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ISBN 9783743147409

»Let Your Light Shine in the World«

ist eine Buchreihe der

Tupamaros Film Productions

2. Auflage 2016

© Dennis Knickel, 2011

Umschlagdesign: Alexander Mink

Satz und Layout: Dennis Knickel

Buchtitel: Andrea Neudert

Karten: Rebekka Schuch

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Autors

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

www.dennisknickel.com

DENNIS KNICKEL ist mein Name. Ich werde am 27. Oktober 1983 in Mainz geboren und wachse in der rheinhessischen Kleinstadt Alzey auf. Ab 13 nenne ich mich Punk und mit 16 Jahren beschließe ich, fortan vegan zu leben. Kurz vor der Volljährigkeit lasse ich mich auf Mallorca zum Tauchlehrer ausbilden und kehre seitdem immer mal wieder zum Tauchen auf die Mittelmeerinsel zurück. 2003 mache ich Abitur und absolviere danach meinen zehnmonatigen Zivildienst.

Im Alter von 20 Jahren veranlassen mich die Erlebnisse während einer längeren Reise nach Hawaii, diese in Form meines ersten Reiseberichts festzuhalten: »Kaffee, Kiffer, Killerkatzen«. Mit 21 gründe ich die Tupamaros Film Productions und mache Kurzfilme: 2005 die schwarze Komödie »Die Treppe«, 2007 der 30er-Jahre-Gangsterfilm »Die Füchsin« und 2011 das psychologische Liebesdrama »Erinnerungen«.

Mit »Anarchistenherz« folgt 2007 mein zweites Buch. Diesmal war ich in Kuba unterwegs. 2008 ziehe ich nach Berlin. Zwei Jahre später verschlägt es mich als Backpacker für zwei Monate nach Thailand mit Abstechern nach Kambodscha und Malaysia. Mein Bericht von dieser Reise, »Curry-Competition«, ist seit Februar 2011 als Buch erhältlich. Ab 2014 steige ich als festes Ensemblemitglied – genauer: als schauspielender Kameramann – in die kultige 20er-Jahre-Show »Lost Cabaret« ein. Als garstiger Josef Harlanski trage ich neben der Kamera auch einen politisch unkorrekten Schnurrbart durch die Veranstaltung und schneide danach beides: den Bart und die Aufnahmen.

Seit Anfang 2015 bin ich Sänger und Texter der Punkband 6 Gramm Caratillo.

Im selben Jahr veröffentliche ich meinen abenteuerlichen Doppelband über meine Rucksackreise entlang der US-Westküste: »Serendipity – Die unverhofften Glücksfälle eines Backpackers in den USA«. Um die Bücher zu bewerben werde ich zu Deutschlands erstem Straßenleser: Wie ein Straßenmusiker reise ich mit Lautsprecher und Mikrofon durch die Bundesrepublik und lese Passanten aus »Serendipity« vor. 2016 setze ich die Tour fort.

Inhalt

Ein Hinweis des Autors

Liebe Leserin,

lieber Leser,

auf meiner Reise habe ich unzählige Fotos gemacht und auch das ein oder andere Filmchen gedreht. Ich habe mich dazu entschieden, keine Fotos ins Buch zu integrieren, um den Preis niedrig halten zu können. Du hast aber die Möglichkeit, sämtliche Fotos und Videos zu sehen! Schicke hierzu einfach einen Kaufbeleg (Scan oder Kopie der Rechnung) an diese E-Mail-Adresse:

info@dennisknickel.com

Ich werde Dir dann kostenfrei einen Premium-Account auf meiner Website einrichten, der Dir für ein Jahr Zugang zu den Fotos und Videos gewähren wird.

www.dennisknickel.com

Ich freue mich auf Deine Mail!

Und nun viel Spaß mit »Curry-Competition« – mit dem Buch und der Website.

Kleingedrucktes:

Deine Daten werden garantiert vertraulich behandelt und lediglich für die Einrichtung Deines Accounts verwendet. Du kannst Deinen Account jederzeit löschen. Es werden keine private Daten von Dir gespeichert.

Vorwort

Lieber Dennis,

liebe Rebekka!

Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, und somit ist nun eine Trilogie entstanden, deren Teile sich thematisch und inhaltlich schon sehr stark voneinander unterscheiden, auch wenn das Grundthema doch das gleiche ist. Drei Reisetagebücher, die von Euren Erlebnissen während Eurer Reisen berichten, aber doch sehr unterschiedliche Eindrücke und Botschaften übermitteln: Same same … but different!

Das erste Buch über Hawaii entstand hauptsächlich als Zeitvertreib, während Rebekka trotz der Reise eine Arbeit für die Uni schreiben musste. Hier stand der Unterhaltungswert für alle Daheimgebliebenen im Vordergrund.

Das zweite Buch über Kuba entwickelte sich dann zu einer eher kritischen politischen Betrachtungsweise über das Land an sich. Unbeschwerte Heiterkeit wie im ersten Buch trat eher in den Hintergrund, was heißt, dass die Anzahl der Lachanfälle mit Bauchschmerzen beim Lesen etwas geringer ausfiel. Allerdings kann man hier schon eine Tendenz ausmachen, dass die Berichte mehr und mehr zu richtigen Reiseführern mit interessanten Informationen über Land und Leute werden.

Das aktuelle Buch über Thailand ist das bisher umfangreichste und auch wieder so lustig, wie man es von Hawaii bereits gewohnt war. Allerdings fiel mir dieses Mal die Wahl eines passenden Titels bei Weitem am schwersten, was wahrscheinlich auch auf mangelnde Zeit für kreative Tätigkeiten zurückzuführen ist. Aber ein echter Künstler kann auch unter Termindruck Höchstleistungen vollbringen, sodass es mich völlig kalt ließ, als ich von Anrufen und E-Mails seitens des Buchautors bombardiert wurde. Innerhalb weniger Minuten erreichten mich gleich zwei Mails mit den Worten »Ich bräuchte langsam mal einen Titel …« (Mail Nummer 1) »… und ein Vorwort, hihi« (Mail Nummer 2). Dass mich unmittelbar darauf eine fiese Grippe heimsuchte, war, nüchtern betrachtet, eine schicksalhafte Fügung, denn so hatte ich eine Woche lang Zeit, auf dem Sofa meinen Gedanken freien Lauf zu lassen.

Ich konnte die Sonne Thailands in zahlreichen fieberbedingten Schweißausbrüchen förmlich auf meiner Haut spüren und meine Gliederschmerzen dürften in etwa denen entsprochen haben, die Ihr nach Eurer »Thai-Massagierung« empfunden habt. Zur Vervollständigung des fernöstlichen Fieberwahngefühls bereitete ich mir zum Essen einen Curry zu und meine Vertretungshausärztin mit Zusatzbezeichnung »Traditionelle chinesische Medizin« empfahl mir schriftlich zu ihrem Erkältungsteerezept noch »Ruhe und Reis essen«. Das fernöstliche Urlaubsfeeling war somit also nahezu perfekt: Schwitzen, Curry, Ruhe und Reis essen. Als wäre ich mit in Thailand: Same same … but different!

