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Eduard Beutner/Ulrike Tanzer (Hrsg.)

lesen.heute.perspektiven

 

 

 

ide-extra
Eine deutschdidaktische Publikationsreihe

Herausgegeben von
Annemarie Saxalber-Tetter/Werner Wintersteiner

Band 15

Eduard Beutner/Ulrike Tanzer (Hrsg.)

lesen.heute.perspektiven

Illustration

Inhalt

EDUARD BEUTNER/ULRIKE TANZER: Einleitung

KARLHEINZ ROSSBACHER: Lesen. Was sonst?
Eine Abschiedsvorlesung als Eröffnungsvortrag

HANNES SCHEUTZ/THOMAS KALTENBACHER: Psycholinguistische Aspekte des Lesens

MARGIT BÖCK: Lesen als soziale Praxis, Texte als multimodale Ensembles – neue Perspektiven der Leseforschung und ein Überblick über Kinder und Jugendliche und das Lesen in Österreich

DORIS SCHÖNBASS: Lesen oder Nichtlesen – das ist heute die Frage.
Eine empirische Studie zur Lesefreude von 10- und 14-Jährigen

WERNER WINTERSTEINER: Einfach nur eine Kulturtechnik?
Kulturelle, politische und ideologische Dimensionen des Diskurses über Leseförderung

MARKUS KREUZWIESER: Vom Mut, ‚schwierige‘ Texte in der AHS zu lesen.
Wider die Infantilisierung der Leseerziehung

GÜNTHER STOCKER: Leseakte in der Literatur.
Prolegomena zu einer kulturwissenschaftlichen Lesetheorie

EGON SCHWARZ: Lesen im und fürs Exil

WOLF WUCHERPFENNIG: Vom Genuss des Lesens.
Erinnerung eines Literaturwissenschaftlers

KARL WAGNER: Handke als Leser

EDITH GLATZ: Erwin Ringel – Ein Psychiater als Leser von Dichtung

ERNST HANISCH: Ein Historiker als Leser von Dichtung

WALTER HÖMBERG: Lektor = Leser?
Konturen eines unbekannten Kommunikationsberufs

NORBERT BACHLEITNER: Das Lesen digitaler Literatur:
Revision einer Kulturtechnik

CHRISTIAN KÖLLERER: Literaturvermittlung und Literaturkritik im Zeitalter des Internet

PETRA MARTINA BAUMANN: Lesen. Schreiben. Beta-Lesen.
Literarische Fankultur im Internet

ALFRED PFOSER: Die prekäre Zukunft der Bibliotheken

JOHANN HOLZNER: Literaturarchiv und Literaturhaus:
Elfenbeintürme im digitalen Zeitalter

 

Anhang

WALTER HÖMBERG: Vom Lesen auf dem Lande

 

Autorinnen und Autoren

Eduard Beutner/Ulrike Tanzer

Einleitung

Wie geht Lesen vor sich, welchen Stellenwert hat das Lesen heute – noch – für Jugendliche, für Vielleser, für Berufsleser? Wie prägt und verändert das digitale Zeitalter die Bedeutung und den Charakter des Lesens und die Rolle des Lesers und der Leserin? Welche Perspektiven für die Zukunft tun sich auf? Diesen und anderen Fragen stellten sich die TeilnehmerInnen des internationalen und interdisziplinären Symposions lesen.heute.perspektiven, das aus Anlass der Emeritierung des Germanisten Professor Karlheinz Rossbacher vom 19.-21. November 2008 in Salzburg abgehalten wurde. Aus dem Kreis der KollegInnen, SchülerInnen und akademischen Freunde Karlheinz Rossbachers konnten ExpertInnen zu einer Bestandsaufnahme des Lesens heute und seiner Perspektiven für die Zukunft gewonnen werden. Zu unserer großen Betroffenheit verstarb Wendelin Schmidt-Dengler, der ein Referat zum Thema „Lesen als Literaturkritiker“ zugesagt hatte, kurz vor der Tagung.

Die zur Erforschung des Lesens unerlässliche Verbindung von Positionen und Perspektiven aus Theorie und Praxis gewährleistete eine öffentliche Podiumsdiskussion im ORF-Studio Salzburg. Unter der Leitung der Literaturwissenschaftlerin und ehemaligen Organisatorin des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs, Doris Moser, diskutierten der AHS-Lehrer Christian Angerer, die Leiterin der Basisbildungsstelle abc – Lesen und Schreiben für Erwachsene, Brigitte Bauer, der Geschäftsführer des österreichischen Bibliothekswerks, Reinhard Ehgartner, der Literaturkritiker und Autor Cornelius Hell, der Verleger Jochen Jung und der Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal aus ihrer beruflichen Perspektive zur Gegenwart und zu einer möglichen Zukunft des Lesens.

In seiner akademischen Abschiedsvorlesung, die diesen Band als Eröffnungsvortrag des Symposions einleitet, skizziert Karlheinz Rossbacher seine eigene Lesesozialisation in einer einklassigen Volksschule. Er entwirft dann ein Panorama darüber, wie Menschen der schreibenden Zunft über das Lesen gedacht haben und denken. Er beschreibt, wie Lesen von Dichtung zur existenziellen Erfahrung und Notwendigkeit werden kann. Das zeigt etwa Ernest Hemingways überraschende Faszination für Jugendliche im populären Jugendbuch Crazy von Benjamin Lebert (1999) oder, noch beeindruckender, die Bedeutung des „inneren Lesens“, des Memorierens von Dichtung in gebundener Rede, mit dem sich Ruth Klüger als junge KZ-Insassin ein eigenes Zeitsystem als Überlebensstrategie schuf und der Härte der „KZ-Zeit“ entgegenstellte. Trotz der scharfen Konkurrenz der neuen Medien und modernen Technologien braucht man sich nach Rossbachers Ansicht bis auf weiteres um die Codex-Form des Buches, unsere Schrift und um das lineare Lesen und Schreiben keine drängenden Sorgen zu machen, ein Befund, der von den meisten BeiträgerInnen und TeilnehmerInnen an der öffentlichen Podiumsdiskussion dieses Bandes geteilt wird. Auch der ‚homo zappiens‘, so Rossbacher, wird lesen. Lesen bleibt weiter der Schlüssel zur Medienkultur, daher seine Überzeugung: Lesen. Was sonst?

