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Nr. 2953

 

Der Mann von den Sternen

 

Sie hetzt glatthäutige Eindringlinge – er belebt den Traum der Sternenspäher

 

Robert Corvus

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

Epilog

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, einst ein von ES erwähltes und dann vertriebenes Volk. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden in der Lokalen Gruppe im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen.

Mitten in diese Gemengelage hinein kehrt Atlan zurück – und landet auf einem von Gemeni kontrollierten Planeten zwischen den Menes, Nachfahren von Menschen, die ihn als den in ihren Legenden angekündigten Sternenwanderer betrachten. Doch die Gemeni erkennen in ihm eine Gefahr und verfolgen ihn. Atlan bleibt nur die Flucht auf eine Welt von echsenartigen Wesen, die als Feinde der Menes gelten – und auch dort ist er DER MANN VON DEN STERNEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan da Gonozal – Der Arkonide kennt die Sterne.

Fitzgerald Klem – Der Geheimagent kennt viele Tricks.

Vhor – Der Jäger kennt Menes und Gauchen.

Touchad – Die Sekuritantin kennt ihre Pflichten.

Prolog

 

»Wem willst du weismachen, das wären normale Hautpuppen?«, fauchte Touchad. »Ich habe in meinem ersten Dienstjahr gerissenere Drogenhändler als dich hochgenommen! Und jetzt bin ich in meinem letzten. Ich kenne mehr Tricks, als du jemals lernen wirst.«

Alle Schuppen an Gesicht und Hals ihres Gegenübers lagen glatt an. Der schmächtige Knabe war besser, als sie ihn glauben machen wollte. Immerhin hatte er seine Körpersprache unter Kontrolle.

Aber das würde ihm nichts nützen. Sie nahm eine der handgroßen Puppen, die auf dem Schneidertisch lagen. »Wenn hier kein Drogenbeutel rein soll – wofür ist dann diese Öffnung da?« Sie schob eine Kralle in den Schlitz am Rücken.

»Ich mache meine Vergessenslosen immer so.«

Drohend lehnte sie sich auf die Tischplatte. »Ich werde deinen gesamten Laden auseinandernehmen«, versprach sie. »Jede Werkbank, den Verkaufstresen, die Stoffballen. Wenn ich damit fertig bin, reiße ich die Wandverkleidung auf, danach den Fußboden, und dann ...«

Die Tür klingelte, weil Bachroch vom Einsatzwagen zurückkam. Er hatte wieder ein paar Schuppen an seinem Kopf abgespreizt und in diesem albernen Türkis gefärbt. »Wir müssen hier abbrechen«, sagte er. »Wir sollen uns um eine andere Sache kümmern.«

Erfreut zwinkerte der Schneider.

»Nicht jetzt«, grollte Touchad. »Ich brauche noch eine Stunde. Oder zwei. Oder den ganzen Tag. Und die Nacht dazu. Aber ich werde das Rauschgift finden.«

»Sekuri-Offizial Chalrad war deutlich«, sagte Bachroch.

Dieser Assistent war zwar nicht für sie, wohl aber für alle Kriminellen des Distrikts eine echte Entlastung.

»Sehr deutlich«, legte Bachroch nach. »Er will, dass wir uns sofort auf den Weg machen und uns nicht um kleine Käfer kümmern.«

»Bsssssss«, machte der Schneider. »Ich bin der kleinste Käfer, den du dir vorstellen kannst, Sekuritantin.«

Vor allem, dachte Touchad, war er ein Käfer, der ihr durch die Krallen krabbeln und davonfliegen würde.

1.

 

Es war einer dieser Tage im Spätherbst, an denen die Sonne weiß an einem wolkenlosen Himmel stand, aber trotzdem nicht die Kraft fand, die Luft aufzuwärmen. Träge wälzten sich die Massen durch die Straßen zwischen den Pyramiden von Tabbgorch. Der Blick durch ihre transparenten Flanken deprimierte die Passanten zusätzlich. Nicht nur wegen des heruntergekommenen Zustands der Gebäude, mit Sprüngen und Rissen in den Scheiben und den stumpfgrauen Flächen. Sondern vor allem wegen der Gewissheit, dass es dort drinnen, an den Werkbänken und Fließbändern, den Schreibtischen und Schlackegruben wenigstens warm war.