Aber was soll ich sagen, es hat wohl funktioniert und ich kann, wie versprochen, termingerecht meinen Titel und mein Vorwort liefern. Der Titel war wirklich sauschwer. Ich habe die ganze Zeit nach einem Motiv gesucht, das Euch die ganze Reise über irgendwie begleitet hat. Aber dadurch, dass Ihr so viel unternommen und so viele Dinge gesehen habt, ließ sich kein wirklich hervorstechendes Ereignis rauspicken. Dieses Buch ist wirklich eine tolle, ausgewogene Mischung aus einem Reiseführer und vielen schönen kleinen lustigen Geschichten. Auffallend sind die zahlreichen Empfehlungen, aber auch Warnungen, die Ihr allen Backpackern, die Euren Fußstapfen noch folgen mögen, geben könnt. Ich persönlich könnte mir sehr gut vorstellen, Euer Buch als Vorlage für meine eigene Rucksackreise durch Thailand und die angrenzenden Länder zu benutzen. Es gibt Empfehlungen für Ortschaften, Sehenswürdigkeiten, Reiserouten, Unterkünfte und natürlich für Essen und Trinken. Dennis und Rebekka in ihrem »kulinarischen Frankreich«.

Vielleicht hat mich meine eigene Erfahrung mit diesem Thema und meinen beiden Reiseführern dieses Jahr in den USA auch etwas sensibler gemacht. Auf eine Empfehlung hin, die in meinen beiden Reiseführern stand, habe ich ein Diner besucht, in dem ich den miesesten Burger meines Lebens gegessen habe. Seitdem lege ich keinen Wert mehr auf Reiseführer und ihre kulinarischen Empfehlungen – mit Ausnahme derer in diesem Buch: Aufgrund der Erfahrungen, die ich mit Dennis und Rebekka in Berlin bereits gemacht habe, weiß ich, dass man sich auf deren guten Geschmack verlassen kann. Als große Curry-Fans führt ihr doch sicher auch in Berlin Eure eigene Curry-Rangliste, oder?

Und nun »Seiten frei« für Dennis und Rebekka. Die Farangs, denen keine Reise zu weit, kein Meer zu tief, kein Tempel zu hoch, kein Thai-Boxkampf zu hart und kein Curry zu scharf ist …

Danke!

Eure Andrea

Über Bahrain in die Khaosan Road

Tag 1: 23. & 24. Februar 2010

Mein Handy klingelt. Hartnäckig. Irgendwann gehe ich also doch ran: »Weißt du, wo ich bin?«, frage ich meinen Nachbarn Alex.

»Oh, Scheiße. Seid ihr schon unterwegs?«

»Yepp.«

Rebekka und ich sitzen gerade im Flughafen des Königreichs Bahrain, unser erster und einziger Stopp auf dem Weg nach Bangkok. Alex ist übrigens in Berlin. Aber das nur nebenbei. In Deutschland haben wir gerade den kältesten Winter seit Menschengedenken erlebt: Berlin liegt bereits seit circa zehn Wochen unter einer mittlerweile recht dicken Eisschicht. Dass der Schnee liegen bleibt, hat wohl keiner erwartet. Zumindest kam das Eis-und-Schnee-Räumungskommando (presented by Arbeitsamt) erst vor knapp zwei Wochen auf die eisglatten Straßen und bohrt und klopft sich seither Berlins Straßen auf und ab. Zwei Glatteis-Todesopfer gibt es angeblich auch schon zu vermelden.

Wie auch immer: Rebekka und ich wechseln mal eben das Minus- in ein Pluszeichen um und entkommen somit dem sicheren Kältetod.

Nach Hawaii 2004 und Kuba 2007 ist 2010 also Thailand dran. Für zwei Monate mit dem Rucksack durch das Land der leckersten Küche der Welt!

Doch der Reihe nach: Der Bankautomat der Sparkasse verweigert heute Morgen seinen Dienst. Kein Problem, denke ich, am Frankfurter Flughafen wird’s schon einen Sparkassenautomaten geben. Dem ist aber nicht so. Die Deutsche Bank hat in Frankfurt das Monopol auf Geldautomaten! Schweinerei. Kostet Gebühren, da bin ich nicht dabei. Weiteres Suchen hilft jedoch nicht und so entscheide ich mich dazu, mal zu testen, ob mir die PIN meiner VISA-Card noch geläufig ist. Also doch noch zum Geldautomaten, VISA rein, vermutlich richtige PIN eintippen … yeah, kein Meckern … gewünschten Betrag angeben und Auftrag abschicken. Der Automat rumort und arbeitet. Geldzählgeräusche ertönen, der Kartenschlitz öffnet sich wieder und befördert die Kreditkarte nach draußen. Ich positioniere meine Hand vor dem Schlitz, der die Millionen ausspucken soll und warte. Das dauert ja immer ein bisschen länger. In Berlin warte ich an der Sparkasse an der U-Bahn-Station Eberswalder Straße immer gefühlte 30 Sekunden. Hier in Hessen dauert es nicht so lange. Dafür kommt aber auch kein Geld heraus … Äh? Stattdessen leuchtet plötzlich in einem roten Warndreieck »Automat außer Betrieb« auf! Was zum …? Was ist das denn jetzt? Ich rufe die Nummer an, die auf dem Aufkleber am Automaten steht: »Hallo, Dennis Knickel mein Name. Ich wollte gerade bla und blub … Habe ich jetzt 100 Euro abgehoben, aber nicht bekommen oder gibt es den Auftrag nicht?«

Ist anscheinend eine gute Frage, denn der Kollege am anderen Ende weiß auch keinen Rat. Ich soll bei meiner nächsten Abrechnung schauen, ob der Betrag abgebucht wurde. Hmpf. Also geht’s nun ohne allzu viel Bargeld in der Tasche auf die Reise.

Wir fliegen mit Gulf Air. Und nun, da wir den ersten Teil unserer Anreise bereits hinter uns haben, muss ich sagen, dass Gulf Air eine ziemlich coole Airline ist: Bereits bei der Online-Buchung des Flugs wurden wir gefragt, welches Essen wir serviert bekommen möchten. Und da bietet einem Gulf Air eine ziemlich nette Auswahl. Ich bin mir nicht mehr hundertprozentig sicher, aber ich glaube, dass wir tatsächlich »vegetarian without dairy products« anklicken konnten. Was auch immer wir vor vier Wochen angeklickt haben, das Essen ist vegan … und gut! Die Flugbegleiterinnen sind zudem sehr nett, bringen Rebekka und mir als Erste im Flieger das Essen (Vegetarierbonus, das gab’s ja noch nie!) und jeder hat seinen eigenen Fernseher mit einer Auswahl von drei bis fünf Filmen! Hurra!