Psycholinguistischen Aspekten des Lesens ist die empirische Untersuchung der beiden Linguisten Hannes Scheutz und Thomas Kaltenbacher gewidmet. Anhand von Augenbewegungsprotokollen zeigen sie, wie Lesen vor sich geht, stellen die komplexen physiologischen Voraussetzungen des Leseprozesses dar und untersuchen die das Leseverhalten prägenden Einflussfaktoren sowie die Abläufe bei der Aktivierung des Lesevorgangs, wobei sie dem Modell vom „2-Routen-Zugriff auf das Lexikon“ im realen Leseprozess folgen.

Auf der Basis statistischer Erhebungen gehen die folgenden Beiträge soziologischen Fragestellungen nach. Die Kommunikationswissenschaftlerin Margit Böck präsentiert aktuelle Daten der PIRLS- und PISA-Studien zur Lesekompetenz, zum Leseverhalten und zu Lesegewohnheiten von Kindern und Jugendlichen in Österreich und diskutiert diese im Kontext des aktuellen öffentlichen bildungspolitischen Diskurses. Im Sinne eines Verständnisses von Texten als soziale Praxis fordert Böck neue Wege zu einer ganzheitlichen Erfassung der Lesestoffe in ihrer aktuellen Ausgestaltung, mit Blick auf deren Modalität und Medialität, etwa einen sozial-semiotischen Ansatz im Sinne der Multimodalität oder den interdisziplinären Zugang der „New Literacy Studies“ zur adäquaten Erfassung der Vielfältigkeit von Lesen im Lese- und Schreiballtag, unter Einbezug der neuen digitalen Technologien.

Im Rahmen ihrer Dissertation erstellte die Germanistin Doris Schönbaß eine empirische Studie zur Lesefreude, zu sogenannten „Flow“-Erfahrungen beim Lesen, zur Lesekompetenz und zum Image des Lesens bei 10- und 14-jährigen SchülerInnen der ersten und vierten Klassen an Allgemeinbildenden Höheren Schulen und an Hauptschulen in den oberösterreichischen Kleinstädten Vöcklabruck und Attnang-Puchheim. Ihre Ergebnisse geben mit Blick auf SchülerInnen, besonders auf männliche, aus bildungsfernen Schichten angesichts der Konkurrenz durch die neuen Technologien Anlass zur Sorge. Eine nachhaltige Image-Verbesserung des Lesens könnte diesen Trend umkehren.

Die Notwendigkeit einer umfassenden und systematischen Förderung des Lesens ist unbestritten. Der Deutschdidaktiker Werner Wintersteiner legt, nicht zuletzt im historischen Rückblick auf Entwicklungen im 20. Jahrhundert, kulturelle, politische und ideologische Dimensionen des Diskurses über Leseförderung und einer keineswegs nur schulisch verstandenen Lesedidaktik bloß. Neue literaturdidaktische Konzepte sollen die Kluft zwischen Lesedidaktik und literarischer Bildung, auf der das klassische europäische Bildungssystem und sein literarischer Kanon bis vor kurzem beruhten, verkleinern helfen. Zu Ungunsten eines gesellschaftlich emanzipatorischen Verständnisses von Literatur und Lesen haben die PISA-Studien im Zeichen der bildungspolitischen Wende der letzten Jahrzehnte zur Ausprägung eines pragmatischen Leseverständnisses geführt. PISA versteht Lesen lediglich als Informationsaufnahme und -verarbeitung, die Beschäftigung mit fiktionaler Literatur rangiert bedauerlicherweise, zu Lasten der literarischen Bildung, nur noch unter „Lesen für private Zwecke“. Wintersteiner plädiert durchaus für Maßnahmen zur Erhöhung der basalen Lesefähigkeit. Er lehnt jedoch eindringlich ein Ausspielen des „Menschenrechts auf Lesefähigkeit“ gegen jenes auf „Kunst und Literatur“ ab.

LehrerInnen müssen heute, trotz der Möglichkeit des Scheiterns, mehr denn je den Mut aufbringen, Jugendliche in den AHS mit anspruchsvollen Texten zu konfrontieren, fordert als Konsequenz aus dieser Entwicklung der AHS-Lehrer und Literaturwissenschaftler Markus Kreuzwieser mit einem Plädoyer gegen die Infantilisierung der Leseerziehung. Die Erziehung und Anleitung zur anspruchsvollen Lektüre könne einem bloßen „Wissensmanagement“ und der Unterwerfung des Wissens unter die Ökonomie (Konrad Paul Liessmann) entgegen wirken und zur Verringerung des Abstands zwischen den ‚Harry-Potter-Kindern‘, den jugendlichen literarischen LeserInnen, und den ‚PISA-Kindern‘, denen Lesekompetenz und Lesefreude fehlen, beitragen. Als Herausforderung für alle an diesem Lese- und Lernprozess Beteiligten wählt Kreuzwieser mit Goethes Faust II einen in der Tat schwierigen, komplexen Modelltext und bietet Anknüpfungspunkte für aktuelle Faust-Lektüren und fächerübergreifende Lernprojekte.

Umreißt die erste Gruppe von Beiträgen dieses Bandes individuelle, empirische und praktische Grundlagen für lesen.heute.perspektiven, so kommen in der zweiten Sektion modellhaft ausgewählte Vertreter aus dem Bereich der so genannten ‚Berufsleser‘ von Literatur zu Wort, deren Bekenntnis zur Leseleidenschaft und zur existenziellen Notwendigkeit des Lesens weit über ihre beruflichen Leser- und Lese-Pflichten hinausgeht.

