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Nr. 2926

 

Schwarzes Feuer

 

Die Riesen von Halut in verzweifelter Lage – bringt der Spross KYLLDIN die Rettung?

 

Kai Hirdt

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. KATOR GIRMOMAR

2. Terrania

3. PARAKATT

4. Terrania

5. PARAKATT

6. Über Shernoss

7. PARAKATT

8. Kurz zuvor im Spross

9. Im Spross KYLLDIN

10. Im Spross KYLLDIN

11. Im Spross KYLLDIN

Stellaris 60

Vorwort

»Eine intelligente Maschine« von Ulf Fildebrandt

Leserkontaktseite

Glossar

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet meist zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien erreichen derzeit die Milchstraße – sie suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Gegenwärtig hält sich Rhodan zudem im Goldenen Reich der Thoogondu auf. Von ihrer Galaxis Sevcooris aus wollen diese eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen.

In der Milchstraße sind mittlerweile die Gemeni aktiv geworden. Ihre Raumschiffe werden als »Spross« bezeichnet, sowohl die Schiffe als auch ihre Besatzung scheinen auf pflanzlicher Basis zu leben.

Angeblich wollen sie die Galaxis im Auftrag einer Superintelligenz gegen feindselige Kräfte sichern. Aber ist das tatsächlich so? Oder gibt es andere Gründe? Aus den Zweifeln und Fragen ergibt sich SCHWARZES FEUER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der Terraner bekommt es mit seltsam veränderten Halutern zu tun.

Toio Zindher – Die Tefroderin spürt die unterschiedlichsten Arten einer Vitalaura.

Varub Ashed – Der Haluter begibt sich mit seinen Begleitern auf eine schreckliche Mission.

Bostich – Der ehemalige Imperator hat seine eigene Auffassung von Absprachen und Plänen.

1.

KATOR GIRMOMAR

6. August 1551 NGZ

 

Vere'athor Zaroia da Bargk betrat mit eiligen Schritten die Zentrale der KATOR GIRMOMAR. Eveleias da Corba, ihr Erster Offizier und Stellvertreter, machte ihr sichtbar widerwillig den Kommandantenplatz frei.

»Irgendwelche Veränderungen?«, fragte sie, noch bevor sie saß.

»Nein«, meldete da Corba. »Nicht beim Spross jedenfalls. Das Ding schwebt immer noch knapp vor der Küste.«

Auf einen Wink von ihm erschien das Ding im Zentraleholo: der Spross KYLLDIN, dieses riesige, organische Raumschiff, größer als der höchste Berg auf ganz Girmomar. Es schwebte wenige Meter über den Wellen des Othotischen Ozeans, in der Shernbucht und damit nah an Girmomars Hauptstadt Shernoss. Sehr nah sogar.

Der Spross hob sich fast fünfmal so hoch in den Himmel wie die Zwillingstürme des Wahl- und des Khasurnbarons, die als Zentren der Macht die Skyline von Shernoss beherrschten. Die KYLLDIN ragte sogar fast doppelt so weit empor wie die Kristallbrücke, jenes so spektakuläre wie filigrane Bauwerk, das die Verbundenheit der Baronie mit den Sternen symbolisieren sollte.

All diese Errungenschaften der Kultur Girmomars stellte der Spross in den Schatten. Im Fall der Kristallbrücke war dies sogar ganz wörtlich zu nehmen. Er stand zwischen dem neuen Wahrzeichen von Shernoss und der Abendsonne.

Da Bargks Kiefermuskeln traten hervor, während sie das Schiff der fremdartigen Gemeni betrachtete. Das Schiff, das ihre Heimatwelt bedrohte – zumindest indirekt. Mit einer zornigen Handbewegung schaltete sie das Holo um, sodass die Zentralpositronik der KATOR GIRMOMAR wieder die taktische Darstellung des Systems präsentierte.

Grüne Leuchtpunkte symbolisierten die Standorte der Heimatflotte. Gelbe standen für die vielen Tausend Schiffe jeder Klasse und Größe, die außerhalb der Systemgrenzen auf Einflugerlaubnis warteten: all die vielen Arkoniden und anderen, die hofften, im Spross verjüngt oder von Krankheiten befreit zu werden.

