Mara Laue

 

 

So schnell die Finger tippen

 

Von der Leseratte zur Schriftstellerin

 

 

 

 

 

2. Träume

 

Den ersten Berufswunsch meines Lebens fasste ich, als ich (Jahrgang 1958) ungefähr fünf Jahren alt war: Ich wollte Tierärztin werden. Gemäß dem mir nachdrücklich vermittelten Wunsch meiner Eltern hätte ich Ärztin werden sollen, denn sie verbanden mit diesem Beruf der „Halbgötter in Weiß“ Prestige und Reichtum, was in den 1960er Jahren noch weitgehend zutraf. Da ich mich nicht im Mindesten für die Heilung von Menschen interessierte, aber Tiere innig liebte, war Tierärztin die zweite Wahl. Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich mein eigener Wunsch war oder ob ich mich mit dieser Variante lediglich dem Drängen meiner Eltern als Kompromisslösung anpasste.

Meine zweite Wahl war jedoch vollständig mein eigener Wunsch: Astronautin wie mein damals glühend verehrtes Vorbild Valentina Tereschkowa, die 1963 als erste Frau in den Weltraum flog. Später kamen auch noch Reitlehrerin, (Kampf-)Sportlehrerin, Meeresbiologin und sogar Soldatin in die engere Wahl.

Für meine Eltern stand unabhängig von diesen Berufsplänen fest, dass ich aufs Gymnasium gehen musste. Meine Mutter hätte liebend gern selbst die höhere Schule besucht, aber das wurde ihr von ihren Eltern verwehrt, die eine höhere Schulbildung für ein Mädchen für überflüssig hielten, eine Einstellung, die damals (vor dem Zweiten Weltkrieg) gang und gäbe war. So wurde sie lediglich Stenokontoristin. Auch mein Vater wäre gern aufs Gymnasium gegangen, hätte auch liebend gern studiert, aber er wuchs als Waise bei Pflegeeltern auf, die sich nicht bemüßigt fühlten, für ein fremdes Kind eine gute Ausbildung zu finanzieren. Bafög gab es damals noch nicht und die Eltern oder der Vormund mussten die Studiengebühren aufbringen. So wurde er schließlich Elektriker.

Also sollte ich stellvertretend für meine Eltern aufs Gymnasium. Und ich kann nicht zählen, wie oft ich mir anhören musste, dass ich für diese Chance dankbar zu sein hatte, weil ihnen selbst diese Ausbildung verwehrt worden war. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich kam also im Jahr 1969 aufs Gymnasium, allerdings mit einer Falschinformation, die lautete: „Wenn du Abitur hast, stehen dir alle Berufe offen, dann kannst du alles werden, was du willst!“ Meine Eltern wussten damals nichts von der Existenz eines sich im Laufe der Jahre immer weiter verschärfenden Numerus Clausus, der den Zugang zu etlichen Studienfächern begrenzt, und waren vom Abitur als Freifahrtschein in alle Berufe überzeugt.

Doch zunächst hatte ich andere Probleme in der Schule. Ich war ein „Arbeiterkind“ und meine Mitschülerinnen (ich ging auf ein reines Mädchengymnasium) stammten ausnahmslos aus Akademikerfamilien. Weder sie noch manche Lehrkräfte machten einen Hehl daraus, dass ihrer Meinung nach ein Kind aus der Arbeiterklasse auf dem Gymnasium nichts zu suchen hatte. Ich wurde gemobbt, auch wenn man das damals noch nicht so nannte, und meine Leistungen blieben entsprechend suboptimal. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

Um das tägliche Martyrium und seine Folgen zu verdrängen, wurden Bücher meine besten Freunde. Mit ihnen flüchtete ich mich in andere Welten und konnte die Realität ausblenden.