Der Literaturwissenschaftler Günther Stocker präsentiert eingangs, auf der Basis einer kulturwissenschaftlichen Lesetheorie, Leseakte und lesende ProtagonistInnen, die im Zentrum fiktionaler Literatur stehen. Dabei seien Dimensionen des Lesens zu entdecken, die sowohl empirischen als auch historischen Studien verborgen bleiben. Nach Stocker sind – nicht erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – die Kulturtechnik des Lesens und der fiktionale Text von den Faktoren der Kontextualisierung, der Verortung und Rezeption im historischen Prozess sowie der Medialität und Medialisierung bestimmt. Der Umgang mit dem ‚Papierbuch‘ als sinnliches Erlebnis oder die räumliche Struktur einer Buchseite haben nach wie vor zentrale Bedeutung, machen aber zugleich die Unterschiede zum fortschreitenden PC-Zeitalter deutlich, in dem sich neue Systeme der Lektüresteuerung durchsetzen und den Leseakt prägen. Das Überfliegen eines Texts, das partielle Erfassen ausgewählter ‚Informationsbrocken‘, greift zunehmend Platz zu Lasten einer intensiven Leseerfahrung und eines langen ‚Lese-Atems‘, was den Zugang zur literarischen Kultur der Vergangenheit und der Gegenwart nach und nach zu verschließen droht.

Träte das ein, dann wären vermutlich jene existenziellen Erfahrungen künftig nicht mehr möglich, die der als Sechzehnjähriger im Jahr 1938 aus Wien ins Exil vertriebene und in den USA lebende Literaturwissenschaftler Egon Schwarz den ZuhörerInnen des Symposions so eindrucksvoll schilderte. Schwarz konstatiert einen radikalen Rückgang des Lesens von Literatur und der Kunst des Lesens in Amerika in den letzten 25 Jahren und stellt diesem Leseschwund seine eigene frühe Prägung durch Abwechslung bietende Lektüre im verarmten Wien der Zwischenkriegszeit in einer Kleinfamilie gegenüber, in der an sich nicht viel gelesen, jedoch für jugendgerechten Lesestoff gesorgt wurde. Zufällig vorhandene Reclam-Ausgaben der deutschen Klassiker kompensierten einen engstirnigen Gymnasialunterricht, der jugendliche Vielleser erweiterte seinen Horizont auf die amerikanischen, französischen und russischen Klassiker. Nach späterer Einsicht wurde Franz Werfels Roman Die 40 Tage des Musa Dagh zu Schwarz’ erstem Holocaust-Buch, lange bevor dieser Begriff allgemein verwendet wurde. Im Exil, während zehn Jahren in südamerikanischen Anden-Ländern, wurde das Lesen zu einer einzigartig „kostbaren und lebenserhaltenden Notwendigkeit“ und legte das Fundament für die spätere akademische Karriere. Egon Schwarz berichtet zudem, wie auch Wolf Wucherpfennig im anschließenden Beitrag, von den Pflichten, Zwängen und Deformationen des von Berufs wegen verpflichteten Lesers von (literaturwissenschaftlicher) Sekundärliteratur, die oft genug vor allem den Streit zwischen den Moden austrägt, vom Verlust der ursprünglichen Naivität, von der Skepsis gegenüber dem literarischen Kanon und von den Neuentdeckungen beim Wiederlesen früherer Bücher, die uns die Veränderungen der eigenen Persönlichkeit bewusst werden lassen.

Auch die individuelle und kulturelle Lektüre-Sozialisation des in Dänemark lehrenden Literaturwissenschaftlers Wolf Wucherpfennig weist, wenn auch mit anderen Akzenten, generationsspezifische Merkmale auf. In dem vaterlos in der engen geschäftstüchtigen deutschen Nachkriegs-Provinz aufwachsenden Jungen weckte die Kindheitslektüre Allmachtsphantasien, denen er lebenslang anhängt. Sie weckte die Sehnsucht, sich die Fremde zu erobern und die Sehnsucht nach Idylle, verbunden mit Todesfaszination, denn „wir spiegeln uns in den Büchern, die wir lesen und können uns in den Spiegeln erkennen.“ Nach Wucherpfennigs Erkenntnis bewahrt Kunst getreulich „die Schmerzspuren der Geschichte und die Widersprüchlichkeit des Lebens“, sie verwandelt sie aber auch in „ahnungsvolle Sehnsucht“, protestiert und tröstet und „verleugnet nicht die Grausamkeiten des Lebens.“ Wider die politische Korrektheit fordert Wucherpfennig von der belletristischen Literatur den ästhetischen Genuss eines komplexen Texts durch eine schöne Form. Lesen bedeutet für ihn „in eine welthaltige Heimat einzutreten, die Sicherheit schenkt, ohne die Ungesichertheit menschlichen Lebens zu verleugnen.“

Durch keinen anderen Autor der Gegenwart hat der Literaturwissenschaftler Karl Wagner eine derartige Bestärkung im und für das Lesen erfahren wie durch Peter Handke, dessen Schriften, als eine der besten Schulen des Lesens, von einer ganz selbstverständlichen Osmose von Schreiben und Lesen zeugen und für den Kafka immer der maßgebende Dichter gewesen ist. Radikal rechnet Handke mit den Zerrbildern des Lesens, den „Falschlesern“ ab, den Lesern in der Öffentlichkeit, den Lesern aus zweiter Hand, den Zeitungslesern. Die Dichter sind die Gewährsleute für das richtige Lesen, lesen muss immer wieder gelernt sein.

Für den österreichischen Psychiater Erwin Ringel waren das Lesen und die Literatur seit seiner Jugend ein unverzichtbares „Lebens-, ja Genussmittel“, konstatiert die älteste Promoventin Karlheinz Rossbachers, die Germanistin Edith Glatz. Der Dichter als Seismograph für das Seelische und Unbewusste „erfühlt“, was die wissenschaftliche Psychiatrie noch nicht belegen konnte, zudem können Dichtungen medizinische Fallstudien stützen. Zeit seines Berufslebens setzte Ringel in seinen Vorträgen, unter gelegentlicher Anpassung an die jeweilige Zielgruppe durch Textänderungen, das Literaturzitat zur Unterstützung seiner wissenschaftlichen Thesen ein. Dazu zählen die frühkindliche Prägung durch Erziehung und das elterliche Machtverhalten, der mangelnde Selbstwert und die Einsamkeit im Alter und vor allem sein Hauptarbeitsschwerpunkt, die Suizidforschung.

