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MICHAEL DUESBERG

KENNST DU DIE ERDE?

Impressum:

© 2017 Michael Duesberg

Korrektorat/ Satz/Umschlaggestaltung:

Angelika Fleckenstein; spotsrock.de

Umschlagbild: titonz by www.123rf.com

Das im Buch verwendete Bildmaterial entstammt teilweise wikicommons (zur Wiederverwendung und Änderung gekennzeichnet bzw. gemeinfrei) und pixabay.com (s. Bilderliste im Anhang) sowie Bilder und Tabellen/Grafiken (teilweise gezeichnet) aus dem Archiv des Autors.

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-7439-5207-2(Paperback)
978-3-7439-5208-9(Hardcover)
978-3-7439-5209-6(e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

MICHAEL DUESBERG

KENNST DU DIE ERDE?

Unseren Planeten ganzheitlich

erkunden und verstehen

INHALT

DAS ANTLITZ DER ERDE: DIE LANDSCHAFTEN

Die Gebirge

„Erzähl mir was über die Erde!“

Du musst sehen lernen!

Die Geburt der Erde

Das Antlitz der Erde

Die Gebirge

Landschaftsformen I

Landschaftsformen II

Die Wälder

Was ist das für ein Baum?

Der Dschungel

Urwald

Die Flusslandschaften

In der Aach

Die Seenlandschaften

Himmelsspiegel

Die Moore

Bei jedem Schritt ein Quellchen springt

Die Meeresküsten

Ferien am Meer

Land aus Eis und Schnee

Saukalt

Die Grassteppen der kühlen Zone (Prärien)

Bei den Indianern

Die Grassteppen der warmen Zone (Savannen)

Wo die großen Herden ziehen

Die Wüsten

Sand, Kies und Fels

Die Kulturlandschaften

Grün, grün, grün sind alle meine Kleider

DAS WASSER DES LEBENS

Das Meer

Die Sache kehrt sich um

Das Grundwasser

Unsichtbare Wasser

Bäche, Flüsse und Ströme

Bewegte Wasser

Teiche, Weiher und Seen

Ruhende Wasser

Tau, Dunst, Nebel

Das hauchfeine Wasser

Regen, Hagel, Schnee

Das härtere Wasser

Wasser und Leben

Leben durch Wasser

DER BESEELTE HAUCH

Die unsichtbare Haut

Die Lufthüllen der Erde

Wind

Winde weh’n

Wetter und Klima

Donnerwetter! und drei Farbenspiele

Nordlicht, Blitz und Regenbogen

DAS FEURIGE GRENZELEMENT

Das Erdinnere

Des Pudels Kern

Die Drift der Kontinente

Andere Gestalten der Erde

Vulkane und Geysire

Es donnert, dampft und zischt

DIE VIER ELEMENTE IN KATASTROPHEN

Erdbeben

Wenn die Erde bebt

Überschwemmungen und Stürme

Hurrikanparty

Aufbau und Abbau

Gewinn und Verlust

Die Verwitterung

Der Zahn der Zeit

Die Sedimentation

Nun wird es wieder zusammengesetzt

BODENKUNDE

Jetzt folgen wir der Wühlmaus

DER KREISLAUF DER GESTEINE

Alles geht im Kreis herum

DIE GESTEINE

Metalle und Erze Die sieben Metalle

Eine steinige Geschichte

Edle und unedle Metalle

Die Adligen

EISEN UND EISENÄHNLICHE

Die eisernen Brüder

KOHLE UND IHRE VERWANDTEN

Die schwarzen Brüder

DER SCHWEFEL

Der Unheimliche

DIE SILIKATE

Quarz und Kieselsäure

Der Glimmer

Der Feldspat

Die Welt der Spate

Die Tone

Tone und Tonähnliche

Hornblende und Augit

Zeolithe

ÜBERSICHT ÜBER DIE ENTSTEHUNG DER GESTEINE

Die drei Gesteinsarten

Die Edelsteine

Kalkartige Steine

Auf den Spuren des Kalks

Die Salze

Salze und Minerale

Gemengte Mineralien

Kristallinische, ursprüngliche Gesteine

Zertrümmert und geschichtet

Trümmergesteine

EINE KLEINE HIMMELSKUNDE

Der Blick zum Himmel

Sonne und Tageszeiten

Sonne, Tage, Monate und Jahre

Tag und Jahr

Sonnen-Höchststände und ihre Auf- und Untergänge

Sonnenstand und Sterne

Die Ephemeriden

Eine kleine Sonnenkunde

Die Fixsterne

Eine kleine Sternkunde

Die Zirkumpolarsterne

Der Tierkreis (Zodiak)

Schlusswort

LITERATURVERZEICHNIS

BILDERLINKS

DAS ANTLITZ DER ERDE: DIE LANDSCHAFTEN

DIE GEBIRGE

„Erzähl mir was über die Erde!“

Mein Name ist Philipp. Ich bin im Mai 2005 in der Nähe des Schwäbischen Meeres zur Welt gekommen und gehe in Überlingen zur Schule. In meiner frühen Kindheit wurde bei Spaziergängen mit meinen Eltern und Großeltern viel über die Natur gesprochen, also über Tiere, Pflanzen und Steine. Zuerst verstand ich davon Null. Später ein bisschen mehr. Da ich’s gern mit Tieren zu tun hatte, interessierten mich aber von den Pflanzen allenfalls noch die Bäume. Das kleinere Grünzeug oder gar Steine und Erde waren mir ziemlich schnuppe.

