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Markus Liebelt

Was Macht mit Menschen macht

Offene und verborgene Machtfallen
in christlichen Gemeinschaften

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ISBN 978-3-417-22909-7 (E-Book)

© 2018 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Dieses Buch erschien 2011 unter dem Titel „Versuchungen der Macht“ bei VTG (Verlag für Theologie)

Umschlaggestaltung: Simon deVries, Witten

Inhalt

Prolog: Macht – Oder: Wer hat hier das Sagen?

1 – Merkmale der Macht und ihre Auswirkungen in christlichen Gemeinschaften

Kraft ist Macht

Kraft als Tatkraft

Kraft als Willenskraft

Zeit ist Macht

Zeit ist Leben

Die Macht der Zeit

Geld ist Macht

Die Macht des Geldes – Hast du was, bist du was

Vom Recht auf Eigentum

Eigentum verpflichtet

Wer zahlt, befiehlt? – Die Macht des Geldes in der Gemeinde

Ich weiß Bescheid! – Wissen ist Macht

Die „Erkenntnis“

Der „Experte“

Die Macht der Inszenierung

Inszenierung als Darstellung von Macht

Die Macht der Ästhetik

Die Macht der Rituale

Die Macht der Dominanz

„Macher“, „Mitmacher“ und „Mitläufer“

Manipulation, Suggestion und Indoktrination

Angst

Der Machtmensch

Der Rebell

Die Macht der Begeisterung

Die Begeisterungsfähigkeit des Menschen

Begeisterung, Enthusiasmus und Motivation in christlichen Gemeinschaften

Die „charismatische Herrschaft“

Die Autorität charismatischer Herrschaftsbeziehungen

Der Nachfolger

Chancen starker Persönlichkeiten

2 – Besondere Versuchungen der Macht in christlichen Gemeinschaften

Die Macht des Wortes und der Worte

Die Wirkung des Wortes

Die „Macht des Gebetes“

Die Kanzelrüge

Die „Erkenntnis“ – Gott hat mir gezeigt …

„Das sehen ganz viele so …“ – Die suggerierte Mehrheit

Hast du schon gehört …? – Die Macht des Gerüchtes

Die Macht der „Seelsorge“

Was ist „Seelsorge“?

Formen des geistlichen Missbrauches in der Seelsorge

Die „Schweigepflicht“

„Früher war alles besser …“– Der Generationenkonflikt als Machtkampf

Die Verklärung der Vergangenheit

Formen des Generationenkonfliktes in der christlichen Gemeinschaft

Die Macht des eigenen Fleisches

Familienbande in der Gemeinde

Die Ehepartner von leitenden Mitarbeitern

Die Macht der „Flügel“ – Richtungskämpfe

Der Kampf um die „richtige Richtung“

Die Entstehung eines Richtungsstreites

Wer entscheidet?

Nach welchen Kriterien soll entschieden werden?

„Wir bauen Gemeinde“ – Typische Austragungsorte von Richtungskämpfen

Der hauptamtliche Leiter

Allgemeines Priestertum und geistliche Leitung

Hauptamtlich oder ehrenamtlich? – Der bezahlte Mitarbeiter

Missverständnisse geistlicher Leitung und Autorität

3 – Dient einander – Das Prinzip von Bruderschaft und Gemeinschaft

Dienendes Dasein für andere

Gemeinschaft als Geschenk Gottes

Das Prinzip des Dienens und der Dankbarkeit

Leitung als Mandat des Dienens

Vom Wesen geistlicher Leitung

Vom Auftrag geistlicher Leitung

Die Anerkennung geistlicher Leitung

Weiterführende Literatur (in Auswahl)

Anmerkungen

Über den Autor

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Dr. Markus Liebelt
ist promovierter Theologe und war lange Jahre Pastor. Heute arbeitet er als Dozent für systematische Theologie, Gemeindeberater, Referent und Autor. Er ist verheiratet und lebt in Villingen-Schwenningen.

Prolog: Macht – Oder: Wer hat hier das Sagen?

„Eine ewige Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu missbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt … so unwahrscheinlich es klingt: Selbst die Tugend bedarf der Begrenzung.“

Charles de Montesquieu

Wer an „Macht“ denkt, ist unwillkürlich geneigt, sofort an verschiedenste Formen von Gewalt zu denken. Macht wird oft gleichgesetzt mit Gewalt. In der Tat ist jede Form von Gewalt immer eine Ausdrucksform von Macht. Ohne Macht gäbe es keine Gewalt. Doch Macht allein auf die verschiedenen Formen von Gewalt zu beschränken wird der Bedeutung des Phänomens der Macht nicht gerecht. Macht ist mehr als Gewalt. Der Soziologe Max Weber beschreibt Macht als jegliche Möglichkeit, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen. Diese Definition scheint zunächst auch wieder eine eher negative Sichtweise von Macht zu begünstigen. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Es geht nicht nur um die negative, gewaltvolle Machtausübung, also den Zwang gegen den Willen. Nebenbei bemerkt kann selbst die gewaltvolle Ausübung von Macht durchaus grundsätzlich positiv sein. Nämlich dann, wenn es um die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit geht. Der eigentliche Begriff der Macht geht weit über den Begriff der destruktiven Gewalt hinaus. Im vollumfänglichen Sinne kennzeichnet der Begriff Macht jede effektive Möglichkeit der Einflussnahme. Macht kann Gewalt bedeuten. Sie muss es aber nicht. Macht hat grundsätzlich zu tun mit Einflussnahme auf Menschen, Entscheidungen, Abläufe. Nicht nur die gewaltvolle, sondern jede Form von Einflussnahme ist im Grunde genommen ein Akt von Macht. Mit Recht stellt Gunther Wanke fest, dass es „keinen Bereich menschlichen Zusammenlebens“ gibt, „der nicht in irgendeiner Form durch das Phänomen der Macht bestimmt wäre“.1 Macht gehört sozusagen zum Menschsein dazu. Sobald ein Mensch etwas tut, um andere Menschen oder Situationen nach seinem Willen, in seinem Sinne zu beeinflussen, übt er Macht aus. Dies kann positiv oder negativ, ordnend oder zerstörend sein. Macht kann mit einer gewissen Selbstverständlichkeit akzeptiert bzw. hingenommen oder gar gewollt sein. Sie kann aber auch aufgezwungen und erlitten werden. Macht findet überall dort statt, wo Menschen miteinander leben, in Wirtschaft und Gesellschaft, in Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen, Vereinen und Institutionen wie im privaten Bereich der Familie. Und eben auch in christlichen Gemeinschaften, in Gemeinden und Werken.

