Cover Image

Nicola Nagel & Patrizia Servidio

EDGEWORKER

EDGEWORKER

Leadership war gestern –
Es ist Zeit für die Führungs-(R)Evolution!

von

Nicola Nagel & Patrizia Servidio

Danksagung

Das vorliegende Buch wäre in dieser Form nicht entstanden, wenn wir nicht die Unterstützung von zahlreichen, wunderbaren Personen erfahren hätten, die dafür gesorgt haben, dass sich Puzzleteil an Puzzleteil gereiht hat. Diesen Menschen gebührt unser tiefster Dank.

Allen voran Clinton Callahan, der in uns das Feuer entfacht hat, für unsere Vision zu gehen, auch in Unternehmen und Organisationen eine nachhaltige und zukunftsfähige Kultur zu etablieren. Du hast uns überhaupt erst in die Lage versetzt, über den gewöhnlichen Rahmen hinaus zu denken und unsere Bestimmung in Aktion zu sein. Dein stetes Feedback und Coaching, die immer wiederkehrende Frage „Wann kommt endlich Euer Buch raus?“ und deine unermüdlichen, gleichzeitig auch liebevollen Tritte in den Hintern haben dazu geführt, dass wir uns regelmäßig auf selbigen gesetzt haben, um dieses Buch fertigzustellen. Unser größter Dank gilt dir als unser Trainer und Lehrer. Ohne dich wären wir heute nicht dort, wo wir sind und auch nicht die, die wir sind. Danke für deine Klarheit, deine Großzügigkeit, deine Nichtlinearität, dein großes Herz und deine Integrität.

Großer Dank gebührt auch Marion Callahan, die uns in allen Phasen des Buchschreibens und der Veröffentlichung feengleich mit ihrer Leichtigkeit, Unkompliziertheit und Begeisterung unterstützt hat. Es war eine große Freude und so einfach, gemeinsam mit dir dieses Buch in die Welt zu bringen. Danke für dein Feedback und deine Geduld, wenn wir gemeinsam auf der Suche nach dem stimmigsten Weg waren.

Angelika Nürnberger danken wir von Herzen für ihr piratenhaftes Co-Kreie- ren. Danke für deine Kreativität, deine Begeisterung und deinen Mut, die Farbenwerke Wunsiedel GmbH und MASTER TEC GmbH zu transformieren. Du bist für uns der Beweis, dass in der Businesswelt tatsächlich etwas anderes möglich ist. Danke für deine Bereitschaft, gemeinsam mit uns zu forschen, neue Wege zu gehen und andere Unternehmer zu inspirieren.

Wir danken unseren Lektoren Katja Pischel, Kai Garrels, Martina Unger und Ralf Kolem dafür, dass sie die Zeit gemacht haben, mit Begeisterung, Aufmerksamkeit und kritischem Blick unser Buch zu lektorieren. Euer Feedback und eure Hinweise waren Gold wert. Bezeichnend war, dass ihr alle sofort ein JA dafür ward, dazu beizutragen, neue Möglichkeiten in die Unternehmenswelt zu bringen. Ihr seid Pioniere und Edgeworker, die die gleiche Vision teilen, wie wir.

Nicht zuletzt gilt unser Dank allen, die uns auf verschiedenste Weise inspiriert und wertvolle Hinweise und Erfahrungen mit uns geteilt haben.

Das Entstehen dieses Buches war großartige Teamarbeit der nächsten Kultur: inspirierend, füreinander, in echter Co-Kreation. Harbigarrr!