Eines Tages, als ich mit meinem Opa allein im Wald war und er wieder mal von den Pflanzen und Steinen schwärmte, sagte ich ihm das. Er sah mich sonderbar an und erwiderte: „Hast du einmal daran gedacht, dass diese Erde unsere Mutter ist?“

„Ha, ha“, lachte ich, denn ich dachte, das wäre wieder einer von Opas schwerverdaulichen Witzen.

„Du, ich bin ganz ernst“, beteuerte er, „die Erde hat uns allen den Stoff zu unserem Körper gegeben, den Menschen, Tieren und Pflanzen, daher heißt dieser Stoff ja Materie. Das kommt von mater und ist das lateinische Wort für Mutter.“

„Und was willst du damit sagen?“, fragte ich nach. „Ich lerne selbst Lateinisch und weiß, dass mater die Mutter ist.“ „Ich will damit sagen, dass man seine Mutter auch kennen lernen, dass man ihre Geheimnisse entdecken und enträtseln kann, und dann ist alles das, was mit ihr zu tun hat, spannender als ein Thriller.“

„Oh, oh“, machte ich, denn ich traute Großvater nicht so recht.

„Ja, mach du nur oh-oh! Du weißt aber nicht, ob das, was ich gesagt habe, vielleicht doch stimmt, oder? Wollen wir wetten, dass es stimmt?“

„Da gewinne ich bombensicher“, meinte ich und sah ihn herausfordernd an.

„Gut, mein Lieber. Dann erzähle ich dir ab jetzt täglich einige Minuten lang die Geschichte der Erde, Teile aus der Geographie, Teile aus der Geologie, der Mineralogie, der Wetterkunde und vielleicht auch noch ein bisschen Sternkunde. Und dann sprechen wir uns wieder. Einverstanden?“

„Wenn’s denn sein muss“, stöhnte ich und dachte mit Grausen an meine nähere Zukunft.

„Das klang aber gar nicht begeistert“, grinste mich Opa an.

Ich grinste zurück: „Also, Opa, erzähl mir halt etwas über die Erde, wenn’s denn sein muss!“

„Du hast das Wörtchen Bitte vergessen“, spottete Opa. „Also, Opa: bitte!“

„Tja, dir zuliebe werde ich mich überwinden und es tun. Aber nur, weil du es bist.“

Du musst sehen lernen!

Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Am Nachmittag kam Großvater zu uns in die untere Wohnung.

„Der Unterricht geht los“, sagte er fröhlich.

Ich stöhnte.

„Armer schwarzer Kater“, spottete Großvater, „komm mit hoch in mein Arbeitszimmer.“

Wir stiegen zwei Treppen hoch ins Dachgeschoss, wo sein Arbeitszimmer lag, und setzten uns bequem in zwei Sessel.

„Du hast doch in der Schule schon von den vier Temperamenten gehört, nicht wahr?“, begann Großvater.

„Ja“, antwortete ich, „Melancholiker, Phlegmatiker, Sanguiniker und Choleriker. Mama hat gesagt, du seiest Choleriker.“

„Hat sie das? Hm, sie muss es ja wissen. Gut, auch die Erde hat diese vier Temperamente. Du erlebst das Cholerisch-Feurige an ihr bei den Vulkanausbrüchen, überhaupt bei allen vulkanischen Erscheinungen wie Geysiren, also den heißen Springquellen, bei Thermalquellen, kochenden Schlammseen. Außerdem an den Spuren, die sie alle zurücklassen, etwa solche Krater und Schüsseln wie die Maar-Seen, die Trockenmaare und Calderen oder die verschiedenen Lavaformen nach Vulkanausbrüchen. Die zeigen dir, dass die Erde im Innersten heute noch glutflüssig ist und sehr cholerisch werden kann.

Das Phlegmatisch-Wässrige an ihr siehst du, wenn du zum Fenster hinausschaust.“

„Halt!“, protestierte ich. „Das Wasser da draußen ist Regen, und der kommt von oben, nicht von unten.“

„Tja, das könnte man meinen“, erwiderte er, „aber zwei Dinge sprechen eben doch dafür, dass der Regen von der Erde stammt. Ich erkläre dir das später. Also zum Wasser der Erde gehören natürlich zuerst einmal alle Meere, dann das Grundwasser unter der Erdoberfläche, alle stehenden und fließenden Gewässer und alle Niederschläge, also Nebel, Dunst, Tau und Regen, Hagel und Schnee. Was stehende und fließende Gewässer sind, das weißt du hoffentlich.“

„Ist doch Babykram“, sagte ich abschätzig. „Stehende Gewässer sind Seen und fließende sind Flüsse.“

„Und was ist mit Teichen und Weihern?“, hakte Großvater nach.

„Wie Seen“, antwortete ich.

„Und was ist mit Bächen und Strömen?“, bohrte er unbeirrt weiter.

„Die sind wie Flüsse, halt die kleinere und die größere Ausgabe davon.“ „Hm“, nickte Großvater.

„Jetzt zum Sanguinisch-Luftigen der Erde und damit auch ein Stück weit zu deiner Frage, was der Regen mit der Erde zu tun hat. Also, zunächst haben wir da über uns die Lufthüllen und, ja, auch die gehören ausschließlich zu Mutter Erde. Da sie nach oben hin ganz allmählich in den Weltraum übergehen und die Luft dabei immer dünner wird, ist es gar nicht so einfach festzustellen, wo die Erde nun eigentlich aufhört und der Weltraum anfängt. Viele Forscher meinen, die Grenze sei dort, wo das Magnetfeld der Erde plötzlich schwächer wird, das ist auf der Sonnenseite in einer Höhe von etwa 60 000 km der Fall. Doch für das Leben hier sind insbesondere die beiden untersten Stockwerke der Atmosphäre wichtig, die Troposphäre und die Stratosphäre, denn sie enthalten fast alle der über der Erde gespeicherten Gase.“

„Was ist denn ein Magnetfeld?“, unterbrach ich ihn.

