Der Wega-Krieg: Chronik der Sternenkrieger #5

Alfred Bekker's Chronik der Sternenkrieger, Volume 5

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

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Chronik der Sternenkrieger 5 | Der Wega-Krieg | von Alfred Bekker

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Chronik der Sternenkrieger 5

Der Wega-Krieg

von Alfred Bekker

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Ein CassiopeiaPress E-Book

Die abweichende Original-Printausgabe erschien in der Romanreihe „STERNENFAUST“ unter dem Titel „Schlacht um die Wega“.

© 2005,2008,2012 by Alfred Bekker

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

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»AUSTRITT AUS DEM SANDSTRÖMRAUM«, meldete Ruderoffizier Lieutenant John Taranos. »Wir bleiben im Schleichflug«, wiederholte Commander Rena Sunfrost, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER, den Einsatzbefehl.

Das helle Licht der Wega strahlte auf dem Panoramabildschirm. Deutlich war der leuchtende Gasring zu sehen, der diese helle Riesensonne umgab. Sechsundzwanzig Lichtjahre waren es von hier aus bis zur Erde. Die Planeten der Wega gehörten zu den ältesten und nach wie vor wichtigsten Kolonien der Menschheit. Und genau hierher hatte der überraschende Vorstoß geführt, den die Flotte der Qriid vor einigen Wochen geführt hatte. Ein Stich ins Herz der Humanen Welten. Im Handstreich hatten die vogelartigen Qriid das System eingenommen und sich inzwischen hier eingenistet. Unzählige Flotteneinheiten der Invasoren waren inzwischen aus dem Sandströmraum materialisiert. Kriegsschiffe ebenso wie gewaltige Frachteinheiten.

Offenbar sollten die eroberten Kolonien so schnell wie möglich in die Kriegsproduktion der Eroberer integriert werden.

Rena Sunfrost erhob sich von ihrem Kommandantensessel.

Wir werden ihnen einen Strich durch die Rechnung machen, dachte sie. Die STERNENKRIEGER bildete schließlich nur die Vorhut eines Flottenverbandes, dessen Mission die Befreiung der Wega war...

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DIE STERNENKRIEGER flog jetzt mit dem Austrittsschwung aus dem Sandström-Raum. Die Impulstriebwerke blieben abgeschaltet, um zu verhindern, dass deren typische Energiesignaturen vom Feind angemessen werden.

Da auch der Übertritt vom Sandströmraum in das Normaluniversum angemessen werden konnte, war der Austrittspunkt in eine Gaswolke gelegt worden, die etwa eine Ausdehnung von 10 Lichtminuten hatte und die Wega auf einer exzentrischen, um dreiundzwanzig Grad gegen die

Systemebene geneigten Bahn umkreiste.

Im Vergleich zum Sol-System, dessen Alter auf viereinhalb Milliarden Jahre geschätzt wurde, war die Wega jung. Und sie würde jung sterben. Die gesamte Lebenserwartung eines derartigen Riesen betrug gerade eine halbe Milliarde Jahre.

Kein Wunder also, dass sich im Wega-System viel weniger Planeten gebildet hatten, als man von der zur Verfügung stehenden Masse her hätte erwarten können. Die den Stern umgebende Gasscheibe sowie mehrere unterschiedlich große Gaswolken, die die Wega in größerem Abstand umkreisten, waren Zeugnisse einer noch nicht abgeschlossenen oder gescheiterten Planetenbildung.

»Die mittlere Umgebungstemperatur liegt bei 243 Kelvin«, meldetet Ortungsoffizier Lieutenant David Kronstein, der darüber hinaus auch für die Kommunikation zuständig war.

Das entsprach ungefähr Minus 30 Grad Celsius. Aber gemessen an der Kälte des Alls, dem absoluten Nullpunkt von ungefähr Minus 273 Grad Celsius war dieser Nebel heiß.

