image

Inhalt

Prolog

Kapitel I.

Kapitel II.

Kapitel III.

Kapitel IV.

Kapitel V.

Kapitel VI.

Kapitel VII.

Kapitel VIII.

Kapitel IX.

Kapitel X.

Kapitel XI.

Kapitel XII.

Kapitel XIII.

Kapitel XIV.

Kapitel XV.

Kapitel XVI.

Kapitel XVII.

Kapitel XVIII.

Kapitel XIX.

Kapitel XX.

Kapitel XXI.

Kapitel XXII.

Kapitel XXIII.

Kapitel XXIV.

Kapitel XXV.

Kapitel XXVI.

Kapitel XXVII.

Kapitel XXVIII.

Kapitel XXIX.

Kapitel XXX.

Kapitel XXXI.

Kapitel XXXII.

Kapitel XXXIII.

Kapitel XXXIV.

Kapitel XXXV.

Kapitel XXXVI.

Kapitel XXXVII.

Kapitel XXXVIII.

Kapitel XXXIX.

Kapitel XXXX.

Kapitel XXXXI.

Kapitel XXXXII.

Kapitel XXXXIII.

Kapitel XXXXIV.

Kapitel XXXXV.

Kapitel XXXXVI.

Kapitel XXXXVII.

Kapitel XXXXVIII.

Kapitel XXXXIX.

Kapitel XXXXX.

Kapitel XXXXXI.

Kapitel XXXXXII.

Epilog

Rolf D. Sabel

Die Pilatus-Verschwörung

Das dunkle Geheimnis
von St. Pantaleon


Roman

Für Michael

und für alles, was er mir bedeutet





© 2006 R. Brockhaus Verlag Wuppertal

Umschlaggestaltung: Horst Klatt, Bielefeld

Satz: Punkt für Punkt GmbH, Düsseldorf

Druck: FINIDR s.r.o., Tschechien


ISBN: 978-3-417-24936-1 (Print)

ISBN: 978-3-417-21010-1 (e-Book)

Bestell-Nr.: 224 936

Ich freue mich,
freut ihr euch auch!



Papst Johannes Paul II. im Angesicht des Todes

Prolog

November des Jahres 355 n.Chr.



Der Mond hat sich fast völlig hinter die schwarz aufgetürmten Wolken zurückgezogen, die Unheil kündend aus dem Osten nahen. Obwohl die Wasseruhr erst die neunte Stunde anzeigt, umgibt nachtgleiche Dunkelheit den abgelegenen Gutshof, der südwestlich vor den Toren der römischen Provinzstadt Colonia Claudia Ara Agrippinensium liegt.

Die Felder ringsum liegen verlassen da, kein Sklave, der arbeitet oder die unruhigen Tiere in ihre Stallungen treibt, kein Verwalter, der sich mit wachem Blick um das Eigentum seines Herrn sorgt.

Die ersten Regentropfen prasseln in unbarmherzigen Schauern nieder, als ein Reiter sich in eiligstem Galopp dem Gehöft nähert. Angst und Entsetzen scheinen den Hufschlag des schweißnassen Pferdes zu beflügeln, immer wieder blickt der Reiter wie von Teufeln gehetzt zurück.

Endlich hat er den Gutshof erreicht. Atemlos springt der Mann vom Pferd, wirft den Zügel achtlos zu Boden und läuft ins Haupthaus. Die Dienerin, die gerade zur Küche will, sieht er nicht, stößt er rau beiseite. Das Klirren fallender Gläser und Karaffen dringt durch das ganze Haus.

»Herr«, ruft er keuchend, als er das Atrium erreicht hat, »Herr, sie kommen!«

Gnaeus Solvenius, der alte Gutsherr, blickt seinen Verwalter verständnislos an.

»Fasse dich, Arax. Wer kommt, und warum bist du so außer Atem?«

»Sieh nur, wie du den Fußboden verschmutzt hast«, ergänzt die Herrin des Hauses in strengem Ton. »Und Maximia hast du auch umgestoßen!«

Aber Arax achtet nicht auf den Tadel, sein Gesicht ist von Furcht verzerrt.

»Die Franken! Sie sind da. Und nicht nur Franken. Man hat auch Alemannen und Sachsen mit ihnen gesehen. Sie haben den Rhenus östlich der Stadt überquert und nähern sich unaufhaltsam. Es sind Tausende, bewaffnet bis an die Zähne. Den Hof des Orosius sollen sie schon in Brand gesteckt haben, niemand hat überlebt!«

Klirrend fällt das Weinglas zu Boden, das Solvenia eben noch in der Hand gehalten hat.

»Die Franken, gütiger Gott, steh uns bei«, haucht sie tonlos. Wächserne Blässe überzieht ihr ältliches Gesicht.

Der Hausherr aber hat sofort begriffen.

»So bald schon? Wir müssen sofort in die Stadt fliehen, hinter ihren starken Mauern werden wir Schutz finden. Arimius! Tullia! Maximia!«

Sein Ruf gilt den Freigelassenen, die im Nebenzimmer erschrocken gelauscht haben.

»Packt sofort das Nötigste zusammen, was wir für die Flucht brauchen. Und dann lasst die beiden Kutschen anspannen. Solvenia, nimm nur das Wichtigste mit, wir haben kaum noch Zeit.«

»Aber mein Schmuck, meine Kleider, wie soll ich ...?«

»Was nutzen dir Schmuck und Gewänder, wenn dir ein fränkischer Dolch die Kehle durchschneidet? Geh und tu, was ich sage!«

Seine Stimme duldet keinen Widerspruch, und sofort erfüllt hektische Betriebsamkeit das Haus.

»Arimius, du folgst mir!«

Sein Befehl gilt einem würdigen Greis, der mit schreckgeweiteten Augen zugehört hat und nun eiligst die blaue Tunika über den klapperdürren Beinen zusammenrafft, um seinem ehemaligen Herrn zu folgen. Als Kind von zehn Jahren war er in das Haus des Solvenius gekommen, doch bald schon hatte er sich, wie die anderen, einer neu gewonnenen Freiheit erfreuen dürfen. Sechsundsiebzig Sommer hatte er erlebt und war darüber müde geworden.

Seine wenigen Haare waren silbrig geworden, Arbeit und Mühe hatten seine Kräfte aufgezehrt und tiefe Züge in sein schmales Gesicht gegraben. Die Taufe des ganzen Hauses war wahrscheinlich das wichtigste Erlebnis in dieser Zeit gewesen. Mehr als dreißig Jahre ist das schon her, und immer noch zaubert die Erinnerung an dieses Geheimnis Glanz auf seine ausgemergelten Züge.

»Träum nicht, Alter!« Die Stimme des Herrn ist fest und doch freundlich, fast liebevoll.

Eilig folgt der Alte seinem Herrn. Der Weg führt sie in die umfangreiche Bibliothek des Hausherrn. Hunderte von Schriftrollen ruhen in geordnetem Chaos auf den Regalen, viele mit bunten Bändern markiert, auf denen Titel und Autor stehen.

Mit einer knappen Geste deutet Solvenius auf eine Reihe von Schriftrollen, die auf seinem Schreibtisch liegen.