Er antwortete: „Die ganze Erde ist wie ein großer Magnet. Auch sie hat zwei Pole, die in der Nähe von Nord- und Südpol liegen. Daher kannst du mit jedem Kompass die Himmelsrichtungen ermitteln. Und du befindest dich zwischen den Polen stets im magnetischen Wirkungsbereich der Erde, den man Kraftfeld nennt.“

„Ah“, machte ich.

Opa fuhr fort: „Wenn wir von den Lufthüllen sprechen, ist das ein wenig so wie beim Wasser. Die Lufthüllen haben diesbezüglich Ähnlichkeit mit dem Meer, während die Winde und Stürme über uns den fließenden Gewässern ähneln. Es gibt sogar Winde, die fast so etwas wie ein Windbett haben, das heißt, sie ziehen immer in ähnlicher Richtung dahin und haben auch immer ähnliche Stärke und Breite. Manche Winde sind weitgereiste Herrschaften, andere bleiben stets am selben Ort.“

„Moment mal“, warf ich ein, „du willst mir doch nicht weismachen, dass es Winde gibt, die irgendwo bleiben?“

„Doch“, entgegnete Großvater, „von denen erzähle ich dir dann Genaueres, wenn wir uns erst einmal einen gewissen Überblick verschafft haben. Jetzt vielleicht nur ein paar Namen: Sie heißen Landwind und Seewind, und unten am Bodensee kannst du sie sehr gut studieren. Mit Wasser und Luft hat aber auch das ganze Wettergeschehen zu tun, ebenso die Wolkenbildung. Kennst du die verschiedenen Wolken?“

„Mm, weiße, graue und schwarze“, antwortete ich zögernd.

„Ja, nach der Farbe könnte man sie sicher auch einteilen. Tatsächlich werden sie jedoch nach ihrer Gestalt und Flughöhe benannt“, erklärte er. „Wir werden sie noch genauer kennen lernen. Jetzt für den Anfang genügt es, wenn du dir die drei wichtigsten Wolkenformen merkst:

die niedrigen Haufenwolken (Cumulus),
deren tiefste etwa 2 km hoch über uns fliegen;

die mittleren Schichtwolken (Stratus),
deren Flughöhe zwischen 2 und 6 km liegt und

die hohen Federwolken (Cirrus),
die sich zwischen 6 und 13 km Höhe befinden.

Die Wolken im untersten Stockwerk bestehen fast nur aus winzigen Wassertröpfchen, die im mittleren Stockwerk aus unterkühlten Wassertröpfchen, gemischt mit Eiskristallen. Die in großer Höhe bei Temperaturen unter minus 35° C kommen nur als Eiswolken vor. Das kann man übrigens auch ganz gut sehen.“

„Wie kann man das sehen?“, fragte ich.

Manchmal bekommt Opa mystische Anwandlungen, dann tut er so, als sei er ein Guru. Solch einen Schub bekam er auch jetzt.

Er sagte: „Ich könnte dir ja so manches erzählen; das würdest du aber innerhalb der nächsten 14 Tage schon wieder vergessen. Daher ist es wichtiger, das Sehen zu üben. Du musst sehen lernen!“

Als wenn ich nicht täglich tausend Dinge sehen würde. Na ja, Opa … Nach den Wolken machten wir dann Schluss. Es war gar nicht so langweilig geworden, wie ich zuerst befürchtet hatte.

Die Geburt der Erde

Etwa um dieselbe Zeit wie am Vortag stiefelte ich heute wieder zu Opa hoch, um mir meine tägliche Ration Weisheit abzuholen. Er setzte sich mir gegenüber und begann.

„Gestern haben wir über die cholerische, die phlegmatische und die sanguinische Seite der Erde gesprochen. Wir haben die vulkanischen Vorgänge, die Gewässer der Erde und die Lufthüllen mit ihren Winden gestreift. Bei den Wolken, diesen Kindern von Luft und Wasser, blieben wir dann hängen.

Heute kommt also noch die melancholische Seite der Erde dran, und die besteht aus den Landschaften mit ihren Gesteinen und Böden und den dazugehörigen Pflanzen und Tieren. Daher greifen hier Erdkunde, Erd-Entstehungsgeschichte und Gesteinskunde dauernd ineinander. Doch auch die vier klassischen Elemente werden wieder eine große Rolle spielen. Du weißt doch, dass die Erde früher nicht so fest war wie heute?“

„Habe ich schon gehört. Kann ich mir aber nicht so recht vorstellen, denn dann gäbe es ja keine Pflanzen, Tiere und Menschen, die wären alle versunken und abgesoffen“, bemerkte ich dazu.

Großvater stutzte kurz, fing sich aber gleich wieder.

„Du hast recht. Ich muss dann halt noch früher anfangen, als ich zuerst vorhatte.“

„Wann wolltest du denn anfangen?“, fragte ich.

„Nun, so vor etwa 4 ½ Milliarden Jahren.“

„Und jetzt?“

„Jetzt fange ich so früh an, dass es sinnlos wäre, das in Jahreszahlen ausdrücken zu wollen. Ich beginne ganz am Anfang. Aber ich erzähle dir die Weltschöpfung etwas anders als das deine Religionslehrerin tun würde. Ist das schlimm?“

„Ich erlaube es dir“, meinte ich huldvoll.

