cover.jpg

img1.jpg

 

Band 33/34

 

Asyl auf Planet Vier

 

Planet der Dschungelbestien

 

H. J. Frey

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Abenteuer im Solaren Imperium

In der Frühzeit des Solaren Imperiums schicken die Menschen Raumschiffe aus, um ferne Welten zu besiedeln. Diese abenteuerlichen Reisen verlaufen nicht immer glatt: Oft müssen sich die Siedler unerwarteten Problemen stellen. So auch die Menschen an Bord der PROSPERITY, die nicht nur mit ihrer Umgebung, sondern auch mit sich selbst kämpfen müssen ...

 

Als das Solare Imperium nach dem Kampf gegen die Zeitpolizei geschwächt ist, erlangen immer mehr dieser Kolonien ihre Unabhängigkeit. Nicht alle bleiben den Terranern freundlich gesinnt, an vielen Stellen gärt es in der Milchstraße. Und so finden sich Menschen auch auf Benjamin wieder, dem Planeten der Dschungelbestien ...

 

Dieser Band vereinigt die beiden einzigen PERRY RHODAN-Romane, die Anfang der 70er-Jahre der heute weitgehend unbekannte Autor H. J. Frey verfasst hat. Sie erschließen dem modernen Leser ganz unbekannte Facetten des PERRY RHODAN-Universums.

Inhaltsverzeichnis

 

 

Erstes Buch

Asyl auf Planet Vier

 

Zweites Buch

Planet der Dschungelbestien

 

 

 

Asyl auf Planet Vier

 

Sie kämpfen gegen eine feindliche Umwelt – und gegen die Armee der Sklaven

Im Weltall verschollen:

Probleme der frühen terranischen Kolonisierung

 

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, begann ab dem Jahre 1990 n. Chr. das Solare Imperium mit der Errichtung interstellarer Kolonien. In erster Linie waren dafür wirtschaftliche Interessen verantwortlich, da das Heimatsystem der Menschen allein den gestiegenen materiellen Bedürfnissen des noch jungen Sternenreiches nicht mehr Rechnung tragen konnte. Insofern ähneln gerade die ersten Siedlungsbemühungen stark denen der griechischen Stadtstaaten aus der frühen Antike Terras: Auch diesen gingen die Rohstoffe aus, und das Bevölkerungswachstum in den griechischen Poleis tat einst ein Übriges.

Im Gegensatz zu den alten Griechen erfolgte die terranische Kolonisierung von Anfang an zentral koordiniert. Federführend war das Finanzministerium unter der Leitung von Homer G. Adams. Da eine offene Präsenz der Solaren Flotte weder durchführbar noch gewünscht war, wurde zudem Allan D. Mercants Solare Abwehr hinzugezogen. Sie schleuste auf den Kolonistenschiffen Agenten unter Tarnidentitäten ein. Deren Aufgabe war es, das Wachstum der Kolonie zu beobachten, bei internen Problemen unauffällig einzugreifen und im Gefahrenfalle Terra zu informieren, auf dass Hilfe geschickt würde. In den Akten der SolAb wurden diese Agenten als »neutrale Beobachter« geführt – gleichwohl das Wort »neutral« hier natürlich mit einer gewissen Vorsicht zu bewerten ist.

Viele der frühen Berichte lesen sich abenteuerlich: Die Kolonisten waren oft Außenseiter der Gesellschaft, die sich fernab ihrer alten Umgebung ein neues Leben aufbauen wollten. Solche Menschen konnten gut damit leben, vielleicht auf Generationen hinaus keinen Kontakt zur Mutterwelt zu haben. Oftmals fanden neue technologische Verfahren Anwendung, mit denen man die Reisezeit verkürzen oder den Siedlern das Überleben erleichtern wollte.

Nicht immer gingen die Reisen der Auswanderer glatt. Eines der bekanntesten Beispiele einer als »problematisch« einzustufenden Expedition stellt der Fall der ADVENTUROUS dar, die im Jahre 2040 mit 8000 Siedlern (allesamt deportierte Mitglieder zweier politischer Organisationen, deren Führung einen erfolglosen Anschlag auf Perry Rhodan verübt hatte) nach Rigel III aufbrach. Ein Kampf an Bord beschädigte den Transitionsantrieb, was zu einem Fehlsprung in das System Myrtha führte. Erst nach vielen Irrungen und Wirrungen konnte sich dort auf dem Planeten Gray Beast eine terranische Kolonie etablieren – die kurz darauf während der Kämpfe gegen die Druuf vernichtet wurde.

Weitaus spektakulärer – wenn auch in der Öffentlichkeit kaum bekannt – verlief die Reise von 42 Terranern an Bord des Raumschiffes JUMPING KANGAROO im Jahre 2326. Der gar nicht als Kolonistenschiff gedachte Raumer wurde während einer Transition von einer gravitationsenergetischen Schockfront erfasst und rematerialisierte am Rand der Galaxie NGC 5194. Der einzige Planet in Reichweite erwies sich als für menschliches Leben unbewohnbar. Dies erzwang eine gentechnische Anpassung der Verschollenen an ihre neue Umgebung, die sie Chromund (»Welt der Farben)« nannten. Erst zehn Jahre später sollte man auf Terra wieder von diesen Abkömmmlingen der Menschheit hören – und selbst dies war einem Zufall geschuldet, denn NGC 5194 war mit den technischen Mitteln der Zeit nicht erreichbar.

Die Liste der verschollenen Schiffe ist lang. Manche wurden vergleichsweise schnell wieder gefunden, andere blieben dauerhaft verschollen ...

 

(Aus: Hoschpians Chroniken des 24. Jahrhunderts n. Chr., Kapitel 1.13: Probleme der frühen Kolonisierung)

1.

 

Reserviert betrachtete der Wachhabende das Abbild eines kleingewachsenen, älteren Zivilisten auf dem Kontrollschirm der Station.

»Bedaure, Sir!«, sagte er höflich, aber bestimmt. »Ich kann Ihnen leider keine Landeerlaubnis erteilen. Dies ist ein rein militärischer Stützpunkt der Solaren Flotte. Zivilpersonen haben keinen Zutritt. Ich muss Sie deshalb bitten, Ihren Anflug zu unterbrechen und sofort abzudrehen!«

»Verständigen Sie bitte Colonel Reckling«, bat der kleine Mann.

»Wie Sie wünschen, Sir!«, erwiderte der Uniformierte steif. »Das dürfte Sie jedoch kaum weiterbringen.« Widerstrebend benachrichtigte er seinen Vorgesetzten, der das Gespräch sofort in sein Büro umschalten ließ. Die nachfolgende Unterhaltung war sehr kurz und praktisch ohne jeden Informationsgehalt für den mithörenden Wachoffizier, was diesen zutiefst verdross.

»Willkommen auf Basis neun, Sir!«, begrüßte der Kommandant des Planetoidenstützpunktes den unscheinbaren Ankömmling. »Ich hatte Sie schon früher erwartet.«

»Das müssen Sie mir erst noch erklären!«, entgegnete der Unscheinbare erstaunt.

»Weisen Sie unseren Besucher in Hangar C ein, Leutnant Sparrow!«, wandte sich der Colonel über Interkom an den Wachhabenden und fügte hinzu: »Und dann gehen Sie doch bitte aus der Leitung, ja? Ich möchte ungestört sprechen.«

Der Leutnant lief knallrot an und befolgte hastig beide Anweisungen.