»Diese dort!« Sein Blick wandert weiter. »Nur diese acht mit den roten Bändchen, die nimm! Es sind mir die wichtigsten, Zeugnisse unseres Glaubens. Auf keinen Fall dürfen sie den heidnischen Franken in die Hände fallen. Wahrscheinlich würden sie sie für ihre Latrina benutzen. Nimm sie und stecke sie in die festen Lederrollen, nicht in die Holzbehälter. Dann bringst du sie in den Keller, wo die Amphoren stehen. Die hinteren beiden Amphoren sind leer und sauber. Versiegle die Rollen gut und verstecke sie in den Amphoren, je vier in ein Gefäß, dann versiegelst du die Gefäße ebenfalls. Über die Amphoren legst du Stroh und Holz. Mithilfe Gottes mögen sie den Ansturm der heidnischen Barbaren überleben. Wenn es uns vergönnt ist, hierhin zurückzukommen ...«

Er beendet den Satz nicht und wendet sich mit leerem Blick ab. Voller Wehmut streift er über die anderen Buchrollen, die er zurücklassen muss. Ein flüchtiges Kreuzzeichen, dann verlässt er den Raum, während sich Arimius sofort an die Arbeit macht.

Wie alle Gutshöfe dieser Zeit verfügt auch der Hof des Solvenius über eine Anlage von mehr als zwanzig Tonamphoren, die tief in den Boden des Kellers eingegraben sind. Hier, in der feuchten Kühle der lehmigen Erde, ruhen gewöhnlich Wein und Vorräte geschützt vor den Strahlen einer sengenden Sonne. Nun aber, im Winter, sind die Amphoren schon zum Teil leer, und so füllt der Alte zwei von ihnen in Windeseile mit den genannten Papyrusrollen, nachdem er sie sorgsam in Lederbeutel gesteckt und diese mit heißem Pech versiegelt hat. Er weiß, wie wichtig diese Schriften für seinen Herrn sind, seit der sich vor mehr als dreißig Jahren dem Glauben der Christiani angeschlossen hat. Einen Augenblick verharrt er, und seine Züge nehmen einen verklärten Ausdruck an. Der neue Glaube bedeutet ihm alles, erst recht jetzt, wo er wohl bald die letzte Wahrheit persönlich erfahren wird. Mögen auch die wenigen Freunde, die ihm die Zeit noch ließ, es mehr mit Teutates, Epona und den anderen alten keltischen Göttern halten, er weiß es besser.

Rasch verschließt er die Köpfe der Amphoren und bedeckt sie sorgsam mit Stroh und einigen Holzstücken. Er will sich schon abwenden, doch mit einem Male strafft sich seine dürre Gestalt. Er hat eine Entscheidung getroffen, und das feine Lächeln, das über die dünnen Lippen zieht, zeigt, dass es die richtige ist: Er wird diese wichtigen Schriftstücke nicht im Stich lassen. Er wird sie bewachen und, wenn es sein muss, mit seinem Leben verteidigen. Er setzt sich auf einen wackligen alten Stuhl und legt den Kopf auf die Arme. Auf den Tisch legt er eine Goldmünze, einen Solidus, seinen wertvollen Glücksbringer, den er vor Jahren mitten auf einem Acker gefunden hat. Seine Finger spielen mit dem silbernen Anhänger, den er um den Hals trägt. Arimius steht darauf, und sein Herr hat ihm dieses kleine Schmuckstück vor vielen Jahren zur Freilassung geschenkt, sein Herr, den er liebt und für den er alles tun würde. Und jetzt wird er die Rollen seines Herren vor den Barbaren schützen.

Aber wahrscheinlich werden die Heiden ihn im Keller gar nicht entdecken. Und wenn doch ...? Er steht auf und verschließt sorgsam die Kellerluke. Dann verkeilt er sie von unten mit einem schweren Stock. Und die da oben werden den alten Mann wohl kaum vermissen, zu beschäftigt sind sie damit, ihr eigenes Leben zu retten. Wenn sie zurückkommen, werden sie ganz schön überrascht sein, ihn hier zu finden. Dankbar werden sie ihm sein, wenn sie zurückkommen. Wenn sie zurückkommen ...

Aber die Familie wird nie mehr auf den Gutshof zurückkehren, der schon Stunden später unter dem infernalischen Geheul der Franken in Flammen aufgeht.

Seit der fränkische König Silvanus, der sich selbst zum Cäsar ausrufen ließ, nach üblem Ränkespiel auf Befehl von Constantius II. unter den Dolchen gedungener Mörder gefallen ist, haben die Franken den mächtigen Strom überschritten und befinden sich auf ihrem mörderischen Rachefeldzug. Und nun nähern sie sich mit Furcht erregendem Geschrei jener Stadt, die vor dreihundert Jahren unter Kaiser Claudius auf Drängen seiner Ehefrau Agrippina zur Provinzstadt erhoben wurde.

Golden noch glänzt auf den Stadttoren im rastlosen Fackelschein der Angreifer der Name der stolzen Stadt: CCAA.

Doch schon prallen die ersten Rammböcke auf das harte Holz der Tore ...

I.

Höre, Nachwelt, damit du weißt, wessen Zeilen du liest. Ich bin jener, durch dessen Urteil ein Mann zu Tode kam, vom dem viele behaupten, er sei der Sohn eines Gottes gewesen. Ob ich mit meinem Spruch gefehlt habe, mögest dereinst du oder ein gnädiger Richter entscheiden, ich weiß es nicht! Was ich tat, tat ich aus Pflichtüberzeugung gegenüber meinem Kaiser und meinem Volk.Und doch quält mich bei Tag und Nacht der Gedanke, ich könnte größte Schuld auf mich geladen haben, eine Schuld, die alles übertrifft, was Menschen bislang getan haben könnten, wenn es denn wahr ist. Was ist Wahrheit, habe ich einst den Gekreuzigten gefragt. Ich weiß es bis heute nicht!

Spätere Welten mögen über mich ein Urteil fällen, doch da vor jedem Urteil der Angeklagte sich rechtfertigen darf – so verlangt es das römische Recht –, vertraue ich diesem Papyrus alle wichtigen Dinge meines Lebens an, bis hin zu jenem schrecklichen Tag, an dem ich jenen Mann hinrichten ließ, der, wenn er auch nicht der Sohn eines Gottes gewesen sein mag, jedenfalls doch unschuldig war.

Freilich zittern meine Hände zu sehr, als dass ich selbst den Stilus führen könnte, denn neben dem Aufruhr des Geistes ist es die Kälte, die meine Finger lähmt, die Kälte jenes barbarischen Ortes, an den mich der grausame Spruch des Kaisers bannte. Oh, wie kann ich doch das Leid jenes trefflichen Dichters Ovidius nachempfinden, dem es ähnlich erging wie mir, wenn auch aus anderen Gründen. Doch will ich den Dingen nicht vorweggreifen.

So schreibt nun statt meiner mein treuer Freigelassener Pontillus, dem ich für seine treue Pflichterfüllung danke. Er war damals Zeuge des Geschehens und hat mir bis zum heutigen Tage treue Dienste geleistet, wofür ich ihm mehr Dank schulde, als der Herr es dem Diener gegenüber gemeinhin tut. So sei versichert, guter Pontillus, dass du durch die Unvergänglichkeit des Wortes in gleicher Weise in die Ewigkeit der Erinnerung eingehen wirst wie ich. Ob man sich unser freilich in guter Weise erinnern wird oder ob man unsere Namen verfluchen wird, das wird die Zukunft weisen.