Rebekka und ich schauen uns »The Invention of Lying« an … in der Gulf-Air-Synchro, wie es scheint. Zumindest haben die Darsteller nicht ihre bekannten Synchronstimmen, sondern werden offensichtlich von Engländern gesprochen. Auf Deutsch! Was für eine Airline. Welch Einsatz! Ich kann mich kaum auf den Film konzentrieren, da ich mir ununterbrochen vorstellen muss, wie der Co-Pilot und die Oberstewardess vorne im Cockpit sitzen und diesen Film live synchronisieren. Mag weit hergeholt klingen, aber diesen Gulf-Air-Leuten traue ich das echt zu. Am Flughafen von Bahrain werden wir vom Captain mit einem: »Cheers!«, aus dem A330 verabschiedet.

Der Flughafen von Bahrain ist klein aber durchaus spektakulär. Die arabische Atmosphäre vermischt sich hier bereits mit pakistanisch / indisch / nepalesischem Flair. In Steven Spielbergs »Catch Me If You Can« sieht man den Tross der verschiedenen Airlines durch das Terminal flanieren. Unterscheiden kann man sie an der Farbe und am Schnitt ihrer Uniformen. Hier in Bahrain funktioniert das quasi genauso. Hier stolzieren allerdings nicht die Besatzungen der Flugzeuge umher, sondern einzelne Familien oder Reisegruppen, die auch alle irgendwie uniform wirken: Zum Beispiel dadurch, dass die arabische Familie wie eine Mischung aus »Lawrence von Arabien«-Epos und koreanischem Horrorfilm (mit viel Wert auf Ästhetik und Farbgebung) wirkt, wenn der Papa mit seinem feinen hellen Zwirn, umringt von in wehende schwarze Tücher gekleideten Damen daherkommt; oder auch die Gruppe von indischen oder nepalesischen Arbeitern, die allesamt die gleich geschnittenen Bommelmützen tragen und somit wie aus einem Märchen entsprungen wirken: Bollywood adaptiert Disneys »Schneewittchen und die sieben Zwerge«. Von Schneewittchen war allerdings nichts zu sehen. Dann gibt es da noch die Ü70-Fraktion aus … ja, von wo kommen die denn? Mit einem spektakulären Auftritt können die Omis meine volle Aufmerksamkeit erhaschen: In pastellfarbenen Roben, die von Material und Schnitt an ein Dirndl aus selbst gemachter Blümchentischdecke erinnern, schweben die Großmütter ins Terminal. Die farbliche Reihenfolge wird optimal eingehalten, sodass ein blasser Regenbogen von Omamas in sympathischen Trachten den Raum erhellt.

Neben diesen schön anzusehenden Menschen in ihren edlen Stoffen und Tüchern gibt es aber natürlich auch die Burkaträger-Fraktion. Seltsamerweise sind die Männer der komplett verhüllten Frauen meist westlich gekleidet, was natürlich einmal mehr die Frage aufwirft: Machen die das freiwillig?

Überhaupt muss mir mal einer erklären, weshalb die eine Hälfte der Bevölkerung hier mit traditioneller Kleidung herumläuft und wieso die andere Hälfte in westlichen Klamotten sein Leben in Arabien zu verbringen scheint.

Auch im Bahrain gibt es Geldautomaten. Also versuche ich es noch einmal hier. VISA rein, PIN eingeben und: Automat kackt ab. Ja, was ist denn hier los? Noch einmal versuchen: PIN eingeben und … »invalid PIN« Ups, fuck. Die Karte kommt zum Glück wieder raus. Der wievielte Fehlversuch war das denn nun? Der Erste? Der Zweite? Oder bereits der Dritte? Lag es in Frankfurt am Automaten oder an der falschen PIN-Nummer? War das Fehlversuch Numero Uno? Das erste Abbrechen hier im Bahrain: meine zweite Falscheingabe? Außerdem wollte ich vorhin mein Essen auch mit VISA bezahlen, was auch nicht funktionierte. Vier Fehlversuche?

Also, um es kurz zu machen, mein Problem ist nun: Kann ich es mir noch einmal erlauben, eine falsche PIN-Nummer einzutippen, ohne dass meine Karte plötzlich gesperrt wird? Ich sehe es schon kommen: Ich bin in meinem kulinarischen Frankreich und habe kein Geld fürs Essen … Super.

Mittlerweile sind wir wieder in der Luft. Vor Kurzem haben wir Dubai überflogen. Den Burj Khalifa und das Burj al Arab haben wir zwar nicht erkennen können, aber dafür die Palmeninseln! Eine dieser Dubai-Aktionen, bei denen man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln kann, es aber insgeheim doch irgendwie auch schon wieder so cool kitschig und bekloppt findet, dass es seinen Reiz hat. Gegen drei Uhr nachts überfliegen wir Dubai und können aus zehn Kilometern Höhe die Palmeninseln sehr gut erkennen. Das ist doch vollkommen schräg, oder? Aber auch durchaus schön.

Nachdem wir Arabien bei Muscat hinter uns lassen, geht es über die Arabische See rüber nach Indien. Im Flugzeug wird man übrigens nicht nur darüber informiert, über welches Land man gerade fliegt, nein, auf dieser Strecke wird dem interessierten Fluggast auch angezeigt, in welcher Richtung Osten ist und wie weit die Kaaba von der momentanen Position entfernt ist. Auf dem Flug nach Bahrain gab es erstgenannte Info leider nicht. Laut Ankündigung sind wir wohl aber unter anderem über den Irak geflogen.

Mumbai tut sich vor uns auf. Eben war noch alles stockdunkel, der Sternenhimmel samt Milchstraße wunderschön am Firmament auszumachen. Und dann kommt Mumbai. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob der Effekt alleine durch diese Metropole entsteht oder ob es auch daran liegt, dass wir direkt gen Sonnenaufgang fliegen, aber Meile für Meile, die wir uns Mumbai nähern, wird es heller und heller. Eine Art Nebel zieht auf (!?) und als wir Mumbai hinter uns lassen, ist da plötzlich die Sonne vor uns. Ein Sonnenaufgang, zehn Kilometer über Mumbai … und Rebekka schläft weiter.

Im Moment überfliegen wir den Golf von Bengalen. Noch zwei Stunden bis Bangkok. Die Spannung steigt und die Müdigkeit wohl auch. Auf diesem Flug gab’s übrigens wieder lecker Essen: grüner Thai-Curry mit indischen Bombay-Potatoes und Papadam, dazu eine Obstschale mit gebratenem Tofu und last, but not least: Tapioca-Pudding. Lecker!

