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Über das Buch

Hätte ich geahnt, welche Rolle meine Schokomousse-Erdbeer-Torte bei der Tragödie spielen sollte, hätte ich sie ganz bestimmt nicht auf unsere To-do-Liste gesetzt …

Seit Wochen fiebert Amy dem großen Dorffest von Ashford-on-Sea entgegen. Nicht nur, dass dort am Kuchenstand ihrer Tante Clarissa Amys neueste Tortenkreation Premiere feiern soll – nein, Amy ist fest entschlossen, endlich Finn anzusprechen, den Jungen, den sie schon seit Langem aus der Ferne anschmachtet. Doch dann kommt alles ganz anders: Amys verhasste Klavierlehrerin kippt beim Nachmittagstee tot um – ausgerechnet nach Verzehr von Amys Torte! – und wer plötzlich ein äußerst verdächtiges Verhalten an den Tag legt, ist niemand anderes als Finn …

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

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Es war Mord!

Mit diesen drei Worten würde meine Großtante Clarissa wahrscheinlich loslegen. Und es stimmte ja auch. In unserem beschaulichen, verschlafenen Dörfchen Ashford-on-Sea an der Südwestküste Englands war tatsächlich ein Mord begangen worden.

Der erste seit über achtzig Jahren. Schauderhaft!

Aber noch viel schlimmer als der Mord war die Tatsache, dass der Mörder einer von uns sein musste.

Noch vor wenigen Wochen hätte mein erster Satz gelautet:

Finn Pears hat mich geküsst!

Und um diesen sensationellen Satz hätte ich lauter rote Herzchen gemalt und einen roten Kussmund danebengeschmatzt.

Denn Finn hatte seinen Kopf zu mir herabgesenkt und seine warmen, weichen Lippen auf meine gedrückt. (Ich bekomme jetzt noch weiche Knie, wenn ich daran denke!)

Und ich war so unglaublich, wahnsinnig, himmlisch verliebt in ihn. Erst dachte ich, ich würde an einer schleichenden Krankheit leiden. Die Symptome: chronische Appetitlosigkeit, Stottern und Stammeln, dämliches Gekicher und Pink-Grapefruit-Syndrom. Wer das schon mal hatte, weiß, was ich meine. Die Diagnose lautet: unheilbare Verliebtheit! Meine Liebe für Finn war grenzenlos. Ich ging sogar so weit, Klavierstunden bei der alten Schreckschraube Rubinia Redcliff zu nehmen. Nur, um ihm nahe sein zu können.

O. k., das war jetzt nicht nett. Über Tote soll man schließlich nichts Schlechtes sagen. Aber Rubinia Redcliff war nun mal wirklich eine Schreckschraube und eine gefühlskalte Eiskönigin.

Was das Klavierspielen angeht, bin ich ziemlich talentbefreit. Aber die Chance, die gleiche Luft zu atmen, die Finn vor mir geatmet hatte, war es wert, sich zu schinden. Das und die Gewissheit, einmal in der Woche in seine kristallblauen Augen blicken zu dürfen und ihm ein leises »Hallo!« entgegenzuseufzen, bevor er einen seiner Lieblingskekse aus seinem Rucksack kramte und sich auf sein schwarzes Bike schwang.

Tante Clarissa weiß natürlich, dass ich total amusisch bin, und ich befürchte, sie schöpfte sofort Verdacht, als ich um Klavierstunden bettelte. Sie sagte aber nur, dass sie es gut fände, wenn man sich im Leben Herausforderungen suchte, und stellte weiter keine Fragen.

Im Rückblick auf all das, was vor, auf, während und nach der Fünfhundertjahrfeier von Ashford-on-Sea geschehen ist, glaube ich aber, dass es am besten ist, wenn ich mit dem Freitagnachmittag vor dem großen Fest beginne. Hätte ich auch nur geahnt, welche Rolle meine Schokomousse-Erdbeer-Torte in der Tragödie, die uns drohte, spielen sollte, hätte ich sie ganz bestimmt nicht auf unsere To-do-Liste gesetzt.

Habe ich aber nun mal! Deswegen und wegen eines Vorfalls, bei dem ich noch am gleichen Tag durch Zufall Zeuge werden sollte (ich will hier nicht zu viel verraten), markiert dieser Nachmittag vielleicht ziemlich genau den Zeitpunkt, an dem ich, ohne es zu ahnen, mitten in einen Mordfall schlitterte und, ohne es zu wollen, zur Detektivin wurde.

Beginnen wir also von vorn:

Eine dampfende Tasse Tee und eine Etagere mit frischen Sandwichecken und duftenden, goldbraunen Scones vor sich, thronte Tante Clarissa in ihrem geblümten Lieblingssessel direkt neben dem Kamin. Ich hockte auf der Lehne, hatte die Arme um sie geschlungen, und zusammen beugten wir uns über unsere »Fünfhundertjahrfeier-To-do-Liste«.

Und noch jemand betrachtete sie interessiert: Mein Percy, der weltallerbeste Terrier, hatte sich natürlich zwischen Tante Clarissa und mich gequetscht.

Die kleine Tür, die von unserem Tearoom in den Rosengarten führte, stand sperrangelweit offen und die Sommersonne warf ihre Strahlen auf die ausgetretenen Holzbohlen. Draußen wie drinnen waren alle Tische voll besetzt. Kein Wunder. Es war Teestunde, Beginn der Sommerferien, und zu dem großen Fest hatten sich auch einige Touristen in unser Dörfchen verirrt.

»Shortbread, Ingwerkuchen, Bananenbrot und Cupcakes können wir schon mal von unserer Liste streichen. Was meinst du, Amy: Sollen wir heute Abend noch den American Cheesecake und den Kirsch-Butterkuchen backen?«, überlegte meine Großtante und steckte ihre schwarze Hornbrille in ihr modisch kurz geschnittenes weiß-graues Haar. »Dann müsste es doch reichen, wenn wir den Rest morgen um fünf in Angriff nehmen.«

»Klingt nach einem sehr guten Plan. Stachelbeer- und Apfelkompott hab ich eben in den Kühlschrank geschoben. Wenn ich heute Abend noch den Teig für die Pies vorbereite, können wir morgen früh mit denen als Erstes loslegen. Danach machen wir die gerollten Schoko-Sahne-Waffeln, den Apfel-Crumble- und den Stachelbeerkuchen. Die Mini-Obsttörtchen und die Sandwiches heben wir uns für den Schluss auf«, schlug ich vor.

»So machen wir es!«, pflichtete mir Tante Clarissa bei. Die Brille wanderte wieder auf die Nase. Meine Großtante ist vierundsiebzig Jahre alt und eine sehr elegante Dame. Dabei ist sie sich nicht zu schade, auch mal in Jeans und Gummistiefeln im Garten zu buddeln oder, ausgestattet mit Latzhose und Werkzeugkasten, unsere Wasserhähne vom Tropfen abzuhalten.