Die bereits angesprochene Generationenerfahrung, etwa jene der frühen Faszination durch Ernest Hemingway, teilt auch der Historiker Ernst Hanisch, der seine Berufsgruppe als Leser von Dichtung beleuchtet. Für den Historiker sind literarische Texte Quellen, aus denen Erkenntnisse für die Rekonstruktion eines Repertoires des Imaginierens einer vergangenen Gesellschaft gewonnen werden können, ihre Träume, Ängste, Mythen. Zur Herstellung von Konstrukten von Zusammenhängen zwischen den Ereignissen benötigt auch der Historiker Fiktion, Phantasie und Imagination. Im Unterschied zum Dichter und zur Literatur muss er sich aber der Quellensuche und Quellenkritik unterziehen. Seine Aussagen müssen intersubjektiv überprüfbar sein, während der literarische Text, nicht zuletzt dank der Möglichkeit der ausdrucksstarken Metapher, mit der Realität viel freier umgehen, den Zeitgeist einer Epoche durchleuchten und zu Einsichten gelangen kann, die dem Historiker mit seinen Methoden versagt bleiben. Dichtung kann dem Historiker den Weg zu Fragestellungen weisen, die eine damalige Sozialgeschichte noch nicht beleuchtet hat, und nicht zuletzt können Schriftsteller als Erste allmächtige Mythen in Frage stellen, wie den Mythos von Österreich als Opfer des Nationalsozialismus.

Einem weiteren Typus von BerufsleserInnen, den LektorInnen in Buchverlagen, ihrem bisher nicht erforschten Berufsbild und Anforderungsprofil, widmet der Kommunikationswissenschaftler Walter Hömberg eine empirische Studie. Lektor-Innen, weitgehend ein Frauenberuf mit hohem Bildungsniveau und vielen QuereinsteigerInnen, vorzugsweise aus der Medienbranche, müssen heute zusätzlich Projekt- und Produktmanager sein. Dennoch sind ihre Hauptaufgaben nach wie vor die Sichtung einer großen Menge eingesandter Texte, die Betreuung von AutorInnen, die Arbeit am Manuskript, das Verfassen von Informationstexten, das Erstellen und Überwachen von Zeitplänen und die Kostenkalkulation. Ihr Ziel, einerseits den Interessen des Verlags und andererseits den AutorInnen in der Rolle als ‚Hebamme‘ für neue Bücher zu dienen und zugleich die Bildung zu befördern, sehen LektorInnen trotz der Zunahme ökonomischer Zwänge weitgehend erreicht.

Einen rückschauenden Blick auf ein Beispiel für empirische Leseforschung vor mehr als drei Jahrzehnten gewährt die 1976 von Karlheinz Rossbacher und Walter Hömberg erstellte Studie zum Lesen auf dem Lande, die bei den damals gerade ins Leben gerufenen Rauriser Literaturtagen präsentiert wurde. Die Studie erhob den Stellenwert von und den Zeitaufwand für Buchlektüre im Vergleich zum Fernsehen und zudem, welche Autoren, vor allem der damaligen Gegenwart, bekannt waren, wobei Peter Rosegger und Karl Heinrich Waggerl die Liste anführten. Untersucht wurde zudem die Infrastruktur, wie Buchhandlungen, (Pfarr-)Büchereien und Buchgemeinschaften als Distributionsorte, verbunden mit der Frage, welche kulturpolitischen Maßnahmen zur Förderung des Lesens auf dem Lande erforderlich wären. Eine Zusammenfassung dieser Studie, die Walter Hömberg in der Zeitung Die Presse vom 22./23. April 1978 veröffentlichte, wird im Anhang dieses Bandes wieder abgedruckt.

Die Beiträge der dritten Sektion von lesen.heute.perspektiven beschäftigen sich mit den Perspektiven des Lesens im digitalen Zeitalter und mit einer Zukunft, die längst begonnen hat. Der Komparatist Norbert Bachleitner kommt in seiner Untersuchung über Das Lesen digitaler Literatur zu dem Schluss, dass alle Aspekte des Schreibens und Lesens heute einer grundsätzlichen Revision unterzogen werden müssen. Die Literatur wird den neuen Gegebenheiten und innovativen Möglichkeiten angepasst. Bachleitner analysiert Beispiele aus der Vielfalt digitaler Literatur-Genres im Netz: visuelle und kinetische Poesie, Audiopoesie, literarische Computerspiele mit Interaktivität als zentralem Bestandteil, Hypertexte mit mehr oder weniger komplexen Netzwerken, permutative und komplexe Dichtungsgeneratoren aus dem Bereich der Artificial Intelligence-Forschung, wo Unterschiede zwischen menschen- und maschinengenerierten Texten einander weitgehend aufheben können. Zuletzt untersucht Bachleitner die „Program Code Poetry“, die ein poetisches Spiel mit Elementen der Programmiersprachen digitaler Texte treibt und Mensch und Technik gleichberechtigt nebeneinander stellt. In einer radikalen und beunruhigenden Umkehrung der uns vertrauten Verhältnisse und Vorstellungen vom Akt des Lesens „betrachten“ und „lesen“, in dieser Variante digitaler Literatur, nicht mehr die Leser den Text, sondern vielmehr die Maschine und der Text die Leser.

Eine ebenso rasante Entwicklung wie die Produktion und Generierung digitaler Literatur erfahren die Literaturvermittlung und Literaturkritik im Internet. Noch nie gab es mehr Texte über Bücher im Netz als heute, konstatiert der Experte für neue Medien, Produktmanager und Literaturwissenschaftler Christian Köllerer. Zum einen werden Genres und Institutionen der traditionellen Literaturkritik in die neuen Medien transportiert, zum anderen üben mittlerweile, zum Leidwesen der professionellen Literaturkritik, zahlreiche Laien-Rezensionen, Foren und Blogs großen Einfluss auf das „Handlungssystem Literaturverarbeitung“ aus. In stark frequentierten und zunehmend spezialisierten Foren tauschen sich Gleichgesinnte über Bücher aus. Dies belegt zwar eine nach wie vor enorme Aufmerksamkeit für das gedruckte Medium, aber auch einen sinkenden Bedarf für bezahlte Rezensionen. Steigenden Bedarf sieht Köllerer hingegen für die Sichtung und Sammlung dieses enormen Internet-Quellenmaterials, unter anderem als Aufgabe der Literaturwissenschaft. Dank verbesserter Lesegeräte werden E-Books gerade bei der jungen Generation zunehmend populär, was allerdings zu einer Verschärfung der Urheberrechtssituation auf dem Buchmarkt führt.

