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Inhalt

Cover & Impressum

Vorwort

Landkarte für einen ortlosen Ort: Wieso man fürs Internet eine Gebrauchsanweisung braucht (gerade wenn man glaubt, Bescheid zu wissen)

Internet-Premiere24: Zwei Dutzend »Erste Male« im Internet

Das Internet be-greifen: Die physische Grundstruktur des Internets

Ich geh da mal eben ran: Ein kurzes Kapitel über Smartphones und mobiles Internet

Bin ich schon drin? Anreise und Orientierung am (ortlosen) Ort

Politik im Internet: Die Herrschaft der vielen

Der Kontrast: Über die dunklen Ecken und die hellen Seiten des Internets

Kurze Geschichte der sozialen Netzwerke

Sie haben Post: Vier typische Mails, die jeder bekommt, bei denen man aber Vorsicht walten lassen sollte

Vorhängeschlösser für Postkarten – oder Warum »TadtBGfdI:WelP-abnl« ein gutes Passwort ist

Die Sprache: Grundlagen des digitalen Dialekts

Eigenheiten der Bewohner: Neun Typen, auf die Sie im Netz treffen

Nachwuchs in Neuland: Kinder und Internet

Das Loch in meinem Netz: Das Internet als Überwachungsmaschine

Wirtschaft im Internet: GAFAM und die Folgen

Das Internet ist kaputt: Fehlermeldungen und die Zukunft des Internets

Für Reisewillige: Zehn Dinge, die Sie auf die Reise ins Internet mitnehmen sollten

Für Auswanderer: Das Internet als Heimat denken

Sprachführer: Die wichtigsten Begriffe und Personen, die man kennen sollte

Das Internetjahr: Jubiläen und andere Jahrestage – ohne Anspruch auf Vollständigkeit

Das Internet zum Weiterlesen – Buch- und Surftipps

Quellenverzeichnis

Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.piper.de



ISBN 978-3-492-99183-4
© Piper Verlag GmbH, München 2018
Covergestaltung: Birgit Kohlhaas
Covermotiv: Birgit Kohlhaas unter Verwendung verschiedener Motive von Shutterstock.com 
Datenkonvertierung: Fotosatz Amann, Memmingen

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tl;dr

Die englische Abkürzung für »zu lang, hab’s nicht gelesen« (too long; didn’t read) ist im Web sehr gebräuchlich, um lange Texte ironisch zu kommentieren. Ich leihe mir dieses Prinzip im Folgenden aus und bündle vor jedem Kapitel – wie in dieser Vorbemerkung – die Inhalte des Abschnitts. Denn dieses Buch ist nicht nur vom Internet inspiriert, es lädt auch dazu ein, die faszinierende Idee eines dezentralen weltumspannenden Netzwerks (neu) zu entdecken. Hinter den Debatten um all die schlimmen Seiten des Internets verbirgt sich nämlich eine der großartigsten Erfindungen unserer Zeit, die Menschen klüger und fröhlicher machen kann; wenn man sie richtig einsetzt – und sich daran beteiligt.

Höchste Zeit, endlich zu verstehen, wie sie funktioniert und wie man sich einbringen kann.

Landkarte für einen ortlosen Ort: Wieso man fürs Internet eine Gebrauchsanweisung braucht (gerade wenn man glaubt, Bescheid zu wissen)

tl;dr:

Um das Netz zu verstehen, muss man bereit sein, es zu nutzen. Denn das Internet ist ein Spiegel der Gesellschaft. Sein Wert hängt also auch davon ab, aus welcher Perspektive wir es betrachten – und ob (und wie) wir uns daran beteiligen. Dabei kann es hilfreich sein, nicht den Blick der Vergangenheit, sondern den von Kindern einzunehmen: Für sie ist das Internet nämlich keine neuartige Erfindung, sondern selbstverständlicher Bestandteil des Alltags.