Draußen bereitete sich die Vegetation auf den Winter vor, indem sie die welken Blätter abwarf. Das passte immerhin zum bevorstehenden Fest rund um das Gelübde der Rückkehr, bei dem es um abgelegte Häute ging.

Ein Reinigungstrupp kehrte das Laub in einen mobilen Komposter, ein bauchiges Gerät, das sich auf Raupenketten bewegte. Eine Frau in einem weißen Anzug beaufsichtigte die Arbeiter, die braune Monturen trugen. Ihre Schützlinge waren wahrscheinlich Kleinkriminelle, denen man mit gemeinnütziger Arbeit eine Chance auf Einsicht eröffnen wollte.

Touchad schmatzte missbilligend. Ein paar Stunden in der Straßenreinigung hielten niemanden davon ab, einen lukrativen Deal mit Kurampulver zu machen oder zuzugreifen, wenn jemand seine Börse unbeaufsichtigt ließ. Manche Jugendliche mochten es geradezu als Erholung von ihrem Alltag auffassen, wenn sie unter Aufsicht unterwegs waren, drei Mahlzeiten am Tag und vielleicht sogar einen Schlafplatz bekamen. Das verstanden die Legislatoren nicht, die in den Spitzen ihrer Pyramiden über Gesetze konferierten.

Falls überhaupt etwas gegen die Kriminalität half, dann, dass man den jungen Leuten etwas gab, das sie nicht verlieren wollten. Eine Ausbildung, eine Arbeit, eine Wohnung. Ein Leben, in dem es Sinn hatte, über den nächsten Tag hinaus zu planen und sich etwas aufzubauen.

Aber eigentlich sollte sie sich nicht über diese Politik beklagen, überlegte Touchad zynisch, während der Wagen ausrollte. Sie hatte ihr über Jahrzehnte ausreichend Kundschaft beschert, sodass wenigstens ihr Job sicher war. Eine Sekuritantin brauchte einen gewissen Bodensatz an Kriminellen in ihrem Distrikt, damit niemand auf den Gedanken kam, man könnte ihre Stelle einsparen. Und da sich die Gesetze nicht änderten, würde wohl auch die Karriere der zum Straßenkehren verdonnerten Jugendlichen so ähnlich verlaufen wie die ihrer Großeltern, ihrer Eltern und Geschwister: Sie würden die nächste Generation von Sekuritanten beschäftigt halten.

Die Automatik parkte am Straßenrand ein, die Armaturenanzeige meldete, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Die Türen falteten sich nach oben. Die kalte Luft strich über Touchads Haut wie ein mit altem Schleim vollgesogenes Tuch.

Bachroch setzte die Füße so vorsichtig auf die Straße, als befürchtete er, der dunkle Belag könnte unter dem Gewicht seines verzärtelten Männerkörpers nachgeben.

Schnaubend schwang sich Touchad aus dem Sitz. »Hoffentlich geht es hier schnell. Ich will unter meinen neuen Infrarotstrahler.« Das war der einzige Luxus, der Touchad in ihrer kleinen Wohnung erwartete.

»Sorgfalt ist wichtiger als Schnelligkeit«, versetzte Bachroch altklug.

Das verzogene Balg blieb ein Besserwisser. Auch in diesem Moment blähten sich seine Nasenlöcher in einem Ausdruck von Arroganz, für den Touchad schon manchem Dealer die Schuppen gegen die Liegerichtung gestrichen hatte.

Bachroch achtete die Arbeit auf der Straße gering. Er sah sich als Intellektuellen, der sich zwar dazu herabließ, eine Uniform der Ordnungskräfte zu tragen, selbst aber nicht allzu viel von Ordnung hielt, wie die keck gefärbten Schuppen bewiesen.

Touchad ermahnte sich selbst, dass sie beschlossen hatte, sich nicht mehr um die Allüren ihres Zwangspartners zu kümmern. Sie waren schließlich für Wichtigeres da, wie sie den Instruktionen im Einsatzcomputer des Dienstfahrzeugs entnommen hatte.