Jedoch hatten die damaligen Kinder- und Jugendbücher einen erheblichen Nachteil. Die Geschlechterklischees feierten darin fröhliche Urstände. Nur die Jungs/Männer erlebten die spannenden Abenteuer und hatten die interessanten Berufe, während die Mädchen/Frauen als ängstliche, weinerliche Zicken dargestellt wurden, die ohne männliche Hilfe gerade mal den Haushalt schafften und schon um einen Nagel in die Wand zu schlagen männliche Hilfe brauchten. Ihre primären Merkmale waren eine überdurchschnittlich entwickelte Tränendrüse, Verzagtheit und unterentwickelte Intelligenz. Obendrein bekamen sie kaum etwas auf die Reihe. Wenn sie Prinzessinnen waren, mussten sie gerettet werden, und allzu oft waren sie der dauerheulende Klotz am Bein des Helden. Die reinen Mädchenbücher erschöpften sich in für mich lahmen Internatsgeschichten, die sich mehr oder weniger um Zickenkriege und dumme Streiche drehten, die die Mädchen den Lehrkräften spielten. Mit anderen Worten: Positive weibliche Identifikationsfiguren existierten nicht. Das einzige Mädchen, das sich die Abenteuer eroberte (die Georgina/George aus „Fünf Freunde“ von Enid Blyton), verkleidete sich als Junge und gab sich einen männlichen Namen, um eben diese Abenteuer erleben zu können. Wahrlich kein gutes Vorbild für Mädchen!

Diese Klischees widersprachen aber meiner eigenen Lebensrealität. Die Frauen meiner Familie waren ausnahmslos zupackende Menschen, die sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen ließen. Meine Großmutter und Großtanten waren gestandene „Trümmerfrauen“, die zeitweilig ohne Männer die Familie durchgebracht hatten, teilweise an der Front die Verwundeten versorgt hatten und durchaus auch mit Waffen umgehen konnten. Eine Großtante war sogar Jägerin, trank bevorzugt Rum, rauchte Zigarren und lebte im Laufe der Jahre mit verschiednen Männern in „wilder Ehe“. Meine Mutter und Tanten managten die Familien und trugen ganz selbstverständlich zu deren Lebensunterhalt bei. Schwach und schutzbedürftig oder auf Männer angewiesen war keine von ihnen.

Ganz anders das Bild in den Büchern. Frauen wie die in meiner Familie gab es darin nicht. Obendrein wurden solche wie die Jägerin – sofern sie überhaupt vorkamen – als negative Beispiele hingestellt, die sich nur deshalb so „unnatürlich“ verhielten, weil sie keinen Mann abbekommen hatten oder gleich lesbisch waren. In der Literatur gab es keine einzige Frau, mit der ich mich hätte identifizieren können. Außer Königin Brunhild von Island aus der Nibelungensage, Königin in ihrem eigenen Recht und eine formidable Schwertkämpferin. Aber die war eine Sagengestalt, ein Märchen. Ebenso Pippi Langstrumpf. Geschichten, die in der realen Welt spielten, zeigten alle dasselbe negative Bild von Frauen und Mädchen. („Ronja Räubertochter“ und die „Rote Zora“ entstanden erst Jahrzehnte später.)

Irgendwann hatte ich von den ewig tollen Jungs und den ewig blöden Mädchen so die Nase voll, dass ich diese Geschichten nicht mehr lesen mochte. Ich suchte in der Erwachsenenliteratur nach besseren Vorbildern, las die Krimis von Edgar Wallace, Science-Fiction-Abenteuer mit „Perry Rhodan“, Horrorromane von Poe und Lovecraft und etliche weitere Bücher, die ich heimlich lesen musste, weil ich sie nach elterlichem Willen im zarten Alter von elf/zwölf gar nicht lesen durfte – und fand überall dasselbe traurige Bild. Frauen, sofern sie überhaupt vorkamen, waren unwichtige Menschen zweiter Klasse. Und in den Horrorromanen grundsätzlich die Opfer, die blutig von irgendwelchen finsteren Wesen um die Ecke gebracht wurden. (Erst 1979 kam mit der Heftserie „Damona King“ eine starke Frau auf den Markt.)