Ein blauer Punkt zeigte, wo sich das Söldnerschiff ENORKETRON befand. Die Kristallbarone bezahlten teures Geld dafür, dass der kampfstarke GWALON-Kelch der Kristallarmada ihnen bei der Sicherung des Systems half.

Und dann war da noch der leuchtend weiße Punkt.

»Was bedeutet ›jedenfalls nicht beim Spross‹?«, fragte da Bargk ihren Ersten Offizier. »Wo hat sich sonst etwas verändert?«

Da Corba machte eine fahrige Handbewegung in Richtung der gelben Punkte. »Dein Ausflug ist nicht unbemerkt geblieben. Jedenfalls nicht deine Rückkehr, als du ohne Tarnmanöver aus dem Wirkungsbereich von Bostichs Schattenschirm herausgeflogen bist. Mittlerweile weiß also jeder von den Verrückten dort draußen, dass ein Schiff im System steht, das über hochmoderne und sündhaft teure Tarntechnik verfügt.«

Da Bargk lachte kurz auf. Es klang bitter. »Und wissen die Verrückten auch, wessen Schiff das ist?« Ihre Augen fixierten den weißen Punkt im Holo.

»Nein«, sagte da Corba. »Bisher nicht.«

»Das wird sich bald ändern«, sagte da Bargk grimmig. »Unser Ex-Imperator plant, den Spross anzugreifen, und fordert das Kommando über alle kampffähigen Schiffe im System. Noch ein paar Zentitontas, dann wird er den Schirm fallen lassen und sich offenbaren.«

Da Corba wirkte überrascht. »Es stehen viele Schiffe im System, aber nur ein kleiner Teil trägt Waffen oder gefechtsfähige Schirme. Reicht das für einen ernsthaften Angriff?«

Da Bargk Gesichtszüge entgleisten. »Das ist deine größte Sorge? Bostich plant einen massiven Angriff auf ein nahezu unzerstörbares Raumschiff, und das in unmittelbarer Nähe von Shernoss!«

Auf der Suche nach Worten blies da Corba kurz die Wangen auf. Dann atmete er geräuschvoll aus. »Was sagen die Barone?«

»Ich habe bisher erst den Wahlbaron erreicht. Isirea holt den Khasurnbaron dazu, und dann besprechen wir unsere Taktik.«

»Was ist, wenn Bostich schon vorher ...«

Da Bargk winkte ab. »Er hat mir eine Tonta zugestanden, um ›die sogenannten Barone von seinem Befehl in Kenntnis zu setzen und die Flotte bereit zu machen.‹ Davon sind noch ein paar Zentitontas übrig. Aber ganz allmählich wäre es gut, wenn Isirea den Khasurnbaron vor die Optik bekäme. Noch sind wir Herr der Lage, und ich möchte, dass das so bleibt.«

Da Corba fuhr sich nachdenklich durchs weiße Haar. »Das wird es aber nur, bis unser Imperator seine kleine Ansprache hält.« Er zuckte zusammen, als er den scharfen Blick seiner Kommandantin bemerkte. »Unser Ex-Imperator, natürlich.«

»Vere'athor?«, sprach die Funkerin der KATOR GIRMOMAR ihre Kommandantin an.

Da Bargk nickte. »Sprich!«

»Der Wahlbaron meldet sich.«

»Verschlüsselung und Dämpfungsfeld aktivieren!«, befahl da Bargk. »Ich nehme das Gespräch hier an.«

Die Hintergrundgeräusche verstummten, als sich das schallschluckende Feld aufbaute. Ein lebensgroßes Hologramm von Segos Isirea erschien. Der Mann trug nüchterne Amtskleidung. Seine Augen blickten müde.

»Baron.« Da Bargk neigte ihr Haupt. Da Corba neben ihr folgte der Geste.

»Vere'athor.« Sie blickte auf. »Pal'athor.« Auch da Corba hob den Kopf, als der Baron seinen Titel nannte.