Wer an christliche Gemeinschaft denkt, denkt zunächst einmal an Werte wie Nächstenliebe, Annahme, Vergebung, Bruderschaft und dergleichen. Das sind die Werte, die in unseren christlichen Gemeinden fundamental bedeutsam sind. Sie sind die Leitmotive christlicher Gemeinschaft, wie sie in der Heiligen Schrift begründet sind. Und doch sind auch in jeder christlichen Gemeinschaft nur Menschen am Werk. Und wo Menschen am Werk sind, findet Macht statt. Die Versuchungen der Macht und deren Mechanismen sind oft sehr subtil. Man erkennt sie nicht sofort. Sie lassen sich nur schwer durchschauen, weil sie in christlichen Gemeinschaften nicht selten im geistlichen Mantel daherkommen. Und dennoch wirken sie und nehmen bisweilen die Gestalt eines ungeahnten handfesten Konfliktes an. Jeder Konflikt ist seinem Wesen nach ein Machtkonflikt. Dinge wie etwa Entscheidungsfindung, Führung, innere Hierarchien, Finanzen, der Umgang miteinander, Formulierung von Zielvorstellungen, Strukturen usw. gehören wesentlich zum Alltag jeder menschlichen Gemeinschaft, die gemeinsame Interessen hat und gemeinsame Ziele verfolgt. Davon ist die christliche Gemeinschaft keinesfalls ausgenommen. Im Gegenteil. Alle menschlichen Dinge des Miteinanders betreffen sie elementar. Vielleicht sogar noch mehr als andere Gemeinschaften. Denn in ihr ist die Gemeinschaft an sich bereits ein Wert, der mit hohen Idealen menschlichen Miteinanders verbunden ist. Hier lauern ureigenste Versuchungen der Macht. Aus diesem Grunde ist die Frage nach den Mechanismen der Macht, ihren Ursachen und Wirkungen von zentraler Bedeutung für jede christliche Gemeinschaft. Von ebenso zentraler Bedeutung ist die Frage, wie man sich in christlichen Gemeinschaften vor unlauterem Machtgebaren und Machtmissbrauch schützen kann. Um diese Dinge soll es im Folgenden gehen.

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Merkmale der Macht und ihre Auswirkungen in christlichen Gemeinschaften

Das Verhalten innerhalb menschlicher Gemeinschaften wird durch ganz menschliche Umstände und Gegebenheiten beeinflusst. Bestimmte Begabungen, Stärken, Verhaltensweisen und Umstände verleihen unwillkürlich Autorität. Sie erhöhen das Ansehen von Menschen und damit zugleich ihr Gewicht der Einflussnahme innerhalb der Gemeinschaft. Diese Autorität und Einfluss verleihenden Merkmale sind auch als Merkmale der Macht2 bezeichnet worden. Welche Faktoren nun zu den wesentlichen Merkmalen der Macht hinzugezählt werden können, hängt im Einzelfall von verschiedenen Dingen ab. Es können bestimmte Umstände oder Beziehungsgeflechte sein. Wer wann und unter welchen Umständen Macht gewinnt, kann sehr unterschiedlich sein. Ob man mit seinem Auftreten bei Menschen „ankommt“ oder sogar als Leitfigur gilt, hängt stark davon ab, mit welchen Menschen man zusammen ist und wie die Gegebenheiten sind. Ein Sprichwort sagt: „Unter den Blinden ist der Einäugige König.“ Jemand, der bei bestimmten Menschen, in bestimmten Kreisen „etwas gilt“, würde mit den gleichen Voraussetzungen in anderen Kreisen möglicherweise nichts oder wenig gelten. Wer für den einen ein Leitwolf ist, ist für den anderen noch lange kein Leitwolf. Aber auch persönliche Erfahrungen spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Was Eindruck macht und Menschen an anderen Menschen fasziniert, kann sehr vielfältig sein. Insofern kann eine Beschreibung von typischen Machtmerkmalen niemals einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dessen ungeachtet gibt es aber doch eine Reihe grundlegender, eben typischer Merkmale der Macht, die ganz unzweifelhaft und unwillkürlich wirken. Sie haben Einfluss auf alle menschlichen Gemeinschaften. Sie wirken oft unbewusst. Unter bestimmten Bedingungen laufen sie wie vorprogrammiert ab und entfalten ihre Wirkungen. Dies gilt – trotz aller ehrlich gemeinten geistlichen Grundausrichtung – auch für christliche Gemeinschaften und Werke. Denn auch Menschen, die an Jesus glauben, das Gebot Gottes für sich als Maßstab erachten, sind und bleiben Menschen.

Die typischen Mechanismen der Macht wirken vor allem dann, wenn die Strukturen innerhalb einer Gemeinschaft unklar sind. Je weniger konkret die Funktionen von Leitung, Kompetenz und Verantwortungsbereichen definiert sind, je schwächer die Wege von Entscheidungen und Einflussnahmen reflektiert und in der Gemeinschaft konkret miteinander vereinbart sind, desto stärker wirken unterschwellig die Mechanismen der Macht. Auf irgendeine Weise wirken sie immer. Entscheidend ist deshalb die Frage, in welchem Ausmaß und auf welche Weise sie sich entfalten können. Über diese Mechanismen der Macht, die Merkmale der Macht und ihre möglichen Auswirkungen in christlichen Gemeinschaften und Werken geht es. Im Folgenden soll es darum gehen, die Wirkung der Mechanismen aufzuzeigen und anhand von konkreten Beispielen aus der Praxis deutlich werden zu lassen.

Wenn man die Merkmale der Macht charakterisieren will, könnte man sie in zwei Kategorien einteilen. Die eine Kategorie beschreibt die Merkmale, die man als Ressourcen der Macht bezeichnen könnte. Die neuere Sozialforschung hat deutlich gemacht, dass ein enger Zusammenhang zwischen Machtausübung und verfügbaren Ressourcen besteht. Die verfügbaren Ressourcen bestehen keinesfalls nur aus Geld oder Kapital. Alle Merkmale, die geeignet sind, die Möglichkeit der Einflussnahme eines Einzelnen oder einer Gruppe innerhalb einer größeren Gemeinschaft zu erhöhen, können als Ressourcen der Macht gelten. Diese sind neben Geld und Kapital ganz fundamental auch Kraft, Zeit und Wissen.

Eine weitere Kategorie der Machtmerkmale umfasst die Potenziale der Macht. Gemeint sind Verhaltensweisen und Gegebenheiten, die einen bestimmten Zustand bewirken und somit unwillkürlich das Verhalten anderer Menschen nachhaltig beeinflussen können. Dazu gehören wesentlich persönliche Dominanz, Angst, Inszenierung, Manipulation und Begeisterungsfähigkeit. Wie sich das ganz konkret auswirkt, wird aufzuzeigen sein.

Diese Merkmale der Macht, sowohl in der Gestalt von Ressourcen wie auch in Gestalt von spezifischen Verhaltensweisen oder Potenzialen, begegnen in allen menschlichen Gemeinschaften. Sie gehören zum Wesen des Menschen und wirken sich bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt im Miteinander der Menschen aus. Sie können zum Segen, aber auch zum Unheil gereichen.