Auf jeden Fall sorgte er dafür, dass es für die Qriid sehr viel schwerer war, den Kontinuumswechsel zu orten.

Lieutenant Commander Raphael Wong, seines Zeichens Erster Offizier der STERNENKRIEGER, nahm an seiner Konsole ein paar Schaltungen vor. Sein unbewegt wirkendes Gesicht zeigte für einen Moment eine Furche mitten auf der Stirn, die sich aber sofort wieder glättete.

»Wir befinden uns exakt auf dem vorausberechneten Hyperbelkurs in Richtung Wega Stranger, Captain«, berichtete er.

»Das freut mich zu hören«, erwiderte Sunfrost. »Gut gemacht, Lieutenant Taranos.«

Genau von diesem Faktor hängt nämlich das Gelingen der gesamten Mission ab, ging es ihr dabei durch den Kopf.

»Wir werden auf jeden Fall ohne irgendeine Kursänderung nahe genug an Wega Stranger herankommen, um die Marines abzusetzen«, fuhr Wong fort.

»Ruder, wie lange wird die Flugzeit bis zum Zeitpunkt der größten Annäherung an Wega Stranger betragen?«, fragte Rena.

»Sieben Stunden, Captain«, antwortete Taranos.

An diesem Zeitrahmen vermochte die Besatzung der STERNENKRIEGER nicht das Geringste zu ändern, wollte sie weiterhin im relativ risikolosen Schleichflug daherkommen.

Renas Finger glitten über die Tastatur ihres eigenen Terminals. Auf einem Display erschien eine schematische Darstellung des gesamten Wega-Systems in Pseudo-Drei-D-Qualität. Die bedeutendsten Menschheitskolonien befanden sich auf Wega 4 und 5. Allein die Stadt New Hope auf Wega 4 – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Sonnensystem im Grenzbereich zu den Qriid – war mit ihren Milliarden Einwohnern eine Metropole gewesen, wie sie innerhalb der Humanen Welten ihresgleichen suchte.

Aber nun stand auch New Hope City unter der Kontrolle der vogelartigen Qriid. Über das, was mit der menschlichen Bevölkerung der Wega-Kolonien geschehen war, gab es nur Spekulationen. Im Oberkommando des Space Army Corps und im Humanen Rat ging man gleichermaßen davon aus, dass die Qriid es anstrebten, die Wega möglichst schnell zu einem Standort ihrer Kriegsproduktion zu machen, sodass ein Brückenkopf für die weitere Invasion und Einverleibung des von der Menschheit besiedelten Raumsektors folgen konnte.

Sunfrost und ihre Crew hatte eine Expedition in die Noirmad-Exklave vorgenommen, um mit einer Widerstandsbewegung so genannter Ketzer Kontakt aufzunehmen, deren Erstarken das Heilige Imperium der Qriid vielleicht von innen her erodieren lassen konnte. So zumindest die vage Hoffnung, die sowohl in der Admiralität des Space Army Corps als auch bei einigen maßgeblichen Köpfen im Humanen Rat geträumt wurde.

Da es sich bei der Noirmad-Exklave um einen Raumsektor handelte, der erst vor relativ kurzer Zeit dem Heiligen Imperium eingegliedert worden war, war hier die Vorgehensweise der Qriid besonders deutlich erkennbar. Nachdem sie einen Brückenkopf erobert und gesichert hatten, zielte ihre Vorgehensweise darauf ab, so schnell wie möglich für eine Wiederaufnahme der Industrieproduktion zu sorgen und bestehende Anlagen so umzurüsten, dass sie in die Kriegsmaschinerie des Imperiums integriert werden konnten.

Auf diese Weise verhinderten sie das, was so vielen großen Eroberern der irdischen Geschichte passiert war, angefangen von Alexander dem Großen bis Napoleon. Die Qriid schafften es, eine Überdehnung ihrer Kräfte zu verhindern –ein Faktor, der bei Expansionen sehr häufig außer Acht gelassen wurde. Die Qriid aber hatten im Verlauf ihres Heiligen Krieges die Bedeutung der Nachschubsicherung offenbar erkannt und ihre Konsequenzen daraus gezogen.