Isirea legte die Stirn in Falten. »Ihr seid zu zweit. Ich wäre euch gern ebenfalls mit meinem Amtskollegen gegenübergetreten. Wir müssen Entscheidungen von großer Tragweite treffen. Ich hätte gerne die ganze Führung der Kristallbaronie daran beteiligt.« Ein leichtes Zittern der Stimme verriet, dass der Baron einige Selbstbeherrschung aufbieten musste, um seinen Ärger zu unterdrücken. »Aber Khasurnbaron da Gnotor sieht sich weiterhin nicht in der Lage, in Fragen zu entscheiden, die den Spross oder die Gemeni betreffen. Es obliegt also mir und mir allein, den Schicksalsfaden der Baronie weiterzuspinnen.«

Es war dem Mann deutlich anzusehen, dass er sich mit dieser Verantwortung nicht wohlfühlte. »Wie lange haben wir noch?«, fragte er.

»Nur sieben Zentitontas.« Da Bargk klang erschöpft. »Dann gibt Bostich die Tarnung auf.«

»Was wird er tun?«, fragte Isirea. »Du hast mit ihm gesprochen. Wie schätzt du ihn ein?«

Wieder lachte da Bargk, kurz und freudlos. »Wer konnte Bostich jemals einschätzen? Ich glaube, er wird genau das tun, was er angekündigt hat. Er wird den Spross mit der GOS'TUSSAN II angreifen, und er wird von jedem kampffähigen Schiff im Giromsystem Unterstützung verlangen.«

»Ein Gefecht so nahe an Shernoss ...« Die Stimme des Barons verlor sich mitten im Satz.

»Das könnte Bostich vielleicht gefallen!«, brach es aus da Bargk hervor. »Vielleicht ...« Sie fletschte die Zähne. »Vielleicht ist das sogar sein Plan – er will nicht nur den Spross erledigen, sondern gleich noch das Machtzentrum einer Baronie, die ihm seinen Thronanspruch streitig machen könnte!«

Isirea sah sie überrascht an. Dann nickte er langsam, während seine Lippen und Augen immer schmaler wurden. »Das könnte sein. Es könnte tatsächlich sein.«

»Wir müssen ...«

Isirea hob die Hand. Da Bargk verstummte.

»Wir müssen die Stadt schützen«, sagte der Wahlbaron. »Die Frage ist: Vor wem?«

»Ich verstehe nicht ...«

»Der Spross ist eine Gefahr.« Der Baron streckte den Daumen von der Faust. »Oder kann es jedenfalls werden, wenn die Gemeni sich angegriffen fühlen. Bostich selbst ...«, der Zeigefinger folgte, »... kann es auf Shernoss abgesehen haben.« Er hob den Mittelfinger. »Dann haben wir noch Tausende von Schiffen an der Systemgrenze, deren Verhalten wir überhaupt nicht einschätzen können. Wer wird dem Angriffsbefehl des früheren Imperators blind folgen? Wer will den Spross verteidigen? Immerhin wollen die Leute dort draußen etwas von den Gemeni, und das bekommen sie nicht, wenn der Spross zerstört wurde.« Der Ringfinger. »Viertens die ENORKETRON. Eins der wenigen Schiffe im System, die es mit Bostichs GOS'TUSSAN II halbwegs aufnehmen können. Ihr Kommandant bekommt Geld von uns, aber wir wissen, dass er zu Bostichs glühenden Verehrern gehört.«

»Und fünftens ...«, sagte da Bargk leise.

Isirea nickte traurig und streckte den letzten Finger aus. »Fünftens ... unsere eigene Flotte. Können wir uns der Loyalität der Heimatflotte sicher sein? Oder haben wir Kommandanten unter uns, die ihre heutige Baronie für einen ehemaligen Imperator verraten würden?«

»Wir können niemandem trauen«, stellte da Corba nüchtern fest.

Da Bargk bedachte ihn mit einem feindseligen Seitenblick, sagte jedoch nichts.

»Ganz genau«, bestätigte Isirea. »Tausende Schiffe, die meisten davon bewaffnet, und jedes wird genau das machen, was sein Kommandant für richtig hält.«

»Was sollen wir tun?«, fragte da Bargk leise.