Kraft ist Macht

Kraft als Tatkraft

Kraft und Stärke sind seit jeher Grundelemente der Macht und Einflussnahme. Der Stärkere hat den Vorzug. Er ist aufgrund seiner Stärke in der Lage, anderen seinen Willen, sein Gesetz aufzuzwingen, sich durchzusetzen. Dies gilt im ganz großen politischen Miteinander der Völker wie auch im ganz kleinen und alltäglichen Miteinander der Menschen. Durch militärische Kraft und Stärke haben Herrscher fremde Territorien erobert und ihre Reiche erweitert. Durch Schwäche haben sie sie verloren. Je schlagkräftiger die Truppen, desto größer wurde das Herrschaftsgebiet. Durch kriegerische Stärke wurde Rom zu einem Weltreich, durch Stärke wurde es gegen feindliche Angriffe erhalten, aber durch Schwäche erlebte es seinen Niedergang. Heraklit nennt den Krieg den „Vater aller Dinge“. In der unmittelbaren Auseinandersetzung zeigt sich, wer der Stärkere ist. Dabei reicht oft schon ein „Säbelrasseln“, die Drohgebärde, um den vermeintlich Unterlegenen einzuschüchtern oder gar zur Aufgabe zu bewegen. Kaum eine Staatsgrenze ist nicht durch kriegerische Auseinandersetzungen und deren Folgen verursacht. Wer die Kraft hat, hat die Macht. Es ist ein ständiges Austarieren von Möglichkeiten der Einflussnahme. Wenn dieses beständige Spiel nicht durch objektive Instanzen und Mechanismen von Gesetz und Verantwortung radikal gebändigt wird, herrscht unwillkürlich das Gesetz des Stärkeren.

Kraft ist das Grundelement des Handelns und der Tat. Es gibt kein Handeln ohne Kraft. Nur wer die nötige Kraft hat, wird etwas bewegen können – auch in der Gemeinde. Ein kraftloser Mensch wird niemals „Bäume ausreißen“ können. Deswegen bitten wir Gott um Kraft – nicht nur, aber auch wenn außergewöhnliche Herausforderungen anstehen. „Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?“ (Ps 27, 1). Kraft ist die Befähigung zum Handeln – zum Guten und zum Bösen, in Freundschaft und in Gefahr. Kraft ist die Herrschaft des Könnens und des Willens. Können (als potenzielle Fähigkeit) und Wille bewirken Stärke. Diese ist die Voraussetzung zum Handeln. Kraft ist also primär Tatkraft. In der Bibel gibt es zahlreiche beeindruckende Beispiele, wie Gott, der alle Kraft und Macht hat, Menschen befähigt und mit Kraft ausrüstet. Der ohnmächtige Mensch bittet Gott um Kraft.3

Kraft als Willenskraft

Tatkraft korrespondiert mit Willenskraft. Nicht jeder Mensch hat dieselbe Willenskraft. In der Willenskraft entfaltet sich die Stärke. Die Willenskraft ist von kaum überschätzbarer Bedeutung. Der Starke mit dem schwachen Willen wird dem Schwächeren mit dem starken Willen unterlegen sein. Willenskraft ist eine bedeutende Voraussetzung zur Macht. Willenskraft hat zu tun mit Durchsetzungsvermögen. Es gibt Menschen mit unglaublichen Potenzialen an Können und Wissen, doch mit einem schwachen Willen. Sie kommen trotz ihrer Fähigkeiten nie richtig zum Zug. Oft werden sie verkannt oder unterschätzt. Ihnen mangelt es an Durchsetzungsvermögen und Willensstärke. Lieber sind sie ruhig und ziehen sich zurück. Sie werden aufgrund ihres Könnens durchaus Anerkennung finden und ihren Platz einnehmen. Gemessen an ihren Fähigkeiten werden sie jedoch immer unter ihren Möglichkeiten bleiben. Daneben gibt es Menschen, die zwar nicht die großen Genies, dafür jedoch unglaublich willensstark sind. Sie dominieren kraft ihrer Persönlichkeit, kraft ihres Willens. Sie verfügen über eine ausgeprägte Willenskraft und ein ausgeprägtes Durchsetzungsvermögen. Sie können die größten Dummheiten von sich geben. Ihr selbstsicheres Auftreten, ihre Vehemenz und Beharrlichkeit machen Eindruck. Sie strahlen einen starken Willen aus. Sie wollen gewinnen. Es gelingt ihnen allein durch ihre Art, die anderen auf ihre Seite zu ziehen. Wenn sie auch nicht die Besten sind, so können sie ihre Sache doch am besten „verkaufen“. Auf diese Weise kommen sie unwillkürlich zum Ziel. Sie haben Erfolg, sie haben Einfluss und – Macht. Immer wieder kommen in Gemeinschaften die größten Dummköpfe mit ihren absurden Vorstellungen und Ideen zum Ziel. Ihre Willenskraft, ihr Auftreten und ihr Durchsetzungsvermögen verhelfen ihnen zum Erfolg. Es ist schon erstaunlich, ja erschreckend, wie viele Menschen es gibt, die solchen Menschen folgen – auch in der Gemeinde.

Willensstärke und Durchsetzungsvermögen sind schwergewichtige Größen im menschlichen Miteinander. Sie verschaffen Menschen Einfluss und verhelfen ihrer Tatkraft zum Ziel. Willenskraft und Durchsetzungsvermögen sind aber keinesfalls nur negativ zu sehen. Es können die willensstarken Menschen durchaus hervorragend begabte und integre Menschen sein. Sie ergreifen die Initiative und bringen Dinge in Bewegung. Mit ihren Möglichkeiten und Aktivitäten bewirken sie viel Gutes. Ihr Können und ihr Auftreten wirken zusammen. Willenskraft ist unzweifelhaft der Motor, der Kräfte und Stärken zur Entfaltung bringt. Das kann für eine Gemeinschaft ein großer Segen sein. Doch bedauerlicherweise treibt der starke Wille allzu oft unwillkürlich verborgene negative Motivationen voran.

Ein verbreiteter Mechanismus, mit dem der Wille des Stärkeren durchgesetzt werden soll, ist das Prinzip von Bestrafung und Belohnung. Dieses Prinzip wirkt immer, wenn es um Macht und Einfluss geht. Sei es im großen gesellschaftlichen Rahmen, der Politik, der Durchsetzung von Recht und Ordnung wie auch in den vielen kleinen alltäglichen Bereichen des zwischenmenschlichen Lebens. Das Prinzip von Bestrafung und Belohnung kann sehr offen reguliert sein. Im alltäglichen zwischenmenschlichen Miteinander innerhalb von Gemeinschaften spielt es sich sehr häufig unterschwellig ab. Folgt ein Mensch dem Willen des Stärkeren, wird er von diesem belohnt. Folgt er nicht, wird er „bestraft“. Die Belohnung reicht von besonderer Aufmerksamkeit und Beachtung bis hin zu gelegentlichen Geld- oder Sachzuwendungen. Unterschwellige Formen von Bestrafung reichen von „weniger Beachtung“ bis hin zur sozialen Ausgrenzung. Auf diese Weise können manche Menschen regelrecht hörig gemacht werden.

