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W. K. Bell

Der seltsame Milliardär

Kriminalroman

W. K. Bell

Der seltsame Milliardär

Kriminalroman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954189-50-2

null-papier.de/442

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Inhaltsverzeichnis

Vor­spiel – Ne­bel, Flucht und ein Schat­ten

1. Ka­pi­tel – Was Herr Jörn­sen be­ob­ach­te­te …

2. Ka­pi­tel – Der Gold­damp­fer.

3. Ka­pi­tel – Wie Pe­ter­sen heim­ge­bracht wur­de.

4. Ka­pi­tel – Der ge­hörn­te Teu­fe!.

5. Ka­pi­tel – Steu­er­mann Men­zel.

6. Ka­pi­tel – Men­zels Aben­teu­er­ro­man.

7. Ka­pi­tel – Und noch­mals das Lack­schränk­chen

8. Ka­pi­tel – Der Fluch des Gol­des.

9. Ka­pi­tel – Das Ge­ständ­nis …

10. Ka­pi­tel – Hohe Po­li­tik und Ge­rech­tig­keit.

Dan­ke

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Vorspiel – Nebel, Flucht und ein Schatten

Über dem eng­li­schen Kanal la­ger­te das zähe, feuch­te Ge­bräu, der Schre­cken der See­fah­rer …

Man sah kaum die Hand vor Au­gen.

Nur wenn ein Wind­stoß die grau­en Schwa­den zer­riß, ge­wahr­te man die Krei­de­fel­sen der eng­li­schen Küs­te.

Zwei Schif­fe schli­chen mit hal­ber Ma­schi­nen­kraft durch die ge­fähr­li­che Fins­ter­nis, weit vor­aus ein deut­scher Fracht­damp­fer, hin­ter ihm ein deut­scher Kreu­zer.

Ihre Ne­bel­hör­ner schwie­gen. Wie Die­be such­ten sie ih­ren Weg. Aber die Wach­sam­keit ih­rer Be­sat­zung war grö­ßer denn je. Sie ka­men weit­her, ein Zu­fall schi­en sie zu­sam­men­ge­führt zu ha­ben.

Ihr Kurs lief au­ßer­halb der üb­li­chen Rou­te. Auch das hat­te sei­nen Grund.

In der Ka­pi­täns­ka­jü­te des Fracht­damp­fers sa­ßen meh­re­re Leu­te bei­ein­an­der und spra­chen mit­ein­an­der in kur­z­en, ab­ge­hack­ten Sät­zen. Die Män­ner wa­ren ernst, horch­ten im­mer wie­der auf die fer­nen Stim­men frem­der Fahr­zeu­ge und dann warf Käp­ten Jo­chem Men­zel von der Ree­de­rei Pe­ter­sen, Ham­burg, die halb­lau­te Be­mer­kung hin:

»Das wäre so eine Ge­le­gen­heit für fre­che Pi­ra­ten, die­ser ver­damm­te Ne­bel!!«

Ein Ma­tro­se trat ein, stand stramm.

»Käp­ten«, mel­de­te er zag­haft, »der Kreu­zer scheint uns ver­lo­ren zu ha­ben.«

Men­zel zuck­te die Ach­seln.

»Bei dem Wet­ter – kein Wun­der!! Ich wünsch­te, wir wä­ren erst in der Nord­see!«

Steu­er­mann Fritz Men­zel wag­te einen Vor­schlag.

»Ob wir nicht doch Si­gna­le ge­ben, Va­ter?«

»Nein!!! Zu ge­fähr­lich! Ihr wißt das!«

Der Ma­tro­se ent­fern­te sich.

Die vier Män­ner brü­te­ten mit erns­ten Ge­sich­tern vor sich hin.

In der Ka­jü­te herrsch­te Ge­wit­ter­stim­mung. Der alte Jo­chem Men­zel kau­te am Mund­stück sei­ner er­lo­sche­nen Pfei­fe.

