Hinter dem Wurmloch - Chronik der Sternenkrieger #12

Alfred Bekker's Chronik der Sternenkrieger, Volume 12

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

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Chronik der Sternenkrieger 12 | Hinter dem Wurmloch | von Alfred Bekker

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Chronik der Sternenkrieger 12

Hinter dem Wurmloch 

von Alfred Bekker

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Ein CassiopeiaPress E-Book

Die abweichende Original-Printausgabe erschien in der Romanreihe „STERNENFAUST“ unter  dem Titel „Jenseits des Wurmlochs“.

© 2005,2008,2013 by Alfred Bekker

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

>+++<

Die L-1, eine der drei Landefähren des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER, setzte zur Landung auf Darkness 334 an, einem unregelmäßig geformten Himmelskörper von anderthalbfacher Mondgröße.

Konzentriert blickte Yakuf Bogdan auf die Anzeigen der Steuerkonsole. Neben ihm hatte Lieutenant David Kronstein, der Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER, Platz genommen.

»Das Signal, das wir anmessen konnten, ist sehr schwach«, erklärte er. »Aber jetzt, denke ich, haben wir die exakten Koordinaten.«

Auf dem Hauptbildschirm der L-1 erschien jetzt eine Vergrößerung jenes Gebietes, das Kronstein zur Landung vorgesehen hatte. Es war sehr uneben und zerklüftet.

»Sie hätten mir sagen sollen, dass das eine unangemeldete Überprüfung meiner Pilotenlizenz ist«,

meinte Bogdan. »Müssen wir wirklich dort hinunter?«

Kronstein nickte. »Wenn wir wissen wollen, was diese charakteristischen Signaturen abstrahlt, dann ja.«

»Ich glaube, ich kann dazu jetzt etwas mehr sagen«, meldete sich nun Lieutenant Simon E. Erixon zu Wort, der bisher geschwiegen hatte. »Es ist mir gelungen, die Signatur virtuell zu verstärken. Das Ergebnis ist eindeutig, auch wenn sich jemand große Mühe gegeben hat, die spezifischen Merkmale zu verbergen!« Erixon wandte den Kopf. Die Facettenaugen des Genetic ließen ihn nichtmenschlich aussehen. »Ich brauche eine Verbindung zur STERNENKRIEGER. Sofort!«

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BOGDANS FINGER GLITTEN über die Sensorfelder des Touchscreens, mit dessen Hilfe er den Kurs der L-1 steuerte.

Auf dem Bildschirm wurde jetzt ein kanzleiförmiges Plateau herangezoomt, das sich mit messerscharfen Kanten aus einem steilen, fast senkrechten Felsabbruch herausschälte. Dort lenkte Bogdan die Fähre hin und ließ sie mit Hilfe ihres Antigravs dicht über dem Boden schweben.

»Ich habe eine Funkverbindung zur STERNENKRIEGER hergestellt«, wandte sich Kronstein an Erixon. »Sie können sprechen.«

Auf einem Nebenbildschirm erschien das Gesicht von Commander Rena Sunfrost, der Kommandantin des Leichten Kreuzers im Dienst des Space Army Corps. Ihr Gesicht war fein geschnitten, das dunkle Haar kurz.

»Haben Sie etwas herausgefunden?«, fragte sie.

»Ja, Captain«, sagte Erixon. »Meine Untersuchungen lassen eigentlich keinen Zweifel mehr daran, dass es sich bei dem technischem Objekt auf Darkness 334 um eine Hinterlassenschaft der Fulirr handelt.«

»Haben Sie eine Vermutung, was genau es sein könnte?«

»Es könnte sich um Spionagetechnik handeln.«

»Ein Horchposten der Fulirr?«, fragte der Captain nach. »Fast ein Lichtjahr hinter der Grenze?«

»Es sieht so aus, Ma'am.«

»Nach ihrem letzten Vorstoß auf das Gebiet der Humanen Welten wurden die Patrouillenflüge verdoppelt. Ich halte es für ausgeschlossen, dass die Fulirr es danach noch geschafft haben können, unbemerkt in unserem Territorium zu operieren.«