Zeit ist Macht

Zeit ist Leben

Zeit ist ein Zustand. Es ist der Zustand des Lebens an sich. Indem der Psalmist David sagt: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Ps 31, 16), sagt er: Mein Leben ist in deinen Händen. Das Leben besteht aus Zeit, aus Lebenszeit. Die Zeit, die ein Mensch hat, ist seine irdische Lebenszeit. Die Zeit die der Mensch am Tag hat, ist sein Leben an diesem Tage. Niemand weiß, wie viel Zeit er hat. Aber jeder weiß, dass seine Zeit begrenzt ist. Die Zeit vergeht mit dem Leben. Die soeben verlebte Stunde ist vergangene Zeit. Vergangene Zeiten sind von Menschen gelebte und gestaltete Zeiten. Vergangene Zeit ist Geschichte. Geschichte ist vergangenes Leben. Jeder Mensch hat seine eigene Zeit in der Zeit.

Ein altes Sprichwort aus Norwegen sagt: „Die Zeit hat starke Zähne.“ Nicht nur dass der „Zahn der Zeit“ an allen vergänglichen Dingen nagt und am Ende doch das größte Bollwerk zerstört. Zeit ist auch im alltäglichen Leben ein gewaltiges Potenzial. „Zeit ist Geld“, „Zeit heilt Wunden“, Zeit kann man „stehlen“. Für einen Menschen bedeutet Zeit die Möglichkeit, an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten Augenblick handeln zu können. Zeit hat immer zu tun mit Möglichkeiten zum Handeln. Jedes Handeln, jede Lebensregung eines Menschen geschieht in der Zeit. Ohne verfügbare Zeit gibt es kein Handeln, keine Tat. Jede Tat benötigt Zeit. Jede Heldentat, aber auch jede Übeltat benötigt ihre Zeit. Die Zeit kann sinnvoll oder eben sinnlos gefüllt werden. Von Erfüllung spricht man, wenn Zeit mit sinnvollen Taten gefüllt, Leben sinnvoll erlebt wird. Die Frage nach dem: Wo oder wie verbringe ich meine Zeit?, ist immer zugleich die Frage nach dem: Wo und wie verbringe ich mein Leben?

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“ (Pred 3, 1). Niemand kann zur gleichen Zeit alles machen. Es ist zur gleichen Zeit immer nur ein begrenztes Handeln möglich. Der Mensch kann nur eine Sache „zurzeit“ machen. Dies schränkt unseren persönlichen Aktionsradius gewaltig ein. „Ich habe keine Zeit“ heißt immer: Dafür habe ich keine Zeit (… denn ich mache in dieser Zeit etwas anderes). Jeder Mensch hat Zeit. Die entscheidende Frage lautet: Was tue ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit? Diese Frage stellt sich im Blick auf die ganz großen Linien des Lebens: Welchen Beruf ergreife ich? An welchem Ort verbringe ich mein Leben? Wofür setze ich meine Zeit, mein Leben ein? Familie und/oder Karriere? Usw. Sie stellt sich aber auch in den alltäglichen Tätigkeiten und Engagements: Wo setze ich meine Kraft ein? Was ist jetzt wichtig? An welcher Stelle will ich mich engagieren? In welchem Bereich möchte ich in der Gemeinde oder in einem Werk mitarbeiten? Was bin ich bereit, an Zeit zu investieren? Wofür lebe ich?

Die Antwort auf diese Fragen hängt gewiss ganz wesentlich von vielen anderen übergeordneten Faktoren ab. Persönliche Begabungen, das soziale Umfeld, persönliche Interessen und Wunschvorstellungen, aber auch konkrete Sachzwänge, wie z.B. ein angebotener Arbeitsplatz oder die finanziellen Möglichkeiten etc., haben maßgeblichen Einfluss auf unsere Entscheidungen und auf unser Handeln. Der Rentner beispielsweise, der seinen Lebensabend auf Mallorca verbringen will, kann dies nur tun, wenn etwa die notwendigen finanziellen und gesundheitlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Eine Mitarbeiterin, die sich gern im musikalischen Bereich engagieren will, muss musikalisch begabt sein. Der Mitarbeiter, der die Kasse verwaltet, muss das nötige Maß an Fachwissen besitzen. Man kann vieles wollen, aber nicht alles können.

Aber für all das, was man tun will und auch tatsächlich tun könnte, benötigt man Zeit. Kraft und Wille, Geld und Wissen nützen nichts, wenn die Zeit zum Handeln fehlt. Wer viel Geld hat, aber keine Zeit, es auszugeben, dem nützt sein Geld wenig. Wer Elektrogeräte reparieren kann, aber keine Zeit (oder keinen Willen) hat, dies auch konkret zu tun, dem nützt dieses Wissen wenig. Ohne Zeit bleiben alle Möglichkeiten nur Möglichkeiten. Somit ist Zeit ein gewaltiger Machtfaktor. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass eine Möglichkeit zur konkreten Realität werden kann.

Die Macht der Zeit

Zeit ermöglicht die Entfaltung von anderen Potenzialen wie Kraft, Geld oder Wissen. Dies kann durchaus zum Segen – aber auch zum Schaden einer Gemeinschaft gereichen. Niemand kann alles machen und niemand kann überall sein. Es kommt in einer Gemeinschaft ganz darauf an, wer wann was und unter welchen Umständen tut. Sei es nun im Rahmen eines Berufes – oder im Rahmen eines ehrenamtlichen bzw. freiwilligen Engagements. Dies gilt für menschliche Gemeinschaften ganz allgemein – aber eben auch für die christliche Gemeinschaft. Wer „Zeit“ hat, hat die Möglichkeit zum Handeln. Die Macht der Zeit liegt in dem, was der Mensch in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit konkret tut. Die konkrete Tat, das konkrete Ereignis ist die eigentliche Macht der Zeit.

Die konkrete Tat folgt immer konkreten Interessen. Die Zeit des beruflichen Alltags gehört dem Interesse des Unternehmens oder Gewerbes, ganz gleich ob man selbstständig oder angestellt ist. Die Zeit der Hausfrau und Mutter gehört dem Interesse der Familie. Das eigene Interesse untersteht hier einem übergeordneten Interesse, einer Pflicht. Das pflichtgetreue Handeln soll ebendiesem übergeordneten Interesse dienen. Eigene Interessen müssen hinter der Pflicht zurückstehen. Daneben gibt es die Zeit, die nicht unmittelbar durch übergeordnete Pflichten bestimmt ist. Diese nicht durch Pflichten gebundene Zeit, die „Freizeit“, kann dann sehr unterschiedlichen Interessen gehören. Hier haben das Hobby, das ehrenamtliche Engagement, der Familienausflug, das Haus, der Garten und sonstige Freizeitgestaltung ihren Platz.