„Gut“, schmunzelte Opa. „Gehen wir davon aus, dass es vor der Entstehung der Erde, sagen wir einmal, eine Göttin gab, die man später die Große Mutter nannte.“

„Opa, du erzählst mir jetzt aber keinen Quatsch, oder?“, warf ich schnell ein.

„Hatte ich nicht vor“, antwortete er. Dann fuhr er fort: „Also, diese Göttin war, wie Götter das so sind, unsichtbar. Und in ihr war noch alles inbegriffen und beieinander, was später erst getrennt auftrat: Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine, Böden und alle Elemente.“

„Dann sind wir ja alle verwandt miteinander“, platzte ich in Opas Vortrag. „Ganz richtig“, bestätigte er, „tatsächlich sind wir das.“

„Sind dann die Affen meine Cousins und Cousinen?“, fragte ich spöttisch nach.

Opa grinste: „Kennst du die Geschichte: Da fragt der Fritz seinen Papa: «Du, Papa, stimmt das, dass wir alle vom Affen abstammen?» Sagt dieser: «Du schon, ich nicht.»“

„Oooch, Opa, der ist ja uralt!“, stöhnte ich.

„Also gut, dann fahre ich jetzt fort. Als die Große Mutter unsere physische Erde gebar, war diese zwar noch glutförmig, aber doch bereits eine erste Erscheinung des Materiellen. Das Feuer befindet sich genau an der Grenze vom Unstofflichen zum Stofflichen. Da gab es nun also zwei verschiedene Weltbereiche, einen immateriellen und einen materiellen, die beide zur Göttin gehörten. Den immateriellen nennen wir die Anderswelt. Das Wort kennst du vielleicht noch aus den irischen Märchen und Sagen; der materielle war unsere Alltagswelt oder das, woraus sie allmählich entstand.

Diese erste materielle Welt wurde im Laufe von Jahrmillionen fester und fester, bis sie gasförmige Konsistenz erreicht hatte. Nach weiteren Jahrmillionen war sie dann schon flüssig. Und erst dann wurde sie nach und nach fest. Als sie dicht genug geworden war, kristallisierten sich zuerst die Pflanzen, später die Tiere und zuletzt die Menschen vom Geistigen ins Materielle hinein aus. Somit findet in Urzeiten eine erste Geburt statt, das war die der glutförmigen Erde, und erst Jahrmillionen später folgten die drei Geburten der mit Leben begabten Wesen, also der Pflanzen, Tiere und Menschen.

Diese vier Kinder der Großen Mutter wussten noch von ihrer nahen Verwandtschaft zueinander und lebten in Liebe und friedlicher Unbewusstheit zusammen. Davon erzählen die zahlreichen Paradies-Sagen des Vorderen Orients und die Beschreibungen des Goldenen Zeitalters aus dem alten Griechenland oder der germanischen Edda. Doch auch andere Völker haben in ihren Urzeit-Sagen etwas von der glückseligen Lebensweise dieser fernen Vergangenheit bewahrt. So viel für heute. Morgen werden wir dann anfangen, die Erde zu beschreiben, und du wirst staunen.“

„Und was ist, wenn ich nicht staune?“, spöttelte ich.

„Dann verwandle ich dich in einen Vogel und fliege mit dir zusammen über alle Länder der Welt. Da zeige ich dir dann jeweils vor Ort, was es so alles gibt.“

„Können wir uns vielleicht gleich für diese Unterrichtsform entscheiden?“, schlug ich vor.

„Probier’ erst mal die andere“, widersprach Großvater lächelnd.

Ich wollte noch nicht gehen und fragte deshalb weiter; da gab es nämlich etwas, das mir Sorge bereitete.

„Muss ich mir das alles eigentlich merken? Kommt da noch viel?“

„Rasend viel“, antwortete er ohne Umschweife und zuckte so komisch mit den Mundwinkeln.

„Ich habe aber ein sehr schlechtes Gedächtnis“, gab ich zu bedenken.

„Wer sagt das?“

„Mama, wenn ich wieder mal nicht aufgeräumt habe.“

„Nun, das Gedächtnis lässt sich steigern“, beruhigte er mich.

„Wie?“

„Durch Training und ein paar Lektionen Gedächtnisschule.“

„Und wo lerne ich diese Gedächtnisschule?“

„Meine Güte, bist du hartnäckig!“, seufzte er. „Ok, wenn du meinst, dass du es nötig hast, dann machen wir auch noch Gedächtnisschule miteinander. Aber wenn jetzt noch was dazukommt, erhöhe ich das Schulgeld!“ „Das ist ja der reine Wucher! Und das mit einem Minderjährigen, mit dem du auch noch verwandt bist!“, schimpfte ich und blieb dabei genauso ernst wie er.

Dann dachte er kurz nach und begann:

Die 1.Lernregel

„Das Lernen begleitet uns ja von klein an. Am Lebensanfang lernen wir ungeheuer schnell und viel. Dadurch wachsen wir gesund auf. Aber auch am Lebensende hängt unsere Gesundheit noch immer vom Lernen ab. Wird uns die Möglichkeit dazu genommen, werden wir krank. Doch zurück zum Kleinkind.