So höre denn, Nachwelt, wie es zu jenem Spruch kam, der die Welt veränderte, wenn schon nicht die ganze, so doch zumindest meine. Und fasse dich in Geduld, denn damit du alles verstehst, muss ich vorne anfangen, ganz vorne.

So viel Unsinn ist über meine Herkunft verbreitet worden, so viele fabulae legendae ranken sich darum, dass ich damit aufräumen muss.

Denn es ist kaum ein halbes Jahr her, da wurde mir in Rom eine Geschichte über mich zugetragen, die Ekel und Erstaunen zugleich in mir weckte. Nach dieser Geschichte war ich der Sohn einer Müllerstochter namens Pila. Ich, der Spross eines alten Rittergeschlechts, Sohn einer Müllerstochter! Diese habe mich unehelich mit einem König namens Tyrus gezeugt, wer auch immer das gewesen sein soll. Nach ihrem Vater Atus habe sie mich Pilatus genannt. Aufgezogen worden sei ich dann am Hof meines königlichen Vaters zusammen mit dessen rechtmäßigem Sohn. Was für ein Unsinn! Aber höre weiter und siehe, wie weit eine unmäßige Fantasie einen geschwätzigen Menschen treiben kann. Da ich nun meinen Stiefbruder um seine Überlegenheit beneidete, brachte ich ihn um. Zur Strafe schickte man mich als Geisel nach Rom. (Welch eine Strafe!)

Dort – so will die Erzählung wissen – habe ich dann eine andere Geisel getroffen, einen Königssohn aus Gallien. Auch diesen habe ich aus Neid getötet, weshalb man mich ins Exil auf die Insel Pontus schickte. Dort habe ich als grausamer Tyrann die freie Bevölkerung unter die Herrschaft Roms gebracht und mir den Beinamen Pontius erworben.

Zur Belohnung für diese Leistung erhielt ich dann das Prokurat in der Provinz Judäa.

Ahnst du, Nachwelt, wie ich gelacht habe, als ich diese Geschichte über mich hörte? Und doch kreist sie um das Forum, und die Menschen dort saugen sie gierig auf.

Aber nichts davon ist wahr! Bei allen Göttern und auch dem einen, wenn er einer war, schwöre ich, dass dies der reine Unsinn ist und mit der Wahrheit nichts zu tun hat. Die ist nämlich anders, ganz anders.

Ich wurde an den Kalenden des Aprilis im Jahre 740 nach Stadtgründung geboren und trug den gleichen Namen wie mein Vater, Spross eines alten und edlen Rittergeschlechts. Mag auch der Name unseres Geschlechts hinter dem der Claudier, Julier oder Fabier verblassen, so trugen wir ihn doch stets mit Stolz. Das Geschlecht der Pontier stammt aus dem Land der Samniten, jenem Land, in dem mein Urahn im Jahre 432 nach Stadtgründung als Anführer der samnitischen Truppen das Heer der Römer an den Caudinischen Pässen in die Falle lockte und furchtbaren Blutzoll verlangte. Seitdem vererbt sich der Beiname Pilatus, also Speerträger, auf alle männlichen Nachkommen, denn es war der Ehrenname meines Urahns, den er nach der Schlacht erhielt.

Große Titel und Ämter finden sich freilich nur selten in unserem Geschlecht, und einige Namen ließe ich gerne aus den Annalen streichen, wenn ich denn könnte. Zum Beispiel den Namen meines Großonkels Pontius Aquila, der zum Kreis jener Mörder um Brutus herum gehörte, die den sinnlosen Tod des großen Cäsar zu verantworten haben.

Aber so wenig man sich die Familie aussuchen kann, in die man geboren wird, so wenig Verantwortung trägt man für Schuld und Ehre seiner Vorfahren. Für das eine schämt man sich gleichwohl, des anderen erinnert man sich mit Stolz.

Ein einfaches, aber ehrenhaftes Rittergeschlecht war es also, in das ein gütiges Schicksal mich entsandte. Ich verbrachte meine Kindheit geschützt im elterlichen Haus auf dem Quirinalis, und ich verbrachte sie, wie es in meinen Kreisen üblich war. Ich ging zur Schule, wurde oft auch im elterlichen Haus unterrichtet, lernte Grammatik, Griechisch, Philosophie, Rhetorik, Metrik und einiges mehr. Die großen Reden Ciceros waren mir so geläufig wie die Stoa des Xenon, Ovids Metamorphosen lernte ich so gut wie Vergils Aeneis, das liebreizende Liebeslied des Catull war mir so vertraut wie die schwere Elegie eines Propertius, und auch die gallig-bösen Satiren des Horatius liebte mein suchender Geist. Manches war dabei, was mir sinnvoll erschien, manches auch, gegen das sich mein freier Geist sträubte. Allein, weder die Eltern noch die Lehrer nahmen auf solche Befindlichkeiten eines Knaben Rücksicht. Die artes liberales, die Künste, die eines freien Mannes würdig waren, sie quälten mich oder ich liebte sie, zu lernen hatte ich sie auf jeden Fall.

Meine ausreichend bemessene Freizeit verbrachte ich mit Freunden, ringend, reitend, lesend oder auch nur einfach träumend. Träumend von einer goldenen Zukunft, denn im Rom der damaligen Tage schien einem jungen, ehrgeizigen Mann alles offen zu stehen. Von den Freunden meiner Jugend aber stand niemand meinem Herzen so nah wie Cornelius, der mir gleichaltrig in Sichtweite wohnte und mehr Bruder als Freund war. Die Freundschaft zu ihm sollte sich trotz aller widrigen Umstände als zuverlässig erweisen – bis zum bitteren Ende.

Aber ich will nicht vorweggreifen.

Meinen Vater sah ich selten, denn er versah seinen militärischen Dienst mit großem Eifer und war oft in den entferntesten Provinzen des Reiches stationiert, auch wenn die Friedensliebe des großen Augustus ihm stets eine sichere Rückkehr gewährte. Die Liebe aber, die er dem Dienst gewährte, fehlte dem Sohn.

Statt seiner war es meine Mutter, die das Füllhorn elterlicher Liebe über mir ausgoss, und das in reichem Maße. Voller Zärtlichkeit erinnere ich mich ihrer warmen Umarmungen und ihrer zarten, mütterlichen Küsse, doch als ich gerade meinen 15. Geburtstag feierte und die toga virilis für mich schon geschneidert war, starb sie, plötzlich und ohne Vorahnung.

Da, da begann ich zum ersten Mal, die Götter zu hassen, die mir das Liebste genommen hatten, was mein unschuldiges Kinderherz besaß. Nie wollte ich ihnen diese Tat verzeihen.

Ich vernachlässigte die Opfer, und in den zahlreichen Tempeln der Stadt sah man mich nur noch, wenn der Vater es mir auf seinen seltenen Besuchen gebot. Ich vermochte den steinernen Statuen keinen Glauben zu schenken, die in den prächtigen Tempeln auf die Opfer der Gläubigen warteten.