Rena zoomte eine bestimmte, weit oberhalb der Systemebene gelegene Region des Wega-Systems auf ihrem Display heran.

Die Bahnen der meisten anderen Wega-Welten befanden sich mit dem Gasring im Zentrum in einer Ebene. Es gab eine Abweichung von nicht mehr als zehn Grad dabei.

Natürlich existierten auch zahllose Materiebrocken, die auf völlig exzentrischen Bahnen die Wega umkreisten. Kometen, Asteroiden, Trümmerstücke von Planeten, die durch Kollisionen vernichtet worden waren...

Ein Fundort für die Archäologie des Kosmos, der noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft worden war.

Nur ein einziger dieser Brocken hatte die Größe eines Planeten und umkreiste Wega auf einer Bahn, die senkrecht zur Systemebene stand. Auf Grund dieser Exzentrik hatte man ihn erst Jahre nach der Ankunft erster Siedler mit dem Raumschiff NEW HOPE entdeckten Himmelskörper Wega Stranger genannt und nicht in die planetare Nummerierung aufgenommen.

Wega Stranger hatte etwa die Größe des Mars, wies allerdings eine wesentlich größere Dichte auf, sodass auf der Oberfläche eine Schwerkraft von 0,7g herrschte. Die Atmosphäre bestand aus schwefelhaltigen Gasen, Stickstoff, ein paar Edelgasen und Kohlendioxid. Der Druck war außerordentlich hoch und entsprach etwa einer Tauchtiefe von zwanzig Metern in einem irdischen Ozean. Wega Stranger besaß keine nennenswerte Eigenrotation. Auf der Tagseite wurde es daher trotz der großen Entfernung zum Zentralgestirn bis zu dreißig Grad Celsius warm, während auf der sonnenabgewandten Seite eine Kälte von Minus hundertfünfzig Grad Celsius herrschte. Die enormen Temperaturgegensätze zwischen den beiden Hemisphären von Wega Stranger sorgten für orkanartige Stürme, gegen die sich alles, was von der Erde, dem Mars oder anderen Planeten aus dem Einflussbereich der Humanen Welten her bekannt war, nur wie ein laues Lüftchen ausnahm.

Trotz der Blüte der nahen Wega-Kolonien war Stranger nie etwas anderes gewesen als ein relativ

nutzloser Materieklumpen, bei dem jegliche Terraformingmaßnahmen als zwecklos und zu aufwändig angesehen wurden. Das Problem war die überaus dichte Atmosphäre, deren Zusammensetzung darüber hinaus auch noch ausgesprochen brisant war. Niederschläge aus Schwefelsäure machen es selbst hartgesottenen Vertretern der Pflanzenwelt schwer, sich hier zu behaupten.

Aufklärungseinheiten des Space Army Corps hatten jedoch herausgefunden, dass die Qriid sich ausgerechnet Wega Stranger als Sitz ihres Kommunikations- und Koordinationszentrums ausgesucht hatten. Eine gigantische Station war im Schlepp von Kriegsschiffen aus dem Sandströmraum materialisiert und anschließend auf der sonnenzugewandten Seite von Stranger gelandet. Von hier aus wurden sämtliche Manöver der im Wega-System stationierten Kampfeinheiten der Qriid koordiniert. Stranger war wie geschaffen dafür.

Die Tatsache, dass dieser irreguläre Wega-Trabant nahezu keine Rotation aufwies, führte dazu, dass die Station stets dem System zugewandt war. Zumindest die nächsten Jahrzehnte.