Wir starren auf ein Tortenstück. Wer das Symbol für kabelloses Internet nicht kennt (Sie sehen es in Wolkenform auf dem Cover), dem könnte man den Viertelkreis mit den vier Linien vielleicht am besten als ein Tortenstück beschreiben, bei dem Schokoladenguss und heller Teig sich kunstvoll abwechseln. Mein Sohn und ich sitzen vor einem Computer und beobachten gespannt, wie dieser versucht, sich mit dem WLAN zu verbinden. »Klappt’s jetzt?«, fragt mein Sohn ungeduldig. Wir sind im Familienurlaub in Irland und hoffen gerade, in unserem kleinen Ferienhaus eine Verbindung zum Internet herstellen zu können. Unten an der Rezeption der Ferienanlage war der Empfang tadellos, aber unser Häuschen liegt gut dreihundert Meter entfernt. Nah genug, um eine Ahnung von Internet zu vermitteln, aber zu weit weg, um den Rechner zu verbinden – und dann im Web die Sportschau zu gucken. Es ist ein Samstag in den Sommerferien, wir sind von einer Wanderung zurück und würden jetzt gern die Spielzusammenfassungen der Bundesliga anschauen, deren neue Spielzeit gerade begonnen hat. Aber für mehr als ein Flackern des WLAN-Symbols reicht die Verbindung nicht aus. Das Tortenstück müsste fett leuchten und dürfte nicht ständig blinken. Wir kommen nicht rein. »Es klappt nicht«, sage ich. Der Siebenjährige schaut mich enttäuscht an. »Schade«, sagt er tapfer. Und dann fragt er nach kurzem Nachdenken: »Warum fahren wir eigentlich in ein Haus in den Urlaub, in dem es nicht mal Internet gibt?«

Die Frage ist bestechend einfach. Aus seiner Perspektive ist das Internet keine neuartige Erfindung, über deren Folgen man gesellschaftliche Debatten führt. Für ihn ist das Internet kein Neuland, als das Bundeskanzlerin Angela Merkel es 2013 beschrieben hat, sondern selbstverständlicher Bestandteil der Welt. Auf die Idee, dass der übergroße TV-Bildschirm im ersten Stock des Ferienhauses eine Hilfe wäre, um die Sportschau zu gucken, kommt mein Sohn gar nicht erst. Es würde auch in der Tat nichts nutzen, denn dieses Gerät empfängt nur irisches Fernsehen. Was ihm ebenfalls nicht in den Sinn käme: dass wir die Sportschau im Internet hier in Irland gar nicht schauen könnten, weil die Sportrechte-Vermarkter es so eingerichtet haben, dass die Sportschau nur von Computern aus geschaut werden kann, die sich aus Deutschland mit dem Internet verbinden – obwohl doch genau das der Zauber an diesem Internet ist: dass man es von jedem Ort der Welt aus nutzen kann. Aber über das sogenannte Geoblocking und seine technischen und juristischen Implikationen wird noch zu reden sein …

Für die Generation der heutigen Grundschulkinder ist das Internet so selbstverständlich wie elektrischer Strom, Licht und zum Beispiel ein Föhn. Die Kinder wachsen damit auf, dass man an jedem Ort mittels GPS den eigenen Standort ermitteln und in einer digitalen Karte den Weg nachfragen kann. Sie sind daran gewöhnt, dass man zum Beispiel in Dublin genauso verfolgen kann, was gerade in Köln passiert, wie man dies in Auckland oder Berlin tun kann. Sie kennen Computer als Mittel, um sich mit der Welt zu verbinden und sich diese dadurch zu erschließen.

Es ist sicher kein Zufall, dass irgendjemand im Internet die auf den Psychologen Abraham Maslow zurückgehende Pyramide der menschlichen Bedürfnisse vor ein paar Jahren um die Ebenen »Internet« und »Akku fürs Handy« ergänzt hat. Im ursprünglichen Modell bilden die Grund- und Existenzbedürfnisse wie Luft, Wasser und Nahrung die Basis, es folgen (spitz nach oben zulaufend) Sicherheit und Geborgenheit, soziale und individuelle Bedürfnisse wie jenes nach Anerkennung und Selbstverwirklichung. Nun sind an der Basis WLAN und Akku als existenzielle Grundbedürfnisse dazugekommen.

Die Generation der heutigen Grundschulkinder wird sich nie an ein verklärtes »Früher« erinnert fühlen, wenn diese Technik mal nicht funktioniert. Sie wird dann nicht an einen Urlaub denken, in dem man Zeit (angeblich) mit Brettspielen bei Kerzenschein verbrachte. Aus ihrer Perspektive ist die Tatsache, dass man Ferien an einem Ort verbringt, dem eine sehr grundlegende Infrastruktur fehlt, unverständlich.

Die Erwartung, die in dieser Geschichte zum Ausdruck kommt, stelle ich aus drei Gründen an den Beginn dieses Buches, das uns in eine Welt führt, die sich ständig wandelt. Zum einen hat mir mein fragender Sohn damals die Augen dafür geöffnet, wie weit die Lücke zwischen den Generationen in Bezug auf das Internet eigentlich klafft. Wie ratlos würde es ihn erst machen, würde er erfahren, dass es Menschen gibt, die sehr viel Geld dafür ausgeben, Ferien ohne das Internet zu verbringen? Und wie ratlos wäre umgekehrt ein Anbieter von diesen »Digital Detox« genannten Ferien, müsste er sein Angebot einer Grundschulklasse erklären, die gerne Fußball anschauen will?