»Und ich fahre heute Nachmittag zum Herrenhaus raus und baue unseren Stand auf«, meldete sich Andrew Cox zu Wort, der hinter der Kuchenauslage ein Tablett mit Scones, Clotted Cream, Erdbeermarmelade und Tee arrangierte. »Wir werden einen großartigen Umsatz machen!«, freute er sich. Bevor Andrew letztes Jahr ins Little Treasures, den Tearoom meiner Tante, eingestiegen ist, war er Banker in London. Ein Beruf, mit dem man irrsinnig schnell wahnsinnig viel Geld verdienen und noch rascher seinen Verstand verlieren kann, wie er immer sagt. Und weil er seinen Verstand behalten wollte, hat er vor einem Jahr London und der Bank Adieu gesagt und ist hierher gezogen. Nach Ashford-on-Sea, das so malerisch und abseits liegt, dass wir nicht einmal verlässliches Internet haben. Kein Scherz!

Vom Yachthafen her schollen die Rufe der Arbeiter zu uns herüber. Aufgeregt sprang ich auf und versuchte einen Blick auf die Pontons in der Bucht zu erhaschen. Künstliche kleine Inseln, von denen morgen Nacht das Jubiläumsfeuerwerk abgefeuert werden sollte. Ich konnte kaum erwarten, dass es endlich Samstag wurde. Alle würden kommen, um unseren Gründungsvater und unser Dorf zu feiern … auch Finn!

»Clarissa! Du musst mir helfen!« Mit diesen Worten wehte unsere Dorfmalerin Dorothy Pax über die Schwelle des Little Treasures.

Offensichtlich hatte sie in großer Eile ihr Atelier verlassen, denn um ihre knochigen Hüften schlackerte immer noch ihr bunt bespritzter Malerkittel. Ihre langen, nicht mehr ganz so schwarzen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten geschlungen, in dem zwei Pinsel wie Haarnadeln steckten.

Obwohl die beiden nicht gegensätzlicher sein konnten, waren Tante Clarissa und Dorothy die besten Freundinnen. Seit dem Tag, an dem Dorothy mit Ölfarben und Staffelei als neue Kunstlehrerin an die Tür der Ashford Primary School geklopft hatte. Und das war jetzt über ein halbes Jahrhundert her.

Völlig außer Atem ließ sich Dorothy auf das Queen-Anne-Sofa uns gegenüber plumpsen. »Mein Fahrrad. Mein Fahrrad ist weg!«, keuchte sie. »Jemand muss es gestohlen haben! Und dabei habe ich im Moment noch nicht mal das Geld, um mir eine neue Luftpumpe, geschweige denn ein ganzes Rad zu kaufen.«

So lief das hier in Ashford-on-Sea. Niemand ging zu unserem brummigen Dorf-Sergeant Oliver Oaks. Brauchte jemand kriminalistische Hilfe oder einen Rat, suchte er ihn bei meiner Großtante. Wenn ich mich richtig erinnere, fing das an, als Tante Clarissa pensioniert wurde und ihren Schreibtisch im Direktionszimmer der Ashford Primary School mit dem Little Treasures tauschte. Ein eigener Tearoom war schon immer ihr Traum gewesen. Meine Theorie ist, dass sie das logische Denken aus dem Matheunterricht ziemlich vermisste und deshalb anfing, sich für Kriminalfälle zu interessieren. In Büchern, Filmen und im wahren Leben.

»Hallo, Andrew!«, winkte Dorothy zur Kuchentheke hinüber. »Könnte ich bitte einen Earl Grey haben?«

»Hi, Dorothy! Klar, dein Tee kommt sofort!«, trällerte Andrew gut gelaunt.

»Da ist ja auch der liebe Percy!«, rief Dorothy und klatschte begeistert in die Hände, bevor sie sich ächzend über den Tisch beugte, um meinen Hund gebührend zu begrüßen. Erst nachdem sie Percy einmal tüchtig durchgekrault hatte, fiel ihr Blick auf mich. »Und wo Percy ist, da ist die liebe Amy natürlich auch nicht fern.«

»Hi«, winkte ich und vertiefte mich in unsere To-do-Liste.

»Liege ich recht mit der Annahme, meine liebe Dorothy, dass du dein Rad wieder mal nicht abgeschlossen hast?«, hörte ich meine Tante mit einem amüsierten Unterton fragen, während ich den Kugelschreiber vorsichtig aus ihrer Hand zog und noch fett »Schokomousse-Erdbeer-Torte« ans Ende der Liste setzte. Das war meine neueste Kreation und die musste ich unbedingt auf der Fünfhundertjahrfeier präsentieren.

»Eigentlich wollte ich gestern Abend noch mal mit den Hunden raus«, seufzte Dorothy. Ich schaute auf.

An dieser Stelle muss ich etwas erklären. Dorothy liebt Hunde über alles. Und weil sie sie so sehr liebt, hat sie einen ganzen Stall von Hunden, die aus Tötungsstationen in Spanien oder Griechenland gerettet wurden. Sie päppelt sie auf, vermittelt sie an tierliebe Menschen, was immer zu tränenreichen Abschieden führt, und schon steht der nächste bemitleidenswerte Hund zitternd vor ihrer Tür und will geliebt werden. Ich finde ihren Einsatz großartig und Percy findet das auch.

»Deshalb hatte ich das Abschließen auf später verschoben. Aber dann bekam Diego, mein neuer Pflegehund aus Spanien, Durchfall, der Arme. Er ist doch eh nur Haut und Knochen. Darüber habe ich mein olles Rad völlig vergessen«, fuhr Dorothy fort. »Eben erst ist mir aufgefallen, dass es nicht mehr am Gartenzaun lehnt. Bitte hilf mir, es wiederzubekommen, Clarissa!«

Mit einem Lächeln beugte sich Tante Clarissa vor und tätschelte Dorothys farbbespritzten Unterarm. »Trink erst mal eine schöne Tasse Tee und lass mich nachdenken.«

Sie nickte auf das Teearrangement, das Andrew gerade vor Dorothy auf den Tisch stellte.

»Wenn ihr mich fragt«, flüsterte Dorothy jetzt verschwörerisch, während sie in den Teepott linste, um zu überprüfen, ob der Tee noch ziehen musste, »dann hat die Gewitterhexe von nebenan mein Rad geklaut. Nur um mir eins auszuwischen. Sie hasst meine Hunde … und mich. Und gestern Nacht war sie eh auf Krawall gebürstet. Bei ihr ist es tüchtig zur Sache gegangen. Ich habe sie keifen hören. Der arme Mensch, der da ihren Unwillen auf sich gezogen hat!«

Mit der »Gewitterhexe von nebenan« war meine Klavierlehrerin Rubinia Redcliff gemeint. Seit Ewigkeiten führten die beiden einen kleinen Privatkrieg wegen der angeblichen Lärmbelästigung durch die Hunde. O. k., leise waren die nun wirklich nicht, aber hey, die armen Wesen hatten in ihrem kurzen Leben schon so viel Mist und Schreckliches erlebt, da durften sie ja jetzt wohl ein bisschen ihr neues Glück in die Welt hinausbellen. Rubinia Redcliff war doch einfach eine blöde Kuh!

Wobei … nichts gegen Kühe!