Jetzt schaue ich mal, wann endlich das Frühstück kommt. Höhö! Schöne Grüße aus der Economy Class!

In Bangkok angekommen, verlassen wir nach der Zollkontrolle den Suvarnabhumi International Airport und holen uns ein Ticket für den Bus der Linie AE2, Endstation Khaosan Road. Die Khaosan Road ist die Backpackerstraße. Hier gibt es alles, speziell aber billige Klamotten, die man nicht unbedingt aus der Heimat mitbringt, sondern erst hier kauft und später auf der Heimreise wieder zurücklassen kann. Ich habe mir für die zwei bevorstehenden Monate drei T-Shirts, zwei kurze Hosen, zwei Handtücher, Sandalen und einen Pulli eingepackt. Bereits jetzt denke ich mir aber, dass ich durchaus noch weniger hätte mitnehmen sollen. Rebekkas Rucksack ist ähnlich spartanisch gepackt.

Der Flughafen liegt am Stadtrand Bangkoks. Auf dem Cityhighway geht es in Richtung Innenstadt. Links und rechts säumen etwa alle 500 Meter goldene Statuen, die einem offensichtlich Glück oder Ähnliches bringen sollen, den Straßenrand. Das ist durchaus spektakulär.

Wir verlassen die Schnellstraße, fahren noch etwas durch größere und kleinere Sträßchen, bis wir nach etwa 30 Kilometern die Khaosan Road erreichen.

Die Khaosan Road ist voll. Voll von Touristen, fliegenden Händlern, Hostels, Werbung, Restaurants und Geschäften aller Art. Klingt schrecklich, ist es aber seltsamerweise nicht. Vielleicht liegt es auch nur am mehr und mehr aufkeimenden Urlaubsfeeling, aber ich fühle mich sogar recht wohl hier. Das liegt wohl auch daran, dass man die Schlepper und Verkäufer durch ein einfaches Lächeln in Verbindung mit einem Kopfschütteln und einem: »No«, loswerden kann. Sofort! In Kuba funktioniert das nicht …

Wir setzen uns erst einmal auf die Terrasse eines der vielen Restaurants und trinken etwas. Ich bestelle mir ein großes Lion Beer. Große Biere, weiß ich nun, sind in Thailand keine halben, sondern lässige 0,64 Liter. So in der prallen Sonne, 30–40 °C wärmer als in Berlin, knallt das schon ein bisschen. Mir geht’s gut. Es ist zu laut hier, als dass man hier übernachten möchte. Von daher beschließen wir, die Khaosan Road zu verlassen und uns eine Bleibe rund um den gegenüber der Khaosan Road gelegenen Tempel Wat Chai Chana Songkhram zu suchen. »Wat« heißt Tempel. Die Straße hier heißt Soi Rambuttri, ist vom Prinzip ähnlich der Khaosan Road (Essen, Party, Hostels), dabei aber nicht halb so überlaufen. Und das, obwohl wirklich nur eine Straße zwischen den beiden Backpackerdomizilen liegt.

Wir gehen ins Green Guesthouse. Die Frau an der Rezeption fragt uns, welche Preiskategorie wir wünschen: die Ventilator-und-Gemeinschaftsbad-Kategorie, die Klimaanlage-und-Gemeinschaftsbad-Kategorie oder die Klimaanlage-und-eigenes-Bad-Kategorie. Wir entscheiden uns für die billigste Kategorie. Das Doppelzimmer kostet 290 Baht, was knapp sechs Euro sind. Die Dame drückt uns einen Schlüssel in die Hand und sagt uns, dass wir uns erst das Zimmer anschauen sollen. Das Zimmer besteht die Prüfung und wird gemietet.

Um den Jetlag zu besiegen, gehen wir natürlich noch nicht schlafen. Also setzen wir uns in eines der vielen Restaurants der Soi Rambuttri und schauen dem Treiben auf der Straße zu. Und nach den nächsten 0,64-Liter-Bier bei 30 °C ist die Welt noch schöner. Bisher finde ich unsere noch sehr, sehr junge Reise großartig.

Morgen wollen wir Bangkok vorerst schon wieder verlassen. Unser Ziel heißt Koh Chang, nach Phuket die zweitgrößte Insel Thailands. Wir kaufen uns das Busticket bei einem ziemlich provisorisch wirkenden Ständchen an der Straße. Der Verkäufer trägt einen sehr großen und wild glitzernden Brillie im Ohr und hat einen extrem langen Fingernagel am kleinen Finger der linken Hand. Was er damit macht, möchte ich mir nicht vorstellen. Die linke Hand gilt in Thailand als schmutzig, weswegen man mit ihr so gut wie nichts machen sollte: essen, Hände schütteln etc. Das Ticket ist mit knapp sieben Euro für 300 bis 350 Kilometer extrem billig. Als wir den Verkäufer fragen, ob es sich dabei auch um das »richtige« Koh Chang handelt oder ob dies das Koh Chang bei Ranong an der Westküste sei, macht er »special for you« einen Sonderpreis: Nun kosten unsere Tickets nur noch knapp 5,60 Euro pro Person. Ob es jetzt tatsächlich das Koh Chang nahe der kambodschanischen Grenze ist, werden wir allerdings wohl erst morgen erfahren …

Die Kräfte schwinden langsam und der Hunger wächst. Nach einem kleinen Spaziergang landen wir in einem anderen Restaurant und essen zum ersten Mal richtiges Thai-Food auf thailändischem Boden. Und es schmeckt großartig! Ist allerdings auch chön charf … »Nicht so scharf« heißt auf Thailändisch übrigens »mai pet«. Rebekka wird diese Bitte in Zukunft öfter äußern, während ich mich langsam gen »deadly stomach exploding thai hot« vorarbeiten werde.

Unsere Köpfe liegen schon fast auf den Tischen: Feierabend.

Die Matratze ist steinhart (aber eigentlich gar nicht mal ungemütlich) und der Ventilator bläst die ganze Nacht lang. Es ist wirklich extrem schwül. Nachts um vier werde ich mal wach. Draußen auf der Soi Rambuttri ist noch immer was los. Allerdings scheinen nun nur noch die Einheimischen zu essen und sich zu unterhalten.