 

*

 

Die Pyramide des Technischen Instituts war ein Fremdkörper in Touchads Distrikt. Oberhalb der Höhe, an der Schmierfinken halbwegs gefahrlos ihre Zeichnungen von Geschlechtsteilen und revolutionären Sprüchen anbringen konnten, spiegelte sich die kalte Sonne auf makellosen Scheiben. Im Innern strahlten warme Lampen auf üppiges Grün. Selbst in den Büros wucherte oftmals Flora um Schreibtische und Rechnermodule.

Die Angestellten trugen saubere Anzüge, sie wirkten gut versorgt und unbeschwert. Sicherlich genossen sie den Ausblick aus der Kantine im dritten Stockwerk. Keiner machte sich Gedanken, wie die dampfenden Teller mit den erlesenen Speisen auf einen Straßenschläger wirkten, der sein letztes Essen einem Jungen weggenommen hatte, der es wiederum aus einem Abfallverwerter geklaubt hatte.

Zwei wuchtige Frauen in blauen Uniformen standen mit Elektrostöcken neben dem Eingang, den sie für die beiden Sekuritanten aufhielten.

Wie erwartet umfing Touchad im Innern angenehm feuchtwarme Luft. Sie erinnerte sich, dass die Klimakontrolle in der Wohnpyramide, die bis vor zwei Jahren an dieser Stelle gestanden hatte, ständig ausgefallen war. Sie konnte sich vorstellen, dass die Hausverwaltung die Reparaturen nicht nur wegen der unmittelbaren Kosten hinausgezögert hatte. Die Familien mit Schlüpflingen waren beinahe alle freiwillig ausgezogen. Die älteren Mieter hatten ihre Appartements nach und nach gegen Krankenhauszimmer getauscht. Und als die verbliebenen Bewohner offene Feuer entzündet hatten, um das Gebäude im Winter aufzuheizen, hatten die Sekuritanten den Räumungsbefehl bekommen.

Ohne Mieter hatte man das Wohnhaus leicht verkaufen können. Abriss im Frühling, Neubau im Sommer, Eröffnung des neuen Gebäudes für das Technische Institut im Winter. Die Stadt hatte die alten Bewohner aufgesaugt. Sie suchten woanders ihr Glück oder rutschten weiter in ihr Elend. Meist Letzteres.

Direkt hinter dem Eingang öffnete sich eine Halle, es gab sogar eine Garderobe und ein Schlammbecken neben dem Empfang. Eine Skulptur, die an eine Flamme erinnerte, die man durch gesplittertes Glas betrachtete, reichte beinahe die zwanzig Meter bis zur Decke hinauf. Auch diese war transparent, man sah die Angestellten im nächsthöheren Stockwerk, die darauf herumliefen.

Bevor sich Touchad an den freundlich zwinkernden Rezeptionisten wenden konnte, glitt eine silberne Tür auf, und eine Frau in einem ockerfarbenen Kittel kam ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Du musst Bachroch sein und ...« Fragend sah sie Touchad an.

»Sekuritantin Touchad«, stellte Bachroch sie vor.

»Ich bin seine Vorgesetzte«, ergänzte sie mühsam beherrscht. »Und du bist wohl Iklacha.«

Eine bestätigende Welle lief durch die Halsschuppen ihres Gegenübers. »Ich bin die wissenschaftliche Leiterin der Abteilung für Werkstofftechnik.«

»Ich weiß«, erwiderte Touchad kalt. »Auf der Herfahrt habe ich mich kundig gemacht.«

Bewusst verzichtete sie darauf, die lederne Innenseite ihrer Unterarme an den ihrigen zu reiben. Bachroch dagegen tat es ausgiebig. Er musste noch lernen, eine professionelle Distanz zu Zeuginnen zu wahren. Oder auch nicht. Bei seiner Herkunft war Professionalität keine Karrierevoraussetzung.