»Sie müssen die Neugier meiner Leute entschuldigen«, erklärte der Colonel wenig später, als er seinen Besucher durch die Gänge des ausgehöhlten Planetoiden geleitete. »Der eintönige Tagesablauf auf unserer Station weckt ihre Sehnsucht nach der allerkleinsten Abwechslung.«

»Aber das ist doch völlig verständlich«, meinte der kleine Mann. Er folgte der einladenden Geste des Colonels und betrat dessen behaglich eingerichtetes Büro.

»Nehmen Sie bitte Platz, Mr. Adams!«, forderte der Kommandant ihn auf. »Was darf ich Ihnen anbieten?«

Homer G. Adams, Finanzberater Rhodans und Leiter der General Cosmic Company, traf seine Wahl und versank in einem der bequemen Besuchersessel. »Ich bin erstaunt«, sagte er, »wie Sie mich erwarten konnten, obwohl außer dem Administrator niemand sonst über meinen geplanten Besuch informiert war. Sind Sie Hellseher?«

»Das gerade nicht«, wehrte Colonel Reckling ab. »Ich kann nur zwei und zwei zusammenzählen. Durch die Ereignisse auf den Planeten TOLIMON und VOLAT ist dem Robotregenten auf ARKON nunmehr bekannt geworden, dass TERRA vor 56 Jahren nicht vernichtet worden sein kann. Unser Versteckspiel ist zu Ende. Damit dürften auch einige Beschränkungen wegfallen, die wir uns bisher auferlegt hatten. Ich nahm also an, dass Sie Ihre fertigen Pläne aus der Schublade holen würden, um damit schnurstracks zu mir zu kommen.«

Adams musste lachen. »Gratuliere!« Er angelte nach dem Aktenkoffer, den er neben dem Sessel abgestellt hatte, und klopfte auf das glänzende Leder. »Hier drin sind sie, Mr. Sherlock Holmes!« Umständlich nestelte er an den Schnappverschlüssen herum. »Ich habe von Rhodan grünes Licht erhalten. Die PROSPERITY kann starten.« Damit klatschte er ein umfangreiches Aktenbündel auf den Tisch.

Colonel Reckling drückte die Sprechtaste auf seinem Schreibtisch. »Dr. Grotham bitte zu Hangar S!«, sprach er, und zu Adams gewandt fuhr er fort:

»Ich nehme an, dass Sie das Schiff besichtigen wollen. Es steht bereit.«

 

Dr. Grotham war schlank, fast hager; ein Mann, der sich straff hielt, ohne dabei militärisch zu wirken. Er erwiderte Adams' grüßendes Kopfnicken mit einer angedeuteten Verbeugung. »Es ist also endlich soweit«, stellte er nüchtern fest.

Der Colonel tippte eine längere Zahlenkombination in die Eingabe der positronischen Kontrolle. Dann legte er die rechte Hand flach auf eine markierte Stelle an der Wand. Grollend wichen die schweren Schotthälften auseinander und gaben einen hell erleuchteten, röhrenförmigen Gang frei.

»Ich kann mir denken, wie froh Sie sind, Ihre Zwangspause endlich beenden zu dürfen!«, hallte Adams' Stimme im Gang wider.

Der Wissenschaftler lächelte. »Fünf Jahre sind eine kleine Ewigkeit. Über kurz oder lang hätte ich die Nerven verloren und mich mitsamt der PROSPERITY heimlich davongemacht.«

Der Gang mündete in eine schwach erleuchtete Panoramagalerie, welche das riesige Ausmaß der Halle, die sie umlief, nur unvollkommen ahnen ließ. Eine Metallstange führte zu einer gewölbten Metallwand hinüber, die matt im Halbdunkel schimmerte und schließlich mit der zunehmenden Schwärze des Raumes verschmolz. Der Colonel betätigte einen Schalter, und strahlende Lichtflut überschüttete sie mit schmerzhafter Plötzlichkeit. Sie mussten blinzeln. Vor ihnen ragte der glänzende Schiffsleib empor, eine riesige Kugel aus Arkonstahl, die zweihundert Meter durchmaß. Die PROSPERITY ...

Adams setzte vorsichtig einen Fuß auf den schmalen Metallsteg und spähte misstrauisch in die Tiefe. Im Gegensatz zu den üblichen Schiffstypen ruhte das Schiff nicht auf einem Kranz von Landestützen. Es wurde von außen durch ein Gewirr metallener Streben in seiner Lage festgehalten, die von allen Seiten, sich teleskopartig verjüngend, aus den Wänden ragten.

»Der Einbau von Landestützen erwies sich als völlig überflüssig, da die PROSPERITY in dieser Form niemals auf dem Boden ihres Zielplaneten niedergehen wird«, erklärte Colonel Reckling. »Wie Sie sicher wissen, besteht das Schiff aus drei voneinander unabhängigen Einheiten: den Sektionen NORD, MITTE und SÜD, die eigentlich nur durch die Zentralachse miteinander verbunden sind. NORD und SÜD besitzen eigene Korpuskularantriebe, die sie befähigen, nach der Trennung von Sektion MITTE selbständig zu landen. MITTE enthält den interstellaren Transitionsantrieb und soll als Satellit den Zielplaneten umkreisen – Relaisstation für den Hyperfunkverkehr von der Erde.«

»Ich kenne die Pläne«, nickte Adams. Entschlossen überquerte er den Steg und verschwand in der offenstehenden Schleuse.

Ihr Rundgang führte sie durch alle wichtigen Abteilungen des Schiffes, und Adams' Gesicht zeigte tiefe Befriedigung, als sie sich anschließend im Büro des Kommandanten zu einer kurzen Besprechung zusammensetzten.

»Ihre Aufgabe wird nicht ganz einfach sein«, eröffnete der Finanzgewaltige das Gespräch, indem er sich Dr. Grotham zuwandte. »Die Menge der Bewerber mit gleicher Qualifikation zwang uns, die Auswahl durch das Los bestimmen zu lassen. Dadurch werden Sie unter Ihren Kolonisten die verschiedenartigsten Charaktere antreffen. Nun, Sie werden ja sehen. Morgen um 0900 Standard können Sie Ihre Schützlinge auf dem Raumhafen von Terrania abholen ...«

 

Als Adams das Projekt PROSPERITY finanzierte und Unsummen in die Entwicklung und Ausrüstung der Sonderkonstruktion steckte, geschah dies nicht aus einer momentanen Spenderlaune heraus – dazu war er ein viel zu kühler Rechner. Eines Tages hatte er auf seinem Schreibtisch Unterlagen über einen Planeten namens SIMON'S CORNER vorgefunden, eine erdähnliche Welt, die zufällig von einem terranischen Schiff entdeckt worden war, und die in einer abgelegenen Gegend der Milchstraße als einziger Planet eine rötliche Sonne umkreiste. In keinem Sternkatalog verzeichnet, schien sich SIMON'S CORNER den Terranern als herrenloses Gut anzubieten, das sie sich mit ein wenig Geschick aneignen konnten. Wenn jemand auf einer belebten Straße ein Geldstück findet, so setzt er zunächst einmal unauffällig den Fuß darauf, um sich später unter einem Vorwand danach zu bücken. Ist das Geldstück erst einmal in seiner Hand, so kann es ihm nur noch unter Gewaltanwendung entrissen werden.