Welchen Eigengesetzmäßigkeiten und Regelvorgaben eine literarische Fankultur und Fanfiction als Massenphänomen im Internet unterworfen sind, untersucht die Soziologin Petra Martina Baumann am Beispiel romantischer und erotischer Fanfiction zu Harry Potter. Elemente aus J. K. Rowlings Romanen werden neu arrangiert und mit eigenen Kreationen angereichert. Als Canon bezeichnet man dabei die Inhalte des Basiswerks und das Wissen zum erfolgreichen Publizieren in der Fanfiction-Gemeinde. Um den Canon herum kann der Fanon entstehen, in dem sich eine neue „Wahrheit“ und Umdeutungen zentraler ProtagonistInnen durchsetzen. Durch die derzeit bereits mehr als 400.000 Beiträge umfassende Fanfiction zu Harry Potter kann der User nur mehr mithilfe eigener Internetportale, Suchleisten, Unterseiten für die zahlreichen Genres, Kurzbeschreibungen, Abkürzungssysteme, Fortsetzungsmöglichkeiten und Feedback-Rezensionen navigieren. Die Produktion von Fanfiction ist von der Interaktivität zwischen Leser, Produzent und Rezensent bestimmt, unterliegt strikten praktischen Schreib-Regeln und einer ebenso strengen Korrektur durch Beta-LeserInnen. Die Auswirkungen dieser neuen Internet-Kultur auf die Identität und Gemeinschaftsbildung innerhalb der Fangemeinden sind laut Baumann noch nicht ausreichend erforscht.

Angesichts solcher Entwicklungen und der enormen digitalen Produktions-, Erweiterungs- und Speicherkapazitäten erscheinen die Zukunftsperspektiven für Bücher und für (österreichische) Bibliotheken, die über Jahrhunderte hinweg als Kulturträger, Geistes- und Lernzentren fungiert haben, prekär, befindet der Bibliotheksdirektor Alfred Pfoser im Lichte des rasanten Wandels in den letzten zwei Jahrzehnten. Die Bibliotheken nützten die großen Vorteile der Digitalisierung, Zettelkataloge wichen den Bildschirmen, EDV-Systeme modernisieren die Bibliotheksverwaltung, das Worldwide Web ermöglicht BenutzerInnen Recherchen von jedem Ort aus. Die Massendigitalisierung von Bücherbeständen im Rahmen des ‚Goggle Library Project‘ seit 2004 und die ‚Googlization‘, die Entstehung von jederzeit abrufbaren Megabibliotheken mit bequemen User-Services, schreiten voran, sodass die realen Bücher an Bedeutung verlieren. Die Gefahr liegt allerdings in der Monopol- und Machtposition von Google als privatem und profitorientiertem Unternehmen. Neue Formen der Online-Publikation revolutionieren die Publikations- und Kommunikationspraxis, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern, allerdings mit dem Risiko fehlender Kontrollinstanzen. Pfoser verweist auf das Paradox eines weltweiten Bibliothekenbooms mit spektakulären Bauten als Investition in die Wissensgesellschaft von morgen. Bibliothekszentren als physischer Ort mit vielfacher Funktion werden auch in der Zukunft wichtig sein, kleinere Bibliotheken jedoch verschwinden und verlieren damit ihre Aufgabe als kulturelles Gedächtnis. Wollen Bibliotheken gegen Google bestehen, müssen sie sich, so Pfoser, kreativ auf veränderte Bedürfnisse ihres Publikums einstellen.

Bleibt also für Bibliotheken, vollends aber für Literaturarchive und Literaturhäuser nur die Rolle von Elfenbeintürmen im digitalen Zeitalter? Der Leiter des Innsbrucker Forschungsinstituts Brenner-Archiv und Literaturwissenschaftler Johann Holzner betont in seinem die Tagung und den Band lesen.heute.perspektiven abschließenden Beitrag die Bedeutung seines Hauses als Dokumentations-, Forschungs- und Veranstaltungszentrum, als Forum für Lesungen und für Kontroversen über Kunst und Kultur. Es gelte, den Anliegen der zahlreichen Autoren, deren Sammlungen, Manuskripte oder Nachlässe übernommen wurden, Rechnung zu tragen und identitätsstiftend, als soziales Gewissen und als Ort der Erinnerungskultur zu wirken. Holzner besteht angesichts schrumpfender Feuilleton-Beilagen der großen Zeitungen auf den Vorteilen von Elfenbeintürmen im digitalen Zeitalter und zeigt sich davon überzeugt, dass vergilbte Notizzettel von Dichtern den Studierenden oft mehr zum Nachdenken aufgeben als aufwändig erstellte Datenbanken und Internet-Editionen und dass sie geeignet sind, die Lust am Lesen wieder zu befördern.

Für die Unterstützung des Symposions und der Herausgabe des Tagungsbandes danken wir der Paris-Lodron-Universität Salzburg, der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg, dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst, der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, sowie Land und Stadt Salzburg. Dem ORF Studio Salzburg danken wir für die Unterstützung der öffentlichen Podiumsdiskussion und Christina Repolust für die Coverfotos.

Für die mühevolle und umsichtige Erstellung der Druckvorlage gebührt Frau Lina Maria Zangerl unser herzlicher Dank.

Karlheinz Rossbacher

Lesen. Was sonst?