Zum Zweiten hat die Frage bei mir zu einem Perspektivwechsel und zu einer Haltungsänderung geführt, zu der ich auch Sie einladen möchte: Stellen Sie sich vor, es gäbe das Netz der Netze von heute auf morgen nicht mehr; keine Mails mehr, keine Serien und kein Fußball-Stream, kein Chat, kein sofortiger Zugriff auf weltweites Wissen und auch keine Urlaubsfotos in sozialen Netzwerken. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick reizvoll, wäre aber in Wahrheit ein unbestreitbarer zivilisatorischer Verlust. Und jetzt kommt die entscheidende Frage: Wie erklären Sie sich dieses Gefühl des Verlusts? Ist es Ihnen der Beweis dafür, dass das Internet viel zu bedeutsam geworden ist und womöglich sogar abhängig macht? Oder folgen Sie mir in der Einschätzung, dass dieses Gefühl der Beweis dafür ist, wie großartig und historisch bedeutsam das Internet als Erfindung ist?

Der dritte Grund für meine Einstiegsgeschichte liegt genau in der Groß- und Einzigartigkeit dieser Erfindung: Das Internet ist ein selbstverständlicher und so tief verankerter Bestandteil unseres Lebens geworden – ohne dass die Generation derjenigen, die gerade nicht (mehr) zur Schule geht, überhaupt bemerkt oder verstanden hätte, was es ist. Deshalb habe ich diese Gebrauchsanweisung geschrieben. Um mich selbst, aber auch Sie als Leserinnen und Leser und uns als Gesellschaft daran zu erinnern, dass das Internet ein Instrument der Aufklärung sein kann. Die Idee, Computer ohne zentrale Vermittlungsstelle sehr ausfallsicher direkt miteinander zu verbinden und dabei einen Austausch zwischen ganz unterschiedlichen Systemen zu ermöglichen, ist ein großer Fortschritt. Die Überwindung von Sprach- und Landesgrenzen, die Verbindung von Menschen und der Zugang zu Wissen sind begrüßenswerte Entwicklungen, die durch das Internet erst möglich wurden. Wir sollten uns darüber bewusst sein, dass das Internet ein Geschenk ist, wie es die Kulturkritikerin Virginia Heffernan einmal gesagt hat.

Diese Gebrauchsanweisung hilft Ihnen dabei, dieses Geschenk auszupacken und seinen besonderen Zauber etwas besser zu verstehen. Damit soll nicht verschwiegen werden, dass das Internet große Probleme zutage fördert und uns vor schwere gesellschaftliche Herausforderungen stellt. Diese Gebrauchsanweisung legt deshalb auch die Entwicklungen offen, die den Grundideen der Verbindungs-Pioniere zuwiderlaufen, und spart auch die Herausforderungen nicht aus, vor die uns das Internet stellt. Sie stellt aber keine Regeln auf, wie man sich zu verhalten habe (wie auch?). Sie hilft Ihnen vielmehr, vom Mitfahrer zum Fahrer zu werden. Mit diesem Bild (das auf den New Yorker Autor Douglas Rushkoff zurückgeht) lässt sich unser Erkenntnisinteresse am Internet vermutlich am besten fassen: Sie sollten sich nicht mehr nur mit einem Auto durch die Stadt fahren lassen, sondern aussteigen, die Motorhaube des Fahrzeugs öffnen und verstehen, wie der Motor funktioniert. Und vielleicht werden Sie sich danach nicht wieder nur auf die Rückbank setzen, sondern auf dem Fahrersitz Platz nehmen und selbst aktiv werden. Sie müssen den Motor nicht selbst reparieren können. Sie sollten aber in der Lage sein, seine Funktionsweise zu verstehen. Sie sollten wissen, wie und warum man tankt, und am Ende sogar selbst fahren und einparken können. Denn dann können Sie auch bestimmen, wo es hingeht – und sind nicht auf das angewiesen, was diejenigen sagen, die am Lenkrad sitzen.