Adams war dabei, unauffällig den Fuß auf seinen Fund zu setzen. Bücken wollte er sich wesentlich später.

Deshalb musste die junge Kolonie fernab der Erde vom ersten Tage an autark sein. Versorgungsflüge hätten eine Schar von Interessenten angelockt, die nach der Ursache der regen Flugtätigkeit in diesem verlassenen Zipfel der Galaxis forschen würden, den fetten Happen entdeckten und an sich rissen. Dazu sollte es jedoch nach Adams' Plänen nicht kommen. Sie lauteten, schlicht ausgedrückt: Hinfliegen, in Besitz nehmen, sich nach besten Kräften vermehren, um dann schließlich den erschlossenen und besiedelten Planeten gewissermaßen als reife Frucht dem Solaren Imperium zu präsentieren, zu einem Zeitpunkt, an dem die Kolonie bereits so stark war, dass ein Angreifer aus dem All keine Chancen mehr hatte, sich den Planeten im Handstreich anzueignen.

Um der Vermehrung ein wenig nachzuhelfen, hatte man einen ungewöhnlichen Weg beschritten. In zahllosen Kühlfächern ruhten menschliche und tierische Keimlinge, die zu gegebener Zeit in den Bruttanks zu voll ausgebildeten Wesen heranreifen konnten. Eine Bevölkerung auf Abruf, gewissermaßen ...

Die technische Ausrüstung war perfekt. Von der Sicherheitsnadel bis zu Fertigbauten – man hatte an alles gedacht.

Soweit die Investitionen. Über die Rentabilität des Unternehmens würde Adams sehr viel später sprechen.

Wer unsterblich ist, kann auf lange Sicht planen ...

 

Dies ist Timmys Tagebuch, und ich untersage hiermit aufs strengste, dass Unbefugte darin herumschnüffeln. Unbefugt sind alle Personen, die nicht Tim Stokkeby heißen. TOP SECRET + TOP SECRET!

Dreizehnter November 2040.

Hurra, wir sind im All! Ich kann es noch immer nicht fassen, dass ich dabei sein darf. Doc Morrand war ja sehr freundlich zum Abschied. »Timmy«, sagte er, »ich weiß nicht, ob du den rechten Weg gehst, aber ich wünsche dir viel Glück!« Ich glaube sogar, dass die dürre Miss Thatcher sich in einem stillen Winkel ein paar Tränen abgequetscht hat, denn ihr Gesicht wirkte noch zerknitterter als sonst. Sie wusste wohl selbst nicht genau, ob sie mich leiden konnte oder nicht.

Bis jetzt habe ich noch kein Heimweh nach den Kumpels von St. Claud's. Ein Heim mag noch so gut sein, damit ist es aber noch immer keine richtige Familie. Du besitzt ein Vierundsechzigstel Doc Morrand und ein Zehntel Miss Thatcher, das reicht einfach nicht aus!

Darum habe ich den Beruf gewechselt: Vom Waisenknaben zum Kolonisten! Wenn das kein Fortschritt ist?

Die PROSPERITY hat schon zwei Transitionen hinter sich. Käpt'n Jackson hat mir erklärt, dass wir wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen müssen, um uns keine Springer auf den Hals zu laden. Pah! Springer! Perry Rhodan würde denen ganz schön einheizen!

Gleich nach dem Start habe ich meine Kabine mit Rhodanbildern vollgepflastert. Ich habe eine ganze Menge davon, alle dreidimensional und im Großformat. Als Dr. Joohst – das ist unser Biologe – kurz hereinschaute, hat er die Mundwinkel heruntergezogen. Er hat wohl nie für etwas geschwärmt. Tiere mag er auch nicht. Man muss sich das einmal vorstellen, als Biologe! Miss Sue, die Bordkatze, hat das jedenfalls gleich gemerkt. Sie behandelt ihn, als wäre er Luft, und blinzelte nicht einmal, selbst wenn er ihr fast auf den Schwanz tritt. Miss Sue gehört Twinnie, und Twinnie ist Kapitän Jacksons Tochter. Sie heißt eigentlich Shirley, aber jeder nennt sie Twinnie, weil sie ein halber Zwilling ist. Die andere Hälfte von Twinnie lebt nicht mehr. Twinnie zwei starb bei der Geburt und nahm gleich noch Mrs. Jackson mit sich. So musste der Kapitän Twinnie eins ganz alleine aufziehen. Er muss sie ganz schön gepäppelt haben; denn Twinnie ist ein wahres Prachtstück. Kaum zu glauben, dass das bloß die Hälfte ist ...

Der Schiffsgong schlägt an. Husch, in die Koje! Die nächste Transition beginnt. Gibt's eigentlich nichts gegen diese verdammten Kopfschmerzen? Wer etwas weiß, soll sich bitte zuerst an mich wenden! Derzeitige Anschrift: Tim Stokkeby, Milchstraße.

 

Die PROSPERITY rematerialisierte in einem Gebiet relativ geringer Sternendichte. Auf den Panoramaschirmen glommen die Lichtflecke entfernter Sternenballungen.

Nielson am Orterpult stellte die Massetaster auf Rundumpeilung und regulierte den Erfassungsbereich mit behutsamen Bewegungen bis zur oberen Grenze der Drehskala hinauf. Auf dem Schirm flammten in monotonen Zeitabständen winzige Lichtpünktchen auf, wanderten zur Seite und erloschen, während schon das nächste seine verblassende Bahn zog.

»Ortung negativ, Sir!«, meldete der Funkoffizier.

Das Zentraleschott glitt auseinander und ließ Rusty Craigh herein. Wortlos nahm der Erste an seinem Kontrollpult Platz und überprüfte anhand einer Checkliste die einzelnen Aggregate. Aus den verschiedenen Stationen liefen Klarmeldungen ein. Langsam kletterte die rote Nadel der Energieanzeige wieder empor und zeigte an, dass sich die Speicherbänke für den nächsten Sprung aufluden. Das Bordgehirn spuckte einen langen Lochstreifen aus. Rusty führte den Streifen in den Kodeleser ein, der die Positionsdaten ausdruckte und zusammen mit den automatisch aufgenommenen dreidimensionalen Bildern dieses Raumabschnitts im Logbuch speicherte. Irgendwann würden die magnetischen Aufzeichnungen dem zentralen Computer auf TERRA eingefüttert werden und so ein weiteres Mosaiksteinchen zur kartographischen Erfassung der Galaxis hinzufügen.

Kapitän Jackson leitete die notwendigen Kurskorrekturen ein. Auf den Bildschirmen führten die Sternbilder geringe Schwenkbewegungen aus und kamen schließlich wieder zur Ruhe, als der Kurs festlag. Jackson ließ die Automatsteuerung einrasten und schwenkte seinen Sessel zu Rusty herum.

»Wie weit bist du?«, erkundigte er sich.

»Alles in Ordnung, Ted«, erwiderte der Erste. »Du kannst die Kiste springen lassen, sobald genügend Saft in den Speichern ist.«

»Energieablesung?«

»Zweiundachtzig Prozent.«

Entspannt lehnten sich die Männer in ihre Kontursessel zurück. Rusty bot Zigaretten an, und sie rauchten schweigend.

Über den Interkom rief der Kapitän Dr. Grotham an. »Der nächste Sprung bringt uns nach SIMON'S CORNER«, teilte er ihm mit.