Da ich in der Literatur keine Mädchen und Frauen finden konnte, die mir gefielen, schrieb ich eines Tages im Alter von zwölf Jahren meine erste eigene Geschichte. In der erlebte ein Mädchen im Wilden Westen Abenteuer mit einer Wildpferdstute. Leider fand das Werk keine Gnade vor den Augen meiner ersten Kritiker: meiner Eltern. Als Erstes wurde die Geschichte akribisch nach Rechtschreibfehlern durchforstet. Vor der intensiven und zunächst ausschließlichen Fahndung nach denen spielte der Inhalt überhaupt keine Rolle. Über den wurde später hergefallen. Unnötig zu erwähnen, dass der erst recht für mangelhaft befunden wurde: zu kurz, zu fad, zu fantastisch, zu unglaubwürdig. Obendrein ein Mädchen, das wie ein Junge Abenteuer erlebte: „Das glaubt doch kein Mensch!“ Und das von meiner Mutter, die aus einer Familie starker Frauen stammte, deren Mitglieder noch ganz andere „Abenteuer“ überlebt hatten. Ich verstand die Welt nicht mehr. (Zugegeben: Vorher hatte ich sie auch nicht verstanden.) Im Nachhinein zeigte mir das aber, wie tief verwurzelt solche anerzogenen Klischees sind. Sie überdauern sogar erlebte gegenteilige Erfahrungen.

Dass ich nach diesem vernichtenden Verriss das Schreiben nicht postwendend wieder aufgegeben habe, lag daran, dass das Erfinden meiner ersten Geschichte einen Hummelschwarm von Ideen auf den Plan gerufen hatte, der mir keine Ruhe mehr ließ. Mein Gehirn produzierte Ideen am laufenden Band. Kein Tag verging, an dem nicht mindestens eine neue entstand. Und sie alle bestanden darauf, in die Freiheit entlassen und geschrieben zu werden. Vor einigen Jahren fand ich das Notizbuch wieder, in dem ich diese Ideen als Stichworte oder Titelüberschriften aufgeschrieben hatte. Als ich sie nachzählte, stellte ich fest, dass es über fünfhundert waren. Und zu jedem Stichwort hatte ich sofort wieder die dazugehörige Idee im Kopf.

Ich schrieb also heimlich weiter und stellte fest, dass mir das so viel Spaß machte, dass ich einfach nicht mehr aufhören konnte. Bis heute nicht. Mit unzähligen weiteren Pferdegeschichten setzte ich diese Leidenschaft fort.

Schon ein Jahr später folgten, angeregt durch die Lektüre der Heftromanserie „Perry Rhodan“, Science-Fiction-Storys. Mit vierzehn kamen Western und Indianergeschichten dazu, mit fünfzehn die ersten Gedichte (die einzige Leidenschaft, die die Schule jemals in mir geweckt hat), mit sechzehn Grusel-Storys und mit achtzehn der erste Krimi mit dem Titel „Die dritte Seite“. Dieser war auch mein erster vollständiger Roman, nachdem ich bis dahin nur Kurzgeschichten oder Storys in Heftromanlänge geschrieben hatte. Zwei Jahre später folgten meine ersten Ausflüge ins Fantasy-Genre, das des Liebesromans und in die Erotik. Zum Glück habe ich von dem Vorurteil, „kein Mensch“ könne in fast allen Genres gleichermaßen gut schreiben, erst erfahren, als ich längst in allen oben genannten bereits erfolgreich war. Ich schrieb und schreibe das, was ich selbst gern lese. Und da ich fast alle Genres gern lese, tobe ich mich auch schreibend in ihnen aus.

Der Wunsch, das Schreiben zu meinem Hauptberuf zu machen, war mit der Vollendung von „Die dritte Seite“ gekeimt. Das Gefühl, ein vollständiges, selbst geschriebenes Romanmanuskript in den Händen zu halten, war dermaßen beglückend, dass ich es immer wieder erleben wollte. Wie musste es erst sein, ein eigenes gedrucktes Buch in den Händen zu halten? Ein Traum war geboren, der mich bis zu seiner Verwirklichung niemals losgelassen hat.

Als ich mit dem Schreiben anfing, war es noch sehr schwierig, eine Veröffentlichung zu erreichen. Selfpublishing gab es damals noch nicht. Man konnte zwar eine Druckerei beauftragen, einen Text zu setzen und als Buch zu binden, aber das kostete mehr Geld als ein neues Auto, war also unerschwinglich. In den Buchhandel kam das so entstandene Werk auch nicht. Und die Verlagslandschaft in Deutschland war noch sehr überschaubar. Internet gab es ebenfalls noch nicht. Ich erinnere mich, dass ich mir die Verlagsadressen auf der Post in den dort ausliegenden bundesweiten Telefonbüchern und den in den Buchländen ausliegenden Verlagsprogrammheften herausschreiben musste. Und selbstverständlich wurden meine ersten Einreichungen von allen Verlagen abgelehnt. Zu Recht, denn das Handwerk beherrschte ich damals noch nicht und meine Texte waren entsprechend schlecht. Grottenschlecht, um ehrlich zu sein. Ich hielt sie aber für toll.