Doch bevor wir in dieses unbekannte Land und zu diesem ortlosen Ort aufbrechen, öffnen wir kurz die Motorhaube und halten zuerst einmal fest, dass die häufig synonym gebrauchten Begriffe »Internet« und »Web« nicht dasselbe meinen, sondern aufsteigend zu verstehen sind: Das Internet ist die greifbare Infrastruktur, die das Netzwerk der Netzwerke zwischen den unzähligen Geräten weltweit herstellt. Das World Wide Web ist ein sogenannter Dienst, der auf diese Infrastruktur zurückgreift. Es liegt eine Ebene höher, wo sich auch Dienste wie Mail oder FTP befinden.

Vielleicht stellen wir uns das Internet für unsere gemeinsame Reise tatsächlich als einen neuen Kontinent vor, den es zu erkunden gilt. Dabei werden auch diejenigen Entdeckungen machen, die schon häufiger dort waren. Denn diese Gebrauchsanweisung verzichtet bewusst darauf, besondere Sehenswürdigkeiten aufzuzählen. Bücher dieser Art waren vor allem in der Frühphase des Internets populär und versprachen, zum Beispiel die besten Webadressen eines Landes oder zu einem bestimmten Thema zu bündeln. Und die Angebote, die sich dieser Bewegung entziehen, sind – so Kritiker dieser Bücher – eher Dokumentationen dessen, was im Internet möglich ist, als das wirkliche Erleben, das Antrieb für diese Gebrauchsanweisung ist: Um das Netz zu verstehen, muss man bereit sein, es zu nutzen. Dass dabei Dokumentationen durchaus hilfreich sein können, beweist ein Buch, das man heute nur noch antiquarisch und auf Englisch erwerben kann. Es stammt aus den Anfangstagen des Web und trägt den Titel Whole Internet Users Guide – was man als Gebrauchsanweisung für das ganze Internet übersetzen kann und was damals vermutlich sogar auch stimmte, uns heute aber dennoch etwas merkwürdig erscheint.

Der Versuch, in Buchform auf Papier festzuhalten, was in Pixeln ständig in Bewegung ist, entspricht aber nicht der Haltung, mit der dieses Buch auf das Internet blickt. Denn das, was unter einer Webadresse angegeben ist, kann an einem Tag ganz anders aussehen als am nächsten.

Denn das ist das Besondere am Digitalen: Es ist nie in dem Sinn fertig, in dem zum Beispiel Bücher aus Papier oder gedruckte Zeitungen abgeschlossen und unveränderlich sind. Das Digitale kann ständig verändert und neu ausgespielt werden. Es ist stets in Bewegung. Das gilt auch für das Internet selbst. Wollte man das Netzwerk denn als physischen Ort, als Raum, verstehen, müsste man sagen: Wir kennen seine Ausmaße noch gar nicht. Es ist ein Kontinent, dessen Enden uns unbekannt sind, weil er ständig wächst und in Bewegung ist. Und damit sind nicht nur die Inhalte gemeint, sondern auch das enorme Tempo, in dem sich im digitalen Bereich technische Entwicklungen vollziehen. Sodass wir heute nicht sagen können, ob das, was wir als Internet nutzen, auch noch für weitere Generationen in dieser Form sichtbar sein wird. Wir werden andere Geräte haben, um ins Internet zu kommen, und es auf ganz neue Weise nutzen.

Daraus ergeben sich drei Schlussfolgerungen für diese Gebrauchsanweisung für das Internet: Sie ist erstens – dessen bin ich mir bewusst – ein eigentlich unmögliches Unterfangen. Denn sie ist ein Papierbuch über das Digitale und steckt damit in der gleichen Falle wie die angesprochenen Webadressbücher. Zum Zweiten ist sie eine Einführung in die technischen Grundlagen der Infrastruktur Internet und der Anwendungen wie dem World Wide Web, die auf ihr basieren. Sie ist dabei aber kein technisches Buch, sondern ein gesellschaftliches. Und folgt dabei der Einschätzung, die Tim Berners-Lee – einer der Väter des World Wide Web – mal so zusammenfasste: »Das Web ist eher ein gesellschaftliches als ein technisches Produkt. Ich wollte die Zusammenarbeit erleichtern – und nicht ein technisches Spielzeug entwickeln. Das höchste Ziel des Webs ist Unterstützung und Verbesserung einer netzartigen Lebensform.«1

Und zum Dritten ist diese Gebrauchsanweisung stets im Bewusstsein ihrer Zeitlichkeit geschrieben. Sie will nicht die aktuellsten Trends beschreiben, sondern die zugrunde liegenden Prinzipien und Mechanismen – allerdings stets im Wissen darum, dass neue technologische Anwendungen auch diese verändern können. Dennoch bin ich der Meinung, dass es Ideen und Entwicklungen gibt, die langfristig Bedeutung haben und die man kennen sollte, um diesen ortlosen Ort zu verstehen.