»Sehr gut!«, freute sich der Wissenschaftler. »Ich bin froh, dass keine Komplikationen aufgetreten sind.«

»Noch sind wir nicht gelandet!«, dämpfte Jackson seinen Optimismus. Mit bedächtigen Handgriffen leitete er die Transition ein. Kurz darauf ertönte der Gong, und die mechanische Stimme des Bordgehirns leierte den Countdown herunter. Dann verschwamm das Bild auf den Schirmen ...

Ein ziehender Schmerz im Nacken zeigte an, dass der Sprung beendet war. Im Fadenkreuz des Bugschirms schwamm eine rötliche Sonne mit der scheinbaren Helligkeit 5m. Die PROSPERITY beschleunigte und jagte mit vierundneunzig Prozent Unterlicht darauf zu.

»Gemütlich sieht es ja gerade nicht aus«, meinte Rusty.

»Man kann sich täuschen«, gab Jackson zurück.

Dr. Grotham kam in die Zentrale gestürmt. Im Laufen massierte er sich den Nacken. Wer nicht an Transitionen gewöhnt war, hatte länger unter den Nachwirkungen zu leiden. Gespannt starrte der Wissenschaftler auf den Bildschirm, doch der rötliche Fleck wurde dadurch nicht größer.

»Wann sind wir dort?«, wollte Grotham wissen.

»Wenn wir Ihre geballte Energie auf den Antrieb leiten könnten, in weniger als zwei Stunden«, neckte ihn Rusty.

Der Wissenschaftler lachte. »Und sonst?«

»Etwa das Doppelte.«

Jackson starrte auf die Anzeigentafel, obwohl es im Augenblick nichts für ihn zu tun gab. Er liebte es nicht, wenn zappelige Zivilisten in seiner Zentrale herumschwirrten. Grotham schien das zu spüren, denn er zog sich etwas in den Hintergrund zurück und suchte sich einen Sitzplatz. Seine Hände umkrampften die Lehnen, und er wäre gar zu gerne wieder aufgesprungen.

Rusty fühlte Erbarmen mit dem Nervenbündel dort hinten. Er schwang seinen Sessel herum und wollte gerade etwas Beruhigendes sagen, als die Strukturtaster Alarm gaben und gleich darauf ein zweites Mal ausschlugen. Sie hatten den Transitionsschock zweier Schiffe angemessen.

Der schwerblütige Kapitän reagierte mit unerwarteter Schnelligkeit. Ein Tastendruck leitete zusätzliche Energie in die Schutzschirme und verstärkte sie. Fast zugleich erhöhte Jackson die Geschwindigkeit. Das Schiff beschleunigte mit voller Kraft.

»Hier spricht Jackson«, wandte sich der Kapitän über die Rundrufanlage an die Besatzung. »Nottransition. Begeben Sie sich sofort in Ihre Kabinen und schnallen Sie sich an! Druckanzüge anlegen!«

Er sprang auf und ergriff den Schutzanzug, der ihm von Rusty herübergereicht wurde. Mit metallischem Klicken rastete der Helm in die Halterungen. Rusty half Dr. Grotham beim Anlegen des Anzugs und schlüpfte anschließend eilig in seinen eigenen.

»Bilderfassung auf meinen Schirm!«, forderte der Kapitän. Flackernd baute sich vor seinen Augen ein Abbild des umgebenden Raumes auf. Nielson verstellte einige Drehskalen und verengte den Bildausschnitt. Der gezeigte Raumausschnitt dehnte sich wie rasend aus und schien auf sie zuzufliegen. Noch war nichts zu erkennen, wenn man von einem verwaschenen Lichtfleck am Rande des Schirms absah.

Nielson projizierte die einlaufenden Ergebnisse der Massetaster synchron über die Bilderfassung. Jetzt sahen sie es! Zwei helle Punkte waren erschienen, die an Lichtintensität zunahmen. Die Bordpositronik setzte die Entfernungsmessungen in Helligkeit um: Je näher ein Objekt dem Schiff kam, desto heller erschien es auf dem Schirm.

Beschwörend blickte der Kapitän auf die Energieanzeige. Nur sehr zögernd luden sich die Speicherbänke nach der kurz zuvor erfolgten Transition auf. Die Nadel stand auf achtundsiebzig Prozent, zuwenig, um schon jetzt den Sprung zu wagen.

Die Positronik projizierte den ermittelten Kurs der Fremdobjekte zusammen mit dem der PROSPERITY als leuchtende, farbige Linien auf Jacksons Schirm. Sie bildeten zusammen ein etwas schiefgeratenes Ypsilon, das ständig zu schrumpfen schien, weil seine Balken sich zunehmend verkürzten.

Nielson drehte an den Skalen der Bilderfassung. Der verwaschene Lichtfleck war inzwischen vom Bildrand mehr auf das Zentrum zugewandert. Jetzt blähte er sich auf, dehnte sich anschließend wieder in die Länge, und plötzlich erblickten sie das gestochen scharfe Bild einer länglichen Walze.

Ein Springerschiff!

Das andere existierte bisher nur als Leuchtpunkt der Masseortung, es schien weiter entfernt zu sein.

Jacksons Blick hing an der Energieanzeige. Die Nadel kroch auf die Fünfundachtzig-Prozent-Markierung zu. Allmählich baute sich das fünfdimensionale Sprungfeld auf, doch es reichte noch nicht aus. Ohne Zögern hieb der Kapitän deshalb auf die breite Schaltplatte der positronisch gelenkten Fluchtsteuerung. Ein eingespeistes Programm lenkte den Kurs des Schiffes. In einem wahnwitzig erscheinenden Zickzackkurs versuchte die PROSPERITY ihre Gegner abzuschütteln; sie bockte wie ein störrischer Maulesel, brach seitlich aus, sackte plötzlich nach unten durch, um dann wieder steil emporzuziehen, beschleunigte, verzögerte – man konnte meinen, dass ein Betrunkener das Schiff führte.

Die Andruckabsorber heulten unter der Belastung und drohten auszusetzen. Mehr als einmal presste eine unsichtbare Faust die Männer gewaltsam in ihre Sessel, wenn kurzfristig die Beschleunigungskräfte durchkamen.

Neunzig Prozent!

Der kleine Vorsprung, den sie vorübergehend gewonnen hatten, schmolz mehr und mehr dahin.

»Funkspruch zur Erde!«, befahl Jackson.

Nielson nickte und führte einen vorbereiteten Plastikstreifen in den Schlitz des Hyperkoms ein. Die Botschaft bestand nur aus einem Wort, das nun unaufhörlich über die mächtigen Antennen ins All abgestrahlt wurde: »RENDEZVOUS«, funkte die PROSPERITY, und immer wieder: »RENDEZVOUS ...«

Dreiundneunzig Prozent!

Das erste Walzenschiff eröffnete das Feuer. Ein blassgrüner Lichtfinger tastete nach der PROSPERITY und sprühte funkelnde Leuchtkaskaden über den Schirm. Der nächste Schuss jagte wirkungslos in großer Entfernung vorbei, weil die PROSPERITY kurz zuvor einen jähen Satz zur Seite gemacht hatte. Dann schüttelte sich das Schiff unter einem seitlichen Treffer. Das zweite Springerschiff hatte in den ungleichen Kampf eingegriffen.

Sechsundneunzig Prozent!