Von Bangkok zum White Sand Beach
Tag 2: 25. Februar 2010

S. →

Morgens um halb acht klingelt der Wecker. Um acht Uhr fährt unser Bus nach Koh Chang. Der Mann mit dem langen Fingernagel hat uns gestern gesagt, dass wir in einem schmalen Gässchen direkt vor seinem Ticketstand auf den Bus warten sollen. Kaum haben wir uns an der »Bushaltestelle« hingesetzt, kommt auch schon eine hektische Thailänderin und ruft uns: »Bus? Koh Chang!«, entgegen. Wir springen auf und folgen der kleinen Dame. Ich frage mich schon, ob wir die einzigen Fahrgäste sind, als die flotte Frau auf den nächsten 50 Metern aus allen möglichen Winkeln und Verschlägen weitere Fahrgäste herausbrüllt. »Bus? Koh Chang!«

Jetzt sind es immerhin schon knapp 20 Leute, die mit dem Bus fahren wollen. Todesmutig überquert die Sammlerin eine stark befahrene Straße inmitten einer Kurve, der Tross der Bleichgesichter, einer Entenfamilie gleich, dicht hinter ihr. Allerdings weit ehrfürchtiger. Ein kleiner Roller kommt um die Kurve geschossen, schafft es aber – wenn auch relativ knapp – niemanden mitzureißen. Die Straße ist überquert, alle leben noch.

»Koh Chang?«, fragt die Kamikazespaziergängerin noch einmal und klebt nach erfolgtem Nicken jedem, egal ob Mann oder Frau, zwei runde Aufkleber auf die Brust. Dann werden die Rucksäcke und Koffer in einen der beiden wartenden Busse verfrachtet. Irgendwer kommt auf die Idee zu fragen, ob dies auch wirklich der Bus nach Koh Chang sei. Der Gepäcksortierer verneint dies, woraufhin unser Fräulein schnell zur Hilfe springt und auf den vorderen Bus zeigt: »Koh Chang!«

Geschafft, wir und unsere Rucksäcke sitzen im richtigen Bus. Der Bus ist sehr stylish: Wir fahren in einem Doppeldecker. Der Busfahrer ist in seiner Kabine vollkommen abgeschirmt. Der untere Teil wirkt wie eine Lounge oder der Tourbus einer Band. Es gibt keine gewöhnlichen Zweierbänke, sondern eine einzige herumgehende Sitzbank, die auch mehr wie ein Sofa wirkt. Oben sieht es dann schon wieder gewöhnlicher aus, wobei hier die Sitze noch eine Fußstütze ausfahren, wenn man sich nach hinten lehnt und die Decke aus einem bunt bestickten Stoff mit eingeflochtenen Perlen besteht! Zudem gibt es noch farbenfrohe Lichter. Extrem stylish!

Mittlerweile haben wir auch feststellen dürfen, dass wir das »richtige« Koh Chang ansteuern. Die Fahrt ist beeindruckend: Es dauert ewig, bis wir Bangkok hinter uns lassen. Diese Stadt ist wirklich riesengroß und jede Ecke sieht höchst interessant aus. Auf dem Highway, der »über« der Stadt entlang führt, passieren wir auch unzählig viele Tempel und erstmals verstehe ich, weshalb Gold bei so vielen Menschen solch eine Faszination auslöst. Die Sonne scheint auf die goldenen Kuppeln der Tempel und überall in der Stadt leuchtet das Gold der Tempel kurz auf und strahlt zu uns in den Bus hinein. Es wirkt so erhaben und heilig, zudem noch freundlich und hell, da kann keine Kirche in Europa mithalten.

Ich habe schon des Öfteren gehört, dass man Bangkok entweder liebt oder hasst. Ich denke, obwohl ich quasi noch nichts von der Stadt gesehen und erlebt habe, dass ich zur Fraktion der Liebhaber gehören werde. Allein schon, weil ich die T-Shirts mit dem »I Bangkok«-Aufdruck so cool finde: Man kennt ja die »I NY«-T-Shirts, die spätestens seit dem 11.9.2001 jeder Fünfte im Schrank hängen hat. In Bangkok war man so cool und hat den Aufdruck spiegelverkehrt auf die Shirts gedruckt.

Irgendwann müssen wir dann Bangkok verlassen haben, was man allerdings auch nicht wirklich mitbekommt. Zum einen kann man nicht jedes Schild entziffern, zum anderen geht Bangkok anscheinend nahtlos in das südöstlich gelegene Chonburi über.

Plötzlich stoppt der Bus und ein Thai kommt die Stufen hinauf geklettert: »Ah, the bus break.«

Rebekka hat ihn, im Gegensatz zu mir, richtig verstanden. Es handelt sich hierbei nicht um eine Panne, sondern um eine kleine Pause. Lustigerweise sind wir noch kaum eine Stunde gefahren und pausieren direkt vor einer kleinen Snackbar mit Mini-Supermarkt. Die Betreiber müssen Verwandte vom Busfahrer sein oder werden von der Reisebusfirma selbst betrieben. Zumindest kostet hier alles dreimal so viel wie in Bangkok. Ich befürchte schon, dass uns nun eine ewig dauernde Kaffeefahrt bevorsteht. Jede Stunde eine Pause mit immer teureren Getränken und Speisen. Zum Glück irre ich mich und nach einer knappen halben Stunde endet unsere erste und einzige eingeplante Pause.

Die Landschaft ist großartig. Man kann wirklich die komplette Fahrt über nach draußen schauen und sich diese großartige, grüne Landschaft anschauen … mehr als 300 Kilometer beziehungsweise sechs Stunden lang.

Der Bus stoppt mitten im Nichts. Ich vermute, dass der Busfahrer eine Pinkelpause einlegt, als es auf einmal heißt: »The Bus break.«

Diesmal ist es dann doch eine Panne … fünf Kilometer vor dem Ziel. Im Nullkommanichts stehen zwei »Minibusse« bereit und übernehmen den Transport der Fahrgäste und des Gepäcks. Die »Minibusse« sind zwei Pick-ups mit selbst draufgeschraubten Bänken links und rechts und Haltegriffen an den Decken. Der Fahrer hat keine Angst vorm Tod und vermutlich nicht so viel Erfahrung mit Personenbeförderung und heizt wie ein Bekloppter um die Kurven. Wir wirbeln ordentlich Staub auf, tun ordentlich was für den Klimawandel und versuchen die Fähre nach Koh Chang noch zu erwischen. Letzteres hat anscheinend nicht funktioniert. Jetzt sitzen wir in einem lustigen, offenen Haus und warten darauf, dass die nächste Fähre eintrudelt.

Wir trotzen bereits jetzt allen Hygienevorschriften, riskieren unsere gesunde Darmflora und bestellen uns Fruit Shakes, die aus frischem Obst und gecrushtem Eis bestehen, welches vermutlich nicht aus gekauftem Quellwasser, sondern vielmehr aus Leitungswasser besteht. Rebekka hat bereits in Bangkok einen solchen Shake getrunken, der bei ihr sehr gut ankam. Heute bestelle ich mir, solange wir auf die Fähre warten, auch einen und bin begeistert. Wie unglaublich genial das doch schmeckt! Und es tut so gut, denn Thailand ist wirklich unglaublich schwül.