»Vielleicht haben Sie das gar nicht, Captain.«

Rena Sunfrost hob die Augenbrauen. »Sie haben einen Verdacht, L.I.?«

Der Leitende Ingenieur der STERNENKRIEGER zuckte die Schultern. »Wäre es nicht möglich, dass sie diesen Horchposten bereits eingerichtet hatten, bevor sie das Bündnis mit uns aufgekündigt und die Verfügungsgewalt über Wurmloch Alpha gefordert haben?«

»Finden Sie es heraus, Lieutenant.«

»Aye, aye, Captain.«

»Es wäre sicher sinnvoll, wenn Sie so viel wie möglich von der auf Darkness 334 installierten Spionagetechnik bergen können, damit unsere Spezialisten von der GalAb sie unter die Lupe nehmen können.«

»Wir werden tun, was wir können, Captain«, versprach Erixon.

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Lieutenant Kronstein erhob sich aus seinem Schalensitz.

Er war der Kommandant dieser Mission. Kronstein ließ den Blick durch den Innenraum der L-1 schweifen. Abgesehen von Bogdan, Erixon und ihm selbst befanden sich noch sieben Marineinfanteristen in schweren, raumtauglichen Kampfanzügen unter dem Kommando von Corporal Kelleney an Bord der Fähre.

Aber was das Aufspüren und die Auswertung feindlicher Spionagetechnik betraf, so gehörte diese ebenso zu ihrem Ausbildungsplan wie dies bei den regulären Angehörigen der Raumstreitkräfte der Fall war.

»Außer Bogdan werden gleich alle die L-1 verlassen. Die Koordinaten der von uns angemessenen Anlage werden Ihnen auf die internen Rechner Ihrer Anzüge überspielt. Das Gelände ist etwas... nun ja... sagen wir mal: uneben. Überprüfen Sie daher Ihre Antigrav-Paks. Die Schwerkraft da draußen beträgt 0,8 G. Das bedeutet, Sie können beinahe normal laufen und brauchen gar nicht erst versuchen, sich hüpfenderweise fortzubewegen wie auf Luna oder Mars...«

»0,8 G?«, fragte Corporal Ray Kelleney stirnrunzelnd. »Ganz schön viel für eine Kartoffel von anderthalbfachem Mondvolumen.«

»Diese Kartoffel, wie Sie sich auszudrücken pflegen, Corporal, enthält in ihrem Inneren ziemlich viel Eisen, Blei und ein paar noch schwerere Elemente. Fragen Sie mich nicht, wie so etwas zu Stande kommt. Sie wissen so gut wie ich, dass die Entstehung des Darkness-Systems zu den bisher ungelösten Rätseln des Picus-Sektors gehört.« Kronstein machte eine kurze Pause, ehe er schließlich fortfuhr: »Die Anlage befindet sich in einer Tiefe von etwa zwei Metern unter der Oberfläche. Wir können noch nicht zweifelsfrei sagen, woraus sie besteht. Die Daten deuten auf einen Gas gefüllten Hohlraum hin. Es könnte also sein, dass wir hineinsteigen können und dort vielleicht sogar auf eine kleine Besatzung treffen. Ich nehme allerdings an, dass die Anlage unbemannt ist und der Raum nur zu Wartungszwecken existiert.«

Kronstein nickte Kelleney zu.

Für den Corporal war dies das Zeichen, seinen Männern die notwendigen Befehle zu geben.

Die ersten drei Marines ließ er die Außenschleuse passieren und die Umgebung sichern. Mit kurzer Verzögerung folgte der Rest der Truppe. Erst danach traten Erixon und Kronstein ins Freie.

Bogdan erhielt die Anweisung, die Fähre startklar zu halten.

Während die Marines ihre raumtauglichen Ganzkörperkampfanzüge trugen, die über eine Servoverstärkung dafür sorgten, dass die Körperkraft des Betroffenen potenziert wurde, stand den normalen Raumsoldaten Erixon und Kronstein nur jeweils ein Standardraumanzug mit leichter Panzerung zur Verfügung.

Der Grund dafür war einfach: Die Handhabung eines Kampfanzugs der Marines erforderte ein jahrelanges Training.

Durch leichten Druck auf bestimmte Sensorpunkte innerhalb des Anzugs wurde die Servoverstärkung ausgelöst. Jemand, der damit allerdings nicht auf das Engste vertraut war, war für sich und seine Umgebung eine Gefahr.