Die dichte Atmosphäre wiederum war ein wirksamer Schutz gegen die Gauss-Geschütze der Space Army Corps Raumschiffe, denn deren würfelförmige Projektile verglühten dort, ehe sie ihre unglaubliche Durchschlagskraft entfalten konnten. Vom Weltraum aus war mit Gauss-Geschossen nichts auszurichten, dazu war schon eine Operation auf der Oberfläche notwendig.

Der Auftrag, mit dem die STERNENKRIEGER nach Stranger geschickt worden war, verlangte ein Höchstmaß an Präzision.

Im Schleichflug würde die STERNENKRIEGER an Stranger vorbeirasen und dabei einen Antigravpanzer vom Typ YXC-3 ausschleusen, der auf der sonnenabgewandten Seite landen sollte. Nicht einmal ein Bremsmanöver konnte die STERNENKRIEGER dabei durchführen. Das hätte eine Entdeckung beinahe garantiert. Aufgabe des Marine-Teams war es, die Kommunikationszentrale der Qriid auszuschalten.

Das musste exakt in dem Augenblick geschehen, wenn die neu formierte Hauptflotte der Humanen Welten eintraf und den Angriff auf die Invasoren einläutete.

Die Qriid-Verbände hatten sich bisher als überlegen erwiesen. Aber wenn sie plötzlich ohne Koordination dastanden, so war es vielleicht möglich, den Aggressor aus dem Wega-System wieder zu vertreiben.

Allerdings konnte das Space Army Corps keinesfalls seine geballte Macht für dieses größte militärische Unternehmen seiner Geschichte aufbieten, da sich die Qriid an allen Fronten dieses erst vor einigen Monaten wieder aufgeflammten Krieges auf dem Vormarsch befanden.

Soweit es noch gerade eben vertretbar war, hatten die Verantwortlichen in der Admiralität der Raumflotte dafür gesorgt, dass die Verteidigungslinien ausgedünnt wurden, um Einheiten für die Entscheidungsschlacht um die Wega freizumachen.

Alles hängt letztlich von Sergeant Rolfson und den Marines ab, überlegte Rena. Wenn die es nicht schaffen, das Kommunikations-und Befehlszentrum der Qriid auszuschalten, werden wir kaum eine Chance haben und ein zweites Tridor erleben – nur, dass wir diesmal nicht erwarten können, dass sich die Qriid plötzlich ohne jede militärische Notwendigkeit zurückziehen...

Rena Sunfrost wandte sich an Lieutenant Commander Wong.

»Sie haben die Brücke, Raphael.«

»Aye, aye, Captain.«

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CAPTAIN SUNFROST VERLIEß die Brücke und ging in ihren Raum, der auch als Besprechungszimmer für die an Bord Dienst tuenden Offiziere benutzt wurde. Rena setzte sich in einen der Schalensitze und stellte per Interkom eine Verbindung zu Sergeant Oliver Rolfson her.

Das breite Gesicht des Kommandanten, der an Bord der STERNENKRIEGER stationierten Einheit von Marineinfanteristen, erschien auf einem kleinen Bildschirm.

»Sergeant, wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen für die Landemission?«, fragte Rena.

Rolfsons Gesicht wirkte angespannt und konzentriert, so als würde er Haltung annehmen.

»Ich habe die Marines über die bevorstehende Operation informiert und sie mit allen bekannten Details über die Bedingungen auf der Oberfläche vertraut gemacht. Wir werden uns von der Nachtseite her an die Kommunikationszentrale heranmachen und Sprengsätze anbringen. Wir werden sie so positionieren, dass die Station nicht völlig zerstört, sondern nur ausgeschaltet wird. Wir können später zurückkehren und sie eingehend unter die Lupe nehmen.«

»Sie werden womöglich qriidischen Landetruppen begegnen und in Gefechte verwickelt werden«, sagte Rena.

Das weiß er, sagte sie sich selbst. Sei nicht so nervös!