Die Instrumente zeigten an, dass sich das Sprungfeld stabilisierte. Jetzt oder nie! Jackson riss den plombierten Hebel für die Nottransition herum und wusste gleichzeitig, dass es zu spät war. Ein gewaltiger Doppelschlag erschütterte das Schiff, riss den Schutzschirm an einer Stelle auf und ließ die Hülle aus Arkonstahl unter dem Treffer erdröhnen. Die PROSPERITY bäumte sich auf wie ein weidwundes Tier, ein gigantischer Druck schien die Besatzung zermalmen zu wollen ...

Da verwischten die Sterne.

 

Die Rohrpost spuckte die kurze Funkbotschaft der PROSPERITY auf Homer G. Adams' Schreibtisch. Er blickte nachdenklich auf das einzelne Wort und seufzte. Dann ließ er sich mit dem Kommandanten der SHADOW verbinden, die in Alarmbereitschaft auf dem Raumhafen wartete.

»Der Fall RENDEZVOUS ist eingetreten«, sagte Adams müde. »Sehen Sie zu, was Sie noch machen können.«

Der Leiter der GCC trat ans Fenster und blickte hinunter auf das wimmelnde Leben der ständig wachsenden Metropole. Er verharrte lange Zeit in nachdenklicher Haltung. Er würde noch so manches Schiff, beladen mit hoffnungsvollen Kolonisten, ins All hinausschicken, und die kleine Gruppe der PROSPERITY würde nicht das letzte Opfer bleiben, das Terra auf seinem Wege ins All zu bringen hatte.

Dennoch schmerzte es ...

2.

 

Das auf- und abschwellende Geräusch der Alarmanlage bohrte sich mit bösartiger Hartnäckigkeit in sein wiedererwachendes Bewusstsein. Jackson schüttelte benommen den Kopf und öffnete die Augen. Langsam klärte sich sein Blick. Sein erster Gedanke war: Wir haben es geschafft! Gott sei Dank, wir haben es geschafft! Mühsam stemmte er sich aus dem Kontursessel empor. Die Luftanzeige gab normale Druckverhältnisse an.

Er klappte den Helm zurück. Für die Dauer von ein paar keuchenden Atemzügen verschwamm alles vor seinen Augen. Er musste sich gegen die Armlehnen stützen, bis die Schwärze von seinen Augen wich. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und starrte verständnislos auf die breite Blutspur, die sich plötzlich quer darüberzog.

Neben ihm kam ächzend der Erste hoch. Mit schmerzverzerrtem Gesicht betastete Rusty seine Rippen. »Schalt doch endlich die Musik ab!«, beschwerte er sich weinerlich.

Jackson raffte sich mühsam auf und brachte mit einem Knopfdruck die Alarmanlage zum Schweigen. Von den Kontrollen jedoch blinkte ihn weiterhin ein ganzes Feuerwerk von warnenden Rotlämpchen an. Sie wiesen auf schwere Beschädigungen hin. Eine Reihe von Bildschirmen war blind oder geborsten. Die wenigen intakten zeigten ein Universum, das einen verrückten Tanz um die PROSPERITY als Zentrum vollführte. Eine einfache Messung mit dem Armband-Chronometer ergab, dass einhundertvierunddreißig Sekunden verstrichen, bis dieselbe Sternkonstellation wieder auftauchte. Der mit der Messung verbundene Rundblick auf ihre neue Umgebung hatte Jackson gezeigt, dass für die nächste Zeit keine Kollisionsgefahr drohte. Er wandte sich deshalb von den Kontrollen ab und stapfte mit knirschenden Schritten über den splitterbesäten Boden.

Dr. Grotham hing noch in tiefer Bewusstlosigkeit in seinen Gurten. Jackson befreite ihn von seinem Helm und schritt weiter. Er sah, dass Rusty sich um Nielson bemühte und verließ die Zentrale. Der Gang war leer bis auf zwei Medorobs, die in geschäftiger Eile an ihm vorüberflitzten. Später traf er auf die Ärztin. Doktor Alice Roper hatte eben erst ihre Arbeit aufgenommen. Sie konnte ihm noch keine Auskunft geben, wie es um die Besatzung stand.

»Kümmern Sie sich um die Maschinensektion!«, bat sie den Kapitän und teilte ihm drei soeben aufgetauchte Medorobs zu.

Unterwegs wurde in einem der Radialgänge plötzlich die Tür aufgerissen. Charles Linley, einer der Kolonisten, stützte sich gegen den Türrahmen und wies mit einer hilflos wirkenden Handbewegung in das Innere der Kabine. Seine Frau lag seltsam verrenkt am Boden. Sie hatte wohl keine Zeit mehr gefunden, sich anzuschnallen. Der mörderische Andruck kurz vor dem Sprung hatte sie gegen die Wand geschleudert. Einer der Medorobs beugte sich über die verkrümmte Gestalt.

»Exitus«, meldete er mit unpersönlich klingender Automatenstimme.

Kapitän Jackson wich dem bettelnden Blick des Kolonisten aus und wandte sich zur Tür. Der Mann stürzte zu der Toten, ergriff ihre schlaffe Rechte und streichelte sie schluchzend.

Vor dem Eingang zur Maschinensektion glomm warnend eine rote Lampe. Der Raum war luftleer. Jackson betrat die kleine Schleusenkammer, die für solche Fälle vorgesehen war, und wartete ungeduldig auf den Grünwert des Öffnungsmechanismus. Endlich ließ sich das kreisrunde Mannschott öffnen. Als er den Maschinenraum betreten wollte, verlor er plötzlich den Halt unter den Füßen und schwebte mit rudernden Armen zu Boden. Die künstliche Schwerkraft war in dieser Sektion ausgefallen. Mit vorsichtigen Bewegungen griff Jackson zur Gürtelschnalle und schaltete den Gravitationsregler seines Raumanzugs ein.

Der Raum bot ein Bild der Verwüstung.

Überall schwebten Trümmerstücke umher, dazwischen reglose Gestalten in Raumanzügen. Die Medorobs machten sich an die Arbeit. Für Jackson nicht wahrnehmbar, verständigten sie über Funk die Krankenstation und verlangten Verstärkung. Bald darauf wimmelte es von metallischen Gestalten, die Verwundete und Bewusstlose auf mitgebrachte Antigravbahren luden und abtransportierten.

Rusty traf ein und aktivierte eine Reparatureinheit, die sich sogleich an dem klaffenden Leck in der Außenhülle zu schaffen machte. Zischend fraß sich der Vakuum-Schweißbrenner in die Metallwand, die sich unter der ungeheuren Hitzeeinwirkung des Strahlschusses verformt hatte und die Atmosphäre des Raumes ins Vakuum entlassen hatte. Die Roboter schnitten ein exaktes Rechteck aus der Wandung, während sich schon aus dem Hintergrund, von Rusty über ein tragbares Kommandogerät dirigiert, schwankend ein Kettenfahrzeug näherte, das eine vorbereitete dicke Metallplatte transportierte, die sich genau in das erweiterte Leck einfügte. Spezialbrenner schweißten eine luftdichte Naht, dann konnte der Maschinenraum versuchsweise wieder mit Sauerstoffgemisch geflutet werden. Das Leck war abgedichtet. Sogleich gingen die Roboter daran, die entlang der Außenhülle verlaufenden Versorgungs- und Energieleitungen zu flicken.