Wir lernen enorm leicht. Was wir je erlebt, gedacht, gefühlt oder getan haben, ist fest gespeichert; das zeigen die Nahtoderlebnisse, bei denen Menschen sich an die kleinsten Details ihres Lebens erinnern. Allerdings kommen wir an das Gelernte nicht willkürlich heran. Das Vergessen verhindert unseren Zugriff. Dies ist aber lebensnotwendig, weil wir ohne die Möglichkeit zu vergessen, wahnsinnig würden. Vergessen schafft Raum für Neues; es löscht nicht das Alte, schließt es aber weg.

Prägen wir uns etwas beim Lesen oder Hören ein, so verhüllt das Vergessen etwa 80 % davon wieder, nur 20 % bleiben uns erhalten.

Nehmen wir als Beispiel 30 zu lernende Vokabeln. Bei konzentriertem Durchlesen können wir von ihnen im ersten Durchgang 6 gelernt haben (= 20 %). Die verbleibenden 24 Vokabeln werden abermals gelesen und ergeben dabei weitere 4 gekonnte. Von den 20 verbleibenden speichern wir aber beim nächsten Durchgang mehr als 4 weitere Wörter, da auch die übrigen uns nach zweimaligem Lesen schon deutlich vertrauter geworden sind. Die 16 noch nicht gekonnten ergeben dann wieder 4 gekonnte; 12 zu lernende bleiben übrig. Diese verringern sich beim nächsten Mal auf 8, dann auf 4, sodass nach etwa sieben Lerngängen alle Vokabeln sitzen.

Ein unerwarteter Nebeneffekt ist, dass mit jedem gelernten Wort der Zugriff auf 10 weitere, verwandte Begriffe erleichtert wird. Jedes erworbene Wort schafft gewissermaßen 10 Kletterhaken an der Lernwand, die uns dann wesentlich leichter in neue Bereiche führen können. Man könnte das Lernen als einen Wettlauf zwischen Erinnern und Vergessen ansehen. Das mehrmalige Lernen ist nichts anderes als immerwährendes Üben oder Trainieren. Die Sache ist also nicht viel anders als beim Turnen: Wer übt, wird besser.

Die 1. Regel des Gedächtnistrainings lautet somit: Wenn du Dein Gedächtnis trainierst, wird es stärker.

Der Begründer der Psychologie des Pragmatismus, William James, stellte fest, dass wir nur etwa 10 % unserer Erinnerungsfähigkeit nutzen, 90 % würden schlafen, könnten aber durch Üben geweckt werden. Lernen liegt in unserer Natur, jedes kleine Kind drängt dazu, und das mit größter Freude.

So, mein Lieber, und jetzt spute dich, dass du runterkommst, sonst erhöhe ich die Kosten für die Privatstunden!“

Ich nahm Opa beim Wort und rannte zur Zimmertür. „Tschüss“, brüllte ich beim Rausrennen, „sonst wird’s mir zu teuer!“

Das Antlitz der Erde

Als ich heute zu Großvater hochkam, leitete ich selbst den Unterricht mit der Frage ein, warum der Mensch so lange gebraucht habe, um auf die Erde zu kommen.

Großvater antwortete: „Darüber gibt es verschiedene Ansichten. Nach der indischen Mythologie war der Mensch überhaupt nicht spät dran, sondern schon von Anfang an da, aber eben geistig, nicht physisch. Betrachtet man die Erde als große Lebensschule, an der man Wichtiges zu lernen hat, so dreht sich die Entstehungsgeschichte in einer Art sogar herum. Dann, so könnte man sagen, war die Idee vom Menschen sogar als erstes da und alles Weitere, was hinterherkam, diente nur seiner Entwicklung. Körperlich ist der Mensch jedoch wirklich ein Nesthocker: Zuerst neun Monate in Mama, dann ebenso lange als Säugling bei Mama, geschlagene vierzehn Jahre am Rockzipfel von Mama, bis hin zur Erdenreife, ab der er sich fortpflanzen kann, und dann noch einmal sieben Jahre im Hotel Mama bis zur Mündigkeit. Aber vergiss nicht, um wieviel differenzierter als alle anderen Wesen der Mensch auch ist! Er hat einen physischen Leib wie die Erde und alle Mitbewohner auf ihr, trägt Leben in sich wie Pflanze und Tier, hat eine Seele wie auch das Tier, nur höher entwickelt, zusätzlich aber auch noch ein Ich, das alle andern nicht haben. Bei seiner Geburt wird ja gerade mal sein physischer Leib geboren. Jedes dieser weiteren Glieder wie Leben, Seele und Geist muss um die sieben Jahre lang reifen, bevor es gewissermaßen einsatzfähig wird. Doch darüber sprechen wir ein andermal. Ist dir das recht?“

Da mir ohnehin ein bisschen der Kopf schwirrte, nickte ich. Großvater kehrte also zum Thema für heute zurück.

„Zuerst werde ich dir jetzt das Antlitz der Erde zeigen. So wie bei uns das Mienenspiel unser Gesicht verändert, so hat auch das Antlitz der Erde viele Ausdrucksmöglichkeiten, und dieses Mienenspiel sind ihre Landschaften. Wenn du dir die alle vorstellst, kommst du auf etwa 12:

1. Die Gebirge

2. Die nördlichen Wälder

3. Die südlichen Wälder (Dschungel)

4. Die Flusslandschaften

5. Die Seenlandschaften

6. Die Moore

7. Die Meeresküsten

8. Die Länder aus Eis und Schnee

9. Die Grassteppen der kühlen Zone (Prärien)

10. Die Grassteppen der warmen Zone (Savannen)

11. Die Wüsten

12. Die Kulturlandschaften

Kannst du dich noch an die Ferien im Gebirge erinnern?“

„Ja“, sagte ich und dachte dabei vor allem an Schnee, Schlittenfahren und knallharte Skistürze. Doch dann fielen mir die Sommerferien in Tschierv im Münstertal ein, wo wir im Sommer sechs Wochen lang alle zusammen in einem Zimmer gewohnt hatten.