Rolfson nickte gleichmütig. »Ja, aber das werden wir durchstehen. Hauptsache, wir schaffen es, die Sprengsätze richtig zu platzieren. Danach können wir mit dem Antigravpanzer relativ schnell verschwinden und zur STERNENKRIEGER zurückkehren – vorausgesetzt, es geschieht nichts Unvorhergesehenes und Sie halten sich exakt an den Zeitplan, Captain.«

»Das werden wir, Sergeant. Das werden wir...«

Rena war sehr wohl bewusst, dass genau davon das Überleben der Marines abhängen würde, die an dieser Risiko-Operation beteiligt waren.

Äußerlich wirkt er unbewegt, überlegte Rena.

Doch inzwischen kannte sie ihn längst gut genug, um zu wissen, dass unter dieser manchmal abweisend und grob wirkenden Fassade durchaus kein gefühlskalter Eisblock steckte. Andererseits war er ein Marine – ausgebildet dafür, das Notwendige zu tun – selbst dann, wenn es Opfer kostete und sehr gefährlich war.

»Was ist mit den technischen Systemen des Antigravpanzers?«, fragte Rena.

»Sind vom neuen LI überprüft und optimiert worden«, gab Rolfson zurück.

Nachdem Lieutenant Catherine White Selbstmord begangen hatte – sie hatte den Tod ihres Freundes nicht verwinden können –, hatte Lieutenant Simon E. Erixon ihren Platz eingenommen, dessen fachliche Kompetenz für Sunfrost außer Frage stand.

»In Ordnung. Ich nehme an, Sie wissen, was für uns alle vom Gelingen Ihres Auftrags abhängt, Sergeant.«

»Ja, Captain.«

Rena unterbrach die Verbindung.

Jetzt hieß es nur noch warten und sich fürs Erste ruhig verhalten.

Der größte Feind, den die Crew der STERNENKRIEGER jetzt hatte, war die eigene Unvorsichtigkeit...

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FALRAN-GOR BETRAT DEN Tempelbereich der mobilen Station, die den Namen FÜNFTE STIMME DES IMPERIUMS trug. Es handelte sich um eine von insgesamt vier mobilen Kommandostationen, die von den Qriid in gerade eroberten Brückenköpfen eingesetzt wurden. ZWEITE STIMME DES

IMPERIUMS war im Zuge des Krieges, der seinerzeit zur Eroberung der Noirmad-Exklave geführt hatte, bei Kämpfen zerstört worden.

Falran-Gor schritt durch das Säulenportal, das zu den typischen Details aller Qriid-Tempel gehörte. Auf der glatten, mamorähnlichen Oberfläche der Säulen liefen Filmprojektionen von der Inthronisierung des neuen Aarriid, dem Stellvertreter Gottes und nominellem Herrscher des Heiligen Imperiums der Qriid.

Die eigentliche Macht ging natürlich nach wie vor vom militärischen Oberkommando der Tanjaj – das bedeutete Gotteskrieger – sowie der Führung der Priesterschaft aus.

Falran-Gors Blick blieb kurz an dem bewegten Abbild des neuen Aarriid hängen. Ein kleines Qriid-Küken, gerade seinen Eierschalen entschlüpft, aber mit dem ausgezeichnet, was unsere Priester die spirituellen Zeichen nennen...

Welche Verantwortung, welch geballter Erwartungsdruck lastete nun auf diesem kleinen Wesen, dessen spirituelle Begabung eine so gewaltige Bürde darstellte, dass Falran-Gor um keinen Preis des Imperiums mit ihm hätte tauschen wollen.

Und das, obwohl ein Aarriid durch die Einnahme heiliger Drogen eine erheblich größere Lebenserwartung besaß, als ein gewöhnlicher Qriid. Aber was war das für ein Leben? Es gehört noch viel weniger dir selbst, als es bei uns einfachen Soldaten Gottes der Fall ist, überlegte Falran-Gor.