Eine Abschiedsvorlesung als Eröffnungsvortrag

„Emeritus ist ein sehr schöner Beruf. Nur die Ausbildung dauert so lang.“ Quellenforschung hat ergeben: Das Copyright auf dieses Aperçu hat, wie schön, ein Germanist, Karl Otto Conrady. Ich möchte damit aber nicht ausdrücken, mir sei die Zeit zu lang geworden. Vielmehr möchte ich darauf hinaus, dass Sie, meine Damen und Herren, Freunde, Kolleginnen und Kolleginnen, konsequenterweise jetzt nur ein Gesellenstück erwarten können. Und wenn das akzeptabel ist, darf ich auch kurz in meine Zeit als Lehrling zurückgehen. Unlängst hat mich eine Studentin gefragt, was eine Zwergschule sei. Vielleicht eine Schule für Zwerge? O nein! Das war eine Schule mit nur einem Klassenzimmer, in dem acht Schuljahrgänge, Sechsjährige bis Vierzehnjährige, unterrichtet wurden. Es gibt noch ein paar Zwergschulen in Österreich, aber nicht mehr echte, sondern nur mehr solche mit bloß vier Jahrgängen in einem Klassenraum, oder drei nach dem ersten Jahr. Ich hingegen wurde im Herbst 1946 in eine echte mit acht Jahrgängen eingeschult; man nannte sie damals übrigens noch nicht Zwergschulen, sondern schlicht einklassige Volksschulen. Wir waren im einzigen Klassenzimmer ungefähr sechzig an der Zahl, und an den Direktor und einzigen Lehrer der Schule denke ich heute noch mit Respekt. Zwei Jahre vor mir wurde meine liebste Spielgefährtin eingeschult, und weil ich sie nicht verlieren wollte, habe ich mit ihr mitgelernt. Und das ging am Besten beim Lesen. Aber wie das Leben so spielt: Für Mädchen, die schon in die Schule gehen, werden Buben im Kindergartenalter uninteressant, und sie wurde mir untreu. Treu hingegen blieb mir die Faszination des Lesens.

Alberto Manguel, Verfasser einer empfehlenswerten „Geschichte des Lesens“ (Manguel 2000) schildert, wie er, kaum hatte er zu lesen gelernt, in der Öffentlichkeit alles, was ihm unter die Augen kam, aufsog: Aufschriften, Reklamesprüche, Plakate, Graffiti, Automarken, Fahrkarten mit Kleingedrucktem. Dort, wo ich aufgewachsen bin, gab es wenig dergleichen: Ortsschild, Gasthaus, Gemischtwarenhandlung. Und dann einmal, im April 1945, auf einem kleinen Bahnhof, an der Hand meiner Mutter auf einen Zug wartend, sah ich ein Transparent. Ich wollte, es wäre ein anderes gewesen, aber es war kein anderes da. So las ich eben das und las es dann laut vor: „Räder müssen rollen für den Sieg!“ Die Brutalität des Krieges und den Zynismus des NS-Regimes konnte ich noch nicht begreifen und genoss, fürchte ich, das Lob der erstaunten Umstehenden. In der Rückschau war aus dieser meiner gespenstischen vorschulischen „Vorlesung“ zu lernen, dass ein Lesevorgang zwar gelingen kann, aber nicht von Verstehen begleitet sein muss. Ein Text, und auch diese Durchhalteparole kurz vor Kriegsende war natürlich ein Text, kann ohne seine Kontexte nicht verstanden werden, selbst wenn er „richtig“ gelesen wird. Zur Theorie der literarischen Rezeption, auf die ich noch komme, gehört der Begriff der Leserdisposition. Das sind die lebensgeschichtlichen Sedimente, Erfahrungen, Leseerlebnisse, Kenntnisse, kurz: das persönliche „Weltwissen“, zu dem damals für mich das Wissen, welche Räder zu welchem Sieg führen sollten, noch nicht gehörte. Die Räder des gemütlich daher dampfenden Personenzugs konnten es ja wohl nicht sein. Drei Jahre später musste ich es schon anders verstehen. Da brachte meine Mutter nach mühevollen Nachforschungen in Erfahrung, dass in jenem April 1945, als ich jene Parole las, mein Vater, der in den Osten geschickt worden war, um dort die Rote Armee aufzuhalten, dort sein Leben verloren hatte. Ein später, folgenreicher Kontext zu jenem Text, eine Leserdisposition im Nachhinein, trocken gesprochen.

Ich möchte dem damaligen Gemeindesekretär posthumen Dank abstatten, der mich quer durch die kleine Gemeindebibliothek lesen ließ, ohne je einen Entlehnschein auszufüllen. Der in Porto Empedocle auf Sizilien geborene Theatermann und Schriftsteller Andrea Camilleri war ein sehr behütetes Bübchen, durfte nicht auf die Straße und lernte im Alter von sechs Jahren, wie er in einem biographischen Interview gesagt hat, „blitzschnell“ lesen. Seine erste Lektüre seien Comics gewesen, die ihm sein Vater gekauft habe – wohl ihm, denn Comics in den frühen Jahren sind nützlich, sie reduzieren nämlich, fürs Erste, Komplexität –, und dann habe er, ebenfalls noch mit sechs Jahren, sein erstes Buch gelesen: Joseph Conrad, Almeyers Wahn (Lodato/Camilleri 2005, S. 53f.). Ich hingegen durfte zwar auf die Straße, aber Comics gab es damals für mich keine. Für mich war es dann auch nicht Joseph Conrad, sondern, so meine ich mich zu erinnern, Friedrich Gerstäckers Die Flußpiraten des Mississippi (1848), also ebenfalls exotisch-fern. In Peter Handkes Roman Der Bildverlust ist die Protagonistin, „Finanzweltmeisterin“ genannt, Teilnehmerin an den jährlichen Konferenzen der Welt-Universalbank (Handke 2002, S. 63; 116). Sie hat sich, so heißt es, viele Feinde gemacht. (Seit dem September 2008 hätte sie zweifellos eine ganze Menge mehr.) Diese Frau sistiert ihren Beruf, wird Wandersfrau und wandert durch die spanischen Gredos. Von ihr wird gesagt, dass sie einmal eine Leserin gewesen sei, noch immer sei, aber nicht mehr so richtig. „Und zugleich kam sie sich ohne Lesen verwaist vor.“ An anderer Stelle ist von ihrem „Sich-in-die-Welt-hinaus-Lesen“ die Rede (Handke 2002, S. 16; 174). Ich bin wahrscheinlich, wie viele hier im Hörsaal, ein Beispiel für ein solches „Sich-in-die-Welt-hinaus-Lesen“. Unser Modell und Vorfahre in der Literaturgeschichte ist natürlich Anton Reiser (1785– 1790) von Karl Philipp Moritz (Dazu Stocker 2006, S. 19–27). (Eine Schnell-Variante dieses Sich-Hinauslesens fördert hier in Salzburg der Verein „abc“, der erwachsenen Analphabeten hilft, so schnell wie möglich in die „literacy“ zu gelangen, um sich aus ihrer eingeengten Welt hinaus zu lesen.)