Vorwort

Es begann vor ziemlich genau zwei Jahren, als ich den außergewöhnlichen Kontext des Possibility Managements kennenlernte. Ich besuchte ein Training, das mir ein Freund meines Vaters empfohlen hatte, da dieser Freund der Ansicht war, dass dieses Training für mein zu dieser Zeit aktuelles Thema sicher hilfreich sein würde. Damals war ich komplett erschöpft oder wie man heute gerne sagt, ich hatte Burnout. Es war kein gewöhnliches Seminar, das ich besuchte, sondern ein spezielles Training, nämlich das Expand The Box Training mit Nicola Nagel als Trainerin. Im Unterschied zu einem gewöhnlichen Seminar – das war sofort klar – war die Trainerin Teil der Gruppe. Sie stand nicht 3 Tage lang vorne, um den Teilnehmern ein Dogma einzutrichtern und zu erklären, wie Dinge zu sein hatten oder wie wir leben sollten. Sie selbst brachte sich als verletzlicher Mensch ein und teilte Dinge aus ihrer persönlichen Erfahrung – sie war komplett authentisch. Schon dadurch erhielt ich erste Unterscheidungen: Ein Possibility Management Training ist nicht hierarchisch. Die Menschlichkeit steht im Vordergrund und es besteht echter Kontakt und Nähe zum Trainer. Anders als bei gewöhnlichen Seminaren, die ich kenne: Dort steht der Leiter als Autorität vorne, die den brav auf Stühlen sitzenden Teilnehmern sagt, was sie in Zukunft anders machen sollen. Alleine dadurch wird bereits Hierarchie gelebt. Anstatt Nähe entsteht in gewöhnlichen Seminaren Distanz.

Vor allem aber ist das Ergebnis ein anderes. Bis dahin hatte ich schon viele Seminare zu den unterschiedlichsten Themen in meinem Leben besucht, die mich weiterbringen sollten. Doch meistens konnte ich nach einigen Tagen den Inhalt schon nicht mehr wiedergeben, geschweige denn nach einigen Wochen. Irgendwann wusste ich meist nur noch, ob es ein „gutes“ oder „schlechtes“ Seminar war.

Nach drei Tagen Expand The Box Training hatte ich hingegen so viel gelernt, wie in den letzten 20 Jahren, ja vielleicht sogar in meinem ganzen Leben, nicht. Viele der neuen Möglichkeiten habe ich heute noch präsent. Sie sind in meinem Körper verankert und haben sich tief eingeprägt. Bereits am ersten Tag nach dem Training begann ich, die neuen Möglichkeitsgeschenke – so empfinde ich sie – anzuwenden. Plötzlich war ich frei im Kopf, einen unüblichen Weg zu beschreiten. Burnout war schnell kein Thema mehr. Auch in unserem über 100-jährigen Familienunternehmen fand dieser Weg damals seinen Anfang. Seitdem begleitet Nicola Nagel mich in weiteren Trainings und unser Unternehmen in Workshops mit den unterschiedlichsten Gruppen.

Was habe ich persönlich davon? Mit Possibility Management komme ich nicht mehr an mir selbst vorbei. Es gibt kein Hintertürchen mehr, das verhindert, endlich zu beginnen, mich wirklich zu verändern, erwachsen zu werden und somit radikale Verantwortung zu leben, privat und auch in unserem Unternehmen. Sich zu ändern geht natürlich nicht von heute auf morgen und es darf auch langsam gehen. Schließlich geht es nicht um Revolution – wie der Buchtitel schon verrät – sondern eher um Evolution. Sicher ist es nicht das Ziel, perfekt zu sein. In unserem Unternehmen sind wir nicht perfekt. Diesen Anspruch haben wir auch nicht, denn Perfektionismus ist nichts Natürliches, sondern etwas, das Druck erzeugt und Leichtigkeit nimmt. Wir befinden uns auf einem Weg, den wir bereits unbestritten ein ganzes Stück beschritten haben und können nicht mehr zurück … Richtungsänderungen ausgenommen, denn flexibel möchten wir bleiben.

Was hat sich für unser Unternehmen bisher konkret geändert?

Der erste große Schritt war der sogenannte Aufgabenpool. Wir hatten einige Zeit damit verbracht, einen neuen Leiter der Materialwirtschaft zu finden, jedoch erfolglos. Heute bin ich sehr froh darüber, denn dadurch wurde folgende Frage an das bisherige Team der Materialwirtschaft möglich: „Kann sich jemand vorstellen, die volle Verantwortung für alle Leiter-Aufgaben dieses Bereiches zu übernehmen?“ Eine Kollegin gab damals die Schlüsselantwort, indem sie sagte: „Für alle Aufgaben nicht.“ Da machte es klick und die nächste Frage lag mir auf der Zunge: „Für einzelne Aufgaben könnten Sie sich vorstellen, die volle Verantwortung zu übernehmen?“