»Bei al­le­dem ge­hen die Ner­ven zum Teu­fel!!«, murr­te er ver­bis­sen.

Hol­ger Jörn­sen lach­te.

»Sie – – und Ner­ven?!«

Der jun­ge Pe­ter­sen, der nur als Gast die aben­teu­er­li­che Fahrt mit­mach­te, pflich­te­te dem Al­ten nach­drück­lichst bei.

»Ich kann das durch­aus ver­ste­hen … Mir geht es nicht an­ders.«

Er war bleich und ner­vös. Bei je­dem Geräusch zuck­te er zu­sam­men.

Der Damp­fer schlich wei­ter. Sei­ne Ma­schi­nen ar­bei­te­ten dumpf, trä­ge Wo­gen klatsch­ten ge­gen die Bord­wän­de.

Der Käp­ten trank sein Grog­glas leer.

»Ich muß auf die Brücke … Hier er­sti­cke ich …!«

Er er­hob sich schwer­fäl­lig, und zwei der Män­ner folg­ten ihn an Deck.

Lang­sam tapp­ten sie zur Brücke, das Deck troff in­fol­ge des Ne­bels vor Näs­se, und die Ge­stal­ten zer­ran­nen zu ver­schlei­er­ten Klum­pen.

Der in der Ka­jü­te Zu­rück­ge­blie­be­ne war­te­te noch ei­ni­ge Mi­nu­ten, wisch­te sich den Schweiß von der blei­chen Stirn und zö­ger­te …

Sein Ge­wis­sen sträub­te sich. Aber das Gift, das ihm von Ju­gend an ein­ge­impft wor­den, war stär­ker.

Un­be­merkt be­gab er sich nach sei­ner Ka­bi­ne, öff­ne­te sei­nen Kof­fer und han­tier­te äu­ßerst vor­sich­tig mit ei­nem Ge­gen­stand, der das Ver­der­ben in sich trug.

Dann schlich er wie ein Ver­bre­cher da­von, zit­ternd vor Auf­re­gung, aber­mals ge­pei­nigt von Selbst­vor­wür­fen …

»Ich bin ein Schur­ke!«, dach­te er ehr­lich.

Doch das, was er mit der Mut­ter­milch ein­ge­so­gen, sieg­te wie­der­um.

Er haß­te Deutsch­land.

… Und der Damp­fer such­te wei­ter sei­nen pfad­lo­sen Weg durch das di­cke Ge­bräu, und die Män­ner auf der Brücke spann­ten alle Sin­ne an, je­dem Un­heil aus­zu­wei­chen und zu­vor­zu­kom­men. –

Ur­plötz­lich er­schüt­ter­te ein ge­wal­ti­ger Stoß den Frach­ter. Das Schiff hob sich förm­lich aus den Wo­gen, fiel zu­rück, die Ma­schi­nen schwie­gen, und aus den Lu­ken tau­mel­ten ver­stör­te Hei­zer her­vor.

»Käp­ten, – – ein Riff!!«, gell­ten hei­se­re Stim­men auf.

Jo­chem Men­zel und sein Sohn stürm­ten nach un­ten.

Was­ser flu­te­te ih­nen ent­ge­gen, kra­chend bars­ten die Schot­ten­tü­ren un­ter dem un­ge­heu­ren Druck des her­ein­flu­ten­den Mee­res.

Der Käp­ten brüll­te sei­nem Sohn zu:

»Zu­rück, – – wir sin­ken!«

Alle Lich­ter an Bord wa­ren er­lo­schen. Zu­se­hends sack­te der Frach­ter in die Tie­fe.

Es gab nichts mehr zu ret­ten, die Boo­te wur­den aus­ge­schwun­gen, und die Be­sat­zung ver­ließ das Schiff, das be­reits von den Wo­gen über­spült wur­de.

Stumpf­sin­nig vor Grau­en saß der alte Men­zel im Groß­boot.