»Ich habe einen Konferenzraum vorbereitet«, sagte Iklacha, »wo wir die Aufzeichnung des Vorfalls ...«

»Sehr schön«, unterbrach Touchad. »Ich will mir zuerst den Tatort ansehen.«

»Das kann ich nicht empfehlen.« Iklachas geduckte Haltung zeigte, wie unwohl sie sich fühlte.

»Wieso nicht?«, fragte Touchad misstrauisch. »Ich dachte, dort unten wurde alles gesichert?«

»Wir haben drei Automatikstrahler aufgestellt«, Iklacha gestikulierte unbeholfen, »und wir haben die Energieversorgung des Artefakts abgebrochen, so weit uns das möglich ist, aber ...«

Abwartend sah Touchad der Abteilungsleiterin in die Augen.

»Dieses Ding hat eigene Energiespeicher. Möglich, dass es wieder aktiv wird.«

»Das kannst du nicht ausschließen?«

»Bislang haben wir nur nicht-destruktive Untersuchungen durchgeführt«, verteidigte sich die Wissenschaftlerin. »Offensichtlich steckt im Innern mehr, als unsere Sensoren erfasst haben.«

»Offensichtlich«, sagte Touchad trocken. »Gerade deswegen werden wir uns jetzt persönlich ein Bild machen. Ergebnisse vor Sicherheit.«

Mit einiger Befriedigung sah sie, wie Bachrochs Finger nervös flatterten.

Sie folgten Iklacha in einen Gang zu einem Lastenaufzug, der sie ins dritte Untergeschoss brachte. Ein Schild mit einer warnend erhobenen Hand wies auf eine Gefahrenzone hin.

Man brauchte keine Ausbildung als Sekuritantin, um zu erkennen, dass in dem Laboratorium ein Kampf getobt hatte. Viele der technischen Gerätschaften waren deformiert, die meisten lagen an den Wänden. In einer klaffte ein so breiter Riss, dass schwarzes Erdreich in den Raum rutschte. Die Hälfte der Leuchtelemente war ausgefallen.

»Ich dachte, es waren nur zwei?«, fragte Touchad.

»Das stimmt«, bestätigte Iklacha.

»Und ihr wart – wie viele?«

»Zwanzig. In etwa.«

»Gib meinem Assistenten eine Liste der Namen.« Nachlässig winkte sie zu Bachroch.

Dessen Aufmerksamkeit war allerdings von dem Artefakt gefangen, das den Raum beherrschte. Die von Iklacha erwähnten Automatikstrahler waren darauf ausgerichtet.

Touchad fand es weniger eindrucksvoll als vielmehr fremd. Sie konnte nicht einmal erkennen, ob es durch das Gefecht beschädigt worden war. Es bestand aus über- und nebeneinanderliegenden Wölbungen und wirkte entfernt wie ein geknautschtes Tuch. Die Rundungen gaben ihm etwas Organisches, aber das helle Material sah technisch aus.

»In Ordnung.« Touchad machte ein paar Schritte in den Raum hinein. »Was genau ist hier passiert?«

»Das kann ich dir zeigen«, sagte Iklacha süffisant. Sie drückte auf ihrem Armbandrechner herum.

Ein Holowürfel baute sich auf. Es zeigte das Labor, gefüllt mit Wissenschaftlern in ockerfarbenen Kitteln. Auch Iklacha war zu sehen: Sie diskutierte mit zwei Kolleginnen vor einem Computerblock. Die Einrichtung war zwar nicht zerstört, wirkte aber dennoch chaotisch. Die Forscher mussten über Leitungen und Gerätschaften steigen, um von einer Arbeitsstation zur nächsten zu gelangen.

»Was macht ihr da?«, fragte Touchad.

»Das sieht wie eine Abschlussbesprechung aus«, meinte Bachroch.

Touchad warf ihm einen warnenden Blick zu. Man sollte Zeugen nichts in den Mund legen.

»Das stimmt«, bestätigte Iklacha. »Wir hatten alle Untersuchungen durchgeführt, die vor dem Gelübde der Rückkehr anstanden. Und dann ... warte einen Moment.«

Die Forscher wirkten ein wenig lustlos, vielleicht von der Arbeit erschöpft. Die ersten verließen das Labor über den Aufzug.