»Wenn Bostich angreift«, sagte der Baron, »postierst du die KATOR GIRMOMAR und alle Schiffe, deren Loyalität weitgehend sicher ist, zwischen Spross und Stadt. Eure Schirme schützen dann nicht nur eure Schiffe, sondern auch Shernoss. Ich werde inzwischen sicherstellen, dass alle Einheiten im gesamten System auf den Befehl der Barone hören.«

»Wie willst du das machen?«, fragte da Corba.

Isirea lächelte, amüsierter, als man der Lage nach hätte erwarten dürfen. »Ich befehle den Kommandanten, genau das zu tun, was sie für richtig halten.«

 

*

 

Zwei Zentitontas später ging Isirea systemweit auf Sendung. Kopf und Oberkörper erschienen überlebensgroß im Zentraleholo der KATOR GIRMOMAR und in jedem anderen Abspielgerät, das auf Empfang geschaltet war.

»Bürger und Gäste von Girmomar! Heute ist ein Tag der Entscheidungen. Entscheidungen muss jeder von uns an jedem Tag seines Lebens treffen, doch selten haben sie eine so große Tragweite. Ihr seid nach Girmomar gereist, um Verjüngung und Heilung zu erfahren, als Geschenk der Gemeni. Ihr habt euch entschieden, euer Leben und eure körperliche Unversehrtheit in die Hände von Fremden zu legen, über die wir wenig wissen.

Es gibt Stimmen, die vertrauen den Gemeni nicht. Sie halten sie für Feinde, ihre Geschenke für Köder. Und es sind berufene Stimmen, Stimmen von Rang. Eine wird sich gleich an euch wenden, um euch zu warnen.

Hört, was sie zu sagen hat. Entscheidet, wem ihr vertraut. Erweist euch als würdige Arkoniden. Das Einflugverbot für das Giromsystem ist hiermit aufgehoben.«

»Der Funkverkehr an der Systemgrenze explodiert geradezu!«, rief die Funkerin.

»War zu erwarten«, kanzelte da Corba sie ab. »Seit Tagen wollen die nichts anderes, als ins System einfliegen. Jetzt fragen sie sich, warum wir sie plötzlich lassen.«

»Wartet erst mal ab, was gleich los ist, wenn Bostich spricht«, murmelte da Bargk.

Wie aufs Stichwort überlagerte die Sendung von der GOS'TUSSAN II die Kommunikationsfrequenzen. Wie bei Isirea erschien nur der Torso des Imperators: weiße Haut und Haare, scharf geschnittene Gesichtszüge, weiße Uniform, violettes Cape. Mit ebenso weisem wie strengem Blick starrte er in Zehntausende Gesichter auf Tausenden Schiffen.

Da Corba runzelte die Stirn. »Hast du nicht gesagt, er hätte sich verändert?«

»Vollkommen«, bestätigte da Bargk. »Aber niemand wird einem völlig Unbekannten gehorchen, also täuscht er sein altes Aussehen vor. Still jetzt!«

»Die GOS'TUSSAN II hat sich enttarnt!«, meldete die Ortungsstation. »Sie fliegt Richtung Girmomar, halbe Lichtgeschwindigkeit!«

»Und es geht los«, murmelte die Kommandantin.

Bostich musste zum Schluss gekommen sein, dass sein herrschaftlicher Blick lange genug gewirkt hatte. In der Tat zeigte ein Holo an, dass der Funkverkehr im System fast völlig zum Erliegen gekommen war.

»Arkoniden.« Die Stimme des ehemaligen Imperators klang leise, doch sie war konzentriert und verlangte unbedingte Aufmerksamkeit. »Ich bin zurückgekehrt, um euch zu schützen, wie mein Amt es verlangt. Die Gemeni bringen euch keine Geschenke, sondern Ketten und Fesseln. Der Spross beherbergt Feinde des Imperiums.«

Der ehemalige Imperator legte eine winzige Pause ein, dann fuhr er fort. »Der Spross muss vernichtet werden. Ich übernehme das Kommando über alle kampffähigen Einheiten im System. Alle Schiffe erhalten ihre Taktikanweisungen in den nächsten dreißig Millitonta. Befehlsverweigerung wird nicht toleriert.«

Damit brach die Übertragung ab.