Ich habe, um die Geschichte fortzusetzen, das Lesenlernen nach meiner Einschulung noch drei Mal erlebt, das heißt, mit halbem Ohr mitgehört, wenn im Herbst die Schulanfänger kamen. Die damalige Methode habe ich in der Rückschau MIMI-Methode genannt. Damals hatte sie noch keinen besonderen Namen und hieß erst später „analytische Methode“. Sie wurde angewendet in der Überzeugung, jeder Buchstabe – hinter dem natürlich ein Laut steht – sei ein Bedeutungsbaustein. (Ein einzelner Laut kann nicht Bedeutung tragen, sondern, zum Beispiel als Phonem, nur Bedeutungsunterscheidung markieren, zum Beispiel in „lesen“ und „leben“.) Also Bedeutungsbaustein (nicht Teilbedeutung!) M plus Bedeutungsbaustein I plus Bedeutungsbaustein M plus Bedeutungsbaustein I ergibt MIMI. Natürlich lernt man auch auf diese Weise lesen, aber man kann damit einige wichtige geistige Prozeduren beim Lesenlernen und Lesen nicht deutlich aufzeigen. Darauf komme ich noch. Als ich dann selbst das Lesen lehrte, in der Übungsschule der Lehrerbildungsanstalt und während der so genannten Landschulpraxis, war die MIMI-Methode passé, und es wurde, etwas euphorisch, die so genannte Ganzheitsmethode praktiziert, die, der Name sagt es, auf dem Erkennen eines ganzen Wortes aufbaute. Die Lehrerin für die erste Klasse unserer Übungsschule, die nicht sofort von jeder Innovation restlos fasziniert war, setzte bei jedem Wort die MIMI-Methode sofort hinterher, und so ergaben sich Worterkennung und Buchstabenanalyse fast in einem.

Ich möchte Ihnen nun in Kurzfassung vorführen, warum die MIMI-Methode für sich allein die Eigenart des Lesens nicht angemessen beschreibt. Ich entlehne dazu einfache Erkenntnisse aus der Augenphysiologie, der Kommunikationstheorie und der Lerntheorie. Damit lässt sich eine eklektische Baukastentheorie des Lesens zusammensetzen, die mit einer gewissen Konsequenz, darauf soll es hinauslaufen, zur so genannten Rezeptionsästhetik führt. Diese literaturwissenschaftliche Analyse und Interpretationsweise hat sich schon vor längerer Zeit etabliert, allerdings ohne sich damals mit einer allgemeinen Lesetheorie kurzzuschließen. Das liefere ich jetzt nach; es ist sozusagen meine Innovation, die Rezeptionsästhetik durch eine allgemeine Lesetheorie zu unterfüttern.

Dazu zunächst drei ein wenig konstruierte Sätze: „Ein Kardinal übersteht eine Operation ohne Betäubung nach kurzer Be-tübung.“ Es heißt natürlich Bet-übung. „Vor allem der Talent-förderung dient der Wettbewerb zur Talent-wässerung durch Stauseen.“ Natürlich Tal-entwässerung. „Die Studentin legte zu ihren Spar-geldern, was sie bei der Spar-gelernte verdient hatte.“ Es heißt Spargel-ernte. Wozu das Ganze hier? Liest man das versuchsweise strikt nach der MIMI-Methode (wir als flüssig Lesekundige können das ohnehin nur mehr simulieren), kommt das Verständnis nicht im ersten Anlauf. Sondern es geht besser, wenn man nicht Buchstabe für Buchstabe entziffert, sondern vorausschaut und anders phonologisch verarbeitet, das heißt, anders segmentiert. Wer nach der Worterkennung lesen gelernt hat, segmentiert und unterscheidet das ähnlich Aussehende schneller und sicherer (Oerter 1999, S. 30). Dieser Segmentierung kommt eine Eigenart der Augenphysiologie entgegen. Schon vor hundert Jahren hat der französische Arzt Émile Javal die Augenbewegungen beim Lesen untersucht, mit Hilfe eines tachistoskop-artigen Geräts. Demnach lesen wir nicht additiv-gleitend, sondern hüpfend. Die Gleitphasen, drei bis sechs pro Zeile, nennt man Sakkaden, die Stopp-Phasen dazwischen Fixationen. Während der Sakkaden ist das Auge funktional blind, nur in der Fixation wird visuelle Information ans Gehirn weitergeleitet (Weinrich 1984, S. 85f.). Experimente in der Psychophysiologie haben erbracht, dass wir in einer Fixation vier bis fünf unzusammenhängende Buchstaben aufnehmen können, oder zwei sinnvolle Wörter, die nicht zusammenzuhängen brauchen (Gurke / singen), oder einen kleinen Satz: Das Leben ist kurz.

Der Beitrag der Kommunikationstheorie sagt uns, dass jede Information als das Neue, wenn es verstanden werden soll, in Bekanntes, Redundantes eingebettet sein muss. Vielleicht zuerst ein nicht auf Lesen bezogenes Beispiel: Wenn in einem stockfinsteren Raum viele weiße und schwarze Socken zum Trocknen aufgehängt sind, wie viele Socken muss man von der Leine nehmen, um ein Paar, weiß oder schwarz, in Händen zu haben? Richtig: mehr als zwei, nämlich drei. Ein Stück mehr als zwei – das ist die Redundanz. Aufs Lesen angewendet: Wenn zu Beginn eines Satzes der Artikel unleserlich ist, z. B. „ … Weinbauer probiert Wein“, dann kann man noch nicht sagen, ob es der Weinbauer ist oder ein Weinbauer. Wenn aber in einem Wort wie „Hochseeregatta“ drei Buchstaben hintereinander unleserlich gedruckt sind, kann man das Wort trotzdem erfassen. Es ist genügend Redundanz da, auf dem Papier und im Kopf.