Jackson wartete nicht ab, bis die Wandverkleidung aufmontiert wurde, sondern wandte sich zum Gehen. Er wurde jetzt in der Zentrale gebraucht.

Dort traf er auf einen mittlerweile sehr aktiv gewordenen Dr. Grotham. Der Wissenschaftler hatte sich am Kartentank häuslich niedergelassen und bombardierte das Positronenhirn mit einer Flut von Anfragen.

Jackson gab sich innerlich einen Ruck und steuerte auf ihn zu. Vertieft in seine Arbeit, hatte Grotham ihn nicht kommen hören und schrak deshalb zusammen, als Jackson sich über ihn beugte.

»Nun?«, erkundigte sich der Kapitän.

»Bevor ich Sie mit meinen Untersuchungsergebnissen behellige, wüsste ich gern, wie es um die PROSPERITY steht. Können wir noch Transitionen durchführen?«

Jackson schüttelte den Kopf. Er hatte den halbzerschmolzenen Metallblock gesehen, der einst ein Sprungfeldgenerator gewesen war. Mit bordeigenen Mitteln ließ sich da nichts machen. Sie saßen in diesem unbekannten Winkel des Universums fest, mit der geringen Aussicht, dass ein Suchschiff des Solaren Imperiums sie aufstöberte.

Der nüchtern denkende Wissenschaftler sammelte eine ganze Reihe von Unterlagen ein und stapelte sie zu einem Haufen auf, den er mit entschlossener Bewegung von sich wegschob. Den übriggebliebenen, wesentlich kleineren Zettelwirrwarr ordnete er entlang der Tischkante zu einem papierenen Bandwurm, den er mit gerunzelten Brauen anstarrte.

»Wie groß ist unsere Reichweite?«, fragte er Jackson.

Der Kapitän fuhr mit der Hand über sein ergrauendes Bürstenhaar und sagte dann zögernd: »Das kommt darauf an. Wenn wir davon ausgehen, dass mit dem Normalantrieb eine durchschnittliche Geschwindigkeit von achtzig Prozent Licht erreicht werden kann, so benötigen wir für jedes Lichtjahr, das wir zurücklegen wollen, fünfzehn Monate Flugzeit. Wie lange wollen Sie Ihr Leben eingesperrt in einem Raumschiff verbringen?«

Diese Aussicht erschreckte den Wissenschaftler, der fünf Jahre seines Lebens auf Basis neun verbracht hatte. Erneut wanderten Papiere zu dem abgelegten Stapel. Der Bandwurm an der Tischkante schmolz zusammen.

Er wurde im Laufe der Zeit noch kleiner. Eine Doppelsonne wanderte auf die Ablage, weil nach der sogenannten Turbulenztheorie bei Mehrfachsternen kaum mit einem Planetensystem zu rechnen war. Diverse Sterne mit mehr als einskommafünf Sonnenmassen gingen den gleichen Weg. Sterne dieser Größe haben im allgemeinen eine viel zu hohe Rotationsgeschwindigkeit, um ein Planetensystem zu entwickeln.

Schließlich lehnte Grotham sich seufzend zurück, streckte den Arm aus und tippte mit seinem Metallstift auf einen der Zettel.

»Das ist alles«, meinte er trocken.

Jackson studierte den Zettel. Das Ergebnis war niederschmetternd. Mit dürren Worten stand zu lesen, dass ihre künftige Heimat ein marsähnlicher Wüstenplanet mit annähernd Erdmasse war, dessen Dichte 4,63 betrug, und der sich in Nähe der beiden Pole mit je einem dünnen Vegetationsgürtel umgab. Die Temperaturen waren auch nicht gerade verlockend; es herrschten annähernd sibirische Verhältnisse. Und was das schlimmste war: Der Sauerstoffanteil der Atmosphäre betrug rund 8,9 Prozent. Sie hätten sich ebenso gut auf einem Gipfel des Himalaja häuslich einrichten können ...

 

Wie erwartet, verlief die Versammlung in der großen Messe äußerst turbulent. Ein Teil der Kolonisten beharrte stur auf der Ansicht, dass es eine reine Willenssache sei, den Hyperantrieb zusammenzuflicken und dann die Heimreise anzutreten. Rusty Craigh hatte alle Mühe, ihnen einzuhämmern, dass der Wille allein noch keine Berge versetzt. Schwitzend und mit gerötetem Gesicht flüchtete er sich anschließend in den Alkohol.

Andere wiederum wollten, dass man um Hilfe funkte. Abgesehen davon, dass dies ein recht zweifelhaftes Unterfangen wäre – wer konnte schon mit Sicherheit voraussagen, dass sie ausgerechnet ein terranisches Schiff herbeiriefen? –, es war ja doch nur ein Streit um des Kaisers Bart, denn niemand wusste eine Antwort auf Nielsons Preisfrage, wie man mit abgeschmolzenen Antennenblöcken funken sollte.

Schließlich aber ging die heiße Debatte doch noch zu Ende. Jackson schien es, als hätte sie tagelang gedauert, doch die Borduhr zeigte noch immer den sechzehnten November, 0450 Uhr terranischer Standardzeit. Auf den langen Konferenztischen quollen die Aschenbecher über. Türmchen aus ineinandergestapelten Getränkebechern überragten eine wilde Landschaft aus verstreuten, mit Notizen und Kritzeleien bedeckten Zetteln.

Sie hatten abgestimmt und beschlossen, auf dem von Dr. Grotham ausgewählten Planeten zu landen und zu siedeln. Es war der vierte von insgesamt zwölf Planeten, die eine Sonne vom Typ Sol umkreisten. Ganz nebenbei war das System auch noch zu einem Namen gekommen, der auf eine Bemerkung von Rusty zurückging.

»Angenommen«, hatte Rusty gesagt, »Sie würden mitten in einer trostlosen Wüste kurz vor dem Verdursten stehen und dann auf eine Oase stoßen. Das Wasser wäre schlammig, und außer ein paar armseligen Kokosnüssen gäbe es nichts zu holen. Würden Sie in der angegebenen Situation trotzdem weiterwandern und nach dem nächsten Hilton-Hotel suchen?«

Damit stand der Name des Systems fest: OASIS.

 

»Wir sollten eigentlich ganz zufrieden sein!«, erklärte Rusty, als sie anschließend im kleinen Kreis zusammensaßen. Der genossene Alkohol ließ ihn etwas schwungvoller gestikulieren und lauter sprechen als nötig war. »Schließlich haben wir eine ganze Menge hübscher Sächelchen an Bord, die uns das Leben wesentlich erleichtern.«

»Darüber mache ich mir auch keine Sorgen«, antwortete Jackson. »Es ist nur ... Wie soll ich sagen? Das Ganze erscheint mir so völlig sinnlos! Wir müssen doch auch daran denken, dass Kinder geboren werden, die wiederum Kinder in die Welt setzen – das geht so lange weiter, bis eines Tages die Kuppeln vor Überfüllung platzen. Was dann? Auf diesem Planeten können Menschen nicht ohne Hilfsmittel existieren, sie brauchen Atemmasken, Wärme und Nahrung. Für uns reicht das aus, was wir uns mitgenommen haben, aber unsere Enkel? Ich meine, die Sache hat einfach keine Zukunft!«

»Sie zerbrechen sich da andrer Leute Kopf, Kapitän«, mischte sich der Biologe ein. Er rückte seine schwere Hornbrille zurecht und schloss die Augenlider zu einem schmalen Spalt, wie jemand, der sich schärfstens konzentrieren muss.