»Was?«, rief da Corba. »Das ist seine Ansprache? Nach all den Jahren, und das sind seine ersten Worte an sein Volk?«

Da Bargk sagte nichts, gestattete sich jedoch ein kurzes gehässiges Lächeln.

»Der Einsatzplan ist da«, meldete die Funkstation.

»Ins Holo legen!«, ordnete da Bargk an.

Das taktische Diagramm erschien. Es zeigte ein Knäuel von etwa eintausendzweihundert Einheiten, die in drei engmaschigen Halbkugelschalen den Spross einhüllten.

»Er plant tatsächlich nur mit den Einheiten, die eine signifikante Bewaffnung und starke Schirme haben«, stellte da Corba fest.

»Stimmt nicht ganz«, widersprach da Bargk. Sie deutete nacheinander auf fünf Stellen im Taktikdiagramm. »Da stehen unbewaffnete Frachter. Ihre Schirme sind allerdings Hochleistungsmodelle.«

Ein Punkt begann rot zu leuchten. »Was ist das?«, fragte die Kommandantin.

»Die uns zugedachte Position«, informierte die Orterin. »Da will Bostich uns im Angriff sehen.«

Da Bargk schnaubte wütend. »Wir befolgen den Befehl des Barons. Wir stellen uns zwischen Spross und Stadt und ...« Sie unterbrach sich. »Da schickt Bostich uns sowieso hin, oder? Genau da sollen wir Position beziehen!«

Die Orterin markierte noch andere Schiffe rot. Ein Viertel der äußeren Halbkugel strahlte in der Signalfarbe. »Das sind die anderen Positionen für die Heimatflotte.«

Da Bargk fluchte. »Das ist genau die Aufstellung, mit der ich die Stadt abschirmen wollte! Woher weiß er das?« Ihr Kopf schoss zu da Corba herum.

Ihr Erster Offizier ging nicht auf den stummen Vorwurf ein. »Was tun die angeforderten Schiffe?«, fragte er die Ortung.

»Die meisten halten noch die Position«, antwortete die Offizierin. »Einige haben Kurs auf Girmomar genommen.«

»Um den Spross anzugreifen oder um an Bord zu gehen?«, fragte da Bargk. »Können wir irgendwelche Funkgespräche auffangen?«

»Ich kann mir kaum vorstellen, dass alle die Befehle des Imperators anerkennen«, sagte da Corba. »Irgendjemand wird ...«

»Da!«, rief da Bargk.

Die Ortung zeigte eine größere Einheit, die nicht auf den Planeten zuflog. Stattdessen hatte sie einen Abfangkurs angelegt, der sie zwischen die Welt mit dem Spross und Bostichs Schiff führen würde.

»Ein Verrückter«, murmelte da Corba. »Er kann doch nicht ernsthaft hoffen, dass er mit dieser Nussschale die GOS'TUSSAN aufhält!«

»Fünf Verrückte«, meldete die Ortung. »Vier weitere Schiffe folgen ihm.«

Da Bargk ließ sich in ihren Kommandoplatz fallen. Sie wirkte erschöpft. »Können wir sie abhören?«

Die Orterin arbeitete fieberhaft an ihrem Pult, dann erschien der Torso eines sehr alten Mannes im Hologramm. Sein Gesicht war wutverzerrt. »... ihr kein Recht! Das könnt ihr uns nicht nehmen!«

»Anfunken!«, befahl da Bargk. »Sie müssen abdrehen! Bostich wird sie sonst ...«

Es war zu spät. Die GOS'TUSSAN II verschwand aus der taktischen Übersicht.

»Das ist kein Linearmanöver«, rief die Orterin. »Sie springen!«

Einen Lidschlag später tauchte Bostichs Schiff wieder auf, jedoch nicht näher am Spross, sondern viel weiter außerhalb – nahe der Systemgrenze, hinter den fünf Schiffen, die auf Abfangkurs gegangen waren.