Wenn ich in ihre kalten Augen sah, wenn ich von den Geschichten hörte, in denen sie mordeten und den Menschen Böses antaten, reifte in mir die ungewisse Ahnung, dass es entweder andere Götter geben müsse – oder gar keine!

II.

Die alten Griechen hätten von der blindwütigen Tyche gesprochen, die Römer vom unabänderlichen Fatum, Tyrannen bemühen gerne den Begriff der Vorsehung, und gläubige Christen könnten von einem Wink Gottes sprechen. Vielleicht war es aber ganz einfach auch nur ein Zufall, dass in jenen kalten Dezembertagen ein Abwasserrohr unter der Krypta der altehrwürdigen Kölner Kirche St. Pantaleon brach und sich sein unseliger Inhalt auf den Boden der Krypta ergoss.

Jedenfalls weckte ein aufgeregter Küster den Pfarrer noch weit vor der Frühmesse und berichtete in sprudelnden Worten von dem schlimmen Unglück, das sich anschicke, mit übel riechender Flut die ganze Krypta zu bedecken.

In aller Eile zog sich Pfarrer Diefenstein an und folgte dem Küster durch die eiskalte Morgenluft in die Kellerräume seiner Kirche.

»Furchtbar«, murmelte er mit frostschaudernder Stimme, »ganz furchtbar.«

Er zog seinen Mantel zu und rümpfte die Nase.

»Und wie das stinkt.«

Pflichtschuldigst ergänzte der Küster: »Und das jetzt kurz vor den Feiertagen.«

Besorgt blickte der Pfarrer zu einer kleinen Gittertür, die an der Stirnseite angebracht war. Die Türöffnung gab den Blick frei auf Mauerreste, Abwasserkanäle, Säulen, Kapitelle und fünf Stufen einer Treppe, die ins Nichts führte, alles Hinterlassenschaften einer alten, längst vergangenen Zeit.

»Auf keinen Fall darf das Wasser in die Ausgrabungsstätten gelangen.«

Blaschke nickte nur sorgenvoll.

Doch Pfarrer Diefenstein wäre nicht er selbst gewesen, wenn er sich von solch einem Unglück aus der Bahn hätte werfen lassen. Seine schlanke, hohe Gestalt straffte sich, sein Blick nahm jene kühne Gelassenheit an, die seine Gemeinde an ihm so schätzte.

»Wir müssen sofort den Installateur kommen lassen und den Schaden beim Generalvikariat melden. Kümmern Sie sich um den Installateur, Blaschke, ich rufe das Generalvikariat an. Und schnell, ganz schnell, Blaschke, bevor die braune Suppe noch mehr Schaden anrichtet.«

Voll ohnmächtiger Sorge betrachtete er das Abwasser, das inzwischen unaufhaltsam durch die Fliesen des Bodens sickerte und die gesamte Krypta bedeckte.

So kam es, dass vier Stunden später zwei kräftige junge Männer in blauen Overalls in die Kellergewölbe der Kirche hinabstiegen und ihre Stirnen in sorgenvolle Falten legten.

»Wird nicht einfach sein, die Stelle zu finden«, sagte der eine, der sich als Frank Hellinger vorgestellt hatte, zu dem aufgeregten Küster und kratzte sich in seinem dichten schwarzen Haarschopf. Der gut aussehende junge Mann mit dem Dreitagebart wies auf den Boden und zog mit der Hand einen imaginären Kreis.

»Irgendwo hier im Boden verläuft ein altes Abwasserrohr, und das ist kaputt. Wir werden den ganzen Boden aufreißen müssen, um die undichte Stelle zu finden.«

»Aber zuerst müssen wir abpumpen«, ergänzte der andere, ein schmaler junger Mann mit dünnen blonden Haaren und blassblauen Augen, »und selbstverständlich dürfen für die nächste Zeit die sanitären Anlagen nicht benutzt werden, damit das Zeug keinen Nachschub erhält. Gibt es hier eine Toilette, ein Waschbecken oder so etwas?«

»In der Sakristei«, antwortete der Küster und machte ein Gesicht, als habe man ihm soeben die Sonntagskollekte entwendet.

»Werden wir vorübergehend stilllegen«, sagte Hellinger einfach.

Der Küster plusterte empört die Backen auf.

»Und wo sollen wir zur Toilette gehen? Es ist die einzige Toilette in der Kirche. Ich meine, äh ... bei langen Messen mit großem Aufzug, da kann es doch vorkommen ...«

Der Installateur zuckte nur mit den Schultern, setzte ein breites Lächeln auf und antwortete mit seinem Lieblingssatz: »Machen Sie sich keine Gedanken! Gegenüber ist doch das Finanzamt, vielleicht ...«

»Sehr komisch«, raunzte Blaschke, »wirklich sehr komisch. Ihr habt den Schaden ja nicht!«

Einige Stunden später hatten sich die Kellergewölbe von St. Pantaleon in eine veritable Baustelle verwandelt, während in der Kirche darüber die Gläubigen ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass nun bald Emmanuel kommen müsse. Das Abwasser war abgepumpt, und die rotbraunen Fliesen waren auf breiter Front entfernt worden.

»Wir werden das Fundament aufbohren müssen«, meinte Hellinger zu seinem Kollegen Heinen. »Hol schon mal den Bohrhammer!«

Minuten später erbebte das Gebäude unter den infernalischen Geräuschen eines Bohrhammers, der sich mit nervtötender Langsamkeit in den alten, brüchigen Beton fraß.

»Wir müssen die ganze Strecke bis zur Außenwand freilegen«, meinte Heinen lakonisch, »irgendwo da muss der Bruch liegen.«

Hellinger wischte sich den Schweiß von der Stirn. Trotz der Kälte im Kirchengewölbe hatte ihn die Arbeit mit dem Bohrhammer erhitzt.

»Das ist eine Arbeit für einen, der Vater und Mutter totgeschlagen hat! Damit werden wir vor Weihnachten kaum fertig.«

»Dann müssen wir Überstunden machen, hat der Alte gesagt. Wenn es sein muss, nachts und auch am Wochenende.«

Triumphierend hob er ein Bündel alter Schlüssel in die Höhe. »Schließlich hat man uns alle Schlüssel anvertraut. Für die kleine Außentür, die Tür zum Altarraum und die Krypta.«

»Du spinnst, Heinen. Und wann soll ich Weihnachtsgeschenke kaufen? Ich hab doch fast noch nichts. Warum schickt uns der Alte nicht mehr Leute?«

»Weil die alle in Bonn arbeiten, damit der Posttower endlich fertig wird, weißt du doch.«

Hellinger nickte nur und stemmte sich mit aller Kraft auf den Hammer.

Stunden später – die Frau des Küsters hatte sie inzwischen mit heißer Suppe, einer Unmenge belegter Brote und einer riesigen Kanne Tee versorgt – war immer noch kein sonderlicher Fortschritt in den Arbeiten zu erkennen, wie Pfarrer Diefenstein stirnrunzelnd bemerkte.