Die Handhabung der Anzüge war für die Marines innerhalb des Space Army Corps neben der Bedienung ihrer Waffen und einer taktischen Schulung die Hauptelemente ihrer Ausbildung, während der Ausbildungsschwerpunkt der gewöhnlichen Space Army Corps Angehörigen eher bei der perfekten Bedienung der Bordsysteme von Kampfschiffen lag.

Kronstein und Erixon traten auf das Felsplateau hinaus.

Genau wie die Marines trugen auch sie aufschnallbare Antigrav-Paks, mit deren Hilfe sie in die Tiefe der Schlucht schweben konnten, an deren Hängen sich die Felsenkanzel und der Eingang zur Anlage befanden.

Einige von Kelleneys Marines hatten sich bereits ein Stück vorgearbeitet. Die Zielkoordinaten, die nun jeder der Beteiligten auf dem internen Rechner seines Anzugs hatte, lagen etwa zweihundert Meter unterhalb des Landeplatzes der L-1.

»Bis jetzt ist keine Veränderung des energetischen Niveaus zu erkennen«, meinte Erixon, der mit seinen Facettenaugen ausschließlich in der Lage war, innerhalb des Infrarot-Spektrums zu sehen und daher mit den Anzeigen normaler Displays nichts anzufangen wusste.

Er benutzte einen Handheld-Rechner mit speziellem Display, das die Helligkeits- und Farbwerte einer normalen Anzeige für ihn in Temperaturunterschiede von bis zu einem zehntausendstel Grad übertrug.

Inzwischen besaß Erixon allerdings auch einen Raumanzug mit speziell auf ihn ausgerichteter Anzeige im Helmvisier.

Kronstein und Erixon traten an die Felsenkante.

Mindestens einen Kilometer tief ging es dort hinunter, wenn der Boden auch in der Dunkelheit verschwand. An dem atmosphärelosen Himmel von Darkness 334 blinkten die Sterne. Besonders hell leuchtete die nur etwa anderthalb Lichtjahre entfernte Sonne Picus Major.

Aber auch das Licht des mit Abstand hellsten Objekts am Nachthimmel reichte natürlich nicht aus, um die Oberfläche von Darkness 334 wirklich zu erhellen, sodass die Mitglieder der STERNENKRIEGER-Crew auf ihre eigenen Scheinwerfer angewiesen waren. Ansonsten verfügten die Helme sowohl der Marines als auch der regulären Space Army Corps über Infrarotsicht und Restlichtverstärkung, sodass sie sich notfalls auch in völliger Dunkelheit orientieren konnten.

Kronstein und Erixon waren die letzten der Gruppe, die sich mit ihren Antigrav-Paks in die Tiefe gleiten ließen.

Ihre Zielposition befand sich etwa vierzig Meter tiefer, auf einem weiteren kanzelartigen Felsvorsprung, der allerdings für eine Landung der L-1 nicht geeignet gewesen wäre. Die Kante war so scharf, dass man davon ausgehen konnte, dass vor nicht allzu langer Zeit ein weiteres Stück des Vorsprungs in die Tiefe gerissen worden war.

»Die geologische Situation ist instabil«, stellte Kronstein nach einem Blick auf die Ortungsanzeigen fest, die er sich in sein Helmvisier projizieren ließ.

»Dann kann ich nur empfehlen, die Antigrav-Paks im Bereitschaftsmodus zu lassen!«, meldete sich Corporal Kelleney zu Wort.

Unterdessen war Erixon bereits damit beschäftigt, einen Scan der vermuteten Anlage durchzuführen. Allerdings gestaltete sich das schwieriger, als er ursprünglich gedacht hatte.

