärt, dass sich hinter solch einem Verlangen der geheime Wunsch verberge, in einen Zustand zurückzukehren, da sich in der Gebärmutter das Leben noch nicht zu regen begonnen habe, in einen Zustand also, da man selber noch im Amnionwasser schlummerte. Anders gesagt, ließ es sich vielleicht auch als ein Verlangen bezeichnen, das mehr auf den ewigen Schlaf und den Tod denn auf das Leben abziele.

Jeden Morgen, wenn Suguro das Appartement aufgeschlossen, dieses kleine Zimmer betreten und sich in den Sessel, der ihm schon viele Jahre diente, gesetzt hatte, richtete er als erstes seinen Blick auf das an der Wand hängende Foto seiner verstorbenen Mutter. Dann betrachtete er liebevoll die Tischlampe, die gleichmäßig tickende Standuhr und das aus China stammende Behältnis für Schreibutensilien. Der Gesichtsausdruck der Mutter auf dem Bild kam ihm jeden Tag anders vor. Mal schien sie fröhlich dreinzublicken, mal mürrisch. Aber unabhängig davon spürte Suguro stets, dass die tote Mutter in seinem Leben tiefe Spuren hinterlassen hatte. Auch dass er die Taufe empfangen hatte, verdankte er ihr. Jedenfalls hatte er hier in diesem Raum nun schon über zehn Jahre lang wie eine Ameise, die ihre Nahrung Körnchen für Körnchen zusammenträgt, in tagtäglicher mühevoller Arbeit seine Romane vollendet: »Die Stimme des Schweigens«, das zu seinem Hauptwerk wurde, und dann »In der Wüstenei« und »Der Bote«.

Anderen Schriftstellern erging es vielleicht genauso; für ihn jedoch war das Schreiben eines Buches gleichzeitig so etwas wie das Vordringen in ein fremdes Land, von dem er nicht einmal eine Karte besaß. Er war ein vorsichtiger Mensch und zog nie aus, ohne eine solche Reise gründlich vorbereitet zu haben, was bedeutet, dass er das Thema genau studierte und sich Zeit fürs Materialsammeln nahm. Trotzdem wusste er dann häufig nicht, wohin ihn die Reise am Ende führen würde. So manches Mal war er während der letzten fünfzehn Jahre hier in diesem Zimmer zu gefahrvollen Unternehmungen aufgebrochen, bei denen er sich vorwärtstasten musste, weil er im Dämmerlicht lediglich den Ausgangspunkt vor sich sah, und sogar den nur ganz verschwommen, während der Weg selber in völliges Dunkel gehüllt war.

Auch nach der Preisverleihung durchlitt Suguro in seinem Arbeitszimmer wieder die gleichen Qualen wie vorher. Um sich den Plan für eine neue Erzählung zurechtzulegen, saß er bei geschlossenem Vorhang mit gekrümmtem Rücken wie ein Uhrmacher im trüben Schein der Stehlampe vor seinem Tisch und machte sich Notizen, aber er fand nicht wie sonst zur Sache.

Bei aller Mühe, die sie ihm bereitete, liebte er diese stille, handwerklichem Schaffen ähnelnde Arbeit, bei der nur das Rascheln von Papier und das Kratzen des Bleistiftes zu hören war, und normalerweise widmete er sich ihr mehr als den halben Tag lang. Aber diesmal stellte sich keinerlei Freude daran ein.

Er legte den Bleistift beiseite und versuchte, den Unmut und die Besorgnis, die ihn am Arbeiten hinderten, zu vertreiben.

Das Gesicht und die Worte der betrunkenen Frau, mit der er auf der Party aneinandergeraten war, waren ihm so gegenwärtig, als wären sie Tintenflecke auf seinem Finger: »Wir sind uns doch in Shinjuku begegnet … Na, Sie sind mir vielleicht einer! Ich verstehe! Niemand soll wissen, dass Sie sich ganze Nächte mit uns an solchen Orten herumtreiben!«

Jedes einzelne Wort, das zwischen ihren mit Lippenstift beschmierten Vorderzähnen hervorkam, hatte nach Alkohol gestunken und so geklungen, als wären sie beide sehr intim miteinander. Er konnte sich nur über sich selber wundern, dass ihm das Gerede einer völlig betrunkenen Frau derart zusetzte.