Eine hat mit dem Riss zu tun, der diesen Ort teilt. Wohl selten hat eine Erfindung, deren wichtigstes Ziel die Verbindung ist, so sehr zu Trennung und Unterscheidung geführt. Denn natürlich ist das Internet ein Instrument, das Beziehungen aufbaut, Grenzen überwindet und Menschen sowie Maschinen in Kontakt bringt. Im Umgang ist das Internet aber auch zu einer großen Distinktionsmaschine geworden. »Gehörst du dazu oder nicht?« ist zu einer so entscheidenden Frage geworden, dass man lange Zeit zwischen eingeborenen und eingewanderten Bewohnern des »Kontinents« Internet differenzierte. Diese Unterscheidung zwischen Digital Natives und Digital Immigrants geht auf den New Yorker Autor und Lehrer Marc Prensky zurück, der sie 2001 erstmals nutzte. Sie bleibt auch Jahre nach ihrer ersten Erwähnung bedeutsam, sie beschreibt weiterhin einen gesellschaftlichen Graben, an dessen Tiefe man ermessen kann, wie bedeutsam die Veränderungen sind, die durch das Internet angestoßen wurden.

Aber genau deshalb braucht es eine Gebrauchsanweisung für das Internet – und zwar für Menschen auf beiden Seiten des digitalen Grabens. Er muss mindestens überbrückt werden. Diese Gebrauchsanweisung will ihren Teil dazu beitragen und das Internet verständlicher und vielleicht auch zugänglicher machen. Es ist wert- und sinnvoll, diesen ortlosen Ort zu besuchen, sich zu verbinden und teilzunehmen. Und zwar am wenigsten aus rein persönlichen oder gar Bequemlichkeitsgründen – sondern aus Gründen der zivilgesellschaftlichen Teilhabe. Öffentlichkeit bedeutet eben zunehmend auch Teilnahme am Internet, und öffentlicher Diskurs ist zunehmend auch digitaler Diskurs. Um diesen geht es hier – und um die Bereitschaft, mitzumachen, sich einzubringen und nicht nur am Seitenrand zu stehen und schlau daherzureden. Denn das Internet ist »zum Spiegel unserer globalen Gesellschaften geworden«, stellt Vint G. Cerf (genannt Vint) in einem Beitrag zur Zukunft des Web fest. Cerf gilt als einer der Erfinder des Internets, gemeinsam mit Bob Kahn hat er das TCP/IP-Protokoll erfunden (von dem im Kapitel über die Grundstrukturen des Internets ausführlich die Rede sein wird), und vor allem gilt er als Vater des Wortes »Internet«. Immerhin benutzte er in einem Aufsatz, den er mit Yogen Dalal und Carl Sunshin veröffentlichte, erstmals das Wort »Internetworking«. Das war 1974 – ein Jahr bevor ich geboren wurde. Ich kann mich an keine Erfindung erinnern, die in meinem Leben für derart großen gesellschaftlichen Wandel gesorgt hat. Und das innerhalb so kurzer Zeit. Schließlich ist das Internet menschheitsgeschichtlich noch sehr jung.

Im Jahr 2018 bat die englische Ausgabe des Magazins Wired Cerf um einen Ausblick auf das Internet der Zukunft. Darin vergleicht er das Internet mit einem Spiegel der Gesellschaft. Er schreibt: »Manche Menschen sind nicht einverstanden mit dem, was sie in diesem Spiegel sehen, und machen den Fehler zu glauben, sie müssten den Spiegel reparieren, um die Probleme zu beheben, die sie in ihm sehen.« Das hält er für falsch. Ihm geht es vielmehr darum, gesellschaftliche Debatten darüber zu führen, wie das Internet das Zusammenleben verändert – und wie Gesellschaften politisch, juristisch und nicht nur technologisch auf die neuen Herausforderungen reagieren. »Wie«, fragt er, »können wir die Fähigkeit zum kritischen Denken in der Bevölkerung befördern? Und ist kritisches Denken ausreichend, um den digitalen sauren Regen abzuwehren, der den Ozean der nützlichen Online-Informationen zu vergiften droht?«2 Um das herauszufinden, fordert er die Leserinnen und Leser auf, auch die vermeintlich dunklen Seiten des Internets anzugehen.

Und anders als meine Familie damals im Urlaub in Irland können Sie das ja auch tun: Sie haben nämlich Internet. Nutzen Sie es, gestalten Sie es!