»Hier scheint eine besonders wirksame Abschirmung verwendet worden zu sein«, erklärte er über Helmfunk. »Abgesehen von der schwachen Signatur, die wir schon bisher aufzeichnen konnten, dringt aus dem Inneren der Anlage nichts bis zu den Sensoren unserer Messgeräte.«

»Könnte das mit der besonderen chemischen Beschaffenheit des Gesteins von Darkness 334 zusammenhängen?«, fragte Kronstein. »Uns fehlt jetzt die Zeit für eine eingehende chemische Analyse, aber die Werte erinnern mich an Kar'assano...«

Kar'assano, der Palast des verlorenen Wissens. Es handelte sich um die Residenz des Fürstgouverneurs der K'aradan-Welt Assano, in dessen Mauern uralte Datenspeicher aus einer Zeit überdauert hatten, in der ein im Zusammenhang mit Wurmloch Alpha stehender Outburst fünfdimensionaler Strahlung für Jahrhunderte die interstellare Kommunikation verhindert hatte.

Die Mauern von Kar'assano wiederum waren aus Gestein errichtet worden, das aus dem Picus Sektor stammte und vermutlich durch die Dauerbelastung mit fünfdimensionalen Strahlungskomponenten chemisch so verändert worden war, dass es eine stark abschirmende Wirkung aufwies.

»Ich war immer davon ausgegangen, dass das Gestein, aus dem die Mauern von Kar'assano errichtet wurden, nur auf Picus Major II vorkommt!«, meinte Kronstein.

»Wie gesagt, die chemischen Veränderungen erscheinen mir ähnlich zu sein«, sagte Erixon, »aber nicht identisch. Ich halte es zum Beispiel für möglich, dass der Brocken, auf dem wir stehen, mal eine Passage durch Wurmloch Alpha mitgemacht hat.« Er streckte die Hand aus. »Jedenfalls müsste sich hier der Eingang der Anlage befinden. Der mit Gas gefüllte Hohlraum ist nur etwa zehn Quadratmeter groß. Ich würde also schon von daher nicht damit rechnen, dass sich hier tatsächlich ein Sauroide auf Dauer einquartiert hat. Es handelt sich vermutlich eher um eine Art Wartungszentrale oder dergleichen.«

»Versuchen wir, die Außenschleuse zu öffnen!«, entschied Lieutenant Kronstein.

Erixon legte ein Modul an die verhältnismäßig glatte Stelle an, wo er den Eingang vermutete. Die Außenschleuse war so verkleidet worden, dass sie sich perfekt der sonstigen Umgebung auf Darkness 334 anpasste. Der leitende Ingenieur der STERNENKRIEGER versuchte, über sein Modul in das Innere Rechnersystem der Schleuse zu gelangen und sie zumindest für wenige Augenblicke in Betrieb nehmen zu können. Durch gezielte Abgabe eines Energieimpulses war das selbst dann möglich, wenn die Energieversorgung vollkommen abgeschaltet war. Aber das konnte hier nicht der Fall sein, da nach wie vor eine Signatur aus dem Inneren der Anlage angemessen werden konnte.

Aber schon nach kurzer Zeit erkannte Erixon, dass er bei dem speziellen System, das diese Außenschleuse steuerte, auf Granit biss.

»Es scheint hier einen besonderen Sicherheitsmechanismus zu geben«, erklärte er schließlich resigniert über Helmfunk. »Die Wirkungsweise scheint darauf hinauszulaufen, dass nach einem irregulären Öffnungsversuch, es überhaupt nicht mehr möglich ist, die Schleuse zu passieren. Es sei denn, mit Hilfsmitteln, über die die Fulirr vielleicht verfügen – wir aber nicht.«

»Wirklich keine Chance?«, vergewisserte sich Kronstein.

»Nein.«

Erixon hatte im Verlauf seiner Ausbildung im Space Army Corps einen Zusatzkurs in Exotechnologie absolviert und sich an Bord der STERNENKRIEGER inzwischen bei verschiedenen Einsätzen zum Experten für das Eindringen in Rechnersysteme anderer Spezies entwickelt.

Wenn der L.I. schon keine Chance mehr sieht, die Schleuse zu passieren, dann gibt es wahrscheinlich auch keinen Weg!, dachte Kronstein. Abgesehen natürlich vom Weg der puren Gewalt!