Mit dieser Frage im Gepäck begaben wir uns gemeinsam mit Nicola Nagel auf eine neue Reise. Das 9-köpfige Team der Materialwirtschaft wurde in einem ersten Gespräch aufgefordert, sich zwei Wochen lang einmal mit sich und ihren Aufgaben in der Materialwirtschaft zu beschäftigen. Jeder erhielt grüne und rote Karten. Auf diese Karten sollte jeder diejenigen Aufgaben schreiben, die er gerne auch in Zukunft machen würde. Dabei wurde jeweils unterschieden, ob es sich um eine Aufgabe handelte, die derjenige mit voller Verantwortung ausüben wollte, oder bei der er unterstützend tätig sein wollte. Grüne Karten konnten auch Aufgaben beinhalten, die bisher ein anderer Kollege ausgeführt hatte. Wir gingen noch weiter und fragten, ob jemand möglicherweise auch Aufgaben aus einem anderen Bereich voll- oder teilverantwortlich übernehmen würde. Es war gleichermaßen in Ordnung, wenn sich jemand die Übernahme einer Aufgabe eines bisherigen Vorgesetzten in einem anderen Bereich wünschte. Zudem wurde der Widerstand in Bezug auf die Aufgaben gemessen, die auf den roten Karten standen. Wir wollten es einfach wissen. Gab es tatsächlich Aufgaben, welche die Farbenwerkler erledigten und die sie eigentlich nicht gerne taten, ja sogar hassten wie die Pest?

Alle Türen standen offen, alles war möglich. Es gab sogar die Option, die Abteilung komplett zu wechseln oder ganz authentisch zu der Erkenntnis zu gelangen, das falsche Leben zu leben und lieber nicht mehr in den Farbenwerken arbeiten zu wollen.

So saßen wir mit jedem Team zusammen und nahmen in einer immer größer werdenden Excel-Liste alle Wünsche und Widerstände auf. Irgendwann war klar, dass wir nicht mehr zurück konnten. Das Thema betraf einfach die gesamte Belegschaft und so wurden alle gut 90 Mitarbeiter im Jahr 2013 in kleinen Runden mit maximal 10 Leuten Schritt für Schritt eingebunden. Und dann? Ist das große Chaos entstanden? Nein, denn viele Mitarbeiter wollten nur kleine Änderungen, etwa eine zusätzliche Aufgabe in einem anderen Bereich, oder einzelne Aufgaben von ihren Vorgesetzten. Es gab auch Mitarbeiter, die äußerten, genau dieselben Aufgaben weiter machen zu wollen. „Ich bin angekommen“, sagte eine Kollegin.

Bereits zu Beginn des Aufgabenpools hatte ich nicht versprochen, dass wir kurzfristig alles ändern können, doch dass ich alles daran setzen werde, damit mittelfristig (in ca. 3 Jahren) viele Aufgaben neu verteilt sind. Darüber hinaus soll dieser Prozess der Aufgabenverteilung dauerhaft beibehalten werden, sei es wenn neue Mitarbeiter in das Unternehmen eintreten und/oder Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Bemerkenswert ist, dass die Dokumentation des Aufgabenwechsels zwar aufwändig ist, das System sich jedoch von Anfang an selbst organisiert hat und vielfach sofort neu gelebt wurde.

Ebenso haben wir unser Ideen-Management verändert. Bisher gab es dafür eine Organisation, die hierarchisch aufgebaut war: Ein Einreicher gab den Vorschlag in das System ein, ein Gutachter prüfte den Eintrag und eine sogenannte Kommission entschied über den Vorschlag, wohlmeinend und mit dem Versuch, den Einreicher einzubeziehen. Dieses System hinkte jedoch, weil die Motivation der Beteiligten nicht stimmte. Ich war Teil der Kommission und habe oft unsere Sitzungen nach hinten geschoben, weil immer wieder etwas anderes dringlicher war. Da ich mich bei vielen Themen nicht im Detail auskannte und es mir Mühe machte, diese Details zu recherchieren und zu verstehen, hatte ich unbewusst längst einen Widerstand gegen diese Aufgabe aufgebaut, zumal ich ein schlechtes Gewissen hatte, ob der vielen offenen Entscheidungen von Vorschlägen.