Bei dem Gedanken an all die armen Hunde, die es auf dieser Welt gab, musste ich meinem Percy ganz schnell einen Kuss auf die nasse Schnauze drücken.

Trotzdem war Rubinia Redcliff mein Stichwort. Ich warf einen Blick auf die alte Standuhr. Zeit, mich auf die Socken zu machen. Heute durfte ich nicht eine Sekunde zu spät sein. Denn ich hatte Großes vor! Sehr Großes! Ich wollte Finn nach seiner Klavierstunde ansprechen! Auch wenn ich nicht wusste, wie ich das cool und unverfänglich rüberbringen sollte. Der bloße Gedanke ließ mein Gesicht Pink anlaufen, meine Knie zu Pudding und meine Kehle so staubtrocken werden wie die Wüste Sahara. Was damit zusammenhängt, dass ich ziemlich schüchtern bin. Ich hasse es aufzufallen. Ich ziehe das Gleiche an wie alle anderen, trage meine Haare wie alle anderen und finde das Gleiche gut wie alle anderen. Denn so halte ich mich unauffällig im Hintergrund. Darin bin ich gut. So gut, dass ich es beinah schaffe, mit der Tapete, der Schultafel oder der Wand in meinem Rücken zu verschmelzen.

Einen Jungen anzusprechen, war für mich so etwas wie mein persönlicher Mount Everest. Doch diesmal würde ich nicht kneifen. Wie die letzten vier Male. Nein. Würde ich nicht. Denn der Anlass war perfekt unverfänglich. Also, unverfänglich und perfekt. Die Fünfhundertjahrfeier. Ganz Ashford würde dorthin gehen. Ehrensache. Auch für Finn. Also würde ich nichts weiter tun müssen, als ihn ganz beiläufig zu fragen, ob … ob …

»Ich hab’s!«, verkündete meine Großtante triumphierend. »Man muss nur eins und eins zusammenzählen und schon ist der Fahrraddieb enttarnt!«

… ob er morgen mit mir den Weg durch das Heckenlabyrinth suchen wollte, der zum Schatz in der Mitte führt. Oder sollte ich ihn vielleicht doch einfach nur an unseren Little Treasures-Stand einladen? Ich meine, für uns Engländer gibt es keinen Tag ohne Teatime. Wir gingen auf eine Schule. Der Tearoom gehörte meiner Tante. Da wäre es doch einfach nur nett, wenn ich ihn auf eine Tasse Tee oder eine Cola und Scones oder … ja, genau: auf ein Stück Schokomousse-Erdbeer-Torte einlud, oder?

»Gestern war doch Donnerstag. Das heißt, der Kirchenchor hat geprobt. Wir alle wissen, wo die Chorproben enden. Im Pub«, hörte ich meine Tante wie von ganz weit weg sagen. Heckenlabyrinth oder doch lieber … ach, ich wusste doch nicht, was besser war!!! Plötzlich traf es mich wie ein Blitz.

Was, wenn Finn gar nicht bei Rubinia Redcliff war? Was, wenn er krank geworden war? Enttäuschung und Erleichterung trugen in mir einen Wettstreit aus, dessen Sieger nicht so einwandfrei feststand.

»Weiter, Clarissa, weiter!«, feuerte Dorothy meine Tante an, bevor sie einen Schluck Earl Grey zu sich nahm.

»Da fließt ziemlich viel Guinness. Und das macht übermütig. Gestern Nacht bin ich davon geweckt geworden, wie ein besonders tiefer Bariton inbrünstig die Nationalhymne schmetterte, ein leises Klackern schlug dazu den Takt. Der Bariton war unverkennbar … James Hall, unser Tierarzt! Und wenn du, meine liebe Dorothy, dein Schutzblech immer noch nicht festgeschraubt hast, dann findest du dein Rad vor der Praxis von Dr. Hall.«

Dorothy schlug sich die Hände vor den Mund. »Clarissa, du bist … umwerfend!«, rief sie bewundernd. Damit landeten drei Pfund für Tee und Trinkgeld auf dem Tischchen und Dorothy war auf und davon.

Das war ich wenige Minuten später auch. In der Tür sprang ich schnell zur Seite, um Lady Helen Ashford durchzulassen. Sie war die Frau von Lord Henry Ashford, dessen Ahnherr William vor fünfhundert Jahren von König Henry VIII. (stimmt, das war der mit den sechs Frauen) geadelt worden war und ein wunderschönes Fleckchen Erde an der Küste Cornwalls geschenkt bekommen hatte. Aus Dankbarkeit. Denn William Ashford hatte den König vor einem intriganten Anschlag gewarnt. Als erster Lord Ashford ließ er den Herrensitz Ashford House und das Dorf Ashford-on-Sea erbauen. Deshalb würden morgen auch alle Reden, Konzerte und Ehrungen auf dem Anwesen von Ashford House stattfinden.

»Guten Tag, Lady Ashford!«, sagte ich mit gesenktem Kopf und so leise, dass sie es wahrscheinlich nicht hören konnte. Trotzdem lächelte sie mich herzlich an und fragte: »Na, du hast es aber eilig, Amy. Welcher Romeo wartet denn auf dich?«

Oh Gott, woher wusste sie, was ich vorhatte? Ich wollte gerade so schnell wie möglich weiter, als Percy mir mit schief gelegtem Kopf und aufgestelltem Schwanz den Weg verstellte. Percy und ich, wir sind unzertrennlich. Aber es gibt zwei Ausnahmen: die Schule und Rubinia Redcliff. Ich meine, wer nimmt schon seinen Hund zu einer Hundehasserin mit? Aber das versteht Percy natürlich nicht.

»Ich bin nicht lange weg!«, versprach ich, hockte mich vor Percy und kraulte ihn unter dem Kinn, das liebt er so sehr. Dann reckt er den Kopf in die Luft und macht seinen Hals ganz lang. Ganz so, als ob er sagen wollte: Ich kann noch, mach ruhig weiter. Leise flüsterte ich ihm ins Ohr: »Wünsch mir Glück. Du weißt schon wobei!«

Percy bellte aufmunternd und ich, ich holte noch mal tief Luft und schwang mich auf mein Rad.

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Bevor ich in die Ivy Lane einbog (das ist die Straße, in der Dorothy und Rubinia Redcliff wohnen), wartete ich, bis sich mein Atem etwas beruhigt hatte. Unser Dorf liegt am Hang, deshalb führen die meisten Straßen vom Hafen aus mit einer ziemlichen Steigung nach oben. Ganz schön anstrengend, die raufzufahren. Schnell zupfte ich mein Spaghetti-Shirt zurecht und warf mein blondes Haar über die Schulter. Während ich noch in den Taschen meiner abgeschnittenen Jeans nach einem Haargummi suchte – Rubinia Redcliff konnte es gar nicht ausstehen, wenn einem beim Klavierspielen die Haare ins Gesicht hingen –, sah ich im Näherkommen nicht nur Finns schwarzes Bike vor Rubinias Gartenmäuerchen stehen, sondern ich hörte auch die unverkennbaren Klänge von Chopins Nocturne Opus 9 Nummer 2.