Fünf Explosionen blitzten in der normaloptischen Darstellung auf. Die Schiffe, die sich dem Befehl des ehemaligen Imperators widersetzt hatten, vergingen im Feuer von fünf Fusionsbomben.

»Das war deutlich.« Da Corbas Stimme war belegt. »Er duldet keinen Widerspruch.«

Da Bargk hielt den Kopf gesenkt. Sie presste ihre Handballen an die Schläfen.

»Was willst du tun?«, fragte ihr Erster Offizier.

»Er kann nicht in mein System einfliegen und wahllos Leute umbringen!«, rief die Kommandantin. »Dafür wird er ...« Sie hielt inne und atmete tief durch. Dann wiederholte sie ihre Worte, leise und gefasst. »Dafür wird er büßen. Später.«

»Was willst du tun?«, wiederholte da Corba.

»Wir stellen uns Bostich nicht in den Weg.« Auf einmal fühlte sie sich unendlich müde. »Wenn sich alle Schiffe in diesem System gegen die GOS'TUSSAN stellen, haben wir vielleicht eine Chance, aber der Blutzoll wird gewaltig sein. Bostich hat schon bei seinen ersten Schüssen gerade maximales Kaliber feuern lassen. Das ist eine klare Botschaft. Wenn wir in den Kampf ziehen und andere uns folgen, haben wir Hunderttausende Leben auf dem Gewissen.«

»Also?«

»Wir haben klare Befehle«, presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Wir stellen uns zwischen den Spross und die Stadt. Genau da, wo Isirea uns haben will. Und Bostich auch. Und dann hoffen wir, dass der Spross den Angriff genauso ignoriert wie die ersten beiden Versuche, ihn zu sprengen oder einzunehmen.«

»Glaubst du nicht, dass Bostich irgendeinen Trick auf Lager hat?«

»Wir werden es sehen«, sagte sie.

Noch einmal erschien das gefälschte Hologramm des ehemaligen Imperators. »Fünf Schiffe sind ausgefallen. Wir senden ein aktualisiertes taktisches Diagramm. Alle angeforderten Schiffe nehmen in fünfzehn Zentitonta die zugewiesenen Positionen ein. Widerspruch wird nicht toleriert.«

 

*

 

Die ENORKETRON unter dem Kommando von Has'athor da Orbonodh schloss sich der GOS'TUSSAN als Erste an. Wenn es irgendeine Frage gegeben hatte, wie die Macht im System verteilt war, so war sie nun beantwortet.

Das Kriegsschiff der GWALON-Klasse gemeinsam mit dem Doppel-GWALON des Imperators hätten sämtliche kleineren Einheiten vernichten und der Heimatflotte der Baronie schwere Schäden zufügen können, ohne selbst ernsthaft in Gefahr zu geraten. Vorher wäre der Widerstand gegen Bostichs Anordnungen mutig gewesen. Nun war er der schiere Wahnsinn.

Die KATOR GIRMOMAR folgte Bostichs Einsatzplan und nahm eine Position zwischen dem Spross und der Metropole Shernoss ein. Ebenso die anderen Schiffe der Heimatflotte. Was immer Bostich vorhatte: Ihre Schirme würden die Stadt verteidigen. Sie mussten es.

Die Gemeni reagierten nicht auf den Aufmarsch. Eintausendzweihundert Einheiten umzingelten den Spross KYLLDIN in drei Schalen. Die innere stand nur die Länge eines GWALON-Kelches von dem fremdartigen Schiff entfernt. Die mittlere und die äußere Schale folgten in noch geringerem Abstand. Raumfahrzeuge, dafür entwickelt, Millionen von Kilometern weit zu schießen, umringten den Feind aus nächster Nähe. Aus dieser Distanz konnte fast jede der von Bostich angeforderten Einheiten eine unglaubliche Verheerung auslösen.

Und die Gemeni reagierten einfach nicht.