»So schnell geht das nicht, Herr Pfarrer«, keuchte Hellinger und schaufelte einen Berg Abraum in eine Schubkarre. »Wir müssen erst die Stelle finden, an der das Rohr gebrochen ist. Sehen Sie selbst, wie marode hier alles ist.«

Ein Blick auf die alten, verrosteten Eisenrohre genügte Pfarrer Diefenstein, um den Wahrheitsgehalt dieser Worte zu erkennen.

»Von wann sind eigentlich die Rohre?«, wollte Heinen wissen und schob sich eine weitere Zigarette in den Mundwinkel.

»Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich leite die Gemeinde hier seit fünfzehn Jahren, seitdem ist an den Rohren nichts verändert worden. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie bitten, hier nicht zu rauchen. Wir sind in einer ... äh, Kirche.«

Hellinger packte die Zigarette missmutig wieder weg, nahm sich aber vor, sie nochmal herauszuholen, wenn der Pfarrer sie verlassen hätte.

»Dem Alter und dem Zustand nach müssen die Rohre aus den 50er-Jahren stammen. Das Hauptrohr ist aus Eisen, die Nebenrohre sind aus Blei. So was verwenden wir schon lange nicht mehr«, sagte er und wies auf ein Stück freigelegten Rohres.

»Wo geht’s eigentlich da hin?«, wollte Heinen wissen und zeigte auf die kleine Gittertür.

»Das ist eine römische Ausgrabungsstätte, die muss unter allen Umständen vor dem Wasser geschützt werden. Sie stammt aus dem vierten Jahrhundert nach Christus, als hier noch keine Kirche, sondern ein römisches Landgut stand.«

Hellinger interessierte sich sehr wenig für solche archäologischen Schätze und meinte lakonisch: »Keine Sorge, Herr Pfarrer, wir tun unser Bestes. Da passiert schon nichts, machen Sie sich keine Gedanken. Und Sie werden sehen, bis Weihnachten sind wir fertig.«

Der Pfarrer murmelte irgendetwas von »Gottes Ohr« und verschwand zur Abendandacht.

Zwei Tage ging die Arbeit so fort, ohne dass für einen neutralen Beobachter wirklich größere Fortschritte auszumachen gewesen wären. Am Abend des dritten Tages verabschiedete sich Kollege Heinen frühzeitig. Die Arbeit mit dem Bohrer hatte ihn nämlich daran erinnert, dass auch noch ein Besuch beim Zahnarzt ausstand. »Geh nur«, hatte Hellinger ihm nachgerufen, »ich bohr das Stück bis zur Wand noch zu Ende, dann mach ich auch Schluss.«

Es war lange nach Feierabend, als er den schweren Bohrer gegen die Wand legte. Das gesamte Abflussrohr, das sich unter dem Boden der Krypta bis hin zur Außenwand erstreckte, war nun freigelegt. Das letzte Stück war merkwürdigerweise viel schneller gegangen, denn der Boden war hier sehr viel weicher gewesen und bot dem Bohrhammer entschieden weniger Widerstand.

Schwer atmend hockte Hellinger auf dem Boden und leerte seine letzte Wasserflasche. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass es schon nach 21.00 Uhr war. Zeit für den Feierabend. Aber eine letzte Zigarette noch! Voller Vorfreude angelte er sich eine Camel aus der Tasche, zündete sie an und inhalierte mit tiefem Zug – als es geschah.

Zuerst nur ein leichtes Beben des Bodens, verbunden mit einem grollenden Geräusch. Und dann, wie von Geisterhand, öffnete sich der Erdboden an der Stelle, an der eben noch der Bohrhammer gestanden hatte. Mit einem unheimlichen, schmatzenden Geräusch sog die Erde alles ein, was sich in ihrer Nähe befand: Der Bohrhammer, eine Sprudelflasche und diverse Werkzeuge verschwanden ins Nichts.

Ruckartig drehte Hellinger den Kopf, seine Zigarette fiel auf den Boden. Kalkweiß beobachtete er, was da geschah. Doch schon nach wenigen Sekunden herrschte unheimliche Ruhe. Nur eine leichte Staubwolke verriet noch etwas von dem, was sich gerade ereignet hatte.

Zögernd trat Hellinger näher, zündete sich mit zitternden Fingern eine neue Zigarette an. Seine Knie waren weich, das Gesicht aschfahl.

Vor ihm tat sich ein ovales Loch mit einem Durchmesser von fast einem Meter auf, die Tiefe war schwer zu bestimmen. Aber jedenfalls war es tief genug, dass man von dem verschwundenen Bohrgerät nichts mehr erkennen konnte. Was war denn hier passiert? Er hockte sich an den Rand des Kraters und spähte hinein. Nichts zu sehen!

Davon hatte er schon gehört. War das Fundament zu alt oder nicht fest genug, oder war es – wie hier – vom langen Wasserzufluss zerstört, dann gab der Boden darunter nach. Das Fundament musste ja Hunderte von Jahren alt sein. Wie alt war eigentlich die Kirche? Hellinger musste zugeben, dass er davon keine Ahnung hatte.

Egal! Heute war nichts zu machen. Morgen, wenn sein Kollege wieder da war, konnte man dem Rätsel auf den Grund gehen, im wahrsten Sinn des Wortes. Er legte eine Plane über das Loch und stellte mehrere Arbeitsböcke davor, um die Stelle zu sichern. Eilends schrieb er mit ungelenker Hand einige Worte der Warnung auf einen Zettel und heftete ihn an einen der Böcke. Dann schloss er Krypta und Seitentür der Kirche ab und begab sich nachdenklich in den wohlverdienten Feierabend.

III.

In meinem siebzehnten Lebensjahr endete meine Kindheit so abrupt, wie sie begonnen hatte. Mein Vater beschloss, dass ich eine militärische Laufbahn einschlagen sollte, und es gab wenig, was ich dagegen hätte einwenden können. Ich vertauschte das prächtige Haus auf dem Quirinalis mit dem zugigen Zelt der Soldaten und nahm vorerst Abschied von Cornelius, dem Freund meines Herzens, den sein Studium nach Rhodos führte. Mein erster Befehl aber schickte mich nach Syrien, wo ich unter dem Legat Quinctilius Varus diente. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie wir mit drei Legionen nach Jerusalem beordert wurden, um einen Aufstand der dort ansässigen Juden niederzuschlagen. Hätte ich damals ahnen können, dass mir dieses Land einmal zum Schicksal werden würde!

Später dann kommandierte man mich nach Gallien, und ich kletterte langsam, aber stetig in der Hierarchie nach oben, wie es einem ritterlichen Spross gebührt. Längst hatte ich mich an mein neues Leben gewöhnt und schätzte die Kameradschaft, die in den Zelten herrschte. Als mein Vater seine Entlassung von der Legion erhielt, verbrachte ich meinen vorletzten Urlaub im elterlichen Haus. Es war zugleich eines der letzten Male, dass ich meinen Vater sah.

Alt war er geworden und grau. Die wenigen Haare, die seine strenge Stirn noch kränzten, strahlten in silbernem Grau. Die lange Dienstzeit hatte tiefe Furchen in sein schmales Gesicht gezogen und der frühe Tod meiner Mutter ein Weiteres getan. Nie mehr hatte er sich übrigens einer Frau verbunden, obwohl es ihm an Angeboten nie fehlte.