„Ist dir da beim Wandern etwas aufgefallen?“, wollte Großvater wissen.

„Ja“, antwortete ich, „es war sauheiß!“

„Und das war alles?“, fragte er.

„Nee, aber ich weiß ja nicht, was du jetzt hören willst.“

„Also gut, ich will dich nicht auf die Folter spannen, darum erzähle ich einfach mal drauflos: Wenn wir einen Berg von der Talsohle aus ersteigen, dann durchqueren wir verschiedene Höhenbereiche, die sich durch ihre Temperatur und den Pflanzenbewuchs deutlich voneinander unterscheiden. Zunächst durchwandern wir die unterste, die Tal-Region, in welcher sich noch Mischwälder, Wiesen und Felder abwechseln. Sie wird auch Kulturzone genannt und reicht bei uns bis in ca. 1 000 m Höhe. Steigen wir höher hinauf, so bleiben allmählich die Laubbäume zurück, während der Nadelwald uns weiter begleitet. Diese Nadelwald-Region nennt man die Fichtenwaldzone und sie endet in etwa 1 800 m Höhe. Weiter oben, in der sich anschließenden Krummholzzone, finden wir nur noch Krummholz, also geduckte, bisweilen gewundene Kleinst- und Krüppelformen von Weide, Erle, Fichte, Kiefer und Wacholder, dazu meist in großer Menge die Alpenrose. Oft bilden die Pflanzen hier kniehohes Gestrüpp, welches das Steigen sehr erschwert. Das wird mit zunehmender Höhe immer niedriger und endet in etwa 2 000 m Höhe, wo die Region allmählich in die Mattenzone mit ihren Almen, dem Gebüsch und dem Heidekraut übergeht, die sich dann bis zur Schneegrenze in ca. 2 500 m hinaufziehen. Oberhalb 2 500 m dehnt sich die Schnee- und Eiszone bis in 3 000 m Höhe. Bis hierher gedeihen nur noch wenige Gräser und vereinzelte Stauden und Polsterpflanzen. Ab 3000 m finden sich dann nur noch fleckenweise Algen, Flechten und Moose an schneefreien Steinen. Hier erheben sich die eisigen Hochgebirgsgipfel mit kahlem Fels, Geröllhalden, Schnee und Eis. Es gilt die Faustregel, dass die Temperatur mit zunehmender Höhe

alle 100 m um ca. 7° C abnimmt.

Das Besondere der Klimazonen mit ihren wechselnden Erscheinungen ist aber, dass sie ein senkrechtes Spiegelbild dessen darstellen, was sich waagerecht zwischen den gemäßigten Zonen der Erde und ihren beiden Polbereichen abspielt: Auf dem Weg von den gemäßigten Breiten nach Norden verlässt uns auch hier irgendwann der Laubwald, und nur noch die Nadelwälder der Taiga begleiten uns weiter nordwärts. Den Namen Taiga haben wir von der entsprechenden Klimazone Sibiriens übernommen. An ihrer nördlichen Grenze geht die Taiga in die Tundra über, die Kältesteppe. Der Baumbestand lichtet sich, wird niedriger und hört schließlich ganz auf. Nur Flechten, Algen und Moose bedecken zuletzt noch den Boden, dessen Oberfläche auch nur wenige Monate im Jahr oberflächlich auftaut. Allein Zwergbirken, Polarweiden, Heidelbeerund Preiselbeersträucher gedeihen noch vereinzelt. Nähert man sich den Polen, bleiben auch sie zurück.“

Taiga und Tundra in Sibirien1

Opa nahm einen Zettel, auf den er die 12 Landschaftsformen geschrieben hatte und reichte ihn mir. „Dann kannst du sie dir bis morgen noch einmal ansehen“, meinte er. „Dazu brauche ich aber jetzt die Gedächtnisschule“, hielt ich dagegen, „ohne Entwicklungshilfe keine bleibenden Ergebnisse.“ „Ist nicht vergessen“, entgegnete er.

Die 2.Lernregel

„Vorausschicken möchte ich dir zum Trost, dass es weder ein gutes, noch ein schlechtes Gedächtnis gibt – unser Gedächtnis ist allumfassend! Es gibt aber gute und schlechte Wege, mit ihm umzugehen. Eine wichtige Sache ist, wie bei allem, das Üben. Wer trainiert, ist anderen immer voraus. Und wer alles Gelernte immer mal wieder anschaut, der trainiert am besten. Darum geben kluge Schüler an allen Schulen der Welt schwächeren Schülern Nachhilfeunterricht. Das Lustige am Gedächtnis ist, je mehr wir es in Schwung bringen, desto mehr Freude bereitet uns das. Und es spart uns auch Zeit. Außerdem erweitert es unsere Wahlmöglichkeiten bei Studium oder Beruf und lässt uns innerlich reicher und vielseitiger werden. Über die Wege, wie das Üben aussehen kann, sprechen wir später.