Finn! Mein Herz machte einen weltrekordverdächtigen Hüpfer. Er spielte das Stück, das er auch morgen auf der Fünfhundertjahrfeier zum Vortrag bringen wollte. Völlig verzaubert hockte ich mich auf das Gartenmäuerchen und lauschte mit geschlossenen Augen. Gott hatte Finn mit einem unglaublichen Talent gesegnet und er arbeitete hart daran, sich immer noch zu verbessern. Wenn seine Freunde Fußball spielten, ins Kino gingen oder einfach nur abhingen, saß Finn zu Hause an seinem Klavier und übte, übte, übte. Seine Eltern waren unfassbar stolz auf ihn und darauf, dass Rubinia Redcliff ihn an die Royal Academy of Music nach London empfehlen wollte. Das ist der Ritterschlag für einen Musiker (weiß ich von Tante Clarissa). Seit Jahren sparte Finn jeden Cent für London, wie sein Vater mit stolzgeschwellter Brust jedem Besucher seines Pubs, dem Smuggler’s Rest, erzählte. Denn Finn wollte nur eins: Klavier spielen und darin immer besser werden.

Als der letzte Ton verklungen war, drang Rubinias Stimme aus dem offenen Fenster: »Sehr schön, Finn, du machst Fortschritte!«

»Dann schreiben Sie heute die Empfehlung für mich an die Royal Academy of Music

Auf Finns hoffnungsvolle Frage folgte eine lange Pause. Eine zu lange Pause, wie ich fand.

»Nein, Finn, ich denke nicht.«

Was? Ich riss die Augen auf. Das konnte sie doch nicht machen!!

Nicht, dass ich gejubelt hätte, wenn Finn tatsächlich nach London ans Konservatorium ginge, aber es war doch sein großer Traum. Außerdem wusste ich, dass Rubinia Redcliff ihm das Empfehlungsschreiben schon letztes Jahr versprochen hatte.

»Aber … warum? Ich … ich … verstehe Sie nicht«, stammelte Finn jetzt mit zitternder Stimme.

»Du bist in der Tat außerordentlich talentiert, Finn. Du bist ehrgeizig. Du machst Fortschritte. Du übst. Aber glaubst du ernsthaft, dass das reicht?«, schnappte Rubinia herzlos. »Sieh mich an! Mir hat niemand geholfen. Ich musste meinen Weg ganz alleine gehen, ohne dass mir irgendwer die Tür zur Londoner Academy geöffnet hätte. Es war ein steiniger, beschwerlicher Weg voller Entbehrungen. Gespickt mit Enttäuschungen, Niederlagen und nagenden Selbstzweifeln. Ich musste große Opfer bringen, das kannst du mir glauben. Eine Karriere wie meine bekommt man nicht geschenkt. Diese ganzen Erfahrungen sind wichtig für die Entwicklung eines Künstlers. Ein Künstler muss leiden, er muss Enttäuschungen ertragen lernen, um zu wachsen und das höchste Maß an Kunst zu erreichen. Daher ist es nur zu deinem eigenen Besten, wenn wir die Sache mit der Akademie vergessen. Ist es nicht viel schöner, wenn du es vielleicht eines Tages ohne fremde Hilfe dorthin schaffst?«

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wie konnte diese Hexe so grausam zu Finn sein?

»Das ist nicht fair, Mrs Redcliff. Ich übe Tag und Nacht!«, rief Finn fassungslos. »Mrs Redcliff, bitte, Sie haben es mir aber doch versprochen!«

Der Rest ging im Gebell von Dorothys Hunden unter. Schwanzwedelnd und kläffend rasten sie über das Nachbargrundstück und sprangen am Gartenzäunchen hoch, um den Briefträger zu begrüßen, dessen klappriger Postbus die Straße verpestete. Daumen und Zeigefinger fest auf die Nasenflügel gedrückt, quetschte sich Dorothy mitsamt ihrem Fahrrad an dem Bus vorbei. »Deine Tante hatte wie immer recht, Amylein!«, brüllte sie mir über den Motorlärm entgegen. »Mein Rad lehnte vor der Tierarztpraxis. Dieser Schlingel hat es sich doch echt gemopst!«

»Prima!« Ich tat alles, um irgendwie ein Lächeln zustande zu bringen. Aber wie sollte mir das gelingen, wo mich das Mitleid für den armen Finn fast zerriss? Wahrscheinlich ist das nicht so wirklich miteinander zu vergleichen, und trotzdem musste ich an den Schal denken, den ich letztes Jahr für Tante Clarissa gestrickt hatte. Er sollte ein Weihnachtsgeschenk werden, weil sie doch immer so schnell friert. Ich hatte mir so eine Mühe gegeben und richtig teure, kuschelige Wolle gekauft. Ich will nicht angeben, aber er sah fast wie gekauft aus. Bis zu dem Tag, an dem er aus meiner Tasche in die Pfütze auf der Straße gefallen ist und bestimmt fünf Autos darübergefahren sind, bevor ich ihn mir schnappen konnte. Er war völlig ruiniert. Aus der Traum! So wie ich mich damals gefühlt habe, so fühlte sich jetzt bestimmt auch Finn. Wahrscheinlich sogar noch viel schlimmer.

Plötzlich fuhr ich auf dem Absatz herum. Wo war er eigentlich? Noch im Haus? Nein, sein Fahrrad lehnte nicht mehr an der Mauer! Er war weg. Wie ein tonnenschwerer Stein plumpste mein Herz in meinen Magen. Jetzt hatte ich auch noch meine Chance verpasst! Aber wahrscheinlich wäre der Zeitpunkt eh ungünstig gewesen.

Statt seiner stand mit verschränkten Armen Rubinia Redcliff schräg hinter mir. Ihre langen roten Haare loderten in der Sonne wie Höllenfeuer. Man konnte über Rubinia Redcliff sagen, was man wollte, aber sie war immer totschick gekleidet. Minikleid und High Heels gehörten zu ihrer Standardausrüstung. Heute hatte sie sich für ein stahlblaues Kleid mit Blumenmotiv entschieden. Sie war wirklich eine Schönheit! Ein Teufel in Engelsgestalt.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich Sie und Ihre gemeingefährlichen Köter leid bin, Mrs Pax. Ich bitte Sie ein allerletztes Mal, etwas gegen dieses Gekläffe zu unternehmen, oder ich muss mich selber darum kümmern!« Ihre Stimme schnitt durch die Luft wie ein chirurgisches Skalpell durch Butter.

»Soll ich Ihnen mal sagen, was Sie mich können?«, schnaubte Dorothy wenig damenhaft. Dabei pustete sie sich eine graue Haarsträhne aus dem Gesicht. »Das Geklimper Ihrer Schüler ist auch nicht immer die wahre Freude!«

Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten. Ich finde es unerträglich, wenn Menschen sich anschreien. Man kann doch über alles reden, solange man freundlich bleibt. Finde ich.

»Sind Ihre Hunde etwa bissig?«, mischte sich jetzt der Briefträger alarmiert ein.