»Wie meinen Sie das?«, erkundigte sich Jackson.

»Nun, ganz einfach«, erklärte der Biologe nachsichtig. »Sie stellen die Situation als wenig zukunftsträchtig hin, ohne zuvor die Biologie auf ihre Möglichkeiten hin befragt zu haben.«

»Werden Sie bitte deutlicher, Dr. Joohst!«, forderte Grotham den Biologen auf.

Joohst dankte ihm mit einem Kopfnicken.

»Ich habe mir auf der Basis der bis jetzt ermittelten Fakten bereits einige Gedanken gemacht«, begann er. »Die Experimentalbiologie auf Terra beschäftigt sich seit geraumer Zeit sehr eingehend mit der Entwicklung von Verfahren zur Umweltanpassung, und ich durfte an verschiedenen dieser Projekte mitwirken. Wir konnten dabei teilweise auf den Erkenntnissen der Aras aufbauen, soweit diese zur Mitarbeit bereit waren. Zauberkunststücke können wir zwar keine vollbringen, doch lassen sich innerhalb der Reaktionsnorm eines Keimes gewisse Modifikationen erzielen, die das fertige Wesen den Gegebenheiten einer veränderten Umwelt besser anpassen.«

»Sie wollen damit sagen, dass Sie aus Ihren menschlichen Keimlingen Wesen züchten können, die imstande sind, auf OASIS VIER ohne Hilfsmittel zu überleben?«, dolmetschte Grotham.

»Ganz recht.«

»Wo liegt der Haken?«, fragte Rusty.

»Welcher Haken?« Joohst hob erstaunt die Augenbrauen.

»Ich bin zwar kein Biologe«, meinte Rusty, »aber ich kann mir denken, dass ein Vorteil, den man gewinnen möchte, mit einem Nachteil erkauft werden muss. Wie steht es damit?«

»Das sind recht laienhafte Vorstellungen«, wehrte der Biologe ab.

»Ich halte Mr. Craighs Frage für durchaus vernünftig.« Dr. Grotham fixierte den Biologen scharf.

»Nun ja«, wand sich der, »es kann natürlich sein, dass sich der kontinuierliche Sauerstoffentzug während der Entwicklung nachteilig auf die Gehirnzellen auswirkt ...«

Das plötzlich aufkommende Schweigen im Raum machte den Biologen nervös. Er setzte mehrmals zum Sprechen an, biss sich auf die Lippen und fuhr dann schließlich fort: »Bedenken Sie bitte, dass wir in den Anfangsjahren auf Hilfskräfte angewiesen sind, die ohne Behinderung außerhalb der Kuppel arbeiten können. Es würde manches erleichtern ...« Er brach ab, als das Schweigen sich verdichtete.

Grotham erhob sich. »Dr. Joohst«, sagte er ernst. »Ich habe den Eindruck, dass Ihre gewiss sehr faszinierenden Gedankengänge Sie den menschlichen Aspekt übersehen ließen. Wir wollen unser persönliches Wohlergehen nicht auf dem Leid unglücklicher Wesen aufgebaut wissen. Denken Sie bitte darüber nach, dann werden Sie das einsehen müssen.«

Joohst reckte das Kinn. »Ist der Preis, den wir zu zahlen haben, etwa nicht hoch?«

»Nicht so hoch, um Ihr Vorhaben zu rechtfertigen!«, erwiderte Grotham.

 

Tim Stokkeby presste sein Gesicht gegen die dicke Glassitscheibe des Beobachtungsfensters und starrte auf die Steinwüste hinunter. Die PROSPERITY war in eine Umlaufbahn um OASIS VIER eingeschwenkt und umkreiste nun schon seit mehreren Tagen den Planeten. Man nahm sich Zeit, die künftige Heimat gründlich zu vermessen und nach einem günstigen Landeplatz zu suchen.

So sehr Timmy auch starrte, es erschienen weder kleine grüne Männer, um ihm mit antennenartigen Fühlern einen Willkommensgruß zuzuwedeln, noch öffneten sich die Schlünde getarnter planetarischer Abwehrforts, um den Kampf mit der Besatzung der PROSPERITY aufzunehmen.

Der Junge fuhr erschrocken herum, als ihn jemand gegen die Schulter stupste. Twinnie hatte sich unbemerkt genähert und grinste ihn breit an, als sie die Mischung aus Verwirrung und Ärger auf seinem Gesicht bemerkte. Behutsam setzte sie Miss Sue auf dem Boden ab, nahm eine übertrieben straffe Haltung ein und zirkelte den rechten Arm mit jähem Ruck zu einem pseudomilitärischen Gruß.

»Erster Offizier meldet sich von der Freiwache zurück, Sir!«, meldete sie. »Kann ich die Brücke übernehmen, Sir?«

Tims Blick wanderte von der kleinen, rundlichen Hand, die sich grüßend gegen eine blonde Haarfülle presste, ellbogenabwärts über diese ganze geballte Ladung frühreifer Weiblichkeit, und sein Ärger schmolz dahin wie der Schnee in der Frühlingssonne. Etwas gezwungen ging er auf das Spiel ein.

»Danke, Leutnant Jackson!« Und mit einem Anflug von Übermut fügte er hinzu: »Ich habe noch einige Kursberechnungen durchzuführen. Es stört Sie doch nicht, wenn ich bleibe?«

»Sir!«, gab Twinnie todernst zurück. »Es steht mir nicht zu, die Handlungsweise eines Kreuzerkommandanten zu kritisieren. Bedenken Sie jedoch, Sir, dass wir in unserem Kampf gegen die zahllosen Feinde des Imperiums nur ausgeschlafene Kommandeure brauchen können. Sie sollten sich etwas Ruhe gönnen, Sir!«

Für die Dauer eines winzigen Augenblicks spürte Tim die ganze Bürde des Solaren Imperiums auf seinen schmalen Schultern lasten. Der kleine Beobachtungsraum der PROSPERITY verwandelte sich vor seinem geistigen Auge in die Steuerzentrale der DRUSUS, Rhodans mächtigem Schlachtschiff.

Doch diese flüchtige Illusion zerrann sehr rasch unter Twinnies Gekicher. Sie hielt die Faust gegen den Mund gepresst und versuchte vergeblich, den unmotivierten Lachanfall zu unterdrücken, der sie schüttelte.

Dass diese Weiber doch keine Sekunde lang ernst bleiben konnten! Erst jetzt bemerkte Tim, dass er die Arme in Feldherrngeste über der Brust verschränkt hatte und nahm sie hastig herunter. Ebenso plötzlich, wie er gekommen war, endete Twinnies Lachanfall.

»Wir landen morgen«, erklärte sie mit plötzlicher Sachlichkeit.

»Schon?«, fragte er.