Plötzlich drang ein blaues Leuchten aus dem Artefakt. Ein senkrechter Spalt riss auf, zwei Personen stolperten heraus.

Bachroch sog scharf die Luft ein. Touchads Hände zuckten, als bräuchte sie ihre Krallen, um sich zu verteidigen. Es war etwas anderes, solche Kreaturen mit eigenen Augen zu sehen, als in einem Bericht über sie zu lesen.

Das waren eindeutig Glatthäuter ... auf keinen Fall Gauchen! Fell hing von ihren Köpfen, bei dem einen weiß und über die Schultern hinaus, bei dem anderen braun und vergleichsweise kurz. Sie trugen blaue Anzüge, die eng an ihren Körpern anlagen. An einigen Stellen schimmerten graue Platten.

Die Wissenschaftler reagierten mit einer verständlichen Mischung aus Erschrecken und Entsetzen.

»Das müssen Menes sein«, sprach Bachroch das Offensichtliche aus.

Touchad drängte die Fragen zurück, die sofort auf sie einstürmten: War dieses Artefakt eine Art Brückenkopf, über den der Feind Invasionstruppen nach Achtrant bringen konnte? Wie war das möglich?

Die Menes waren nach allem, was man aus den Nachrichten erfuhr, den Gauchen technisch unterlegen. Angeblich bestärkten die Nodhkaris die Admiralität in dieser Einschätzung. Nach dem einmaligen Zwischenfall war den Menes wohl auch die Lust vergangen, einen weiteren Vorstoß zur Heimatwelt der Gauchen zu wagen. War dies nun ein zweiter Versuch?

Das Holo ließ vermuten, dass sich die beiden Eindringlinge gut auf ihren Einsatz vorbereitet hatten. Sie hatten Pistolen mit klobigen Drehmagazinen dabei. Der Braunhaarige schoss damit auf eine Maschine nahe der linken Wand. Die Helligkeit einer Explosion überforderte für ein paar Sekunden die Kameras.

Mit einem Seitenblick vergewisserte sich Touchad, dass der Ort der Detonation mit der Stelle übereinstimmte, an der der Riss klaffte.

Die Darstellung wurde wieder deutlich. Der Weiße kniete vor dem Artefakt und schoss in rascher Folge mehrere der kopflos durcheinanderlaufenden Gauchen nieder. Seine Munition detonierte nicht.

»Betäubungskugeln«, erklärte Iklacha. »Sie setzen ein schnell wirkendes Schlafmittel frei. Meine Kollegen werden noch untersucht, aber nach der ersten Diagnose bleiben keine Dauerschäden.«

Touchad betrachtete die Stelle, an der sich die Explosion ereignet hatte, genauer. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte sich kein Gauche in unmittelbarer Nähe aufgehalten. Also eine Ablenkung?

Die Eindringlinge rannten zum Aufzug und rempelten dabei einige Forscher aus dem Weg. Nur ein zierlicher Mann versuchte sie aufzuhalten. Der Weiße bearbeitete ihn mit einer Schlagkombination, zuerst die Faust in den Bauch, dann die Handkante auf die Schulter und zuletzt den Ellbogen ans Kinn. Der Gauche fiel auf den Rücken.

Die beiden erreichten den Aufzug, schossen einige weitere Betäubungskugeln in die Menge, und sprangen dann durch die aufgleitende Tür. Sie schloss sich sofort wieder hinter ihnen.

»Wie konnte das passieren?«, fragte Touchad.

»Wir sind nur Wissenschaftler!«, verteidigte sich Iklacha.

»Er auch?« Touchads Finger tauchte an der Stelle in das Holo, wo es den niedergeschlagenen Mann zeigte, der sich mühsam aufrappelte. Niemand kümmerte sich um ihn.

»Die beiden Menes sind eindeutig Kommandosoldaten«, meinte Bachroch.

Touchad war da nicht so sicher. In ihrer Vorstellung bestand das Ziel von Soldaten darin, Feinde zu töten. Genau das hatten die Eindringlinge nicht getan.

Aber natürlich mochte auch das Taktik sein ... Vielleicht spekulierten sie auf ein milderes Urteil für den Fall, dass man sie gefangen nahm.