Die Fähre kommt! Da weit und breit kein Anleger zu sehen ist, besteigen wir wieder die Minibusse. Diesmal müssen sogar noch zusätzliche Passagiere eines anderen Busses bei uns mitfahren. Die passen allerdings nicht mehr alle in die Minibusse, weswegen sich zwei Kollegen und einer der Minibus-Thais auf das angeschraubte kleine Ladegitter über dem Auspuff stellen müssen. Der Bus ist maßlos überladen und das Gitter schwebt lediglich 20 Zentimeter über dem Asphalt. Höchstens 20 Zentimeter. Manchmal schwebt es auch gar nicht mehr, sondern schlägt auf, was vor allen Dingen den jungen Thai zu kleinen »Uh!«- und »Ah!«-Schreien animiert. Ach so, und ein Thai, der keinen Platz mehr auf dem Gitter gefunden hat, sitzt oben auf den nicht gesicherten Rucksäcken … und der Fahrer kennt immer noch kein Morgen.

Wir erreichen den Fährhafen. Alle haben überlebt.

Die Überfahrt dauert etwa eine Stunde. Auf Koh Chang angekommen heißt es schnell ein Sammeltaxi erwischen, bevor keins mehr da ist und man im schlimmsten Fall auf die Ankunft der nächsten Fähre, die erst in einer Stunde kommt, warten muss. Die Sammeltaxis auf der zweitgrößten Insel Thailands, die noch als Geheimtipp gilt, aber garantiert bald endgültig touristisch boomen wird, sehen genauso aus, wie die Minibusse auf dem Festland. Wieder quetschen wir uns mit viel zu vielen Menschen auf die Ladefläche des Pick-ups und ächzen los.

Wir steigen am White Sand Beach (Hat Sai Kao) aus. Unser Ziel ist das Independent Bo. Ein Hippie-Hüttenkomplex, der wohl einen gewissen Kultstatus genießt. Wir suchen nicht lange und stehen vor einem knallbunten selbst gebauten Strandhäuschen, vor dem schon zwei Hippies sitzen und uns mit: »Come here! It’s nice!«, begrüßen. Na dann: rein da. Wir wissen nicht so genau, wo wir hin sollen. Eine Art Rezeption können wir auf den ersten Blick nicht ausmachen und keiner der Anwesenden sieht aus, als würde er hier arbeiten. Wir müssen aber auch nicht groß suchen, da die Kollegen bereits den Chef für uns organisieren. Hippie Nr. 1: »Hey! Customers!«

Hippie Nr. 2 (eine Etage höher): »Felix! Move your ass! New guests!«

Dann kommt Felix die bunte Holztreppe herunter und begrüßt uns mit: »Welcome home!«

Rock und Roll!

Das Independent Bo ist zweifellos total grandios. Die 27 Hütten ziehen sich direkt am Strand den Hügel hinauf, hinein in den Urwald. Jede Hütte sieht anders aus, ist bunt und durch enge selbst asphaltierte Wege und Stufen mit Bambuszäunen miteinander verbunden.

Wir sollen Hütte 7 bekommen. Als Felix aber die Tür öffnet, ist die Verwunderung recht groß: Hier wohnt anscheinend noch wer. »Who the hell …?«

Schnell sprintet er wieder runter und schaut nach, ob und wo noch eine Hütte frei ist. Hütte 26 ist noch frei. Also wieder rauf auf den Hügel, was bei diesen Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit wirklich anstrengend ist. Wir stehen vor der nächsten Hütte, als sich Felix – ein Engländer aus Newcastle – am Kopf kratzt: »That’s not 26. Where is 26? Excuse me.«

Erneut rennt er die Stufen zur Bar hinab und schaut sich den Lageplan an. Kurz darauf ist er wieder oben bei uns und diesmal findet er die Hütte auch.

Wir haben ein eigenes Klo, welches allerdings keine Spülung hat. Die Schüssel steht zudem mitten im Raum. Also, nicht im Schlafraum, aber mitten in der Dusche … quasi. Wenn man mal mehr als nur Pipi gemacht hat, tritt das Independent Bo Toilettengesetz in Kraft: »Please do not put anything down the toilet that you did not produce internally.«

Also entsorgt man das Papier entweder in einer selbst organisierten Tüte, die man dann unten neben der Bar wegwerfen kann oder man spült sich mit einem Schlauch die Rosette sauber. Gespült wird dann auch mit dem Schlauch. Neben dem Spülungsschlauch gibt es aber auch noch einen Duschkopf. Und wenn man duschen will, klappt man besser den Klodeckel runter.

Das Bett ist wie in Bangkok hart, aber durchaus nicht ungemütlich. Das Moskitonetz ist nahezu perfekt und einen Ventilator haben wir auch. Dazu noch einen Balkon und eine kleine Terrasse mit Tisch und Klavierhocker. Was will man mehr? Vor allem für 500 Baht, also zehn Euro. Es gefällt uns wirklich sehr gut hier und Felix macht uns das Angebot, dass wir eine Nacht geschenkt bekommen, wenn wir ihm heute oder morgen noch zusagen, eine Woche zu bleiben. Das wird wohl aber nichts, da wir ja »nur« acht Wochen Zeit haben, um uns möglichst viel von Thailand anzusehen. Aber verlockend ist es schon.

Kaum haben wir es uns gemütlich gemacht, wundern wir uns über seltsame Geräusche auf unserem Dach. Ich schaue nach und lerne unseren Nachbarn kennen … einen Affen!

Dass es auf Koh Chang Affen geben soll, haben wir bereits gehört. Dass unsere Verwandten aber im selben Bungalowkomplex wie wir leben und nicht etwa im Dschungel im Inselinneren, überrascht dann schon … und ist total geil.

Der Strand ist der Wahnsinn! Feinster weißer Sand und das Meer quasi direkt vor der Tür. Morgens ist das Meer übrigens tatsächlich direkt vor der Tür, gegen Abend dann 20, 30 Meter weiter draußen. Wir wollen uns abkühlen und rennen ins kühle Nass. Allerdings müssen wir feststellen, dass das kühle Nass überhaupt nicht kühl ist, sondern nur knapp unter Körpertemperatur. Abkühlung bekommt man also erst, wenn man sich aus dem flachen Wasser wieder erhebt und vom leichten Wind gestreichelt wird. Es wird immer paradiesischer hier … Nach einem fantastischen Sonnenuntergang überfressen wir uns abends für wenig Geld im Tantawan Restaurant direkt am Strand. Es gibt Red Curry für mich, Pad Thai für Rebekka und zum Nachtisch Bananas Fritters – extrem köstlich!