Gedächtnistraining ist nichts anderes als schlichtes Lernen. Wer viel lernt, kann viel, und wer viel kann, lernt mit viel mehr Freude als derjenige, der wenig kann. Das siehst du gerade an den kleinen Kindern. Was die alles in kürzester Zeit lernen, ist unvorstellbar! Und sie tun es stets mit größter Freude. Traurig genug, dass es Schulen gibt, in denen den Kindern die Freude am Lernen wieder abtrainiert wird! Solche Schulen sollte man eigentlich verbieten oder die Lehrer zu Straßenkehrern umschulen! Wenn dir einmal beim Lernen etwas keinen Spaß macht, musst du sofort misstrauisch werden und schauen, ob nicht du oder der Lehrer etwas falsch angepackt haben!

Nun muss man aber auch sagen, dass es Fächer gibt, für die man kaum einen Kubikzentimeter Freude aus sich herausquetschen kann. Was macht man da? Trauern? Nein, man trickst! Dazu zwei Geschichtchen, die beide wahr sind.

1.) Eine amerikanische Psychologie-Dozentin, lern-geübt und mit allen Gedächtnis-Wassern gewaschen, wollte an einem Fernseh-Quiz teilnehmen, das um eine ihr völlig fernliegende Sportart ging. Es war für den Gewinner ein hoher Preis ausgeschrieben worden, den sie zu jener Zeit dringend gebraucht hätte; außerdem reizte sie die Herausforderung. Was machte sie? Das Internet gab es damals noch nicht, also erwarb sie zu ihrer Vorbereitung mehrere Sachbücher, die sie schnell und gründlich durcharbeitete. Darüber hinaus suchte sie das Gespräch mit Fachleuten dieser Sportart und ließ sich von Freunden und Bekannten immer wieder schwierige Fragen zum Thema stellen. So übte sie ein paar Wochen lang fleißig und – was geschah? Sie konnte beim Quiz alle Fragen perfekt beantworten und gewann so den Preis.

2.) Die andere Geschichte: In einem Schwedisch-Sprachkurs fiel ein Student durch sein außergewöhnlich schnelles Lernen auf. Als er nach seiner Lernmethode gefragt wurde, konnte er nur mit den Schultern zucken. Warum, so fragte man ihn, sei er denn überhaupt in diesem Sprachkurs? Weil er eine schwedische Freundin habe und sie beide dringend heiraten wollten.

Wird etwas deutlich? Die Hauptpersonen in beiden Fallbeispielen hatten ein zugkräftiges Motiv, das sie offensichtlich befähigte, effizient zu lernen. Sie wollten lernen. Je stärker das Motiv ist, desto einnehmender erweist sich das Gedächtnis. Motive sind der Sprit für alles Erinnern. Motiv und Wiederholung ergeben zusammen die Gedächtnistreue.

Nun könntest du einwenden, es gäbe nicht für jede zu erwerbende Fertigkeit auch ein Motiv. Das stimmt zum Glück nicht ganz. Tatsächlich existieren zwei ganz verschiedene Arten von Motiven, die angeborenen und die angelernten.

Und es sind gerade die letzteren, die uns in die Lage versetzen, uns selbst motivieren zu können, indem wir uns alles Schöne, Besondere, Wünschenswerte und Angenehme vorstellen, das die zu erwerbende Sache für uns bereithält oder möglich macht. Damit können wir jeder Pflicht ein zündendes Motiv verpassen, dessen Antriebskraft wir dann als Rückenwind erleben, der unser Gedächtnis beflügelt. Das 2. Kapitel der Lernregeln lautet also:

Willst du eine Sache sicher erreichen,
so arbeite zuerst dein Motiv dafür heraus!

Male dir möglichst „farbig“ aus, warum du diese Sache erreichen willst (oder erreichen musst) und welche schönen, wichtigen, wünschenswerten Seiten sie für dich hat. Überlege das in möglichst bildhaften Begriffen!“

„Gut, das habe ich jetzt verstanden“, sagte ich, „aber …“

„Kein Aber“, unterbrach mich Opa, „bevor ich ein weiteres Aber zu hören bekomme, arbeitest du zuerst alle möglichen Motive für das Fach Latein heraus. Denn darum geht’s dir doch gerade, oder?“

„Kannst du jetzt auch noch Gedanken lesen?“, brummte ich missmutig. Damit war die Stunde beendet und ich schwirrte ab.

Die Gebirge

Als ich heute zu Großvater ins Arbeitszimmer trat, reichte er mir sogleich eine Zeichnung, auf der er im Gebirge den Weg vom Tal zur Höhe (links), wie auch den von den gemäßigten Breiten nach Norden (rechts) nebeneinander gezeichnet hatte. So ließen die durchmessenen Landschaften sich gut vergleichen. Er sagte, dass die Zahlen auch nicht starr zu verstehen seien. Schon innerhalb der Alpen gäbe es zwischen Nördlichen Kalkalpen, Zentralalpen und Südlichen Kalkalpen Unterschiede. Heute sollte es um einen ersten Überblick über die Bergwelt gehen.

Opa begann dann zu erzählen: „Gebirge finden sich in allen Teilen der Welt. Sie ragen auf über Kulturzonen, über Urwäldern und Wüsten und bilden sogar Inseln im Meer. Manche Berge stehen allein da, andere bilden Gebirgsstöcke (Massive), wieder andere ziehen sich als Ketten dahin. Mächtige Eiszungen quellen aus den Karen der Höhe und bedecken weite Flächen. Obgleich das Eis starr zu sein scheint, fließt es doch langsam die Hänge hinab. Man nennt es dann Gletscher.“

„Was, bitte, sind Kare?“, fragte ich dazwischen.