»Wir wussten nicht, dass es sich um ein Transportgerät handelt.« Vage deutete Iklacha auf das Artefakt.

»Wofür habt ihr es stattdessen gehalten?«

»Für einen Energiespeicher, das war die wahrscheinlichste Hypothese. Oder eine Einheit zur Nahrungserzeugung, das war die Mindermeinung.«

»Spiel die Aufzeichnung noch einmal ab!«

Iklacha tat es.

Wären die beiden Fremden Gauchen gewesen, hätte ihre Statur eher zu Frauen als zu Männern gepasst. Bei Menes kannte sich Touchad nicht aus. Waren die männlichen Vertreter bei dieser Spezies ebenfalls kleiner und zierlicher als die weiblichen? Das war eine naheliegende Annahme; schließlich musste eine Mutter die Nachkommen verteidigen, die sie ausgebrütet hatte.

Schnell erkannte Touchad ihren Denkfehler: Menes waren Säugetiere, lebend gebärend. Eine eklige Vorstellung. Ihre Brut wuchs zappelnd und tretend in ihren Körpern heran. Bestimmt hatte das Konsequenzen auf die Ausprägung der Geschlechter. Aber welche?

»Wie sind die beiden an den Wachen vorbeigekommen, die am Eingang stehen?«

»Die Wachen haben sich dermaßen vor den Glatthäuter erschreckt, dass die Eindringlinge vorbei waren, bevor man sie aufhalten konnte«, gab Iklacha zerknirscht zu.

Das konnte Touchad ihnen nicht verdenken. Schon im Holo boten die bepelzten Glatthäuter einen unheimlichen Anblick. Sich vorzustellen, sie zu verletzen, um sie aufzuhalten ... wie ihr ekliges Blut einen Gauchen besudelte ...

Es war Touchads Aufgabe, ihre Mitbürger vor dieser Gefahr zu schützen. »Wurde auch Ton aufgezeichnet?«

»Ja, ich dachte nur, du wolltest zunächst ...«

»Haben die Eindringlinge etwas gesagt?«

»Sie haben miteinander gesprochen«, sagte Iklacha zögernd. »Aber ich habe nichts verstanden. Wir sind hier keine Xenoforscher ...«

»Im Zentrum für Xenoforschung gibt es Translatoren«, warf Bachroch ein.

Endlich machte sich diese Plage von einem Assistenten einmal nützlich!

»Fahr dorthin!«, wies Touchad ihn an. »Besorge uns einen Translator. Und von dir«, sie wandte sich an Iklacha, »brauche ich die Aufzeichnung des Vorfalls. Bild und Ton.«

2.

 

Fitzgerald Klems Schleimhäute fühlten sich an, als wären sie so vertrocknet wie eine abgezogene Fischhaut, die einen Tag lang in der prallen Sonne gelegen hatte. Er musste sich beherrschen, um nicht ständig an der Nase zu reiben oder gar in ihr zu bohren, was inzwischen schon schmerzte.

»Das erste Mal in meinem Leben bin ich auf einem fremden Planeten«, raunte er Atlan zu, der neben ihm hinter dem verrosteten Wrack eines Straßenfahrzeugs hockte, dem die Räder fehlten. »Diese Welt will mich wohl vergiften.« Er hustete.

Atlan spähte noch immer den Hügel hinunter. Etwa einen Kilometer hatten sie sich von der durchsichtigen Pyramide entfernt, in deren Untergeschoss sie aus dem Gerät getreten waren, das der weißhaarige Mann einen Transmitter nannte.

»Die Luft enthält einen gewissen Anteil Schwefeldioxid, Sird Fitz«, sagte er. »Der stechende Geruch wird uns wohl begleiten, solange wir hier sind. Aber ich glaube nicht, dass er uns gefährlich wird.«

»Brennen deine Augen genauso wie meine?«

Atlan sah ihn an. Tatsächlich war auch bei ihm das Weiß jenseits der immer roten Iriden gerötet. »Ignorier es!«, empfahl er. »Wenn wir darauf achten, dass wir viel trinken, sollte das dem Hals helfen.«