Sobald es dunkel wird, verwandelt sich der Strand zur Restaurantmeile. Man kann sich in den Sand auf Matten legen und auf kleinen Tischen seinen Curry futtern. Irgendwann kommen dann zwei junge (16–20) und ein ganz junger Thai (maximal fünf!) vorbei und jonglieren eindrucksvoll mit Feuerstäben. Vor allen Dingen der Klitzekleine amüsiert mit seinem fast schon gelangweilten Gesichtsausdruck, während er die Feuerlanzen schwingt.

Ich glaube, wenn ich mal nicht mehr bin und wider Erwarten vor so einem bärtigen Typen stehe, der zu mir sagt: »Lieber Dennis, du warst soweit ganz okay. Was für eine Art Paradies hättest du denn gerne?«, würde ich momentan sagen: »Thailand wäre nicht schlecht.«

Ich lausche weiter der Brandung, die man bis zu uns hinauf in die Hütte hört, und schlafe ein …

Khlong Phrao Beach

Tag 3: 26. Februar 2010

Heute geht’s zu Fuß zum benachbarten Khlong Phrao Beach, der immerhin knapp sieben Kilometer entfernt ist. Man kann deutlich sehen, dass Koh Chang aufrüstet und man die Insel, würde man in ein, zwei oder fünf Jahren wiederkommen, nicht mehr wiedererkennen wird. Einige Hundert Meter vor dem Strand entdecken wir auf der Straße eine sehr stylishe Bambusbar namens Gecko. Da die Sonne wieder ordentlich auf uns herunterbrutzelt, kehren wir hier ein und trinken unsere neuen Lieblingsgetränke: Fruit Shakes, frisches Obst mit einer vermutlich ordentlichen Portion Zucker und crushed Ice. In der Gecko-Bar klebt, um den Style für mich noch zu perfektionieren, ein »St. Pauli-Fans gegen Rechts«-Aufkleber auf der mittleren Säule des Raumes. Als wir die Bar wieder verlassen, dröhnt zudem noch »Hells Bells« von AC/DC aus den Boxen. Der Song, bei dem die Mannen des FC St. Pauli das Millerntor betreten, das Stadion, in dem ab nächster Saison wieder Erstligafußball gespielt wird! Yeah! Der nördliche Teil des Khlong Phrao Beach ist nicht ganz so schön, wie der White Sand Beach. Er ist zwar insgesamt größer – sechs Kilometer gegenüber zweieinhalb Kilometern – und hat eine sehr malerische Halbmondform mit vier vorgelagerten Miniinseln, dafür ist der Khlong Phrao Beach aber an manchen Stellen recht steinig und erstaunlicherweise auch etwas dreckiger – wobei die Vermüllung hier wirklich nicht der Rede wert ist.

Richtig schön wird der Khlong Phrao Beach, wenn man etwas weiter nach Süden vorstößt: Ein kleiner Fluss mündet hier ins Meer, den man durchwaten kann beziehungsweise muss, wenn man dem Strand weiter folgen möchte. Man kann auch durch den kleinen Strom schwimmen und bei einem Restaurant wieder aus dem Wasser klettern. Hier, am wie gesagt schönsten Abschnitt des bisherigen Strandes, haben sich auch glücklicherweise die Bambushüttenresorts halten können. Hier verhält es sich also so wie am White Sand Beach: Der schönste Strandabschnitt ist auch gleichzeitig der preiswerteste. Wieder erfrischen wir uns im Strandrestaurant des Bambushüttenresorts Tiger Hut mit frischen gemixten Fruit Shakes, die umgerechnet übrigens knapp 60 bis 80 Cent kosten.

Auf dem Nachhauseweg erspäht Rebekka plötzlich Elefanten! Auf der anderen Straßenseite weiden fünf, sechs Kolosse. Kein Zaun, keine Leinen oder Ketten. Dennoch ist offensichtlich, dass diese Tiere für Elefantentouren gehalten werden. Auch allein schon aufgrund der Tatsache, dass wir uns mitten in einem Dorf befinden. Wir betreten das Gelände des Elefanten-Camps und schauen uns etwas um. Eine einstündige Tour mit den Dickhäutern kostet umgerechnet zwölf Euro, eine zweistündige Tour inklusive eines Bads im See mit den Elefanten, kostet 18 Euro.

In einem Bambusgehege weiter hinten sehen wir ein Elefantenbaby mit seiner Mutter. Mit thailändisch tun wir uns noch etwas sehr schwer, weswegen wir uns den Namen des Baby-Elefanten nicht merken konnten. Übersetzt heißt der kleine wohl aber »Glücksbringer« und ist am 9. Januar geboren worden.

Gerade als wir wieder gehen möchten, kommt uns ein europäisch aussehender Mann mit einem Affenbaby auf der Hand entgegen! Der Kleine wurde gefunden und hier abgegeben. Er ist unglaublich süß, klettert auf uns herum und spielt mit dem Trageriemen meiner Kamera. Noch süßer wird die Situation, als der Mann uns zeigt, wie ein anderer Affe, der schon länger im Elefanten-Camp an einer Leine lebt, auf das Baby-Äffchen reagiert. Kaum kommen wir mit dem etwa 20 Zentimeter kleinen Affen in die Nähe des ungefähr dreimal größeren, kommt dieser voller Neugierde auf ihn zu und beginnt den Kleinen zu entlausen und mit ihm zu schäkern. Wie bei Menschen, die ein Baby im Kinderwagen sehen, schneidet der Affe erheiternde Grimassen, spitzt die Lippen und bewegt den Kopf auf und ab. Eine wunderbare Szene!

Der europäisch aussehende Mann kommt übrigens aus Düsseldorf und heißt Klaus Sebastian. Der sympathische Rheinländer bereist bereits seit einiger Zeit Südostasien und schreibt, so wie wir, das Erlebte nieder. Allerdings mit dem spektakulären Unterschied, dass er Kriminalromane daraus macht. Dieses Jahr erscheint nach »Pepsi Buddha«, »Schatten über Burma« und »Klein Nick – Der Pattaya-Detektiv« mit »Black Moon Party« bereits sein vierter Roman. Klaus Sebastian plant langsam aber sicher seinen Ausstieg nach Thailand, genauer nach Koh Chang.

Und wir werden langsam aber sicher das Gefühl nicht mehr los, gleich zu Beginn unserer Reise einen der schönsten Orte Thailands angesteuert zu haben. Trotzdem kann uns Klaus Sebastian noch einen Tipp für unsere weitere Tour geben: Das Städtchen Kanchanaburi, welches circa 130 Kilometer nordwestlich von Bangkok liegt. Es soll nicht nur wunderschön sein, sondern ist auch weltberühmt für seine Brücke: die Brücke am Kwai!

Da Kanchanaburi sowieso in etwa auf unserer geplanten Route Richtung Südwesten liegt, ist unser nächstes Ziel somit klar.