Für die meisten gläubigen Menschen ist dies die Zeit ihres Engagements in der Gemeinde. Abgesehen vom Beruf des hauptamtlichen Pastors oder sonstiger gemeindebezogener Berufe wie etwa einer Gemeindeschwester oder eines Jugendreferenten o.Ä. geschieht die Mitarbeit in einer christlichen Gemeinde in der Freizeit und ehrenamtlich. Dadurch sind die Möglichkeiten des Engagements naturgemäß sehr begrenzt. Bei dem einen mehr, bei dem andern weniger. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter hat neben Beruf und Familie für sein Engagement in der Gemeinde, einem christlichen Werk oder dem Posaunenchor nur begrenzt Zeit. Daneben gibt es aber auch Menschen, die durchaus Zeit, jedenfalls mehr Zeit als andere, für die Gemeinde haben. Dazu können etwa Rentner, Arbeitslose, Alleinstehende, aber durchaus auch Hausfrauen und andere gehören. Das soll keinesfalls heißen, dass diese Personengruppen sonst nichts zu tun hätten. Hier soll und darf kein Missverständnis entstehen. Doch es ist in christlichen Gemeinschaften tatsächlich nicht selten so, dass gerade Menschen aus diesen Personengruppen je nach Situation vergleichsweise mehr Zeit in ihr gemeindliches Engagement investieren können als andere.

Wer die Zeit hat, hat die Macht. Wenn je irgendwo, dann gilt dieser Satz in Gemeinschaften, in denen keine oder wenig klare Strukturen und Verantwortlichkeiten bestehen. An dieser Stelle können große Konflikte entstehen. Der Zeitfaktor wirkt sich gewiss in jedem Umfeld als Machtfaktor aus. Auch das Amt kann die ihm zur Verfügung stehende Zeit missbrauchen. Es kann es aber umso mehr, desto schwächer die Kontrollmechanismen ausgebildet sind. Je stärker die Mechanismen von Kontrolle und Verantwortung ausgebildet sind, desto geringer ist an dieser Stelle die Gefährdung. Doch in Gemeinschaften, in denen „alle gleich“ sind und „jeder“ in gewisser Weise für alles verantwortlich sein soll, ist die Gefährdung zur eigenwilligen Tat besonders hoch. Hier können diejenigen, die aufgrund ihrer Lebensumstände einfach „Zeit“ haben, allein schon aus diesem Grunde die Gemeinschaft dominieren. Sie „kümmern“ sich um alles. Denn sie haben ja die Zeit dazu. Schnell haben sie die Dinge in der Hand und bauen sich ihre kleinen Königreiche auf. Manchmal sind es auch gerade diejenigen, die in der Berufswelt aus unterschiedlichen Gründen nicht so richtig zum Zug gekommen sind. Nun erkennen sie instinktiv ihre Chance. Die Einflussmöglichkeit, die ihnen dort versagt blieb, suchen sie hier „für Jesus“ zu verwirklichen. Die Betroffenen meinen es vordergründig ganz sicher auch gut und ehrlich. Aber im Tiefsten könnte es verkapptes Machtverhalten sein. Bis zu einem bestimmten Grad erscheinen derartige Mechanismen in manchen Gemeinschaften auch durchaus willkommen. Es ist sehr bequem, jemanden zu haben, der die Dinge „schon macht“. In dem selbst errichteten „Königreich“ kann er nun nach Gutdünken schalten und walten.

Es mag Situationen geben, in denen es die Verantwortung gebietet, dass einzelne Menschen ein sehr hohes Maß an Einsatz einbringen müssen, damit die Gemeinschaft überhaupt überlebt. Gefährlich wird es dann, wenn solche Strukturen sich verfestigen. Alle verlassen sich darauf, dass es schon irgendwie läuft. Doch das ist auf Dauer nicht gesund. Sobald die Möglichkeit dazu besteht, sollte alles darangesetzt werden, die Aufgaben auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Wer mehr Zeit hat als andere, kann sich gern etwas mehr engagieren. Es darf aber nicht dazu führen, dass sich alles auf einige wenige konzentriert und auf diese Weise das Wohl und Wehe der Gemeinschaft von diesen wenigen abhängt.

Wo Menschen sich ihre eigenen Königreiche aufgebaut haben, tauchen in dem Moment Probleme auf, wenn andere engagierte und begabte Mitarbeiter plötzlich „mitreden“ und mitgestalten wollen. Nun wird sich zeigen, aus welcher Quelle die Motivation des „Allgegenwärtigen“ wirklich kommt. Ist es dienende Mitarbeiterschaft oder doch verkapptes Machtverhalten? Ein waschechter „König“ wird so schnell niemanden an seiner Seite dulden. Ausgesprochen oder unausgesprochen verbittet er sich, dass ihm in „sein Reich“ hineingesprochen wird. Er wird mit allen Mitteln versuchen, seinen Herrschaftsbereich zu erhalten, seinen Einfluss zu festigen. Verantwortung teilen oder gar lieb gewordene Dinge abgeben zu sollen bedeuten für ihn einen ungeheuren Angang. Wenn nun der „König“ obendrein ein „Machtmensch“ ist, wird es nicht lange dauern, bis es zum offenen Konflikt kommt. Dem absoluten „König“ wird es außerordentlich schwerfallen, gemeinsame Absprachen, die entgegen seinen Vorstellungen getroffen wurden, zu akzeptieren.

Ein typisches Beispiel, wie es in jeder Gemeinde und vom Prinzip her auch in jedem Glaubenswerk vorkommen kann, soll das ein wenig verdeutlichen: Ein zeitlebens engagierter Mitarbeiter einer mittelgroßen, eher etwas überalterten Gemeinde entwickelte sich im Laufe der Jahre zur maßgeblichen Persönlichkeit dieser Gemeinde. Nichts ging an ihm vorbei. Nun war er Rentner geworden und hatte noch mehr Zeit für die Gemeinde. Er kümmerte sich einfach um alles. Die Welt war in Ordnung. Mit der Zeit kamen aber auch andere Menschen in die Gemeinschaft und wollten sich in der Gemeinschaft engagieren. Sie erkannten weiterführende Möglichkeiten dieser Gemeinde und wollten Dinge verändern. Der Zwist brodelte unterschwellig. Nun kam in der Gemeinde der Wunsch nach neuem Geschirr für das Abendmahl auf. Das alte war schon ziemlich abgenutzt, sodass es wünschenswert erschien, ein neues Abendmahlsgeschirr anzuschaffen. Nur welches? Die jüngere Mannschaft hätte nun gern Tongeschirr gehabt. Der langjährige König hingegen wollte unbedingt „richtiges“ Abendmahlsgeschirr aus Silber. Er als langjähriger und alterserfahrener Verantwortungsträger wüsste ja schließlich auch besser, wie die Dinge zu handhaben seien. Als es nun zur Abstimmung kam, unterlag er jedoch deutlich mit seinem Ansinnen. Die Gemeinschaft entschied sich für Tongeschirr. Nicht gering war die Überraschung aller, als am folgenden Sonntag nun nagelneues Silbergeschirr aufgebaut war. Der Bruder hatte zwischenzeitlich die ihm als Rentner zur Verfügung stehende Zeit genutzt, um das von ihm gewünschte Geschirr zu besorgen. Die ganze Aktion rechtfertigte er damit, dass er großzügigerweise der Gemeinde eine „Sonderspende“ in Form des neuen (und durchaus teuren) silbernen Abendmahlsgeschirrs machen wollte. Die allgemeine Dankbarkeit für die großzügige Geste hielt sich allerdings in Grenzen. Er hatte Zeit und Geld zur Durchsetzung seines persönlichen Willens entgegen dem Willen und den Vereinbarungen der Gemeinschaft missbraucht. Er wollte nicht auf seinen Herrschaftsanspruch, d.h. in diesem Falle die Entscheidungskompetenz in einer derartigen Situation, verzichten.