Die Zeit, die wir gemeinsam verbrachten, war von bitterer Schweigsamkeit geprägt. Geschwätzig war mein Vater nie gewesen, jetzt aber verschlossen Einsamkeit und Bitterkeit seine Lippen vor dem Sohn. Mit altrömischer Strenge führte er Aufsicht über die Sklaven unseres Haushalts, und mit der gleichen Strenge begegnete er mir, seinem einzigen Sohn. Auf Verständnis für die Belange eines jungen Mannes, eines Sohnes gar, durfte ich nicht hoffen, viel weniger noch auf väterliche Liebe.

So verbrachte ich die meiste Zeit meines Urlaubs außer Hause, beim Würfelspiel mit meinen Kameraden, in den Thermen oder beim Pferderennen im Circus Maximus. Die Abende verbrachte ich gerne in den Theatern des Pompeius bei den kurzweiligen Stücken eines Plautus oder Naevius. Oft auch traf ich mich mit Freunden auf dem Marsfeld zu Wettkampf und sportlicher Übung. Gelegentlich unternahm ich Ausritte, die mich bis nach Ostia oder Tusculum führten. In den Armen der dortigen Dirnen versuchte ich die Liebe zu finden, die das elterliche Haus seit dem Tod der Mutter nicht gewährte.

Doch bei aller Liebeskunst, die den dortigen Frauen zu Gebote stand, blieb doch stets ein schaler Geschmack zurück. Auch der Gedanke an eine feste Verbindung blieb mir fern. Was ich an Frauen hätte haben können, gefiel mir nicht, und was mir gefiel, konnte ich nicht haben.

Nach einem Monat erhielt ich schriftliche Order, die mich nach Germania Inferior versetzte und als frischen Militärtribun der XVII. Legion zuwies. Zusammen mit der XVIII. und der XIX. Legion war meine Truppe dem Kommando des Legaten Publius Quinctilius Varus unterstellt, der mir ja schon aus meiner Dienstzeit in Syrien bekannt war.

Das war im Jahre 761 nach Stadtgründung unter dem Prinzipat des Octavian, dem man den Ehrentitel Augustus verliehen hatte, und unter dem Consulat des Furius Camillus und des Sextus Nonius Quinctilianus.

Ich war einundzwanzig, und die Welt stand mir offen. Sie schien nur auf mich zu warten, bis zu jenem Tag, an dem die launische Fortuna beschloss, ihr Haupt von uns abzuwenden.

Es war Anfang September, und die heiße Sonne begann langsam trübem Regen zu weichen, der den Boden weich und die Gemüter schwermütig machte. Unser Standlager befand sich zu diesem Zeitpunkt an den Quellen eines Flusses, den die Einheimischen »Lupia« nannten, in einer freudlosen, eintönigen Gegend. Eintönig war auch unser Alltag: Truppenausbildung, langweilige Wachdienste, Manöver und Patrouillen, tägliche Appelle, Streitigkeiten unter Männern, kleinere Liebschaften mit den einheimischen Mädchen. Drill und Exerzieren bestimmten unser Lagerleben. Freilich war das Leben verglichen mit dem Dienst in Syrien fast angenehm, jedenfalls bis zu jenem Abend, an dem der Legat alle Offiziere in sein Zelt rief.

Drangvolle Enge herrschte in dem großen Zelt, so viele Centurionen, Tribune und Präfekten hatten sich eingefunden. Ich stand ganz hinten am Eingang und betrachtete voller Respekt den Aufmarsch an Uniformen, Orden und würdigen Gesichtern. Hätte ich nur da schon gewusst, welch grausames Schicksal meiner und meiner Kameraden harrte ...

Der Legat hatte vor sich auf dem Tisch eine große Karte von Gallien und Germanien ausgebreitet, die durch zwei mächtige Flüsse beherrscht wurde: in der Mitte der Rhenus, im Osten die Albis. Nie werde ich diese Szene vergessen, die am Anfang unseres Untergangs stand.

»Meine Herren Offiziere«, sagte Varus mit erhobener Stimme, »wir werden unser Standlager aufgeben, zu unserem Sommerlager in Alisio marschieren und von dort unser Winterquartier am Rhenus aufsuchen. Im nächsten Jahr, so lautet unser Auftrag, werden wir wiederkommen und die Grenzen des Imperiums nach Osten bis zur Albis ausdehnen, im Namen von Senat und Volk von Rom!«

Seine spitzen Finger deuteten auf jenen großen Strom im Osten. »Gleich morgen werden wir mit den Vorbereitungen zum Aufbruch beginnen.«

Er blickte in erstaunte und überraschte Gesichter, denn normalerweise sprachen sich solche Entschlüsse im Lager rechtzeitig herum. Rasch beeilte sich Varus also zu ergänzen: »Nicht, dass unsere Mission hier gescheitert wäre, im Gegenteil. Wir haben mit allen wichtigen Germanenstämmen Verträge geschlossen, mit den Cheruskern, den Friesen, den Hermunduren und den Chatten. Wohin der römische Adler seinen Schatten wirft, herrscht Frieden. Ich spreche hier Recht wie ein Prätor in Rom, die Germanen entrichten uns Tribute und dienen in unseren Hilfstruppen. Der Zeitpunkt ist nicht mehr fern, da dieses Land dem Imperium in gleicher Weise als Provinz dient wie Gallien, Syrien oder Griechenland.«

Er machte eine kurze Pause und blickte die Umstehenden aufmerksam an. Da kein Widerspruch erfolgte, fuhr er ermutigt fort: »Wir werden mit dem ganzen Tross marschieren ...«

Doch ehe er seine Rede fortsetzen konnte, wagte einer unserer Präfekten einen zaghaften Einwand: »Mit dem ganzen Tross, nicht in Kampfformation. Ich meine ...«

Mit einem zischenden »Tace!« wischte Varus den Einwand seines Präfekten beiseite.

»Es interessiert hier nicht, was du meinst, verehrter Velleius. Wir befinden uns nicht in Feindesland, das Land ist befriedet, die Straßen sind gut ausgebaut, der Weg durch Kastelle gesichert. In spätestens acht bis zehn Tagen befinden wir uns in Castra Vetera und richten uns für den Winter ein.«

Einmal Mut gefasst, wagte ein anderer kühn den nächsten Einwand: »Und die Gerüchte? Die Gerüchte um einen Aufstand? Nimmst du sie nicht ernst, Legat?«

»Welche Gerüchte meinst du?«, fuhr Varus ihn an und säuberte sich nebenbei seine Fingernägel mit einem Dolch. Dann wendete er langsam seinen Blick dem Fragenden zu. Das blasse Gesicht mit der spitzen Nase schien den Fragenden zu durchbohren. Doch der alte Tribun – ich habe seinen Namen vergessen, aber ich sehe heute noch sein von den Äxten der Germanen entstelltes Gesicht vor mir – ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Arminius meine ich. Bei allen Göttern, die Gerüchte sagen, dass er mehrere Stämme um sich schart und einen Angriff plant. Fürst Segestes selbst hat uns eine Warnung zukommen lassen, sein eigener Stammesgenosse!«

Einen Augenblick herrschte trotziges Schweigen im Zelt. Dann brachte ein heiseres Lachen aus rauer Kehle die Antwort: »Arminius? Segestes? Bei Mars, Arminius steht seit Jahren in unseren Diensten. Seine Leistungen haben ihm inzwischen den Rang eines römischen Ritters eingetragen. Er speiste gestern noch an unserer Tafel, hast du das vergessen, Licinius? Hast du ihm nicht gegenübergesessen? Und Segestes ist ein eitler Schwätzer, von Neid und Hass zerfressen. Er hegt gegenüber Arminius einen tiefen persönlichen Groll, seit der ihm seine Tochter entführt und geheiratet hat, obwohl Segestes sie einem anderen versprochen hatte.«

Mich überkam ein deutliches Unwohlsein. Meine Nackenhaare sträubten sich. Ich verspürte eine unbekannte Gefahr und konnte doch nicht sagen, weshalb. Die Warnungen jenes Segestes waren mir bisher unbekannt gewesen. Behutsam blickte ich mich um, aber wohin ich auch schaute, ich sah in verschlossene, ernste Gesichter. Doch fehlte es mir, dem jungen Tribun Gaius Pontius Pilatus, an Mut, meine Bedenken vorzutragen.