»Bissig ist gar kein Ausdruck. Blutrünstig sind diese Bestien!«, behauptete Rubinia boshaft und warf ihr Haar über die Schulter. Dorothy verschlug es glatt die Sprache. Ihr Mund klappte auf, während ihre Augen mich Hilfe suchend ansahen. Aber anstatt zu sagen, dass das nicht stimmte und dass die Hunde zwar laut, aber total lieb waren und dass Rubinia Redcliff sie einfach nur nicht ausstehen konnte, schaute ich zu Boden. Ich weiß, dass das feige war, aber ich bin eh nicht die Forscheste, und meine Klavierlehrerin, die hatte so etwas an sich, dass ich mir in ihrer Gegenwart immer vorkam wie eine winzig kleine Maus, die vor einem mächtigen Löwen hockt.

»Wenn das so ist, Mrs Pax, bin ich nicht verpflichtet, Ihnen weiterhin Ihre Post zuzustellen. Ab morgen holen Sie sie bitte selbst bei der Poststelle ab!«, informierte der Briefträger sie im Geschäftston. Mit einem gezielten Griff zog er mehrere Umschläge aus seiner großen schwarzen Tasche und reichte sie mit weit ausgestreckten Armen an die beiden Streithühner weiter. »Einen schönen Tag noch!« Kopfschüttelnd kletterte er in seinen Postbus und tuckerte in die nächste Seitenstraße.

»Und worauf wartest du?«, schnaubte mich Rubinia Redcliff an. Sie bohrte mir den Zeigefinger in den Rücken und schob mich durch das Gartentörchen auf den schmalen Kiesweg, der gesäumt von Rosenstöcken und Hortensien zu ihrer Haustür führte.

»Geh schon mal vor. Tonleitern üben«, raunte sie geistesabwesend, während sie im Gehen ihre Post durchblätterte. Ich nickte.

Rubinias Haus war alles andere als ein typisches englisches Cottage. Gemütlichkeit? Fehlanzeige! Hier war alles modern, sachlich, funktional, grau oder weiß. Genau deshalb stachen mir die quietschbunten Gegenstände auf der Küchentheke sofort ins Auge. Eine große farbenfrohe Keramikschale, in der drei mit bunten Glitzersteinen besetzte Holzelefanten und ein goldfarbener Buddha lagen. Daneben entdeckte ich ein aufgeschlagenes, in rotes Leder gebundenes Buch. Mit der Schriftseite nach unten, ganz so, als ob Mrs Redcliff eben noch darin gelesen hätte. Zwischen manchen Seiten lugten alte Fotografien, Karten und Zeichnungen hervor. Ich konnte nicht anders. Ich nahm es in die Hand und drehte es vorsichtig um.

Hinter meinem Rücken fiel die Haustür ins Schloss. Schritte näherten sich und verharrten im Flur. Papier, wahrscheinlich ein Briefumschlag, zerriss. Ich warf einen Blick über die Schulter. Rubinia Redcliff war nicht zu sehen. Ich kann gar nicht genau sagen, was mich dazu trieb, meine Nase in dieses Buch zu stecken. Denn eigentlich ist mir Privatsphäre heilig, und dass das hier kein Buch für jedermann, sondern ein sehr privates Tagebuch war, verriet die krakelige Handschrift auf dem vergilbten und fleckigen Papier sofort.

Thailand ist das schönste Land der Welt und diese Insel ist unglaublich!, las ich.

So friedlich. So frei. So ursprünglich.

Palmen, Mangroven, schillernde Farben, kristallklares Meer, weißer, unberührter Strand.

Ich bin auf eine Gruppe Seelenverwandter gestoßen. Leute, die genau wie ich rauswollten aus dem konventionellen Spießerdasein. Sie haben sich hier, fernab der großen Städte, in Einheit mit der Natur ein einfaches Leben aufgebaut. Ihren Frieden finden sie in den Lehren Buddhas.

Sie wohnen in simplen Holzhütten, die sie mit ihren eigenen Händen erbaut haben. Mit offenen Armen haben sie mich bei sich aufgenommen und eingeladen, bei ihnen zu bleiben und Teil ihrer Gemeinschaft zu werden.

Ich betrachtete das Tagebuch genauer. Sonne, Salzwasser und Wind hatten den roten Ledereinband gegerbt und brüchig werden lassen. Vorsichtig schlug ich die erste Seite auf:

Tagebuch von

Butterfly Redcliff

Thailand 196…

Da, wo hinter der Sechs mal eine Zahl gestanden haben musste, war jetzt nur noch ein verwaschener Tintenfleck.

Butterfly Redcliff? Ob das Rubinia Redcliffs Mutter war?

Mit schnellen Fingern blätterte ich vor und blieb an einer Stelle hängen.

Oh mein Gott, ich liebe ihn, ich liebe ihn, ich liebe ihn!!!

Ich habe keine Ahnung, woher er kommt, wer er ist, was er vor seiner Zeit in Thailand gemacht hat … und es ist mir auch völlig egal! Er ist so wunderbar! Wir sind eins, wir gehören zusammen. Hier fragt keiner nach dem Woher oder Wohin. Namen, Identitäten, alles Schall und Rauch. Jeder ist der, der er ist. Und Harry ist atemberaubend!!!

»Was erlaubt der sich! Dieses Früchtchen!«, fauchte Rubinia plötzlich erschreckend nah. »Der wird mich noch kennenlernen!« Blitzschnell legte ich das Buch auf seinen Platz zurück. Keine Sekunde zu früh. Denn genau jetzt fegte meine Klavierlehrerin wie ein Wirbelsturm ins Wohnzimmer.

»Wieso höre ich keine Tonleitern?«, schnappte sie, als sie neben mich trat, über die Anrichte griff und nach dem Telefon fischte.

»Ich … ich …«

»Du bewunderst den alten Kram von meiner Mutter«, sagte sie und ließ den Brief in ihrer Hand kurz sinken. »Schrecklicher Kitsch, aber sie hat nun mal daran gehangen. In ihrer Jugend ist sie unter die Hippies gegangen, ist nach Thailand gereist, um ihren Geist zu erweitern und sich selbst zu finden, irgend so ein ausgemachter Blödsinn. Das haben damals viele gemacht. Als sie vor ein paar Wochen im Pflegeheim verstorben ist, musste ich ihr Zimmer leer räumen. Eigentlich gehört der ganze Quatsch in den Müll.« Sie zuckte mit den Schultern.

Erschrocken schaute ich sie an. Ihre Mutter war gestorben. Davon hatte sie kein Wort erwähnt, angemerkt hatte man ihr auch nichts. Dazu fiel mir nur ein Wort ein: Eiskönigin!