Er schüttelte fünf-, sechsmal heftig den Kopf und überlas noch einmal den letzten Absatz in seinem Manuskript. Zuerst schrieb er immer in winziger Schrift seine Sätze auf die Rückseite karierten Manuskriptpapiers, dann korrigierte er sie mit Rotstift, und war eine Arbeit fertig, ließ er sie gegen Honorar von einer Studentin in Reinschrift bringen.

»Es mochte am Alter liegen, dass in letzter Zeit sein Schlaf immer flacher geworden war. Im Verlaufe einer Nacht hatte er mehrere Träume, von denen jedoch jeder allein blieb. Er träumt etwas und wacht danach sofort auf. Dann starrt er eine Weile in das Dunkel und sinnt über den eigenen Tod nach, der nicht mehr fern sein dürfte. Er war in diesem Jahr fünfundsechzig geworden.«

Suguro nahm einen roten Kugelschreiber aus dem Ständer mit den Schreibutensilien und verbesserte die Stelle »von denen jedoch jeder allein blieb« auf »von denen sich jedoch keiner an den anderen fügte«. Beim Korrigieren dachte er daran, dass er zum Thema dieser kurzen Erzählung vielleicht das hohe Alter machen könnte.

Da klingelte das Telefon. Mit einigem Unmut nahm er den Hörer ab, und eine ihm sehr vertraute, todernste Stimme sagte: »Hier ist Kurimoto. Wie geht es mit der Erzählung voran?«

»Ich glaub, die Hälfte hab ich geschafft.«

»Und der Titel?«

»Ich dachte an ›Sein Lebensabend‹.«

Nach kurzem Schweigen nahm Kurimoto wieder das Wort. »Die Sache neulich tut mir leid. Ich meine die Geschichte mit der betrunkenen Frau. Beim Einlass herrschte ziemlicher Andrang, und deshalb habe ich noch immer nicht herausgekriegt, wer sie eigentlich mitgebracht hat.«

»Das dachte ich mir, denn ich kann mich wirklich nicht erinnern, die Frau jemals zuvor gesehen zu haben«, sagte Suguro ganz bewusst mit Nachdruck und wartete gespannt auf die Reaktion Kurimotos, doch der erwiderte lediglich: »Hier bei uns im Verlag ist eine Postkarte für Sie eingegangen, und zwar von jener Frau, wie’s scheint. Als Absender ist der Name Hina Ishiguro angegeben. Und das mit der Straßenmalerin ist offenbar nicht erlogen. Die Karte ist nämlich eine Einladung zu einer Ausstellung.«

»Und woraus schließen Sie, dass es sich um jene Frau handelt?«

»Auf der Rückseite …«, Kurimoto stockte, »steht: ›Sie sind ein Lügner, verehrter Meister!‹ – Was soll mit der Karte geschehen?«

Ich brauche sie nicht, wollte Suguro schon sagen, doch dann zögerte er. Er hatte nicht das geringste Verlangen, die Karte zu sehen, zugleich aber beunruhigte es ihn, dass sich so etwas in Kurimotos Händen befand.

»Ich weiß nicht recht. Ach, am besten Sie schicken mir die Karte«, sagte er und lachte leichthin, damit ihm der junge Mann nichts von seiner Erregung anmerkte.

Nach dem Telefonat war er in noch gereizterer Stimmung als vorher.

So was Penetrantes!

Suguro musste wieder an die Aufdringlichkeit dieser Frau denken, wie sie ihn bei dem Empfang am Ärmel festgehalten hatte, und er spürte vage die Gefahr, dass sich hier etwas zusammenbrauen könnte, wenn er den Dingen ihren Lauf ließ. Um seine innere Unruhe zu vertreiben, blinzelte er ein paarmal, was zu seinen Angewohnheiten gehörte.

Zwei Tage später fand er unter der Post in seinem Appartement die von Kurimoto weitergeleitete Karte. Der Name Hina Ishiguro, der in Pinselschrift auf der Einladung stand, hörte sich in der Tat wie ein Künstlername an. Zu seiner Verwunderung befand sich die Galerie, in der die Ausstellung stattfinden sollte, in der Straße »Unter dem Bambus«, ganz in der Nähe seines Appartements. Auf der Rückseite war, wie Kurimoto gesagt hatte, mit Kugelschreiber hingekritzelt: »Sie sind ein Lügner, verehrter Meister!« Suguro wandte den Blick ab, als hätte er etwas gesehen, das Unglück verhieß, zerriss die Einladung und warf sie in den Papierkorb.