Kronstein wandte sich an Kelleney. »Corporal, sehen Sie zu, dass wir dort hineinkommen, ohne allzu viel kaputt zu machen.«

»Jawohl, Lieutenant.«

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ÜBER SECHSUNDDREIßIGTAUSEND Gesteinsbrocken, die mitten im interstellaren Raum schweben, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf, während ihr Blick gedankenverloren auf den Hauptbildschirm in der Zentrale der STERNENKRIEGER gerichtet war. Das Darkness-System war eines der eigenartigsten Objekte innerhalb des Territoriums der Humanen Welten. Selbst für den an Anomalien nun wirklich nicht gerade armen Picus Sektor um die Sonnen Picus Major und Alpha Picus sowie die auf der ontidischen Seite der Grenze gelegenen Sonne Beta Picus stellte das Darkness-System etwas Besonderes dar.

Zunächst einmal war es kein Sternensystem, sondern ein Haufen dunkler, abgekühlter Gesteinsbrocken, deren Herkunft unklar war und zu den zahllosen astronomischen Rätseln dieses Sektors gehörte. Die größten dieser teils sehr dichten Objekte hatten eine Masse, die dem fünffachen der Erdmasse entsprach.

Bei den kleinsten Brocken handelte es sich um Asteroiden von wenigen hundert Metern Durchmesser. Die Tatsache, dass selbst einige der größeren Objekte eine sehr unregelmäßige Form aufwiesen, sprach dafür, dass es sich um Bruchstücke eines weitaus größeren Objekts handelte, die jetzt als dunkle, schattenhafte Trümmer durch das All geisterten. Dabei zogen sich die einzelnen Objekte gegenseitig an und umkreisten einander in komplizierten Bahnen, die noch kein irdischer Astronom vollständig erfasst und kartographiert hatte.

Zusammen mit der NEPTUN unter Captain Wong und den Schwesterschiffen WEGA FIGHTER I und II war die STERNENKRIEGER von Commodore Thorbjörn Soldo, dem gegenwärtigen Kommandanten der Raumstreitkräfte im Picus Sektor zum Patrouillenflug rund um das Darkness-System abgeordnet worden.

Seit sich in der Nähe von Alpha Picus ein offenbar seit Jahrtausenden immer wiederkehrendes Wurmloch nach zehn Jahren wieder manifestiert hatte, war die außenpolitische Lage der Humanen Welten prekär geworden. Die ehemals verbündeten sauroiden Fulirr waren zu gefährlichen Konkurrenten geworden, die bereits mit Gewalt versucht hatten, sich das Wurmloch und die damit verbundene Passage in einen weit entfernten Raumsektor unter den Nagel zu reißen. Sie lauerten noch immer im Grenzgebiet, obwohl sie wussten, dass sie im Augenblick die Verbände der verbündeten Ontiden und Menschen nur unter größten eigenen Verlusten hätten verdrängen können. Und das trotz der unbestrittenen technologischen Überlegenheit der Fulirr. Aber sie waren klug genug, auf ihre Chance zu warten, anstatt in wildem Eifer gegen die jetzigen Besitzer des Wurmlochs zu Felde zu ziehen.

Schließlich hatten sie ja auch einen Zweifrontenkrieg zu führen, denn der sich bereits über Jahrzehnte hinziehende Konflikt der Fulirr mit dem Reich der menschenähnlichen K'aradan war ja keineswegs beendet worden.

Im Grenzgebiet zwischen dem Reich der insektoiden Ontiden, dem Nalhsara, der Fulirr und den Humanen Welten herrschte gespannte Ruhe, nur unterbrochen von gelegentlichen Geplänkeln an der Grenze.

Die große Auseinandersetzung um Wurmloch Alpha stand noch bevor. Dessen waren sich alle Beteiligten bewusst.

Für Rena Sunfrost lag es auf der Hand, dass die Fulirr diesen Kampf in dem Moment anzetteln würden, in dem sie ihre eigene Verlustquote deutlich günstiger einschätzten. Die andere Möglichkeit war, dass sich innerhalb des Nalhsaras – was sowohl das Staatsgebiet der Fulirr als auch ihre »Konsensgemeinschaft« bezeichnete – die Stimmung dahingehend änderte, dass die Sauroiden bereit waren, größere Verluste in Kauf zu nehmen.

Das Nalhsara war ein System direkter Radikaldemokratie.

Jede Entscheidung wurde von der Gesamtheit aller Fulirr, der Konsensgemeinschaft, per Abstimmung getroffen, wofür die Fulirr die besten Ferndatenübertragungssysteme der bekannten Galaxis verwendeten.