Sie nickte. »Daddy meint, dass wir jetzt keine Zeit mehr zu vertrödeln hätten. Dieser Joohst steckt sonst noch die ganze Mannschaft mit seinen verrückten Ideen an.«

Das stimmte. Der Biologe hatte sich durch die abweisende Haltung Dr. Grothams nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Seit mehreren Tagen suchte er unter den Kolonisten Verbündete, und er traf mit seinen Reden nicht immer auf verschlossene Ohren. Die Aussicht auf ein bequemes Herrenleben trübte so manchen einfachen Verstand. Joohst packte es sehr geschickt an. Er sprach vom »Umdenken-Müssen« und argumentierte, dass besondere Umstände auch nach besonderen Gesellschaftsformen verlangten. Diese Schlagwort-Ideologie leuchtete auch den schlichtesten Gemütern ein. Dieser Daniel Davoux war allerdings kein schlichtes Gemüt. Der Computertechniker war im Gegenteil sogar hochintelligent. Vielleicht bewogen ihn andere Motive, sich auf Joohsts Seite zu schlagen.

Tim wandte sich erneut dem Sichtfenster zu. Nur wenige, dünne Wolkenschleier verdeckten die Sicht auf einen Teil der eintönig wirkenden, sandig-braunen Bodenformationen. Unterhalb der glänzenden Polkappen zogen sich zwei olivfarbene Streifen entlang, die den Planeten wie schmale Gürtel umspannten.

Er spürte, wie das Mädchen hinter ihn trat. Ihre Schultern berührten sich. Während Tim mit geheucheltem Interesse nach draußen starrte, konzentrierte sich in Wahrheit sein gesamtes Wahrnehmungsvermögen auf diesen einen Berührungspunkt.

Der weihevolle Augenblick wurde durch Miss Sue gestört, die sich maunzend in Erinnerung brachte und mit gekrümmtem Buckel schmeichelnd um Twinnies Beine strich.

Tim hätte die Katze am liebsten ersäuft ...

 

Etwa um diese Zeit ließ sich der Kommandant der SHADOW mit Adams' Büro in Terrania verbinden. Die SHADOW hatte soeben die Marsbahn hinter sich gelassen und schickte sich an, auf Terra zu landen.

»Welche Nachrichten bringen Sie, Commander?«, erkundigte sich Adams gespannt.

»Weder gute noch schlechte«, lautete die Antwort.

»Nichts, das auf eine Explosion hindeuten könnte?«

»Nicht die geringsten Spuren.«

Adams runzelte die Brauen. »Das kann zweierlei bedeuten«, meinte er schließlich. »Entweder gelang ihnen eine Nottransition oder sie wurden mitsamt der PROSPERITY entführt.«

»Das waren auch meine Vermutungen, Sir.«

»Haben Sie Ihre Suche auch auf die weitere Umgebung ausgedehnt?«

»Ohne Ergebnis, Sir.«

»Danke, Commander.« Mit einer resignierenden Handbewegung unterbrach Adams die Verbindung. Er sprach eine kurze Notiz auf Band und ließ seine Sekretärin kommen. »Lassen Sie das zu den Akten der PROSPERITY nehmen«, sagte er und reichte ihr die besprochene Spule.

Kurze Zeit später ruhte die Akte in den Archiven der Administration. In dem betreffenden Regal lagerten noch andere Akten, und alle trugen die Aufschrift VERSCHOLLEN ...

3.

 

»Aber ich brauche kein Kindermädchen!«, schimpfte Rusty und blickte den Kapitän vorwurfsvoll an, dessen breite Gestalt den Einstieg zum Raumgleiter blockierte. »Ich kann meine Arbeit ebenso gut alleine machen, und du könntest dich ein bisschen auf die faule Haut legen, Ted!«

Statt einer Antwort begann Jackson die kleine Metalleiter hinaufzusteigen und verschwand im Innern des Fahrzeugs. Rusty folgte ihm fluchend.

»Du bist ein alter Dickkopf!«, fuhr Rusty fort und setzte den kurzen Funkimpuls ab, der den Öffnungsmechanismus der Schleusentür aktivierte. Ein wimmernder Sirenenton kündigte an, dass die Schleusenkammer luftleer gepumpt würde. Dann glitten die gewölbten Metallportale auseinander. Alles geschah ohne einen Laut, da das Vakuum den Schall nicht weitertrug. Draußen gähnte ihnen die Schwärze des Alls entgegen. Getragen von seinen Antigravfeldern, hob der Gleiter federleicht ab und schwebte ins Freie. Langsam glitt das Fahrzeug an der gewölbten Metallwand der PROSPERITY entlang und steuerte auf die Stelle zu, an der die beiden Strahlschüsse das Leck geschlagen hatten. Suchend tastete der grelle Bugscheinwerfer die Außenhülle ab, bis Rusty die schwärzlich verfärbte Stelle entdeckte, in der sich deutlich die glänzende Naht des eingesetzten Rechtecks abhob. Der Erste klappte einen Teil des durchsichtigen Verdecks zurück und schoss zwei Magnettrossen ab, die sich an die Stahlwand hefteten. Sorgfältig klinkte Rusty das lange Plastikseil an einem Gürtelhaken fest, ergriff den tragbaren Vakuum-Schweißbrenner und stieß sich dann kurz von seinem Sitz ab. Träge wich der Gleiter zurück, bis sich die Magnettrossen strafften, und Rusty schwebte im eleganten Bogen empor, das lange Seil hinter sich herziehend. Kurze Flammenstöße aus seinem Tornisterantrieb lenkten ihn in die gewünschte Richtung. Während der Erste wie eine Fliege über die Außenwandung kroch und das geflickte Leck Stück für Stück inspizierte, lenkte Jackson den Gleiter vorsichtig ein Stück weiter, sorgfältig darauf bedacht, dass er das Plastikseil, an dem Rusty befestigt war, nicht straffte.

Seine große Sorge galt der Verbindungsstelle zwischen den Sektionen MITTE und SÜD. Er befürchtete, dass der Strahlbeschuss eine der Klammern, mit denen die Sektionen bis zum Absprengen zusammengehalten wurden, mit der Umgebung verschmolzen hatte, so dass sie sich nicht lösen würde. Das konnte katastrophale Folgen haben. Die beiden Strahlschüsse hatten die PROSPERITY aus verschiedenen Winkeln getroffen, sich in einem Punkt des Schutzschirms vereinigt und nach dessen Zusammenbruch wieder auseinandergefächert, wobei der eine fast senkrecht auftraf und das Leck verursachte, der andere jedoch im spitzen Winkel die Hülle streifte. Jackson verfolgte die geschwärzte Spur des zweiten Schusses. Sie ging dicht an einer der riesigen Klammern vorbei. Über Funk rief er Nielson und bat ihn, die betreffende Klammer zu lösen. Dann stieg er ebenfalls aus und presste seinen Raumhelm in Nähe der Klammer gegen die Wandung. Das Metall übertrug deutlich die Geräusche des anlaufenden Servomechanismus, doch die Klammer rührte sich nicht.

Jackson rief Rusty herbei und besorgte sich ein zweites Schweißgerät. Gemeinsam machten sich die beiden Männer daran, das meterdicke Metallstück zu durchtrennen. Es war eine zeitraubende Arbeit, und Jackson lauschte den umfangreichen Kommentaren Rustys, die sich mit dem miserablen Zustand der Welt im allgemeinen und mit der verdammten Schinderei für einen Ersten im besonderen befassten. Rustys Lamento brach erst in dem Moment ab, als das letzte Stück der Klammer durchtrennt war.

»So!«, sagte er zufrieden und verfiel in Schweigen.

Sie packten ihre Geräte zusammen und stießen sich ab, zwei silberglänzende Fische, die zu dem Gleiter hinüberschwammen.