Unser neues Ideen-Management gibt es nun ein halbes Jahr. Es ist vollkommen hierarchielos! Ein Vorschlag wird eingereicht und jeder, der Interesse an diesem Thema hat und entsprechend Verantwortung dafür übernehmen möchte, trägt sich in eine Liste ein, ganz gleich welcher Hierarchie er im sonstigen Farbenwerksleben angehört. Diese 4 oder 5 Kollegen sind dann Gutachter, Kommission und Umsetzer der Idee zugleich. Sie entscheiden einstimmig und haben ein Budget von 1.000 EUR für jeden Vorschlag. Klingt das verrückt? Vielleicht für den ein oder anderen Leser. Fakt ist, dass wir viel mehr Vorschläge entschieden und umgesetzt haben als vor Einführung dieses Vorschlagswesens, das übrigens – wen wundert es – von einem Team von Mitarbeitern entwickelt wurde, das genau darauf Lust hatte; Lust darauf, die Verantwortung für ein besser funktionierendes Vorschlagswesen zu übernehmen.

Dank des Possibility Management Kontextes und den gewonnenen Fähigkeiten wage ich es in den Farbenwerken fast täglich, unsere Haltung zu diversen Aspekten unseres Arbeitslebens zu überprüfen. Hier einige Beispiele: Möchten wir wirklich weiterhin Geschenke an unsere Kunden machen, die nicht fair hergestellt wurden? Wie sieht es mit dem Kaffee aus, den wir unseren Gästen anbieten? Wie können unsere Leistungsbeurteilung, die jährlichen Mitarbeitergespräche und die Art der Prämien zukünftig aussehen? Ist die Art, Entscheidungen zu treffen noch stimmig? Und wie möchten wir mit unseren Kunden und Lieferanten und auch innerhalb des Unternehmens miteinander umgehen, wie miteinander kommunizieren? Die Absicht, die dahinter steckt, ist immer dieselbe: Es geht darum, radikale Verantwortung zu leben und fein zu erspüren, was gerade stimmig ist und was nicht.

Was genau ist das überhaupt VER-ANTWORT-UNG? Es bedeutet für mich, eine Antwort als erwachsener Mensch zu geben und dafür die Konsequenzen zu tragen; so würde ich es heute beschreiben. Dazu gehört auch, dass wir in den Farbenwerken eine neue Sprache sprechen. Wir beginnen, uns echtes, aufrichtiges Feedback zu geben. Dazu gibt es ein Possibility Management Training, in der jeder die Sprache der Gefühle erlernen kann und ein neues Verständnis von Feedback bekommt. Das Ziel dabei ist, dass jeder jedem auf verantwortliche Weise sagt, was funktioniert und vor allem auch, was nicht funktioniert, ohne das Gegenüber zu verletzen. Mich macht es glücklich zu sehen, dass einige Kollegen schon damit arbeiten und auch mir bereits echtes Feedback geben, aus dem ich lernen kann. Und was passiert so nebenbei? Wir kommen uns näher, weil wir authentisch kommunizieren.

Mittlerweile haben schon zahlreiche Mitarbeiter das Expand The Box Training besucht und damit erste Kernfertigkeiten eines Edgeworkers erlernt. Es gibt bereits ein Team von Kollegen, das sich einmal im Monat trifft, um Möglichkeiten füreinander zu schaffen. Stellen Sie sich das vor! Ich bin Teil dieses Teams und wir erschaffen Möglichkeiten für jeden Einzelnen, mal für ein berufliches Thema, mal für ein privates Thema. Das Unglaubliche ist: Jeder nimmt aus dieser Runde mindestens ein Möglichkeiten-Geschenk an jedem dieser Abende mit nach Hause und wir kommen uns näher.

Als wir vor zwei Jahren damit begannen, dachte ich, dass unsere Mitarbeiter alle Aufgaben selbstverständlich gerne machen – wie sehr habe ich mich getäuscht! Und wie froh bin ich heute, dass all diese Fragen in einem Kontext von Vertrauen, Sicherheit und Offenheit in einer Form beantwortet wurden, dass wir wirklich etwas verändern konnten! Für das Vertrauen und den Mut, offen zu sagen, wo und wie sie gerne arbeiten möchten, bin ich allen Mitarbeitern dankbar.