Die Stimmung im Nalhsara konnte sich jederzeit ändern und war für menschliche Beobachter im Grunde genommen unberechenbar. Man musste also ständig auf der Hut sein und damit rechnen, dass die Sauroiden mit ihren Keilschiffen plötzlich einen weiteren Invasionsversuch starteten.

Einmal hatte das Space Army Corps sie blutig zurückgeschlagen, aber es war anzunehmen, dass die Fulirr aus ihren Fehlern lernen würden.

Zum Beispiel, indem sie ein Mittel gegen die Ortung ihrer Schiffe durch unsere Sandström-Sonden finden, überlegte die Kommandantin der STERNENKRIEGER. Andererseits stammte die Technologie dieser Sonden von den K'aradan, mit denen sich die Humanen Welten in jüngster Zeit außenpolitisch verständigt hatten, und in all den Jahrzehnten ihres Kampfs gegen das Reich von Aradan hatten es die Fulirr ja auch nicht geschafft, die Sandström-Sonden wirkungslos zu machen.

Diesen Sonden hatten in der letzten Schlacht um den Picus Sektor die Entscheidung gebracht. Durch sie war es den Menschen möglich, im Sandström-Raum herannahende Fulirr Schiffe frühzeitig zu orten und bei ihrem Austritt aus diesem Zwischenkontinuum sofort mit Salven von Gauss-Geschossen zu erwarten. Die Fulirr waren zu einem Großteil direkt in das Feuer der Verteidiger geflogen und hatten dementsprechend hohe Verluste zu verzeichnen gehabt.

»Wir haben soeben den Kontakt zu unserer Sandström-Sonde verloren«, meldete Fähnrich Wiley Riggs, der zurzeit den abwesenden Lieutenant Kronstein als Ortungsoffizier auf der Brücke der STERNENKRIEGER vertrat.

»Lieutenant Jamalkerim, sehen Sie eine Chance, durch eine Signalverstärkung wieder Kontakt zu bekommen?«, erkundigte sich Lieutenant Commander Steven Van Doren, der neue Erste Offizier an Bord der STERNENKRIEGER.

Van Doren war zuletzt Kommandant der DAEDALUS gewesen, aber degradiert worden, da er in einer bestimmten Situation die Humanität über den militärischen Gehorsam gestellt und damit einer Qriid-Besatzung das Leben gerettet hatte. Er war 47 Jahre alt – fünfzehn Jahre älter und erfahrener als seine derzeitige Kommandantin.

Er ist verdammt gut, und du kannst ihm noch nicht einmal vorwerfen, dass er dich das ab und zu spüren lässt, überlegte Rena. Immerhin war er bis vor kurzem ein selbstständiger Kommandant eines eigenen Schiffes, auf dem er Niemanden verantwortlich war.

»Signalverstärkung ohne Erfolg«, meldete Lieutenant Jamalkerim.

»Wir haben die Sonde verloren.«

»Das ist die dritte Sandström-Sonde, die wir während unseres Aufenthaltes im Darkness-System verlieren, I.O.«, wandte sich Renas Sunfrost jetzt an ihren Ersten Offizier.

Van Doren hob die Augenbrauen. »Irgendwann verlieren wir sie alle, Captain.«

»Ich weiß – aber nicht drei Stück innerhalb von 24 Stunden. Das ist entschieden zu viel.«

»Mir ist bewusst, wie knapp und kostbar diese Sonden bislang noch sind«, erklärte Van Doren mit einer Ruhe und Gelassenheit, die man in dieser Situation beinahe als provozierend empfand.

Bläh dich nicht auf wie die halb intelligenten Riesenlurche von Dambanor II!, wies sich Sunfrost selbst zurecht. Dafür war jetzt einfach nicht der richtige Augenblick.