„Das sind kesselförmige Mulden oder Täler direkt unterhalb der Gipfel oder Grate, ganz oben am Berg“, antwortete er. Dann fuhr er fort: „Nahe der Schneegrenze, bei uns also unterhalb von 2 500 m, können nur gut angepasste Tiere leben. Gämsen, Steinböcke und Bergziegen sind hervorragende Kletterer und tragen ein dichtes Fell. Murmeltiere halten Winterschlaf; das schützt sie vor der Kälte. Hoch oben kreist der Adler und späht nach Beute. In der Felsregion, wo er seinen Horst hat, überziehen Flechten und Moose das Gestein.

In südlicheren Gebirgen verlaufen Baum- und Schneegrenze fast doppelt so hoch wie in den Alpen. In den Anden Südamerikas liegt sie bei 4 700 m. Die „letzten“ Bäume dort, meterhohe Schopfpflanzen, wachsen noch in knapp 4 000 m Höhe!

Die höchsten Gebirge mit ihren Schnee- und Eismassen bilden gewaltige Süßwasserspeicher. Von ihnen strömen unsere größten Flüsse ins Tiefland.

Immer wieder versuchen mutige Männer, die Gipfel der Bergriesen zu besteigen. Der gewaltigste ist der Mount Everest im Himalaja-Gebirge, welches sich über Teile Indiens und Chinas und über ganz Nepal, Butan und Tibet erstreckt. Stellen, an welchen man die Höhen überqueren kann, nennt man Pässe.

Das Wetter in den Hochgebirgsregionen ist unberechenbar und oft gefährlich: Jähe Kälteeinbrüche, Nebel, Regen- und Schneestürme überraschen den Wanderer und hindern sein Fortkommen.“

Opa machte eine Pause und zeigte mir eine Zeichnung mit den jeweils höchsten Bergen der acht Erdteile. Ich zeige sie euch hier:

Dann erzählte er weiter: „Was wir heute im Hochgebirge und an den Polen vorfinden, waren während der Eiszeiten auch in den Mittelgebirgen und in Teilen des Tieflands die üblichen klimatischen Verhältnisse.

Vor ungefähr einer Million Jahre begann es innerhalb weniger Jahre kalt und kälter zu werden. Irgendwann tauten im Frühjahr die Böden nicht mehr auf. Der Schnee sammelte sich und wurde unter zunehmendem Druck zu Eis gepresst. Riesige Eisdecken entstanden und bedeckten immer größere Teile der Erdoberfläche. Als das Eis in ihre Lebensräume vordrang, mussten die Mammute und anderen Tiere nach Süden abwandern.

Die Eisdecken schliffen nach und nach, Jahrhunderte lang, den Mutterboden weg, ebneten Täler ein und trugen die Hügel ab. Erde, Steine und Felsblöcke wurden Hunderte Kilometer weit fortgeschoben. Daher heißen sie auch Geschiebe.“

Ein großer Teil Europas lag in der Eiszeit unter Gletschern. Die Karte zeigt Europa in seiner damaligen Gestalt vor rund 10.000 Jahren. Die kräftigen Linien skizzieren den Verlauf der Küsten.

Um das Erzählte deutlicher zu machen, zeigte Großvater mir die obige Karte der Vergletscherung Europas. Also eine Reise nach Skandinavien oder gar Island wäre nicht infrage gekommen, meinte er, und Norddeutschland auch nur auf Skiern.

„Komm, wir gehen jetzt Kaffeetrinken“, sagte er dann.

„Jetzt schon?“, fragte ich. „Nenne mir erst noch die 3. Gedächtnisregel, sonst lasse ich dich nicht zu deinem geliebten Kaffee gehen.“ „Das wird ja immer schlimmer“, grummelte Opa. „Nun also, dann machen wir halt weiter, obwohl ich allmählich verschmachte.“

Die 3.Lernregel

„Heute will ich etwas vorausschicken: Jeder Mensch hat das Bedürfnis, angefangene Dinge abzuschließen, zu vollenden oder zu irgendwelchen Zielen zu gelangen. Ein Versuch, den der Psychologe Kurt Lewin durchführen ließ, belegt das sehr anschaulich: Zwei Gruppen von Landarbeitern standen vor zwei Wiesenstücken, die von Hand gemäht werden sollten. An den Feld-Enden befand sich je eine gut sichtbare Fahne als Ziel. In der einen Wiese war dies die einzige Markierung; in der anderen steckten zusätzlich alle 10 m kleine rote Zwischenziel-Fähnchen am Rand.

Auf ein Signal hin begannen nun alle Männer, ihr Stück um die Wette zu mähen. Die Gruppe mit den Zwischenziel-Fähnchen ging alsbald in Führung. Als der Vorsprung deutlich war, wurde der Test unterbrochen; das Wiesenstück der Unterlegenen wurde auf gleichen Stand wie das andere gemäht und die Gruppen auf den beiden Wiesen vertauscht. Die zuvor Unterlegenen arbeiteten nun auf der Wiese mit den Zwischenziel-Fähnchen, die vorigen Sieger auf der Wiese mit nur der Endziel-Fahne. Wieder wurde das Startsignal gegeben. Die Gruppe mit den Zwischenzielen ging nun rasch in Führung, bis sie der anderen deutlich voraus war. Beim Stoppen der Testergebnisse fiel noch eine Besonderheit auf: Die jeweilige Zwischenziel-Gruppe hatte ihre Leistung kurz vor Erreichen eines Zwischenziels noch einmal zusätzlich gesteigert.

Es scheint so, als gehe von den Zielen eine besondere Anziehungskraft aus. Man nennt sie den Zielansporn