Da ich zu dem Zeitpunkt bereits wusste, dass ich noch einen langen Weg vor mir hatte, bevor ich – falls überhaupt jemals – vom Schreiben würde leben können, musste erst einmal ein anderer Beruf her.

Aber auch dieser Weg war mit unerwarteten Hindernissen, einer Menge Enttäuschungen und Komplikationen gepflastert.

 

3. Rücksturz in die Realität

 

Mit ungefähr dreizehn Jahren wurde ich zum ersten Mal mit dem Numerus Clausus konfrontiert, der die Zulassungsbeschränkung zum Studium anhand der Abiturzensur regelte. Die für Berufe wie Astronautin, Tierärztin, Sportlehrerin oder Meeresbiologin sowie etliche andere Studiengänge festgelegten Zensuren waren derart hoch, dass die Prämisse meiner Eltern, mit dem Abitur in der Tasche könne ich jeden beliebigen Beruf ergreifen, nur dann der Wahrheit entsprochen hätte, wenn ich ein Super-Abitur mit fast nur Einsen erreicht hätte. Mit fünfzehn folgte die totale Ernüchterung durch die Erkenntnis, dass ich selbst bei strengster Disziplin (die mir damals völlig fehlte, wie ich zugeben muss) und täglich intensivstem Pauken (zu dem ich ohnehin keine Lust hatte) niemals den Abiturdurchschnitt von 1,5 schaffen würde, der seinerzeit erforderlich war, um einen meiner geplanten Berufe zu ergreifen. Somit zerplatzten meine ersten Berufsträume wie Seifenblasen.

Obwohl ich dem noch lange nachtrauerte, ließ ich mich davon nicht unterkriegen und wich auf meinen übrig gebliebenen Traumberuf aus. Da ich seit meinem zehnten Lebensjahr begeisterte Reiterin war, wollte ich FN-geprüfte Reitlehrerin werden. (Die FN-Prüfung in Pferdeberufen entspricht einem IHK-Abschluss.) Weil für diesen dreijährigen Ausbildungsberuf kein Abitur notwendig war, plante ich, nach der zehnten Klasse das Gymnasium mit der Mittleren Reife zu verlassen, um die entsprechende Lehre zu beginnen. Die Schule hing mir sowieso schon lange zum Hals heraus, nicht nur weil ich dort immer noch gemobbt wurde. Nach der Erkenntnis, dass auch das mir bestmöglich abgeschlossene Abitur keinen meiner Berufsträume erfüllen konnte, sah ich keinen Sinn mehr darin, diesen Abschluss anzustreben.

Ich schrieb Bewerbungen an alle damals etwa zwanzig Reitställe im ganzen Land, die Reitlehrende mit staatlichem Abschluss ausbildeten, und musste feststellen, dass ich mich mit ungefähr tausend – jawohl tausend! – Mitbewerberinnen und Mitbewerbern um bundesweit gerade mal dreißig Ausbildungsplätze „schlug“. Natürlich entschieden sich die Ausbildungsbetriebe allesamt für andere Leute. Sofern eine Begründung angegeben wurde, lautete die seltsamerweise, man nähme keine Gymnasiasten als Lehrlinge. Damals dachte ich noch, das sollte heißen, man lege keinen Wert auf eine Schulabbrecherin, wenn auch mit anerkannter Mittlerer Reife. Später erfuhr ich, dass das einen anderen Grund hatte. Dazu später mehr.

Also beschloss ich – nolens volens –, noch ein weiteres Jahr die Schulbank zu drücken und es im nächsten Jahr erneut mit den Bewerbungen als Reitlehrerinlehrling zu versuchen. Allerdings war auch in diesem und den beiden noch folgenden Jahren das traurige Ergebnis dasselbe. Am Ende hatte ich neben über hundert abgelehnten Bewerbungen doch mein Abitur in der Tasche und musste einen weiteren Berufstraum begraben.