Mittlerweile brennen unsere Flip-Flop- beziehungsweise Sandalenfüße schon ordentlich, weswegen wir uns für zwei Euro ein Taxi zum White Sand Beach leisten. Abendessen gibt es heute direkt neben dem Independent Bo im gemütlichen Restaurant von Pen’s Bungalows. Die Kellnerin ist der erste Ladyboy, der uns begegnet. Und das Essen ist großartig: Ich kann den Panaeng Curry wärmstens empfehlen.

Später gehe ich noch an die Bar unserer Anlage und lerne Danielle aus München und John aus England kennen, die schon zum mindestens fünften Mal im Independent Bo residieren und hier eine alljährliche Urlaubsliebesbeziehung führen.

Das Independent Bo hat eine sehr treue Stammkundschaft, die auch schon mal fünf Monate am Stück bleibt!

Besonders am Independent Bo ist sicherlich auch die Geschäftsphilosophie. Für die Sauberkeit der Bungalows ist der Gast selbst verantwortlich. Genauso verhält es sich auch mit den Getränken an der Bar: Wer Durst hat, geht hinter den Tresen, holt sich sein Getränk aus dem Kühlschrank, schnappt sich sein Rechnungsbuch, schreibt auf, was er genommen hat und macht einen Strich dahinter. Nach: »Welcome home!«, lud uns Felix gestern übrigens auch mit den Worten: »Mi casa es su casa«, ein. Dieser Ort ist so grandios!

Khlong Phlu Waterfall

Tag 4: 27. Februar 2010

Wir verhandeln kurz mit dem Taxifahrer und lassen uns dann zum heutigen Ziel, dem Khlong Phlu Wasserfall, fahren. Wir gehen eigentlich davon aus, dass der Taxifahrer uns nur bis zum Khlong Phrao Beach fahren wird und wir die restliche Strecke zum Wasserfall laufen werden, doch dann biegt unser Taxi links ab und wir werden bis zur Kasse des Wasserfalls gefahren. Ups, denke ich mir. Da wollte der gute Taxifahrer uns gar nicht für einen überteuerten Preis zum Beach fahren. Der mag uns jetzt bestimmt nicht mehr …

Der Eintritt zum 22 Meter hohen, aber ziemlich schmalen Wasserfall zu dem ein 500 Meter langer Pfad durch den Dschungel führt, kostet vier Euro pro Person. Das ganze Koh-Chang-Archipel ist übrigens ein Nationalpark. Eintrittsgeld wird aber nur in Bereichen wie beispielsweise diesem hier verlangt.

Für Botaniker hat man diversen Bäumen Namensschilder verpasst. Mich fasziniert indes viel mehr eine kleine Liane! Egal wie ihr botanischer Name auch lauten mag: Schwingen und meine 75 Kilo muss sie aushalten können. Wie Tarzan schwinge ich todesmutig knappe 35 Zentimeter über dem Boden. Vor und zurück. Vor und zurück. Rebekka muss, seltsamerweise peinlich berührt, Fotos schießen. Ihr: »Du musst nicht alles machen, was dir die kleinen Kinder vormachen«, überhöre ich und beginne wie Tarzan durch den Urwald zu johlen. Im Becken unter dem Wasserfall kann man im kühlen Süßwasser schwimmen. Den Geheimtipp haben aber außer uns auch andere irgendwie mitbekommen und so ist das Becken bereits voll von Touristen, als wir ankommen. Immerhin sind hier aber die, gegenüber den Europäern, weitaus amüsanteren Asiaten in der deutlichen Mehrheit. Wir vermuten, dass es sich um Hongkong-Chinesen oder Taiwanesen handelt. Warum auch immer …

Von einem knapp drei Meter hohen, kleinen Felsvorsprung kann man ins Wasser springen, was die höchst unterhaltsamen Chinesen auch ausgiebigst zelebrieren. Besonders amüsant sind dabei zwei etwas dickere Chinesen, von denen einer regelmäßig auf dem Weg nach oben ausrutscht und dementsprechend früher als geplant bereits im Wasser landet. Auch putzig ist die von uns liebevoll getaufte »kleine Showmakerin«, die bestimmt zwanzigmal ins Wasser springt, aber bei jedem Sprung von neuem so tut, als würde sie vor Angst sterben. Alle anderen Chinesen – und das sind sehr viele – bejubeln jeden mutigen Springer und schießen Fotos. Die halsbrecherischen Heldinnen posen hierfür in typisch asiatischer Manier mit auf die linke Seite ausgefahrenem Becken und dem mit der rechten Hand geformten Victory-Zeichen. Die harten Kerle indes versuchen auf den Fotos noch ängstlicher auszusehen.

Drei Österreicher sitzen auch am Becken und halten Rebekka und mich wohl ebenfalls für Chinesen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass einer der drei Burschen Rebekkas Vorbeischweben im Bikini mit: »Jetzt schau dia die Mööpse oan!«, kommentiert. Hm?

Auf dem Weg zum Wasserfall gibt es neben den Baumnamensschildern noch diverse andere Schilder zu lesen. Seltsamerweise steht auf den größten Texttafeln der immer gleiche Text über den Urwald. Dies soll wohl dazu beitragen, dass man schnell wieder vergisst, dass am Eingang eine Karte hing, die eindeutig einen Rundweg zeigt. Hier am Wasserfall ist aber an einem »No Entry«-Schild Schluss und alle Gäste müssen wieder den gleichen Weg zurückgehen. Da wir uns aber nicht ins Bockshorn jagen lassen, suchen wir am Eingang nach dem Ausgang des Rundwegs. Wir gehen eine kleine, steile Schotterpiste hinauf, die sich oben nach links und rechts gabelt. Glücklicherweise sitzt ein recht überrascht dreinblickender Thai mit ein paar Hühnern auf dem Weg und deutet uns den Weg. Wir verstehen seine Zeichen aber nicht so recht und gehen erst einmal in die falsche Richtung. Als er zu protestieren beginnt, erinnere ich mich wieder daran, gelesen zu haben, dass Thais, wenn sie einen zu sich winken wollen, das Gegenteilige tun, also eine für unsere Augen eher nach: »Hau ab!«, aussehende Geste vollführen. Dementsprechend gehen wir nun auf den freundlich grinsenden Thai zu, woraufhin er aber erneut anfängt, zu lamentieren. Ja, was denn nun? Sollen wir etwa doch gehen? Auf einmal deutet er mit seinen Fingern schräg hinter sich auf den dichten Urwald. Ja, da wollen wir hin. Ich gebe auf und deute ihm mit meinen Armen und Schultern an, dass ich offensichtlich auf der Leitung stehe. Er wiederholt seine Auf-die-Bäume-Zeigerei und siehe da, eine bereits ziemlich zugewachsene, kleine, unasphaltierte Treppe führt in den Wald hinein.

»Aaah!«, kommt es aus mir heraus. Na, nichts wie rein da!