Zwei Tage brauchten wir, um alles für den Aufbruch vorzubereiten. Zwei Tage, um das Chaos zu ordnen, das der Aufbruch einer solchen Menschenmenge zwangsläufig mit sich bringt. Am dritten Tag weckten uns heftige Regenfälle, die gegen die feuchten Zeltplanen prasselten. Blitz und Donner tobten über unseren Köpfen und machten die Pferde und Trosstiere rasend. Jupiter selbst schien uns mit seinem Zorn zu warnen.

Es war ein riesiger Heereszug, der sich da auf den Weg durch die dunkle Wildnis des Saltus Teutoburgiensis machte: drei Legionen, sechs Auxiliarcohorten, drei Reiteralen und ein unüberschaubarer Tross an Weibern, Knechten, Sklaven und gar Kindern, mehr als 25 000 Mann. Gegen die fünfte Stunde brachen wir auf ...

IV.

Eine Woche vor Weihnachten brummte die Kölner City. Die Parkhäuser waren zum Bersten voll, in den Kaufhäusern ärgerten sich ungeduldige Kunden über genervte Verkäufer und umgekehrt. Paketbeladene Menschen eilten nach Hause und stießen mit denen zusammen, die den Einkauf noch vor sich hatten. Busse aus Holland, Belgien oder England spuckten froh gestimmte Touristen mit gut gefüllten Geldbörsen über die Weihnachtsmärkte aus, die Taschendiebe rieben sich die Hände, was eben ein feiertagsbedingter Konsumrausch in einer Großstadt so mit sich bringt. Rechtzeitig vor dem Fest war das frostkalte Winterwetter einem schmuddeligen Regenwetter gewichen. Schirm und Regenjacke ersetzten Schal und Wollmütze. Für die Kölner ein vertrauter Klimawechsel.

Wie viel mehr Ruhe herrschte da doch in der alten romanischen Kirche von St. Pantaleon. Der Küster war mit einigen älteren Damen der Frauengemeinschaft bemüht, die Dekoration für die bevorstehenden Feiertage zu richten, die Organistin übte das Weihnachtskonzert von Corelli, und Pfarrer Diefenstein saß im angrenzenden Pfarrhaus grübelnd über seiner Weihnachtspredigt.

Hin und wieder lauschte ein verärgerter Küster auf die Geräusche, die aus der Krypta kamen. Der Bohrlärm hatte endlich aufgehört, an seine Stelle waren die leisen, zischenden Geräusche des Schweißbrenners getreten. Man hatte beschlossen, das alte Rohr auf gesamter Länge durch moderne Kupferrohre zu ersetzen, und die Arbeiten waren mittlerweile fast abgeschlossen.

Der Pfarrer hatte erleichtert geseufzt: Untragbar die Vorstellung, dass die Weihnachtsmesse durch irgendwelche Arbeitsgeräusche aus der Krypta gestört worden wäre. Hätte er aber einen Blick in seine Krypta geworfen, wäre er doch sehr erstaunt gewesen:

Den verschwundenen Bohrhammer hatte Hellinger schon am frühen Morgen mittels einer Leiter geborgen, war dabei aber völlig überraschend auf eine alte Münze und Reste von Tontöpfen oder Ähnlichem gestoßen. Deshalb wollte er das Loch unbedingt noch einmal gründlicher untersuchen.

»Wenn wir Feierabend haben«, so hatte er Heinen instruiert, »sagen wir dem Küster, wir müssten noch ein paar Überstunden machen. Und dann sehen wir uns die Sache ganz genau an. Braucht ja keiner zu wissen. Wo eine Münze ist, da sind meistens auch noch mehr. Wer weiß, vielleicht findet sich unter der alten Krypta so was wie ein Schatz?«

Heinen hatte nur müde genickt. Frostschauer und Gliederschmerzen machten ihm zu schaffen, seine Stirn war fieberwarm.

Am Spätnachmittag hatte Blaschke noch einmal einen Blick in die Krypta geworfen und sich mit der Erklärung der beiden Männer seufzend zufrieden gegeben.

»Schließen Sie aber gut ab«, hatte er noch gesagt, »nach der Abendandacht bin ich weg. Meine Schwägerin hat Geburtstag.«

Besser kann es gar nicht kommen, hatte sich Hellinger gedacht, dem Küster empfohlen, sich keine Gedanken zu machen und freundlich einen »schönen Abend« gewünscht.

»Halt die Leiter fest und gib mir die Taschenlampe!«

Ergeben reichte Heinen das Gewünschte und sah frierend zu, wie sein Kollege in der dunklen Vertiefung verschwand.

»Siehst du irgendwas?«

»Wart’s ab. Es ist ziemlich dunkel hier unten. Man sieht die Hand vor Augen nicht.«

Quälende Minuten der Stille vergingen. Die Kirche lag längst in tiefer Dunkelheit, und die Krypta wurde nur noch von zwei Arbeitslampen notdürftig erhellt.

»Wirf mir mal die Hacke herunter. Ich muss hier in die Erde.«

Ungeduldig lief Heinen um das Loch herum. Hastig schluckte er eine weitere Aspirin. Wie sehnte er sich nach einem warmen Bad und seinem Bett. Seine Frau würde ihm einen heißen Tee machen, dann ein paar Stunden Schlaf und ab nach Österreich. Weihnachten im verschneiten Ötztal, ein absoluter Traum.

»Ich hab was«, tönte plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit.

»Münzen? Gold?« Tief beugte sich der junge Mann über das Loch, seine Beschwerden schienen für einen Augenblick wie weggezaubert.

»Nein, eine Lederrolle oder so was. Wirf mir mal den Korb runter.«

Heinen tat wie geheißen und warf seinem Kollegen den Schuttkorb herunter. Minuten später tauchte das verschmutzte und vor Aufregung glühende Gesicht Hellingers auf.

»Und? Haste was gefunden?« Heinens Stimme klang aufgeregt.

Hellinger deutete auf den Korb. »Weiß nicht, was das ist. So ein paar Lederrollen. Und Scherben, jede Menge alter Tonscherben.«

Mit einer raschen Bewegung fegte er Arbeitsmaterial und Werkzeug von dem hölzernen Arbeitstisch und legte behutsam vier alte, verschlissene Lederrollen darauf.