»Das hätte ich direkt erledigen sollen«, raunte sie, während sie auf der Suche nach einer eingespeicherten Nummer auf dem Telefon herumdrückte. »Blödsinnige Sentimentalität! Na ja, ihr Tagebuch wollte ich wenigstens noch lesen, bevor ich es wegwerfe. Es enthält aber nicht mehr als das übliche romantische Geschwafel und die weltverbesserischen unrealistischen Ideen einer jungen Frau.«

Butterfly Redcliff, die sich in Thailand so unsterblich verliebt hatte, war also tatsächlich ihre Mutter gewesen. Unauffällig schielte ich auf das Buch. Ich wollte keine Tonleitern üben, ich wollte wissen, wie es mit Butterflys großer Liebe Harry und ihr weitergegangen war. Dazu muss ich was erklären. Ich liebe Liebesgeschichten!!! So wie Tante Clarissa Krimis verschlingt, schmökere ich alle Bücher und suchte alle Filme, die etwas mit Liebe zu tun haben. Aber um das kurz klarzustellen … Ich mag nur die Geschichten mit Happy End. Die beiden müssen sich kriegen und glücklich werden bis ans Ende ihrer Tage. So stelle ich mir eine richtige Lovestory vor. Deshalb lese ich auch immer den Schluss zuerst. Ich schmelze dahin, wenn sich das Liebespaar endlich bekommt. Gibt es etwas Schöneres? Seufz! Und seitdem es Finn in meinem Leben gibt … na ja … das kann sich wahrscheinlich jetzt jeder denken … seitdem haben die Protagonisten in meiner Vorstellung natürlich mein und Finns Gesicht. Ob ich wohl auch mal so etwas unfassbar Romantisches über Finn und mich schreiben würde, wie Butterfly es über sich und Harry geschrieben hatte?

Dass wir zusammengehörten und …

»Genug geschwatzt. Tonleitern, Amy. Ich habe zwar keine großen Hoffnungen, was dich und das Klavier angeht, aber ich habe deiner Großtante versprochen, aus dir das rauszuholen, was mit Fleiß und Arbeit rauszuholen ist«, riss mich Rubinia Redcliff brutal aus meinen Gedanken. Offensichtlich hatte sie die gesuchte Nummer gefunden. Sie drückte entschlossen einen Knopf und presste sich den Hörer ans Ohr. Dabei donnerte sie das Schreiben auf die Anrichte und strich es glatt. Kurz bevor sie es wieder an sich nahm, konnte ich einen Blick auf die oberste Adresszeile werfen. Royal Academy of Music stand da in geschwungenen Buchstaben. Sofort musste ich an Finn denken und an die Gemeinheit, die Rubinia Redcliff ihm angetan hatte. »Worauf wartest du noch?«

Ich konnte das Freizeichen hören. Wäre ich doch nur etwas mutiger gewesen, dann hätte ich mir nicht auf die Lippe gebissen und kleinlaut alles, was ich gerne gesagt hätte, runtergeschluckt. War ich aber nun mal leider nicht, weswegen ich mich mit einem stummen Nicken und einem gewaltigen Kloß im Hals in Richtung Klavier in Bewegung setzte.

»Rubinia Redcliff!« Jede Silbe ein Skalpellschnitt, meldete sie sich am Telefon und verschwand in ihr Büro, das neben der Haustür lag. Die Tür fiel ins Schloss. Ich hörte nichts mehr.

Morgen würde Finn sie Lügen strafen und allen zeigen, was für ein Genie er am Konzertflügel war. Und ich, ich brauchte einen neuen Plan …

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Endlich war der Samstag da! Endlich! Pünktlich auf die Minute rumpelten Tante Clarissa und ich mit Percy auf meinem Schoß in unserem mit Kuchen, Scones, Pies, Tees und Backzutaten beladenen Transporter in Richtung Ashford House. Andrew war mit seinem Wagen schon vorgefahren, weil einer der Kühlschränke am Stand muckte. Ich seufzte glückselig und lehnte meinen Kopf an das kühle Seitenfenster, schaute hinaus in den wunderschönen Sommertag, der über der Bucht und unserem Dorf aufblühte, und ging im Kopf noch mal meinen geheimen Finn-Plan durch, den ich gestern Nacht mit Percy ausgearbeitet hatte.

Ich würde eine gute Gelegenheit abpassen. Dann würde ich ihn einfach ansprechen (einfach? Puh!) und ihn zu meiner mit einer Extraportion Liebe für ihn gebackenen Schokomousse-Erdbeer-Torte und einer schönen Tasse Tee (oder worauf er Lust hatte) einladen. Bei der Vorstellung begann mein Herz wie wild zu pochen. Ich schlang die Arme um Percy.

»Percy, soll ich das wirklich machen?«, flüsterte ich ihm zu.

Percy weiß ganz genau, wie er böse Geister vertreiben kann. Er schleckte mir mit seiner rauen Zunge übers Gesicht. »Klar, du schaffst das!«, hieß das.

Wenn ich über dieses dämliche Hallo einmal in der Woche hinauskommen wollte, dann blieb mir gar nichts anderes übrig.

Also gut, vor meinem inneren Auge sah ich, wie Finn und ich uns mit Kuchen und Tee irgendwo hinsetzten, abseits von den anderen, und uns unterhielten. Zum ersten Mal! Und Finn würde sich auf der Stelle in mich verlieben. Oh, ja, das würde er. Zum einen wegen meiner Torte, denn Tante Clarissa sagt immer: »Liebe geht durch den Magen!«, und zum anderen, weil ich mich heute extra hübsch gemacht hatte. Hundertmal war ich mit der Bürste über meine Haare gegangen, damit sie richtig schön glänzten. Ich hatte vorsichtig Wimperntusche und gaaanz dezent Lippenstift aufgetragen.

»Der Park sieht ja aus wie eine Hollywood-Kulisse!«, staunte Tante Clarissa genau in dem Moment, in dem Finn mich in meinem Tagtraum in die Arme schloss. Seine Lippen kamen näher und …

»Amy, schau doch!«

Ich würde wohl nie erfahren, ob er mich geküsst hätte oder nicht.

»Ja, ganz toll!«, knurrte ich mit wenig Begeisterung. Was ziemlich ungerecht war, denn Park und Herrenhaus wirkten in der Tat, als seien sie einer Rosamunde-Pilcher-Filmszene entsprungen. Nicht, dass mich jetzt irgendjemand falsch versteht. Ich hatte mich riesig auf die Fünfhundertjahrfeier gefreut. Echt. Und die ganzen Buden, Zelte und Stände, die Pony-Manege und das Karussell, das prächtige Herrenhaus aus dem sechzehnten Jahrhundert, all das sah auch mega aus, aber … na ja … was soll ich sagen … mir war ein Tagtraumkuss mit Finn entgangen!

Tante Clarissa warf mir aus den Augenwinkeln einen ihrer forschenden Blicke zu. Einen von der Sorte, mit der sie früher ihren Schülern jedes Geständnis entlockt hatte. Deshalb war es besser, starr geradeaus zu gucken und Percy ausgiebig unter dem Kinn zu kraulen. Tante Clarissa hatte unter Garantie Verdacht geschöpft (ich schminke mich sonst nie!!!) und den brauchte sie jetzt nicht auch noch auf meiner Stirn bestätigt zu finden.

»Du siehst heute im Übrigen sehr hübsch aus!«, bemerkte sie bloß, als sie den Wagen zum Stehen brachte und den Zündschlüssel abzog. »Das Sommerkleid steht dir gut!«

Wer es glaubt, wird selig. Aber, oh mein Gott, hoffentlich fand Finn das auch!!!