Er be­griff nichts von dem Ge­sche­he­nen, nichts …

Stumpf­sin­nig ru­der­ten die Ma­tro­sen …

Hin­ter ih­nen ver­sank der Damp­fer, – die Kes­sel ex­plo­dier­ten, war­fen Rie­sen­fon­tä­nen hoch …

Dann war al­les vor­über …

Jah­re wa­ren da­hin­ge­gan­gen.

Über der Ost­küs­te des Gol­fes von Me­xi­ko mit sei­nen La­gu­nen, Ufer­wäl­dern und In­sel­chen brü­te­te die ste­chen­de Son­ne und ge­bar die Fie­ber­düns­te der sin­ken­den Ein­sam­keit …

In­mit­ten ei­ner der In­seln, de­ren Ufer von Dor­nen, Kak­teen und Sta­chel­lia­nen zu ei­nem un­durch­dring­li­chen Wall ver­filzt wa­ren, er­hob sich un­ter Rie­sen­bäu­men auf stei­ni­ger An­hö­he eine große Block­hüt­te, vor der im Schat­ten des weit vor­sprin­gen­den Da­ches ei­ni­ge Blut­hun­de la­gen und trä­ge nach den Flie­gen schnapp­ten.

In ei­nem durch tro­ckenes Holz ge­nähr­tes Feu­er glüh­te ein lan­ger Ei­sen­stock. Ne­ben der Tür lehn­te ein Halb­ne­ger in ma­le­ri­scher me­xi­ka­ni­scher Ban­di­ten­tracht und rauch­te Zi­ga­ret­ten, die er mit flin­ken Fin­gern sel­ber dreh­te.

Sein bru­ta­les, durch Nar­ben ent­stell­tes Ge­sicht war dem lo­dern­den Feu­er zu­ge­kehrt.

Dann nahm er ein paar Le­der­stücke, er­griff das Ei­sen­stück und be­trat die Hüt­te.

Auf ei­nem plum­pen Bret­ter­stuhl saß ein Ge­fes­sel­ter, und zwei Ker­le, ähn­li­chen Schla­ges wie der be­zahl­te Ban­dit, hiel­ten des Ge­fan­ge­nen Kopf mit ih­ren mus­ku­lö­sen Pran­ken wie im Schraub­stock fest.

»Willst du end­lich die Wahr­heit sa­gen?«, frag­te der Me­xi­ka­ner mit dem glü­hen­den Ei­sen dro­hen­den To­nes.

Der Ge­fan­ge­ne schwieg.

Das Ei­sen fuhr über sei­ne Au­gen hin …

Der Schmerz ent­lock­te ihm ein Stöh­nen, nichts wei­ter … –

Dann kam die Nacht.

Die Ta­ges­hit­ze hat­te Ge­wit­ter­ge­wölk her­bei­ge­lockt, über Meer und In­sel la­ger­ten Fins­ter­nis und drücken­de Schwü­le.

Laut­los kam vom Fest­lan­de her ein Boot her­bei. Der ein­zi­ge In­sas­se, der heu­te zum fünf­ten Male die­se Fahrt wag­te, zog die Ru­der ein, und das dunkle Boot glitt zum ein­zi­gen Pfa­de, der durch den stach­li­gen Gür­tel führ­te.

Der Mann bück­te sich, und die Fleisch­stücke flo­gen hier­hin und dort­hin. Das Knur­ren der Blut­hun­de trieb den Ru­de­rer zu­rück auf den schüt­zen­den See.

Nach ei­ner Stun­de nä­her­te er sich aber­mals der In­sel, ent­si­cher­te sei­ne Pis­to­le und schlich den Pfad ent­lang, trat auf einen Hun­de­ka­da­ver und lä­chel­te grim­mig.

Un­an­ge­foch­ten ge­lang­te er zur Block­hüt­te, öff­ne­te die Tür, horch­te und hör­te die Ban­di­ten schnar­chen.