»Was ist da drin?«

»Bin ich Hellseher? Aber alt sind die Dinger, uralt.«

Er tastete vorsichtig über das brüchige Leder. »Kein Metall«, murmelte er enttäuscht, »keine Münzen!«

»Mach mal eine auf«, riet Heinen, dem die Enttäuschung anzumerken war.

Hellinger nickte und nahm einen Seitenschneider. Behutsam löste er den Verschluss, der wie eine Plombe die Lederrolle verschloss. Mit spitzen Fingern griff er in die geöffnete Rolle.

»Und?«, rief Heinen atemlos.

»Warte doch ab, Mensch. Da ist was!«

Er zog die Finger aus der Rolle und schaute verblüfft auf das, was ihm unter den Fingern förmlich zu zerrinnen schien. Bröcklig und bröselig fiel der Inhalt auf den Tisch, um sich gleich darauf in kleinste Elemente aufzulösen.

»Was ist das denn?«

»Eine alte Schriftrolle oder so was«, antwortete Hellinger mit heiserer Stimme. »Ne ganz alte Schrift. Aber leider scheint sie sich aufzulösen, wenn man sie herausholt.«

»Der Sauerstoff«, meinte Heinen fachmännisch, »hab’ ich schon mal im Fernsehen gesehen. Die hatten da auch solche Schriften gefunden, irgendwo in Ägypten oder so, und kaum hatte man sie an die Luft geholt, lösten sie sich auf. Einfach so.«

Hellinger nickte. Sauerstoff konnte sehr aggressiv sein, vor allem, wenn er auf papierähnliche Substanzen aus grauer Vorzeit traf.

»Wie kommen die wohl hierhin?«

Hellinger zuckte mit den Achseln und wies auf die kleine Gittertür.

»Römische Ausgrabungen, du hast doch gehört, was der Pfarrer gesagt hat. Bestimmt war hier mal ’ne Villa, und jetzt haben wir ein Stück aus der Bibliothek ausgegraben.«

Er rieb sich die klammen Hände. »Könnte ein fettes Stück Geld für uns drin sein.«

Heinen blickte ihn skeptisch an. »Geld? Wieso? Du siehst doch, was mit den Dingern passiert, wenn man sie aus dem Lederzeug herausholt. Wie sollen wir die zu Geld machen?«

Heinen war die personifizierte Ratlosigkeit.

Hellinger angelte sich trotz des Verbots eine weitere Zigarette und blies den Rauch in kleinen Kringeln aus. Mit einem leicht überheblichen Grinsen blickte er seinen Kollegen an.

»Okay, die hier ist hin. Mit den anderen muss man also vorsichtiger sein. Ich hab einen Nachbarn, der sich mit so was auskennt. Ein pensionierter Lehrer, der wird uns vielleicht helfen können, mach dir keine Gedanken.«

Dabei klaubte er die wenigen größeren Reste zusammen, die von der Schriftrolle übrig geblieben waren, und legte sie vorsichtig in sein Notizbuch.

Die übrigen Rollen verstaute er behutsam in seiner Aktentasche. Dann legte er seine Hand auf die Schulter seines Kollegen und zog ihn dicht zu sich heran, als wäre die Krypta voller Zeugen.

»Heinen, hör zu! Kein Wort darüber, zu keinem! Was das hier ist, weiß ich nicht. Aber es ist alt, sehr alt. Vielleicht von den Griechen oder Römern. Und für so was zahlen Museen eine ganze Menge Geld. Manchmal gibt es auch reiche Spinner, die dafür einen Haufen Kohle abdrücken. Aber wenn herauskommt, dass wir das hier gefunden haben, dann müssen wir alles abgeben, an die Kirche oder den Kardinal oder so. Und Ärger mit dem Chef kriegen wir auch noch, verstanden? Also, kein Wort!«

Heinen nickte. »Aber wir teilen, ne? Wenn ich aus Sölden zurückkomme, will ich Bares sehen.«

»Klar, Mann, versprochen. Alles, was wir hierfür kriegen, teilen wir.«

Aber Hellinger hatte für sich bereits einen etwas anderen Beschluss gefasst, denn schließlich hatte er ja die Sachen gefunden. Aber das hier mit seinem Kollegen zu diskutieren, wäre ganz falsch gewesen. Alles zu seiner Zeit.

V.

Zuerst lief alles wie geplant. Langsam ließ der Regen nach, und manchmal kam sogar zaghaft die Sonne hervor, um den Marsch unserer langen Kolonne zu begleiten. Wir blieben zunächst von jeder feindlichen Berührung unbehelligt, und ich glaubte schon, all die Ängste, die mich im Zelt meines Feldherrn befallen hatten, könnten grundlos gewesen sein.

Aber dann, am dritten Marschtag, waren sie zum ersten Mal da!

Wir marschierten gerade durch einen Engpass über unebenes Berggelände, das von tiefen Schluchten durchbrochen war. Hohe, dichte Bäume verdeckten jede Sicht. Lang gezogen streckte sich unsere Kolonne schier endlos dahin, stürmischer Wind und Regen hatten sie noch zusätzlich weiter auseinander gezogen. Der Boden war voller Schlamm und rutschig, Wurzeln und Äste ließen die übliche Marschgeschwindigkeit nicht zu. Herabfallende Äste und Wipfel sorgten für Unruhe, brachten die Wagen oft genug zum Stehen und ließen uns immer wieder Halt machen. Ich befand mich mit meiner Centurie im vorderen Abschnitt des Zuges. Plötzlich ein Geschrei, das mir noch heute das Blut in den Adern stocken lässt. Zunächst ging über uns ein Hagel von Pfeilen, Lanzen und anderen Wurfgeschossen nieder. Langsam wie ein Raubtier, das seine Beute erst vorsichtig umlauert, hatten sie sich angeschlichen, und dann stürzten die Barbaren wie die Teufel der Unterwelt plötzlich aus dem Dickicht des Waldes hervor, aus allen Richtungen. Schrecklich waren sie anzusehen, mit ihren bemalten Fratzen, den langen Haaren und ungepflegten Bärten.

Wir hatten mit diesem Angriff nicht gerechnet, zu sorglos war man nach zwei Tagen friedlichen Weges geworden. Wir kämpften, bis die Dunkelheit ein Auseinanderhalten von Freund und Feind unmöglich machte. Wie viele von meinen Kameraden an jenem ersten Tag gefallen sind, ich weiß es nicht. Der glitschige Waldboden war von Blut getränkt – und es war kaum das der Barbaren.

Unter schweren Verlusten konnten wir diesen ersten Angriff abwehren und schlugen, wie es unsere militärische Tradition gebietet, am Abend ein Lager auf, so gut wir es noch konnten. In der Nacht blieb es überraschend ruhig, wenn man von dem Lärm absieht, den unsere Feinde im Dickicht des Waldes verursachten und der unseren jungen Legionären die Blässe ins Gesicht trieb. Ich selbst ging mit zwei Decurien rings um das Lager Wache, immer in der Furcht, ein plötzlicher Pfeil oder eine aus dem Dunkel auftauchende Axt könne mein junges Leben beenden. Furcht verspürte ich, Furcht