 

»Neulich hatte ich im Traum eine Begegnung mit Ryûnosuke Akutagawa. Mit gesenktem Blick, die Arme verschränkt, saß er in einem abgetragenen Sommerkimono da. Er sprach kein einziges Wort, stand aber plötzlich auf, teilte den Bambusvorhang, der sich hinter ihm befand, und ging in das Nachbarzimmer. Ich wusste, dass dieses Nachbarzimmer die Welt war, in der die Toten wohnten, doch kurz darauf teilte sich der Vorhang ein zweites Mal, und Akutagawa kam zurück.«

Mit gekrümmtem Rücken saß Suguro da und schrieb, dann las er sich den Abschnitt mit leiser Stimme vor, um zu hören, wie die Sätze klangen. Diesen Teil hatte er sich nicht ausgedacht, sondern vor etwa zwei Monaten tatsächlich erlebt, und er erinnerte sich noch sehr gut, wie er mitten in der Nacht von dem Traum erwacht war und seine Frau neben ihm in friedlichem Schlaf geatmet hatte.

Natürlich hatte er seiner Frau nichts von diesem Traum erzählt. Seit ihr einziger Sohn, der in einer Handelsfirma arbeitete, mit seiner jungen Frau nach Amerika gegangen war, pflegte er über Dinge, von denen er meinte, dass sie seine Frau auch nur im Leisesten beunruhigen könnten, kein Wort zu verlieren. Im Unterschied zu anderen Schriftstellern war er eigentlich immer ein guter Ehemann und Vater gewesen, aber nicht etwa deshalb, weil er sich zum Christentum bekannte, sondern weil er wusste, dass das Image eines Dichters, der sich mit dem Flair der Verworfenheit umgab, nicht zu ihm passte. Unabhängig von dem, was er in seinen Werken schrieb, wollte er in seinem Leben wie in seiner äußeren Erscheinung ein ganz normaler Bürger sein. Deshalb vermied er auch alles, was das Zusammenleben mit seiner Frau hätte aus dem Lot bringen können, und bemühte sich, nichts über seine Lippen kommen zu lassen, was dazu angetan wäre, sie in Unruhe zu versetzen.

Zweimal in der Woche kam sie, um sein Studio sauber zu machen. Und war sie da, dann setzte er, anders als zu der Zeit, in der er verbissen an seinen Werken schrieb, die Miene eines Familienvaters auf. Aber das war für ihn nichts Aufgesetztes oder Erzwungenes, das war kein Theater und keine Heuchelei.

Seine Frau hatte Rheuma und litt besonders zur Regenzeit im Frühjahr und Herbst unter starkem Schmerz in den Knien und in den Handgelenken. Geholt hatte sie sich das alles durch die Mühsal der Pflege, als er vor dreißig Jahren lange krank gewesen war und drei Lungenoperationen hatte über sich ergehen lassen müssen. Und so plagte ihn denn ein unsägliches Schuldgefühl, wenn er sie an kalten Tagen das Appartement sauber machen sah. Oft genug hatte er ihr vorgeschlagen, eine Putzfrau kommen zu lassen, doch sie hatte immer nur lachend den Kopf geschüttelt.

In den Jahreszeiten, da ihr die Gelenke nicht schmerzten, gingen sie nach dem Mittagessen mitunter gemeinsam spazieren, und zwar immer dieselbe Strecke. Ihr Weg führte sie die Straße vor seinem Studio hinunter durch den Yoyogi-Park und über die Omotesando-Allee zurück an seine Arbeitsstätte.

Im Park setzten sie sich auf eine Bank und sahen den jungen Leuten zu, die sich im Federballspiel übten. Wenn Suguro dann mit seiner Frau Schulter an Schulter auf der Bank saß, spürte er, auch wenn nichts gesagt wurde, ganz deutlich die tiefe Ruhe, die der Harmonie entsprang, die sich in den mehr als dreißig Jahren ihres Zusammenlebens eingestellt hatte. Als Schriftsteller blickte er in sein Inneres und legte es auf dem Manuskriptpapier bloß, als Ehemann aber gab er über die notwendigen Grenzen hinaus kaum etwas von sich preis, weil er das seiner Frau, die in einer christlichen Familie aufgewachsen war und eine Klosterschule besucht hatte, schuldig zu sein glaubte.