Vere'athor da Bargk hielt es nicht mehr in ihrem Kommandositz. Immer wieder lief sie denselben Viertelkreis um das Zentraleholo der KATOR GIRMOMAR.

»Was soll das?«, rief sie schließlich entnervt. »Sie kennen Bostichs Plan. Er hat ihn an das ganze verdammte System geschickt. Warum tun sie nichts?«

Da Corba zeigte ebenfalls Nervosität. Von seinem überlegenen Habitus war nichts übrig geblieben. »Werden die Schirme halten?«

Da Bargk fuhr zu ihm herum. »Zweifelst du etwa plötzlich, dass dein verehrter Imperator nur unser Bestes will?«

»Es beginnt!« Da Corba deutete ins Holo.

Die GOS'TUSSAN bezog Position am Pol der Halbkugel, direkt über dem Spross. Noch immer zeigte das berggroße, blau schimmernde Schiff der Gemeni keine Reaktion.

Die Einheiten, die sich unter Bostichs Kommando gestellt hatten, modulierten ihre Schutzschirme nach einem genau vorgegebenen Muster. Die Schirmfelder interagierten, verbanden sich, verstärkten sich. Aus eintausendzweihundert einzelnen Schirmen wurde ein großer, stark genug, um ...

»Der Wahnsinnige!«, schrie da Bargk. »Er will Fusionsbomben einsetzen!«

»Nicht so nah an ...« Eine Alarmsirene übertönte den Rest von da Corbas Antwort. Die Belastungsanzeige des Schutzschirms schnellte von null auf dreiundvierzig Prozent – bei der allerersten Salve!

Ein gleißend weißer Feuerball hüllte den Spross ein. Das Hologramm dimmte das Licht. Dennoch schreckten alle Besatzungsmitglieder der Zentrale instinktiv zurück. Die Farbe der Flammen veränderte sich, von Weiß zu Gelb, von Gelb zu Orange. Akustikfelder übertrugen, ebenfalls gedämpft, das Donnern der Explosionsdruckwelle.

Nach dreißig Millitontas war alles vorbei. Nur schwarzer Rauch blieb übrig, der sich bald verzog und den Blick auf den vollkommen unbeschädigten Spross freigab.

Da Bargk bewegte die Lippen wie in einem stummen Zwiegespräch. Dann fuhr sie zu ihrem Feuerleitoffizier. »Analyse!«, forderte sie.

Der Mann war sichtlich erbleicht. »Er ...« Er schluckte und setzte neu an. »Bostich hat die Schirme nicht so konfigurieren lassen, um die Schiffe oder die Stadt zu schützen. Sie sollen ...« Noch einmal musste er durchatmen. »Sie sollen die Explosionswucht der Fusionsbomben auf den Spross bündeln.«

Die nächste Explosion, heftiger als die vorhergehende. Die Positronik kompensierte automatisch und dimmte für einen Augenblick die Leuchtstärke.

»Warum macht er das?«, fragte da Corba. »Was ist sein Plan?«

Der Feuerleitoffizier sah ihn hilflos an. Er hatte die Augen weit aufgerissen, sodass eine Strähne des für Arkoniden untypisch dunklen Haars in sein Sichtfeld hing.

»Normalerweise setzt man Fusionsbomben ab einer bestimmten Stärke nicht mehr auf Planetenoberflächen ein«, erklärte er. »Es ist militärisch einfach nicht sinnvoll, weil der Großteil der Explosionsstärke sich in der Stratosphäre entfaltet und ins All verpufft.«

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Illustration: Dirk Schulz

»Aber wenn die zusammengeschalteten Schirme die Wucht im Inneren der Kugel bündeln ...« Da Bargk musste den Satz nicht zu Ende bringen.

»Genau.« Der dunkelhaarige Offizier sprach leise. »Es ist wie in einem Druckkessel. Kleine Kaliber entfalten viel mehr Wirkung als ohne die Eingrenzung. Und man kann größere Kaliber zünden, deren Wirkung sich sonst verlieren würde.«

Die nächste Explosion. »Er steigert sich von Schuss zu Schuss«, meldete die Ortung. »Er will die Belastbarkeit des Sprosses herausfinden.«