Wir sind ein Unternehmen, das heute 110 Jahre alt ist. Viele Strukturen haben sich innerhalb dieser langen Zeit gefestigt und dennoch war es möglich, diesen neuen Weg zu beschreiten. Wir sind noch lange nicht am Ende. Und wir sind uns vollkommen darüber bewusst, dass wir nicht wissen, wie ein Ende aussehen könnte und ob der Prozess nicht ein unendlicher ist … Das Gute dabei ist: Durch dieses Nicht-Wissen ist der schöpferische Prozess erst möglich. Genau dieses kreative Miteinander-Spielen, hat uns als Kinder schon so viel Spaß gemacht. Warum erlauben wir uns das Spiel als Erwachsene nicht mehr? Weil unsere gegenwärtige Gesellschaft es sich nicht zugesteht, spielerisch, auf leichte Art Herausforderungen anzugehen. Die Farbenwerke beginnen, noch mehr zu spielen als bisher.

Was nun aber vor allem möglich ist, geht tiefer: mehr Leichtigkeit, Ermächtigung der Mitarbeiter, Treffen von erwachsenen Entscheidungen, Vertrauen, Lust auf volle Verantwortung, authentische Kommunikation, Nähe und Verbundenheit.

Seit einigen Monaten spüre ich, dass ich nicht mehr Geschäftsführerin sein möchte, denn dieser Titel schränkt mich ein. Er ist hierarchisch angelegt. Viel lieber möchte ich Possibility Managerin sein: Jemand, der Möglichkeiten sucht, einen Raum hält für das gesamte Unternehmen, für alle Bereiche Ansprechpartner und Sparringspartner ist, wichtige Kontakte schafft und ein Netzwerk entstehen lässt. Dies sind sicherlich viele Aufgaben, die eine Geschäftsführerin erledigt, doch der Kontext ist ein völlig anderer. So werden meine neuen Visitenkarten meinen neuen Titel tragen.

Was mich als Privatmensch betrifft, so spüre ich eine Veränderung auch in mir. Ich habe den unverantwortlichen Teil in mir endlich besser im Griff, bin weniger jammernd und undiszipliniert. Und auch mit meinen Engsten, meinem Mann und seinen Kindern, meinen Eltern und Freunden, habe ich ganz andere Möglichkeiten, um Ihnen nahe zu sein, um nicht abzudriften und in Diskussionen Positionen zu beziehen. Es geht auch hier um verantwortliches Füreinander, Miteinander, verantwortliches Grenzensetzen. Ob mir das immer gelingt? Nein, immer nicht. Die Familie ist für mich der herausfordernste Trainingsort. Doch es gelingt mir immer öfter, was mich sehr glücklich macht. Ich empfinde viel mehr Freude am Leben als vor zwei Jahren. Das ist die gute Nachricht. Und die andere: Es braucht Mut, Absicht und Anstrengung, die Herausforderung, sich selbst zu ändern, wirklich anzunehmen.

Allen Possibility Managern, die mich bisher auf meinem Weg unterstützt haben, allen voran Nicola, bin ich tief dankbar. Ihr seid mir Freunde geworden. Spielerisch füreinander zu arbeiten, ist für mich immer noch außergewöhnlich und dauernder Anlass zur Freude. Die Trainings, die ihr gebt, bei denen ihr alles gebt für die Teilnehmer, kann ich nicht anders einordnen als einen Dienst an der Menschheit!

Eurem Buch Edgeworker wünsche ich, dass es so viele Menschen wie möglich erreicht, die so damit arbeiten, dass es Eselsohren bekommt und viele Möglichkeiten tatsächlich gelebt werden.

Jedem Leser empfehle ich, tatsächlich auch ein Training zu besuchen, denn ein Buch zu lesen ist das eine, es tatsächlich auszuprobieren, zu üben, zu erfahren, ist eine andere Sache.