Jeder Mitarbeiter, der Zeit hat, steht in der Gefahr eines unangemessenen Machtverhaltens. Man kann die persönlich zur Verfügung stehende Zeit zum wahrhaften Dienen einbringen oder aber zum Herrschen missbrauchen. Aber nicht nur Ehrenamtliche sind von dieser Versuchung der Macht betroffen. Das Gleiche gilt auch für hauptamtliche Mitarbeiter. Möglicherweise ist hier die Versuchung sogar noch viel größer. Hauptamtliche Mitarbeiter einer durchschnittlichen Gemeinde, das ist in der Regel der Pastor, haben viel Zeit für die Gemeinde. Die sollen sie auch haben. Dazu sind sie ausgebildet und berufen. Wenn sie hauptamtlich angestellt sind, ist es ihre Aufgabe, „vollzeitig“, d.h. ohne zeitliche Einschränkung durch einen weltlichen Beruf der Sache Gottes zur Verfügung zu stehen. Mit ihrem Wissen, ihrer Kraft, ihrer Kompetenz sollen sie der Gemeinschaft (in Gemeinde oder Werk) dienen. Mit der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit haben sie erhebliche Möglichkeiten zum Handeln. Der Tag steht ihnen offen. Durch die ihnen zur Verfügung stehende Zeit haben sie Möglichkeiten, Dinge zu beeinflussen. Ein Pastor kann vor wichtigen Entscheidungen mit Menschen reden und versuchen, sie für seine Ideen zu gewinnen. Dies ist eine großartige Chance zum Aufbau einer Gemeinde. Es ist aber zugleich eine große Verantwortung. Es bedeutet anvertraute Handlungsspielräume und somit anvertraute Macht. Die einem hauptamtlichen Mitarbeiter zur Verfügung stehende Zeit ist ein gewaltiges Potenzial, welches zum Segen für die Gemeinschaft entfaltet oder aber in eigenem Interesse missbraucht werden kann. Mehr als andere hat er die Zeit, sich Gesinnungsgenossen zu suchen. Er kann Hebel in Bewegung setzen. Das ist keinesfalls von vorneweg negativ. Derartige Möglichkeiten können Großes bewirken. Doch die Versuchung ist groß, sich nach und nach sein eigenes „Königreich“ zu bauen. Nicht wenige Pastoren, gerade wenn sie über längere Zeit hinweg das Vertrauen vieler in der Gemeinde genießen, erliegen dieser Versuchung. Jeder hauptamtliche Mitarbeiter sollte eingebunden sein in ein Gremium, das gemeinsam Verantwortung trägt. Es ist in Ordnung und auch erwartet, dass von dem hauptamtlichen Leiter wegweisende Impulse kommen. Die konkreten Entscheidungen, die die Gemeinde als Ganzes betreffen, sollten dann aber immer gemeinsam getroffen und gemeinsam verantwortet werden.

Weil diese Versuchungen sehr menschlich und real vorhanden sind, kommt es sehr darauf an, die Grundlinien, d.h. die Kompetenzen, die Aufgabenschwerpunkte, des Dienstes so genau wie möglich zu beschreiben. Nun ist es sicher so, dass im vollzeitlichen Dienst nicht jeder Handgriff reglementiert sein kann. Das wäre auch keinesfalls wünschenswert. Ein vollzeitlicher Mitarbeiter, der einen größeren Verantwortungsbereich anvertraut bekommt wie z.B. ein Pastor, benötigt gewisse Freiheiten und Handlungsspielräume. Dennoch ist es wichtig, den Rahmen abzustecken. Dies kann auch gemeinsam geschehen und im Verlaufe des Weges verändert werden. Gemeinsame Absprachen sind grundlegend wichtig. Welche Entscheidungen darf der hauptamtliche Mitarbeiter allein treffen? Wann sind Absprachen erforderlich? Wie viel Geld darf eigenständig ausgegeben werden? Lieber einmal mehr zurückfragen als einmal zu wenig. Es geht um ein gutes kommunikatives Miteinander in der Gemeindeleitung und bei denen, die ebenfalls Verantwortung tragen. Das hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern mit Verantwortung und im ganz positiven Sinne verstandener Kontrolle. Jede Form von Macht benötigt Kontrolle, um nicht zu entgleiten. Das gilt auch für einen Pastor oder sonstigen hauptamtlichen Mitarbeiter. Es geht nicht um „Überwachung“, , sondern um Verantwortung. Es geht um „dienen“ im eigentlichen Sinne des Wortes. Hier zeigt sich geistliche Gesinnung. Dienen hat immer zu tun mit Verantwortung und Rechenschaft – nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen.

Geld ist Macht

Die Macht des Geldes – Hast du was, bist du was

Geld ist ein gewaltiger Machtfaktor, vielleicht sogar der bedeutendste von allen. Von Cicero stammt der Ausspruch: „Nichts ist so sicher geschützt, dass es nicht mit Geld erobert werden kann.“. Mit Geld lassen sich Menschen bestechen. Von Geld werden Waffen gekauft. Wer Geld hat, hat Freunde. In den Sprüchen Salomos wird die Seele des natürlichen Menschen trefflich beschrieben: „Viele schmeicheln dem Vornehmen, und jeder will ein Freund dessen sein, der Geschenke gibt“ (Spr 19, 6). Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – und die Gunst. „Wer zahlt, befiehlt“ und „Niemand beißt die Hand, die ihn nährt“. Nicht von ungefähr sagt der Volksmund: „Geld regiert die Welt.“ Zur Schau getragener Reichtum erhöht Ansehen und Zuneigung, weil sich mancher insgeheim erhofft, doch auch irgendwie einen kleinen Brocken abzubekommen. So steigert sich das Ansehen noch erheblich, wenn der Reiche gelegentlich ein paar Krümel auf den Boden fallen lässt und diese seine Großzügigkeit möglichst effektiv und breit bekannt werden lässt. Da ist der wohlhabende Geschäftsmann, der seine Spendenbestätigung über 100 € monatelang im Schaufenster ausstellte, nur ein kleiner grotesker Fisch. Geld verleiht Macht und Einfluss. Mayer Amschel Rothschild (1744-1812), Begründer des Hauses Rothschild, soll gesagt haben: „Gebt mir Kontrolle über das Geld einer Nation, und es kümmert mich nicht länger, wer die Gesetze macht.“ Die wirkliche Macht liegt in der Hand des Geldes. Da spielt es eine untergeordnete Rolle, welche politischen Kräfte letztlich am Ruder der Gesetzgebung sind. Daran hat sich im gesellschaftlichen und politischen Geschehen bis heute nichts geändert. Politische Entscheidungen, bis hin zur Frage nach Krieg und Frieden, sind oftmals nicht unwesentlich von den finanziellen Ressourcen bestimmt. Selbst der Zusammenbruch des Ostblocks und das Ende des „Kalten Krieges“ resultierten letzten Endes aus der wirtschaftlichen Unterlegenheit des Ostens. Was geht oder nicht geht, entscheidet die Kassenlage. Vor entscheidenden Wahlen werden oft noch schnell Vergünstigungen versprochen, um die Gunst des Wählers zu erhalten.