»Bis jetzt ist unsere Industrie noch nicht in der Lage, die Sandström-Sonden-Technologie der K'aradan zu kopieren«, stellte Rena fest. »Und was unsere neuen Verbündeten angeht, so scheinen sie ziemlich spärlich zu liefern.«

Ein mattes Lächeln huschte über Van Dorens Züge. »Angebot und Nachfrage regulieren den Preis – und im Augenblick ist dieses Gesetz auf Seiten der K'aradan!«, gab der Erste Offizier zu bedenken. »Wie gesagt, mir ist bewusst, wie begrenzt unser Vorrat an Sonden ist, aber wenn ich mir den Subraumwellen-Scan und die Messungen von fünfdimensionalen Strahlungskomponenten so ansehe, dann scheint es im Zwischenraum irgendeine Art von Turbulenzen zu geben, die vielleicht

bisher keine Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit unserer Sandström-Aggregate hatten, aber sich sehr wohl auf die Kommunikation zu unseren Sonden auswirken könnten.«

»Mit andere Worten, Sie wissen es ausnahmsweise auch einmal nicht so genau, I.O.«, stellte Renas Sunfrost fest.

»Ich würde dringend empfehlen, eine weitere Sonde abzuschießen«, erklärte Van Doren. »Sonst sind wir blind einem Überraschungsvorstoß der Fulirr ausgesetzt.«

Es spricht charakterlich für ihn, dass er auf deine Spitze nicht eingegangen ist!, ging es Sunfrost durch den Kopf, die sich bereits über ihre vorherige Bemerkung ärgerte. Schließlich war diese Anspielung auf Van Dorens größere Erfahrung alles andere als ein Zeichen besonderer Souveränität gewesen. Rena atmete tief durch. Eigentlich sollte einem Van Dorens Haltung Respekt einflößen – und woher weißt du schon, ob du nicht irgendwann vor einem ähnliches Dilemma gestellt wirst, in dem du dich entscheiden musst, ob du Leben rettest oder den Befehlen gehorchst oder ob du das Leben deiner Crew und die Existenz deines Schiffes für einen Zweck aufs Spiel setzt, der dir eine höhere Priorität zu haben scheint, als sämtliche Direktiven aus dem Oberkommando des Space Army Corps oder die Vorgaben des Humanen Rates.

»Wir haben nur noch zwei Sonden an Bord«, mischte sich jetzt Lieutenant Robert Ukasi, Offizier für Waffen und Taktik in das Gespräch ein. »Die NEPTUN verfügt überhaupt nicht über dieses Ortungssensorium – und wir haben auf unserem Patrouillenflug noch ein paar Lichtjahre vor uns, in denen wir vielleicht darauf angewiesen sind, eine Sandström-Sonde abschießen zu können.«

»Das Risiko müssen wir in Kauf nehmen«, beharrte Steven Van Doren. »Wenn sich die Annahmen des Bodenteams bestätigen und wir es auf Darkness 334 tatsächlich mit einem Horchposten der Fulirr zu tun haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel größer, dass hierher ein Vorstoß unternommen wird, als dass wir irgendwo im interstellaren Raum davon überrascht werden. Zudem müssen wir damit rechnen, dass die Fulirr mit Hilfe eines Sandström-Senders darüber informiert werden, dass unsere Leute sich ihrem Horchposten nähern.«

»Bis jetzt konnte kein von Darkness 334 ausgehendes Sandström-Funksignal angemessen werden«, stellte Lieutenant Jamalkerim klar.

»Trotzdem, Sie haben Recht mit Ihrer Einschätzung, I.O.«, entschied Sunfrost.

»Danke, Captain.«

Schwingt da Ironie mit?, fragte sich Rena. Aber man kann auch das Gras wachsen hören...

»Waffen?«, wandte sie sich an Lieutenant Ukasi.

»Ja, Ma'am?«

»Starten Sie eine Sonde!«

»Aye, Captain.«

Da die Sandström-Sonden über eines der Raketensilos abgefeuert wurden, fiel dies in das Ressort von Lieutenant Ukasi. Die Aufrechterhaltung des Kontakts war hingegen Aufgabe des

Kommunikationsoffiziers, während der Ortungsoffizier dafür zu sorgen hatte, dass die eingehenden Daten mit dem neu installierten und in seiner Leistungsfähigkeit erheblich optimierten Ortungssystem verarbeitet wurden.

So ganz optimal ist diese Verteilung noch nicht, überlegte Rena ironisch.

Ukasi zählte einen Countdown von zehn abwärts bis null.

Die Sandström-Sonde wurde gestartet.