Mit einem Notendurchschnitt von 3,2 blieb mir allerdings keine Möglichkeit, ein NC-Studienfach zu belegen, zumindest nicht ohne jahrelange Wartezeit. Auch Sportlehrerin, damals mit einem NC von 2,3 dotiert, kam nicht mehr in Frage. Die in jener Zeit laut Auskunft des Arbeitsamtes einzigen NC-freien Studiengänge – Jura, Theologie und Psychologie – interessierten mich nicht und entsprachen auch nicht im Mindesten meinen damaligen Neigungen. Und eine Ausbildung zur Lehrerin für Kampfsport, den ich seit zwei Jahren praktizierte, gab es nicht als herkömmlichen Lehrberuf. Man konnte ihn nur im Rahmen des Hobbys erlernen und irgendwann seine eigene Schule gründen. Was aber wiederum eine Menge Geld erforderte, das erst einmal verdient werden musste. Also fiel auch dieser Berufstraum ins Wasser.

Da ich aber nicht arbeits- und berufslos auf der Straße hängen oder als ungelernte Arbeiterin jobben wollte, um nach Ablauf der Wartezeit irgendwann ein Studium beginnen zu können, blieb nur die Möglichkeit, in unmittelbarem Anschluss an die Schule eine Ausbildung zu absolvieren. Vielseitig interessiert und kreativ wie ich bin, bewarb ich mich nacheinander – und schon etwa ein Dreivierteljahr vor Abschluss des Abiturs – der Reihe nach in folgenden Berufen.

Veterninärmedizinisch-technische Assistentin. Wenn ich schon nicht Tierärztin werden konnte, dann doch wenigsten Assistentin; studieren konnte ich später noch, wenn die Wartezeit erfüllt wäre. Dachte ich mir. Aber die einzigen fünf Ausbildungsplätze, die es in meiner Heimatstadt und der weiteren Umgebung gab, wurden mit anderen Bewerberinnen besetzt.

Tierpflegerin. Hier bewarb ich mich bei sämtlichen Zoos des Landes sowie allen Tierheimen im Umkreis von hundert Kilometern und wurde ohne besondere Angabe von Gründen von allen abgelehnt.

Buchhändlerin. Der ideale Job für eine Leseratte wie mich. Vierhundert Leute bewarben sich um nur drei vorhandene Ausbildungsplätze. Bei einer Buchhandlung kam ich in die engere Auswahl der Top 40 und wurde auch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, doch am Ende entschied man sich für eine andere Bewerberin.

Goldschmiedin. Von fünfzehn vorhandenen Goldschmiedewerkstätten bildeten nur drei überhaupt aus, und diese nahmen ausschließlich die jeweils eigenen Sprösslinge als Azubis.

Försterin. Abgelehnt mit der damaligen Begründung, dass Frauen nicht als Försterinnen ausgebildet werden. So geschehen im Jahr 1979.

Schwimmmeisterin. Von sämtlichen Schwimmbädern abgelehnt mit der Begründung, dass man grundsätzlich nur Haupt- und Realschüler, aber keine Abiturienten ausbilde. Ein Personalchef erklärte rundheraus, Abiturienten seien „zu anspruchsvoll“, weshalb es mit denen „nur Ärger“ gäbe. Was immer das heißen sollte. Doch dieses Argument erklärte mir endlich, weshalb auch meine Bewerbungen für eine Ausbildung als Reitlehrerin bei allen Ställen gescheitert waren, die ebenfalls keine Gymnasiastinnen als Lehrlinge wollten.

Biologisch-technische Assistentin. Abgelehnt trotz Leistungskurs Biologie, weil ich Mathematik nach der elften Klasse abgewählt hatte.

Physikalisch-technische Assistentin. Dasselbe.

Musikalienhändlerin. Da ich recht musikalisch bin und mehrere Instrumente spiele (Flöte, Gitarre und Mundharmonika), wäre dieser Beruf für mich ideal gewesen. Doch auch diese Bewerbungen wurden begründungslos abgelehnt.

Fremdsprachenkorrespondentin. Gab es damals nur als teure Lehrgänge an Privatschulen, die aus eigener Tasche bezahlt werden mussten. Da meine Eltern arme Leute waren und auch ich (noch) kein Geld auf der hohen Kante hatte, fiel auch dieser Berufswunsch zunächst ins Wasser.