Weil Geld und Reichtum so gewaltige Machtpotenziale entfalten kann, mahnt die Bibel eindringlich vor einer falschen Haltung dem Geld gegenüber: In Pred 5, 9 heißt es: „Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt, und wer Reichtum liebt, wird keinen Nutzen davon haben.“ Die Liebe zum Geld, das Verliebtsein in Geld und Besitz wecken immer neue Begehrlichkeiten. Alles dreht sich nur noch um das Geld und die Dinge, die man haben könnte. Geld kann zum Götzen werden. Ohne dass man es sich versieht, dient man dem Mammon. Geldgier wird in der Bibel aufs Schärfste verurteilt. Sie steht in krassem Gegensatz zum Glauben. „Geldgier ist eine Wurzel allen Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen“ (1Tim 6, 10). Nach Kol 3, 5 ist jede Form von Habsucht Götzendienst. Dies ist wohl auch der Grund für den Hinweis Jesu, dass es leichter für ein Kamel ist, durch das Nadelöhr zu gehen, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme (Mt 19, 24).

„Geld verdirbt den Charakter.“ Wer die Macht des Geldes gekostet hat, wer erlebt hat, wie unterwürfig sich manche Menschen verhalten, wird sich bald für etwas „Besseres“ halten. Er fühlt sich wichtig, „mächtig“ und überlegen. Schnell drohen Stolz, Hochmut und Überheblichkeit von seinem Charakter Besitz zu ergreifen. Weil er finanziell dominant ist, neigt er mehr und mehr dazu, in allen Dingen über die Menschen dominieren zu wollen. Es droht die Versuchung, dass der Mensch herrische Züge entwickelt.

Vom Recht auf Eigentum

Wenngleich die Bibel vehement gegen eine falsche Haltung zu Geld und Eigentum spricht, so spricht sie dennoch keinesfalls gegen rechtmäßigen Besitz und Eigentum. Im Gegenteil. In den biblischen Schriften ist offenkundig, dass Eigentum selbstverständlich zum Lebensvollzug des Menschen gehört. Rechtmäßig erworbenes Eigentum gilt zweifelsfrei als Segen Gottes. Schon die ersten Kapitel der Bibel berichten von den Gütern Abrahams. Infolge der Karriere am Hofe des Pharao wurde Josef ein sehr wohlhabender Mann. Ebenso Hiob. Nachdem Hiob sich in der existenziellen Krise bewährt hatte, beschenkte Gott ihn mit noch größerem Reichtum. Die Liste ließe sich noch lang fortsetzen. Auch in den Geboten Gottes zeigt sich eine positive Sicht von Besitz und Eigentum. Das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ setzt Eigentum voraus, ansonsten wäre es unsinnig. Es schützt rechtmäßiges Eigentum vor dem unberechtigten Zugriff anderer. Eigentum ist ein Geschenk, eine Gabe Gottes. Alles, was der Mensch hat, ist ihm gegeben. Er ist mit nichts gekommen und wird mit nichts gehen.

Als Eigentum wird der Wert oder die Sache verstanden, über die ein Mensch rechtmäßig verfügen kann. Darin unterscheidet sich der Begriff des Eigentums vom Begriff des „Habens“. So kann ein Gegenstand zwar in der Hand eines Menschen sein – aber dennoch nicht sein Eigentum. Er „hat“ etwas, obgleich ihm das nicht „gehört“. Der Bewohner einer Mietwohnung etwa spricht mit Recht von „seiner“ Wohnung, obwohl die Wohnung nicht sein rechtmäßiges Eigentum ist. Er „hat“ die Wohnung, er „besitzt“ sie, indem er sie bewohnen darf. Es ist ein überlassenes und begrenztes Nutzungs- und Verfügungsrecht. Ähnliches gilt auch für Diebesgut. Die gestohlene Sache befindet sich zwar in der Hand des Diebes, er „hat“ sie und kann etwas damit machen, er kann darüber verfügen. Aber es ist nicht sein rechtmäßiges Eigentum.

Eigentum gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Jeder Mensch braucht einen Bereich, über den er frei verfügen kann. Er will etwas sein Eigen nennen können. Der Mensch will gestalten. Das kann er nur, wenn er Verfügungsgewalt hat, d.h., wenn ihm etwas „gehört“. Auch ein überlassenes Verfügungsrecht kann bis zu einem bestimmten Grad dieses Bedürfnis erfüllen. Dies wäre etwa der Fall, wenn jemand beispielsweise bei einem gemieteten Haus den Garten oder Ähnliches frei gestalten darf. Zwar ist es nicht sein Eigentum. Dennoch darf er darüber im vereinbarten Rahmen verfügen. Wenngleich solche Möglichkeiten dem Grundbedürfnis des Menschen entgegenkommen, heben sie den Wunsch nach Eigentum nicht auf. Selbst wenn dann der Wunsch nach einem eigenen Hause wie viele andere Wünsche nach Freiheit und Unabhängigkeit niemals in Erfüllung gehen wird, ist das Grundbedürfnis nach Eigentum dennoch da. Es verlagert sich auf eine andere Ebene und verwirklicht sich in den kleinen Besitztümern, den „eigenen“ Möbeln, den „eigenen“ Büchern, dem „eigenen“ Taschengeld, dem „eigenen“ Mobiltelefon. Jeder Mensch braucht etwas, was er mit Recht sein Eigen nennen darf. Und wenn es nur etwas kleines, vordergründig Unscheinbares sei. Der Wunsch nach Eigentum ist ein in der Schöpfung begründetes Grundbedürfnis des Menschen. Aus diesem Grunde ist auch das Konzept des Kommunismus von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Es entspricht nicht dem Wesen des Menschen. Das göttliche „… ich habe euch gegeben …“ (1Mo 1, 29) zeigt an, dass Gott von Anbeginn dem Menschen Bereiche seiner Schöpfung zur Verfügung gibt. Gott gibt dem Menschen etwas zum Eigentum. Der Mensch soll und darf Eigentum besitzen.