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Halb zehn. In einer halben Stunde würde auf der Bühne hinter dem Herrenhaus das Festprogramm starten. Ob Finn wohl schon hier war? Halb Ashford wuselte durch den Park und legte letzte Hand an. Andrew kam uns mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht aus dem Little Treasures-Stand entgegen. Demnach hatte er den Kühlschrank zum Laufen gebracht.

Tief sog ich die verheißungsvoll duftende Sommerluft ein. Es war ein wunderschöner Tag und er würde noch viel, viel schöner werden. Das wusste ich einfach!!!

»Das denkst du doch auch, Percy, oder?«, raunte ich ihm verschwörerisch zu, worauf Percy bestätigend bellte.

Was konnte da noch schiefgehen? Ich hatte ja nicht die leiseste Ahnung, wie der Tag wirklich verlaufen sollte. Deshalb hüpfte ich gut gelaunt aus dem Transporter, um meiner Tante und Andrew beim Ausladen zu helfen.

»Zappel doch nicht so!«, ermahnte mich Tante Clarissa leise. Wir saßen im blühenden Park von Ashford House, mitten in der zweiten Stuhlreihe mit gutem Blick auf die Bühne, und ich hielt die Spannung einfach nicht mehr aus. Es war noch schlimmer als das Warten auf den Weihnachtsmorgen, wenn man sechs Jahre alt ist. Immerhin verhallten gerade die letzten Töne des Kirchenchorgesangs und Bürgermeister Bennett kraxelte die fünf Stufen zur Bühne hinauf. Umständlich faltete er einen unheilverkündend dicken Stapel Blätter auseinander, glättete ihn auf dem Rednerpult, zog mit einem Räuspern seine Brille hervor und setzte mit getragener Stimme an: »Lady und Lord Ashford, liebe Einwohner von Ashford-on-Sea, liebe Gäste, wir alle haben uns heute hier versammelt, um einen ganz besonderen Tag zu feiern …«

Um mich irgendwie zu beschäftigen, ließ ich meinen Blick über die Fassade des imposanten Steingebäudes gleiten. Bei zwanzig gab ich es auf, die Fenster zu zählen. So viel steht fest: Es waren richtig viele Fenster, auf deren blank geputzten Scheiben sich das Sonnenlicht spiegelte. Zig Fenstertüren, die jetzt offen standen und in denen die weißen Gardinen bei jedem zarten Windhauch tanzten. Oben auf dem Dach kündeten unzählige Kamine davon, wie viele Räume dieses Gebäude beherbergte. (O. k., die konnte ich von meinem Platz aus nicht alle sehen, aber ich wusste, dass sie da waren.) Viel zu viele Räume für nur zwei Bewohner. Lord und Lady Ashford sind kinderlos, und da sie schon weit über siebzig sind, werden die Ashfords wohl eines Tages mit ihnen aussterben. Irgendwie traurig. Fünfhundert Jahre lang hatten die Ashfords ihre schützende Hand über Ashford House, die Ländereien und den Ort gehalten. Wer weiß, wie lange das noch so sein würde …

Zaghaft, um Tante Clarissa nicht zu stören, drehte ich den Kopf. Soweit ich gucken konnte, gehörte jeder Grashalm, jede Blume, jeder Baum, jede Hecke, jedes Wäldchen und jeder Kieselstein auf den ordentlich gerechten Wegen Seiner Lordschaft und seiner Frau.

Höflicher Applaus. Ich drehte mich wieder zur Bühne um.

Der Bürgermeister nickte huldvoll, während er seinen Blätterstapel zusammenfaltete und unserem Gastgeber Platz machte. Lord Ashford sah genau so aus, wie man sich einen Lord vorstellt. Trotz der hochsommerlichen Temperaturen trug er Anzug, Weste und Krawatte. Ich fand immer, dass er mit seinem lieben, aristokratischen Gesicht, den braunen Dackelaugen und den schlohweißen, kurzen Haaren wirkte wie ein herzensguter Großvater. Zum Glück fasste er sich deutlich kürzer als der Bürgermeister. Dafür hatte es das Gedicht, das vier Schüler in der blau-roten Schuluniform der Ashford Primary School artig vortrugen, in sich. Ihre Lehrerin hatte es auf die Familie Ashford und die Dorfgeschichte gedichtet. Stinklangweilig und von Reimen keine Spur.

Mittelalterliche Folter war das!

Wann würde Finn denn endlich auftreten? Percy schien diese Frage nicht so sehr zu beschäftigen. Von der ersten Sekunde an schnarchte er gemütlich zusammengerollt unter meinem Stuhl.

Eeeeendlich hatte die Qual ein Ende. Die Schüler gingen mitsamt ihrer Lehrerin von der Bühne. Ich richtete mich auf. Meine Hände waren schweißnass und dabei eiskalt. Mein Herz begann zu rasen wie ein Formel-Eins-Wagen, aber ich versuchte ruhig zu bleiben. Oh Gott, oh Gott, oh Gott!!!! Es war so weit. Der schwarz lackierte Konzertflügel wurde vom hinteren Bereich der Bühne in die Mitte geschoben. Lady Ashford stieg in einem eleganten beige-weißen Kostüm und ziemlich hohen Schuhen die Stufen zur Bühne hinauf. Immer wenn ich sie sah, musste ich an Audrey Hepburn denken. (Schauspielerin. Bild-, bildschön. Berühmteste Filme: Frühstück bei Tiffany, Sabrina, Charade. Unbekannt? Googeln!!!) Sie war genauso zierlich und zerbrechlich, genauso hübsch und von genauso vollkommener Eleganz. Natürlich waren ihre Haare nicht mehr schwarz, sondern von einem edlen Grau mit wenigen blassschwarzen Strähnen.

Mit strahlenden Augen schenkte sie uns ein Lächeln. Jetzt würde sie Finn ankündigen. Ich biss mir auf die Unterlippe und fing schon mal mit dem Daumendrücken an. Aber nur mit der linken Hand. Rechts bringt Unglück! Ich wünschte Finn so sehr, dass er sich heute selbst übertraf. Damit die blöde Rubinia gar nicht mehr anders konnte, als ihn doch zu empfehlen.

»Mein Mann und ich freuen uns über alle Maßen, Ihnen jetzt …«

Ich reckte den Kopf.

»… die weltweit gefeierte Rubinia Redcliff anzukündigen.«

Waaas? Ich ließ meinen Daumen los. Wieso denn die? Rubinia Redcliffs Auftritt sollte der Höhepunkt der Eröffnungsfeier sein. Nach ihr würde Finn bestimmt nicht mehr auftreten.

Fassungslos starrte ich Lady Ashford an.