Durch Edgeworker, da bin ich mir sicher, wird jeder Leser inspiriert, Möglichkeiten zu finden auf einem neuen Weg, der Abenteuer, Freude, Humor, Ermächtigung, Vielfalt, Kreativität, Nähe, Verbundenheit und Verantwortung mit sich bringt …

Angelika Nürnberger

Geschäftsführerin der

Farbenwerke Wunsiedel GmbH & MASTER TEC GmbH

Dezember 2014

www.farbenwerke.de

Einführung

Es ist nicht mehr zu leugnen, dass ein Richtungswechsel in Unternehmen dringend notwendig ist. Die Welt ist im Wandel begriffen. Die klassische, hierarchische und auf Profit fokussierte Unternehmensführung entpuppt sich mehr und mehr als selbstmörderisches Paradigma. Das Festhalten an bisher bekannten, starren Strukturen erweist sich als nicht zielführend. Die Mitarbeiter sind am Anschlag, die Burnout-Rate steigt, der Konkurrenzkampf ist unerbittlich geworden und Topmanager werden regelmäßig abgesetzt. Gleichzeitig sorgt dieser schnelle Wandel dafür, dass die Dinge immer komplexer werden. Es ist wie ein riesiger Spagat, den die Firmen zu meistern versuchen, der jedoch zunehmend schmerzhaft und nicht haltbar ist.

Obwohl es eine große Anzahl an Management-Strategien und -Methoden gibt, die in Büchern und Seminaren propagiert werden, hat sich bisher kein nachhaltiger Erfolg eingestellt. Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass die meisten Bücher versuchen, neue Methoden in dem altbekannten, gewöhnlichen Kontext anzuwenden. Das funktioniert jedoch nur bedingt und führt in den wenigsten Fällen zu tragfähiger, langanhaltender Veränderung.

Die aktuellen Umstände verlangen vielmehr eine Evolution der Managementkultur, eine Weiterentwicklung der Firmenkultur, Klarheit, Präsenz, erweiterte Fertigkeiten und Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter sowie eine neue, kreative und tragfähige Zusammenarbeit von Einzelpersonen und Abteilungen. Zukunftsfähig werden jene Unternehmen sein, die nicht nur mit technischen, nachhaltigen Neuheiten aufwarten, sondern in erster Linie bereit sind, alte Verhaltens-, Kommunikations- und Denkmuster über Bord zu werfen und sich vollständig neu auf Nachhaltigkeit auszurichten. Doch wie kann so etwas konkret aussehen? Wie ist es möglich, das Ruder herumzureißen?

Es beginnt mit einer neuen Generation von wahren Führungspersonen, wahren Leadern. Da die Worte Manager, Leader und Führer aber bereits veraltet und abgegriffen sind und darüber hinaus eine bekannte Art des Führens implizieren, haben wir uns entschieden, im Folgenden den Begriff Edgeworker zu verwenden. Wir haben bewusst einen Begriff gewählt, der bisher noch nicht im Unternehmenskontext benutzt wird, damit die Möglichkeit besteht, ihn mit einer neuen, nützlicheren und tragfähigeren Bedeutung zu füllen.

Edgeworker sind keine klassischen Führungskräfte oder Manager, die in der Hierarchie möglichst weit oben stehen. Edgeworker sind eine neue Generation von Menschen, die bereit sind, radikale Verantwortung zu übernehmen, Risiken einzugehen und Unternehmen komplett neu zu gestalten. Es sind kühne Forscher, die den Mut haben, unbekanntes Gebiet zu betreten. Sie sind insofern Edgeworker, also Randarbeiter, als dass sie es sich nicht in ihrer eigenen Komfortzone bequem machen, sondern wie Pioniere am Rande ihrer persönlichen Komfortzone und der des Unternehmens agieren und sogar bereit sind, über diesen Rand hinaus zu gehen. Damit befinden sie sich gleichzeitig auch am Rande der gewöhnlichen Mainstream-Kultur. Edgeworker sind Menschen, die die Notwendigkeit erkennen, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, weg von reiner Wertschöpfung und Profit hin zur Wertschätzung der Mitarbeiter, ihres Potenzials, konstruktiver Unternehmensprinzipien und der Erde.

Das vorliegende Buch behandelt die Eigenschaften und Kernfertigkeiten dieser Edgeworker, die über das bisher bekannte Leadership weit hinausgehen. Eine tragfähige Neuausrichtung und -strukturierung von Unternehmen kann nur auf der menschlichen Ebene beginnen. Bevor auch nur ansatzweise über neue Unternehmensmodelle gesprochen werden kann, ist es entscheidend, die Grundlage dafür bei den Mitarbeitern zu schaffen. Der Versuch, ein Unternehmen neu zu gestalten und auszurichten, ohne zunächst die Führungskräfte und Mitarbeiter auf eine neue Ebene des Bewusstseins in Bezug auf Kommunikation, Denken und Handeln zu bringen, ist zum Scheitern verurteilt.