Die Bibel kennt kein Armutsideal. Armut bedeutet immer eine gravierende Mangelsituation. Einer Situation, in welcher die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen an Nahrung, Kleidung und Obdach entweder unzureichend oder nur in dürftiger Weise zur Verfügung stehen, soll entgegengewirkt werden. Nach den Aussagen der Schrift muss Armut bekämpft werden. Armut ist niemals ein erstrebenswertes Ideal, sondern eine Not. „Es werden allezeit Arme sein im Lande; darum gebiete ich dir und sage, dass du deine Hand auftust deinem Bruder, der bedrängt und arm ist in deinem Lande“ (5Mo 15, 11). Gewiss kann Armut sehr unterschiedliche Ursachen haben. Sie kann Folge von Unrecht, Ungerechtigkeit, Gewalt sein. Sie kann aber durchaus auch durch schlechtes Wirtschaften, Glücksspiel oder gar Faulheit oder dergleichen selbst verschuldet sein. Doch das ist eine andere Frage. Armut an sich, ganz gleich wodurch sie verursacht wurde, wird in der Bibel immer negativ bewertet. Dementsprechend wird ein verantwortungsloses Verhalten, das in eigene Armut führen oder bei anderen Menschen Armut bewirken kann, in der Bibel auf das Schärfste verurteilt.

Nicht zu verwechseln mit Armut ist die Situation des geistlich motivierten freiwilligen Verzichtes. Aber auch der freiwillige Verzicht bedeutet keinesfalls zwangsläufig die selbst erwählte existenzielle Mangelsituation. Selbst unter dem Vorzeichen des freiwilligen Verzichtes gilt Mangel immer noch als Mangel und ist als solcher keinesfalls ideal oder erstrebenswert. Als Jesus die Jünger „ohne Geldbeutel“ aussandte, hatten sie dennoch niemals Mangel (Lk 22, 35). Während seines Dienstes als Apostel kannte Paulus beides, Situationen von Überfluss, aber auch Mangel (Phil 4, 12). Doch dieser Mangel des Paulus war kein selbst erwähltes Ideal, sondern wesentlich die unheilvolle Folge von Repression und Gefangenschaft. Er arbeitete als Zeltmacher und verdiente sich so seinen Lebensunterhalt. Als Paulus Mangel hatte, „… halfen die Brüder aus, die aus Mazedonien kamen“ (2Kor 11, 9). Der Jakobusbrief mahnt: „Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen?“ (Jak 2, 15-16). Armut und Mangelsituationen sind niemals erstrebenswerte Ideale. Im Gegenteil. Armen und Bedürftigen muss geholfen werden. Das gebietet das Gebot der Nächstenliebe.

Der Wunsch nach Eigentum und die Abgrenzung des Eigenen gegenüber anderen sind schon bei kleinen Kindern erkennbar. Bereits Kinder unter zwei Jahren reklamieren lautstark gegenüber anderen Kindern ihr persönliches Verfügungsrecht etwa über ein Spielzeug oder eine Süßigkeit, die ihnen von den Eltern geschenkt wurden. Unmissverständlich bringen sie zum Ausdruck: „Das gehört mir!“ Sie wollen nicht, dass jemand anders sich über dieses tief empfundene Verfügungsrecht hinwegsetzt und die Sache einfach gegen ihren Willen nimmt. Dies ist ein gesunder Reflex. Wenn Erwachsene dieses elementare Bedürfnis des Kindes permanent missachten oder zulassen, dass es von anderen Kindern, etwa älteren Geschwisterkindern, permanent missachtet wird, wird das der seelischen Entwicklung des Kindes schaden. Das Kind wird kein gesundes Verhältnis zum Thema Eigentum entwickeln, weder zum eigenen Eigentum noch zum Eigentum anderer. Der Begriff „Respekt“ wird ihm ein Fremdwort bleiben. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass der Mensch bereits von Kindesbeinen an lernt, zwischen dem Eigenen und dem des anderen zu unterscheiden und das Eigentum des anderen zu respektieren.

Eigentum verpflichtet

Eigentum ist nach biblischem Verständnis kein Wert in sich selbst. Verfügungsrecht über Eigentum ist immer verbunden mit einer besonderen Verantwortung. Die Verfügungsgewalt ist auch hier durch das Gebot begrenzt. Deshalb soll die Verfügung über das Eigentum, d.h. der Umgang mit Geld und Besitz, stets so gestaltet sein, dass Gott die Ehre gegeben wird. „Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen Schatz sammeln als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben ergreifen“ (1Tim 6, 17).

Die Grundpfeiler einer gottgefälligen Haltung zum Eigentum heißen Dankbarkeit, Genügsamkeit und Demut. An erster Stelle steht die Dankbarkeit. Alles, was der Mensch hat, hat er als Segen empfangen. Es ist nichts, was er nicht empfangen hätte. „Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen?“ (1Kor 4, 7). Zur Dankbarkeit gehört auch der Genuss des Guten. Nur mit Dankbarkeit lässt sich das Gute wirklich genießen. Der Undankbare kann nicht wirklich genießen. Er wird trotz des Guten immer unzufrieden sein, weil er den Geber nicht kennt. „Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne ihn?“ (Pred 2, 25). Gott schenkt dem Menschen die Dinge, damit sie in Dankbarkeit ihm gegenüber genossen werden können.

Der zweite Grundpfeiler ist die Genügsamkeit. „Seid nicht geldgierig und lasst euch genügen an dem, was da ist“ (Hebr 13, 5). Gier mit allen ihren üblen Auswirkungen ist immer eine Folge von Undankbarkeit. Genügsamkeit ist die Schwester der Zufriedenheit und der Dankbarkeit. Genügsamkeit ist nicht gleichzusetzen mit Armut. Dies sind zwei grundverschiedene Dinge. Die Mahnung zur Genügsamkeit bedeutet keinesfalls einen Aufruf zur Armut. Armut ist Mangel, der beseitigt werden muss. Genügsamkeit ist Dankbarkeit für den Segen, den Gott gibt. Auch steht Genügsamkeit keinesfalls im Gegensatz zum Genuss. Genügsamkeit bedeutet aber durchaus eine Selbstbescheidung des möglichen Genusses. Es hat zu tun mit bewusstem Verzicht. Man muss nicht alles haben, auch wenn man es haben könnte. Genügsamkeit bedeutet den bewussten Abstand von Verschwendung, Prasserei und Völlerei. Wohlstand ist Segen, der genossen werden darf. Qualität ist ein Schöpfungsmerkmal Gottes. Verschwendung, Prasserei und Völlerei hingegen sind verwerflich. Das Bett muss nicht vergoldet sein, um angenehm darin schlafen zu können.