Einige Augenblicke noch sah er wie gebannt auf dieses Vogelkind, das bislang kaum in der Lage war, seinen im Verhältnis zum Körper noch überdimensionierten Kopf aus eigener Kraft zu heben.

Das Universum in den Krallen eines Kükens – ist das nicht ein Bild von fast poetischer Tiefe?

Falran-Gor schritt weiter in den Tempel hinein, um seine Gebete der inneren Reinigung vorzunehmen. Einige andere Betende waren auch dort und verharrten in leicht gebeugter Haltung.

»Tanjaj sind wir, Krieger des Heiligen Krieges, geführt vom Aarriid«, so beteten sie. »Wir glauben an die Erwählung des Qriid-Volkes durch Gott; wir sind Gottes Volk und als solches einzigartig unter allen Intelligenzen des Kosmos. Wir schwören, die Geschöpfe des Chaos zu vertreiben oder in die Heilige Ordnung zu zwingen und dafür unsere ganze Kraft und unser Leben einzusetzen, auf das der Tag komme, an dem der Wille Gottes geschehe in der Gesamtheit der Raumzeit.«

Falran-Gor murmelte diese Worte mit.

Jedem Tanjaj war es vorgeschrieben, an den rituellen Reinigungen und Gebeten teilzunehmen, denn der Kampf gegen die Ungläubigen war eine heilige Handlung, die entweiht wurde, wenn sie von Qriid mit unreinen Gedanken oder Zweiflern durchgeführt wurde.

Oder gar Ketzern, wie sie gerüchteweise jüngst in der Noirmad-Exklave aufgetaucht waren. Dort sollte angeblich ein Prediger leben, der von sich behauptete, der nach den Legenden erwartete Friedensbringer zu ein. Ein Qriid, der sich Ron-Nertas nannte und verkündete, dass es keineswegs Gottes Wille sei, dass das Volk der Qriid für alle Zeiten den Heiligen Krieg in die Weiten des Universums trug.

Auch Falran-Gor hatte sich an den Frieden gewöhnt, und anfangs hatte er sich selbst dabei ertappt, wie sehr es ihm widerstrebte, erneut in den Krieg zu ziehen.

Es ist eine Frage der inneren Disziplin, ob man einer mentalen Schwäche nachgibt und zulässt, dass aus der spirituellen Krise des Einzelnen ein Kollaps des Imperiums und seiner Tanjaj-Flotte wird!, erinnerte sich Falran-Gor an einen Lehrsatz der Priesterschaft.

Das war es letztlich, was Falran-Gor an einem geweihten Ort wie diesem suchte.

Innere Ruhe.

Spirituellen Kontakt zu seinem Gott.

Die Gewissheit, das Richtige zu tun.

Gott allein war die maßgebliche Instanz. Das galt für den einfachen Rekruten ebenso wie den Oberbefehlshaber der Gotteskrieger, der die Ehrenbezeichnung Tanjaj-Mar trug.

Ein in Falran-Gors Gehörgang eingesetzter Funkmelder gab ein Signal von sich, das ihn aus seiner inneren Versenkung herausriss.

Eine Stimme ertönte. »General, ein Zwischenfall der Klasse 3 erfordert Ihre Anwesenheit in der Zentrale.«

Durch willentliche Bewegung eines in den Gehörgang hineinreichenden Muskelstranges wurde ein Bestätigungssignal ausgelöst und an die Zentrale gesandt, ohne dass einer der anderen Gläubigen dadurch gestört wurde.

Der kommandierende General der FÜNFTEN STIMME DES IMPERIUMS schritt auf seinen nach hinten gebogenen Vogelbeinen durch die Haupthalle des Tempels und unterdrückte ein geräuschvolles Aneinanderreiben der oberen und unteren Schnabelhälften, mit dem er seinem Ärger über diese Störung hätte den angemessenen Ausdruck verleihen können.