Der Inhalt und die Erkenntnisse dieses Buches basieren maßgeblich auf dem Kontext des Possibility Managements, das von Clinton Callahan begründet wurde. Possibility Management ist dabei keine Methode oder Strategie. Es handelt sich vielmehr um innovative Soft Skills, Fertigkeiten und Unterscheidungen, die Sie in die Lage versetzen, Ihr Potenzial freizusetzen und dadurch neue, ungewöhnliche Möglichkeiten für sich selbst und Ihr Umfeld zu generieren. Die darin enthaltenen Werkzeuge entwickeln sich durch ihre Anwendung fortlaufend weiter, so dass Sie auch in einem sich ständig verändernden Umfeld nachhaltig agieren können. Possibility Management ist darüber hinaus darauf ausgerichtet, Sie zu ermächtigen, Ihre Bestimmung in Aktion zu sein. Neben vielen neuen Unterscheidungen enthält es zudem Aspekte aus anderen bekannten Lehren, wie z. B. der Transaktionsanalyse von Dr. Eric Berne und Dr. Stephen Karpman.

Dieses Buch ist für Sie, wenn Sie die Notwendigkeit für Veränderung in Unternehmen sehen und die Vision in sich tragen, dass eine völlig andere Form der Zusammenarbeit möglich ist. Es ist für Personen, die bereit sind, Risiken einzugehen und sich in unbekanntes Gebiet zu begeben, um neue Formen der Kommunikation, des Denkens und des Handelns in Organisationen zu etablieren. Die Absicht dieses Buches ist es, Ihnen Impulse zu geben und Sie zu inspirieren, die Führungs-(R)Evolution in Ihrer Organisation, oder wo auch immer Sie sich bewegen, einzuleiten. Es ist an der Zeit, dass Sie Stellung beziehen und Ihrer Inspiration folgen, um sich selbst, Ihr Team und Ihr Unternehmen vorwärts zu bringen und den Wechsel in die nächste Kultur zu vollziehen. Die Welt braucht authentische Edgeworker, die vorausgehen und radikale Verantwortung übernehmen. Die Welt braucht SIE! Unsere Absicht ist es, Ihnen eine erreichbare Vision zu vermitteln, wie Führung in Zukunft aussehen könnte, um neue Resultate zu erzielen. Diese Führung geht weit über das normale, bekannte Leadership hinaus und hat nichts mehr mit Führung im hierarchischen Sinne zu tun.

Einige Leser werden dieses Buch lieben, andere werden es kritisieren. Wir sind uns dessen bewusst. Dieses Buch ist weder eine wissenschaftliche, auf logischen Zahlen basierende Studie, noch eine Harvard Business School Master Thesis. Genauso wenig repräsentieren die Inhalte und Ideen ein Dogma.

Dieses Buch enthält vielmehr Zündstoff in Form von Unterscheidungen, Klarheit und neuen Möglichkeiten. Es kann einen Prozess in Gang bringen. Seien Sie daher nicht überrascht, wenn Sie während des Lesens etwas fühlen, wie z. B. Wut, Angst, Traurigkeit oder Freude. Das ist kein Grund zur Besorgnis. Im Gegenteil, es zeigt Ihnen einfach, dass Sie lebendig sind. Sie werden am meisten von diesem Buch profitieren, wenn Sie es schrittweise lesen, und den einzelnen Unterscheidungen Zeit zum Verdauen geben. Vielleicht müssen Sie einzelne Passagen sogar mehrmals lesen, bis die darin enthaltenen Möglichkeiten einen Weg in Ihr System finden. Darüber hinaus laden wir Sie ein, die Unterscheidungen und Aspekte dieses Buches für sich kritisch zu prüfen, mit Ihrer Erfahrungswelt abzugleichen und erste Experimente durchzuführen. Erlauben Sie sich, wie ein Entdecker mit Abenteuergeist die neuen Möglichkeiten, die in diesem Buch enthalten sind, zu erforschen.

Sind Sie noch da? Haben Sie das Buch noch nicht zugeklappt und weggelegt? Prima, dann sind Sie möglicherweise ein Edgeworker.

Sind Sie bereit für die Führungs-(R)Evolution?