»Rubinia Redcliff, die in den berühmtesten Konzerthäusern der Welt neue Maßstäbe gesetzt hat, die sogar mit Horowitz verglichen wurde und die seit vielen, vielen Jahren ein geschätztes Mitglied unserer Dorfgemeinschaft ist. Bitte begrüßen Sie mit mir die unvergleichliche Rubinia Redcliff!«

Applaus brandete auf, aber ich hörte ihn kaum. Warum fiel Finns Beitrag aus? Diese Frage rauschte mir in den Ohren und übertönte alles, Rubinias Spiel und auch Lord Ashfords Dankesrede, doch dann sagte er zwei Worte, die mich aufhorchen ließen: Finn Pears.

»… sollte heute auch für uns spielen und wir bedauern es wirklich sehr, dass er wegen einer Erkrankung absagen musste. Wir wünschen ihm von hier aus baldige Genesung.«

Er war krank geworden? Echt jetzt?! Gestern war er doch noch kerngesund gewesen! Das bedeutete ja, das bedeutete … dass er heute gar nicht mehr kommen würde. Ich sackte in mich zusammen. Mein Plan, meine Torte, mein neues Kleid …

Was für ein mieses Karma!

Kann sich einer vorstellen, wie niedergeschmettert ich war?

Schlimmer konnte dieser Tag gar nicht mehr werden. Das dachte ich zumindest. Ich Schaf.

»Wir haben erbauliche Beiträge gehört, musikalische und lyrische, und nun ist es Zeit für Spaß und Spiel und kulinarische Genüsse. Bevor ich jetzt unsere Fünfhundertjahrfeier zur Gründung von Ashford-on-Sea für eröffnet erkläre, noch ein warnender Hinweis. Wie allen bekannt ist, haben wir es dieses Jahr mit einer Kaninchenplage zu tun. Leider scheint der größte Teil der niedlichen Nager den Park von Ashford House zu seinem Zuhause erklärt zu haben. Kurzum, obwohl unsere Gärtner wirklich alles getan haben, um die Kaninchenlöcher zuzuschütten, waren unsere Mitbewohner über Nacht wohl wieder fleißig. Also, passen Sie etwas auf, wohin Sie treten! Und nun … genießen Sie unser kleines Fest! Und vergessen Sie unser traditionelles Tauziehen Ashford House gegen Ashford Village nicht. Es beginnt um zwei Uhr, sodass alle Teilnehmer vorher noch reichlich Zeit haben, sich in Mr Pears’ Zelt für den Wettkampf zu stärken …«

Lord Ashford erzählte noch etwas von einem Theaterstück über seinen Ahnherrn William Ashford und wie Henry VIII. ihm aus Dankbarkeit dieses Fleckchen Land geschenkt hatte, und das Feuerwerk als krönenden Abschluss der Feierlichkeiten erwähnte er auch.

Tja, das Feuerwerk! Darauf hatte ich mich auch gefreut!

HATTE!

Ein Unglück kommt selten allein, heißt es doch. Und genau an den Spruch hätte ich mal denken sollen, als ich glaubte, dass es nicht mehr schlimmer werden könnte. Denn plötzlich zischte eine Frauenstimme wie eine Viper …

»Ich hasse dich, Rubinia!«

Rubinia Redcliff blieb auf ihrem Weg von der Bühne mitten auf den Stufen stehen und schaute sich um. Endlich verharrte ihr Blick irgendwo im Publikum. Ich folgte ihm und entdeckte eine unscheinbare, sehr zierliche Frau. Im Vergleich zu der schillernden Rubinia Redcliff sah sie aus wie ein graue Maus.

»Sarah? Sarah Dunn? Großer Gott, bist du das etwa?« Ungläubig zog Rubinia die Augenbrauen hoch. Es war mucksmäuschenstill geworden. Selbst die Möwen über dem Meer hatten aufgehört zu kreischen.

»Erraten«, schnaubte die Frau. »Kannst du dir denken, warum ich hier bin?«

»Nein. Und es interessiert mich auch nicht im Geringsten!«, schnappte Rubinia und bettete den schönen Rosenstrauß, den Lord Ashford ihr eben zum Dank überreicht hatte, vom rechten auf den linken Arm.

»So. Kannst du nicht!« Die Frau arbeitete sich in Richtung Bühne vor. »Ich erwarte eine Entschuldigung für das, was du mir mit diesem BBC-Interview angetan hast. Sarah Dunn wird hoffnungslos überschätzt. Sie ist nicht mehr als eine drittklassige Cellistin. Ich würde mich weigern, mit ihr zu konzertieren. Du wusstest ganz genau, was du damit anrichten würdest. Ein Wort von der großen Rubinia Redcliff kann einen Musiker in den Himmel oder in die Verdammnis katapultieren. Ich bin in der Hölle! Niemand will mich mehr engagieren. Unbedeutende Provinzorchester sind die einzigen, die mich noch buchen!« Mühsam kämpfte diese Sarah Dunn gegen die Tränen an. Sie stand jetzt auf Armeslänge von Rubinia entfernt, die von der dritten Stufe aus verächtlich auf sie herabblickte.

»Warum hast du auf meine Anrufe nicht geantwortet? Auf meine Mails?«

Ungerührt zuckte Rubinia Redcliff die Schultern. »Ich habe keine Zeit für Versager, Sarah!«

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Da, wo andere Leute ein Herz hatten, musste sie einen Stein haben.

»Was für ein Engelchen unsere gute Rubinia doch ist«, raunte Tante Clarissa ironisch.

Aus Sarah Dunns Augen sprühte der Hass. Wut und Verzweiflung und wahrscheinlich auch Enttäuschung ließen ihren Körper beben.

»Ich könnte dich umbringen, Rubinia, du Miststück!«, stieß sie hervor, und die Art, wie sie das tat, machte mir richtig Angst. Percy spürte das und stupste mit seiner Schnauze gegen mein Knie. »Keine Sorge, ich bin bei dir und passe auf dich auf«, signalisierte er mir damit. Mein Percy!

»Ach, Sarah! Wir wollen doch jetzt nicht nach den Sternen greifen. Selbst dazu wärst du doch zu unfähig!«, lachte Rubinia bittersüß auf. Ich weiß, ich sollte nicht so fühlen, aber in diesem Moment hasste ich sie. Und zwar richtig. Sie hatte so eine kranke Freude daran, diese arme Frau vor Publikum zu quälen, dass es richtig ekelhaft war. Wahrscheinlich hatte es ihr gestern Nachmittag genauso einen Spaß bereitet, Finns Träume wie einen Käfer unter ihrem Absatz zu zerquetschen.

Um Sarah Dunn war es jetzt endgültig geschehen. Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht und rannte laut schluchzend auf das Zelt des Smuggler’s Rest zu.

Eine gefühlte Ewigkeit herrschte peinlich berührtes Schweigen. Nur zögerlich erhob sich leises Gemurmel. Ich glaube, die ganze Gesellschaft war so geschockt wie ich, bis auf Rubinia Redcliff. Im Vorbeigehen warf sie den Rosenstrauß achtlos auf einen der Stühle und hielt zielstrebig auf einen livrierten Kellner zu, der auf einem Silbertablett teure Gläser mit perlendem Sekt balancierte. Die arme Frau vor aller Augen so zu demütigen, hatte sie in absolute Hochstimmung versetzt. Diese Schreckschraube, diese eiskalte Eiskönigin, diese Sadistin!