Aber in diesen geweihten Hallen ziemte sich das nicht. Da unterschied sich der Tempeltrakt einer

militärischen Kommandostation in keiner Weise von den Gotteshäusern, die es auf allen Qriid-Planeten gab.

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WENIG SPÄTER ERREICHTE Falran-Gor die Kommandozentrale der FÜNFTEN STIMME DES IMPERIUMS.

Die diensthabenden Tanjaj nahmen augenblicklich Haltung an, als der Stationskommandant und damit in Abwesenheit des Tanjaj-Mar Befehlshaber des neu eroberten Systems, das Teganay genannt wurde und die Katalogbezeichnung 10677 trug, den Raum betrat.

Der Tanjaj-Mar hatte bereits vor mehreren Qriidia-Wochen das Teganay-System mit seinem Flaggschiff verlassen und war nach Qriidia zurückgekehrt. Schließlich bestand die Aufgabe des Oberbefehlshabers in der Koordination sämtlicher Tanjaj-Verbände, die sich momentan an einer viele Lichtjahre durchmessenden Front System für System vorkämpften.

Dabei war deutlich erkennbar, dass die Raumflotte des Imperiums langsam aber sicher auf dem Vormarsch war und es nur eine Frage der Zeit sein konnte, wann das von den ungläubigen Menschen besiedelte Gebiet einverleibt werden konnte.

Der Vorstoß nach Teganay war dabei nur der berühmte Spritzer Frischblut auf einem Hsirr-Käfer-Menü gewesen.

Wahrscheinlich konnte der Krieg gegen die Humanen Welten dadurch erheblich verkürzt und ihre Zentralwelt viel schneller in Gefahr gebracht werden, als dies ursprünglich für möglich gehalten worden war.

Und danach?, fragte sich Falran-Gor.

Er kannte die Antwort.

Für das Heilige Imperium gab es keine Grenzen.

Die Ausdehnung des Wahren Glaubens musste so lange weitergehen, bis der Zustand des Aarriid-Tarishgar hergestellt war. Ein Stadium, in dem das Universum von Gläubigen beherrscht wurde und das Zeitalter der Heiligen Ordnung die Epoche des Heiligen Imperiums ablösen würde. Irgendwann, in einer unsagbar fernen Zukunft, die sich kein heute lebender Qriid auch nur vorzustellen vermochte.

Oberst Gar-Min, der Stellvertreter Falran-Gors, sprach den Stationskommandanten an. »Es kam zu einer ernsten Störung im Bereich des Fusionsmeilers 2. Der Kontrollraum war für Minuten von der Kommunikation abgeschnitten, es gab eine bedenkliche Temperaturentwicklung innerhalb des Meilers und außerdem überhöhte Strahlenwerte.«

»Wurde die Ursache ermittelt?«, fragte Falran-Gor.

»Die Ursache für die überhöhten Strahlungs- und Temperaturwerte war ein verstopftes Ableitungsrohr für Kühlgase. Es wurde inzwischen überbrückt. Die Ursache für die vorübergehende Kommunikationsstörung im Meilerbereich ist noch nicht ermittelt. Unsere Spezialisten arbeiten daran.«

Falran-Gor öffnete seinen Schnabel sehr weit, was als ein Zeichen für intensives Nachdenken gewertet werden konnte.

Dabei strich er sich mit der Kralle des Stichfingers – kein Qriid wäre auf den Gedanken gekommen, ihn »Zeigefinger« zu nennen – an der Unterseite des Schnabels entlang, wodurch ein ähnlich schabendes Geräusch entstand, als wenn er beide Schnabelhälften gegeneinander rieb. Allerdings war das jetzt entstehende Geräusch in einem deutlich höheren Frequenzbereich angesiedelt und ein Privileg des höheren Ranges. Kein niederrangiger Tanjaj hätte dies in Gegenwart eines höherrangigen getan. Dementsprechend galt diese Geste durchaus als ein Zeichen, das deutlich machte, wer das Sagen hatte.