Der Ge­fan­ge­ne in der Ecke auf dem Maiss­trohl­a­ger er­wach­te. Eine Hand hielt ihm den Mund zu, der Strahl ei­ner La­ter­ne zeig­te ihm sei­nen Ret­ter.

»Du?!«, flüs­ter­te er un­gläu­big.

Ein Mes­ser glitt durch sei­ne Fes­seln, eine Freun­des­hand half ihm auf die Bei­ne …

Sie be­stie­gen das Boot, und das fer­ne grel­le Auf­zu­cken von Blit­zen zeig­te ih­nen eine wei­ße Jacht, die in vol­ler Fahrt auf die In­sel zu­hielt.

Auch die Ge­fahr ging vor­über.

»Wer be­zahl­te die Schuf­te?!«, sag­te der Ge­fan­ge­ne ver­ständ­nis­los.

»Wenn ich das wüß­te! – Ich weiß es nicht ge­nau …«, er­wi­der­te der an­de­re, »je­den­falls müs­sen wir ins In­ne­re flüch­ten … Un­se­re Fein­de ver­fü­gen über ein Heer von Spio­nen …«

»Ich dan­ke dir«, flüs­ter­te der Be­frei­te ge­rührt.

Dann nahm die Ein­öde der Hoch­step­pen Me­xi­kos sie schüt­zend auf.

In­zwi­schen hat­te die Jacht bei­ge­dreht und ein Boot aus­ge­setzt. Drei Her­ren in ta­del­los wei­ßen Tro­pen­an­zü­gen, glat­ten Ge­sich­tern und schil­lern­den Mo­no­keln stie­ßen auf den ers­ten Hun­de­ka­da­ver.

Ihre La­ter­nen schwank­ten hin und her.

»Ver­rat!«, zisch­te der eine.

Sie eil­ten wei­ter …

Mit Fuß­trit­ten weck­ten sie die halb­be­trun­ke­nen Me­xi­ka­ner. Rum­fla­schen stan­den auf dem Bret­ter­tisch. Der gan­ze Raum stank nach Al­ko­hol.

Die drei Eu­ro­pä­er kann­ten sich kaum vor Wut.

»Hat er et­was ge­stan­den?«, brüll­te der eine … »Half auch das glü­hen­de Ei­sen nichts …?«

Die ein­ge­schüch­ter­ten Misch­lin­ge ver­nein­ten.

– Und aufs neue be­gann die Men­schen­jagd. Spio­ne durch­streif­ten das Land …

In den fer­nen Ber­gen aber haus­ten zwei Flücht­lin­ge und durch­wühl­ten das Ge­röll ei­ner Höh­le, in der einst ein Puma sei­nen Schlupf­win­kel ge­habt hat­te …

Man sagt mit Recht, daß große Schat­ten ihre Er­eig­nis­se vor­aus­wer­fen.

Zwei die­ser »Schat­ten« habe ich hier als Vor­spiel kurz skiz­ziert.

Mit­un­ter kann die­ses »Schat­ten Vor­aus­wer­fen« aber auch wört­lich zu­tref­fen. So auch an je­nem dunklen, düs­te­ren No­vem­be­r­abend, als Harst und ich bei of­fe­nen Fens­tern ohne Licht hin­ter den Tüll­vor­hän­gen sa­ßen und eine je­ner Plau­der­stun­den ge­nos­sen, die für ein Freun­des­paar mehr be­deu­ten als viel­leicht jene Mi­nu­ten in­ne­rer Ein­kehr und Selbs­t­er­kennt­nis, die für den Durch­schnitts­men­schen so spär­lich – lei­der! – aus dem ewig gleich­mä­ßi­gen, ab­stump­fen­den All­tags­trott sich her­aus­schä­len.

Wir hat­ten von ver­gan­ge­nen Zei­ten ge­spro­chen, wir hat­ten lie­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­