Die Lern- und Verstehenstheorie wiederum liefert einen enorm wichtigen Beitrag zur angemessenen Beschreibung des Lesevorgangs. Sie sagt: Lesen ist wie Lernen das Verknüpfen von neuen Inhalten mit bereits vorhandenen, also der visuellen Information (sowohl Druck auf Papier als auch Pixelbuchstaben auf Schirm) mit der nichtvisuellen Information, die wir bereits im Kopf haben. Für die Letztere gibt es auch andere Begriffe: unser Langzeitgedächtnis, unsere kognitive Struktur, unser Vor-Wissen, unser Welt-Wissen. Der kanadische Leseforscher Frank Smith hat das schon vor längerer Zeit „our theory of the world in our heads“ genannt, „unsere Vorstellung von der Welt in unserem Kopf“ (Smith 1978, S. 57ff.). Wenn wir etwas Neues in der Welt als sinnvoll erfahren wollen, brauchen wir eine Vorstellung von ihr, um etwas Neues hinein verknüpfen zu können. Ganz zentral für das Verstehen beim Lesen ist das Voraussagen bzw. Voraussehen, nach Frank Smith die „prediction“. Wir können nicht auf alles zugleich gefasst sein und versuchen deshalb, die Zahl der Optionen zu reduzieren. Am Beispiel des Satzes mit dem Kardinal: Die Operation (Sinnbezirk Chirurgie) bereitet bereits auf Be-täubung vor, der Kardinal (Sinnbezirk Klerus) bereits auf Betübung. Beim Lesen entstehen „intentionale Satzkorrelate“, für die wir unablässig Bedeutungen „voraus-vermuten“ (Iser 1975, S. 56). In Frank Smith’s allgemeiner Lesetheorie ist das der erwähnte Vorgang der „prediction“ (Smith 1978, S. 63ff.), in Wolfgang Isers Rezeptionsästhetik heißt das „Protention“ (eine Analogbildung zu Intention) (Iser 1975, S. 256). Ein konstruiertes Beispiel, das sowohl einem Sachbericht als auch einem Stück narrativer Prosa entstammen könnte: „Der Mann stieg aus dem Auto, streckte die Hand aus, schaute zum Himmel und ging dann zum Kofferraum.“ Hier stoppe ich. Was protendieren wir? Mit Wahrscheinlichkeit „Der Mann nahm einen Regenschirm heraus.“ Nimmt er einen Regenmantel heraus, protendieren wir ebenfalls Regenschutz und lesen weiter. Nimmt er hingegen ein Aquarell heraus, müssen wir zuerst retendieren, dann anders protendieren, unsere Vorstellung von der Welt in unserem Kopf anders anzapfen, um Bedeutung zu erzeugen: Der Mann braucht einen möglichen Regenschutz vor allem für das Aquarell. Dann kann es weitergehen. Wie schützt er das Aquarell vor dem Regen? Und so fort.

Arthur Schopenhauer, der für die Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts so einflussreiche Philosoph, ich nenne bloß Friedrich Nietzsche und Thomas Mann, hat in seinem Essay Über Lesen und Bücher (Schopenhauer 1977, S. 603) geschrieben: „Wenn wir lesen, denkt ein anderer für uns: wir wiederholen bloß seinen mentalen Proceß.“ Das ist ganz irreführend. Ein Text ist nicht seine Einprägung auf eine unbeschriebene oder unbelichtete Platte in unserem Hirn. Schopenhauer lässt außer Betracht die zentrale Rolle des Vorhersagens bzw. Vermutens unter Zuhilfenahme unserer so oder so beschaffenen Vorstellung von der Welt. (Wenn man übrigens zum Vermuten das Raten hinzu assoziiert und etymologisch ins Englische hinüber denkt, landet man bei „to read“ – lesen.)

Ich muss es mir nun versagen, explizit vorzuführen, wie wir beim Lesen ständig protendieren und, wenn nötig, retendieren. Das Beispiel mit Mann und Regenschirm dürfte ausreichen. Ich möchte nur hinzufügen, dass sich dazu, leicht einzusehen, realistische Texte besser eignen als z. B. experimentelle, sagen wir, dadaistische. Besonders Adalbert Stifter, einer der bedeutendsten Erzähler des 19. Jahrhunderts – Zeugen dafür sind unter anderem Friedrich Nietzsche, Thomas Mann, Walter Benjamin –, verwendet einen äußerst knappen, Figuren lediglich von außen schildernden Stil, zu dem man sich dann ihr Inneres dazu protendieren muss. Sehr wichtig dabei: Das tun wir individuell, auf Basis unserer persönlichen Leserdispositionen. Dazu kommt ein spezifisches Spiel von erzählerischem Zeigen und Verschweigen, ein Verhältnis von Gezeigtem und Nicht-Gesagtem, das uns als Leser zu Co-Produzenten macht. Ein Text ist ja zunächst nur das Schwarze auf dem Weißen und enthält notwendigerweise leere Stellen, die wir konkretisieren. Durch dieses Konstituiertsein im Bewusstsein des Lesers/der Leserin, wird ein Text erst zu einem Werk (Iser 1975, S. 253). Diese Co-Produktion beim Lesen, die Arthur Schopenhauer so gänzlich beiseite gelassen hat, hat bereits Jean-Paul Sartre in seinem berühmten Essay „Was ist Literatur?“ ein „gelenktes Schaffen“ genannt (Sartre 1958, S. 28ff.). Dieses kreative Moment beim Lesen haben Hirnforscher mit differenzierten Messungen der Hirnaktivität bestätigt.

Es läge nun nahe, Ihnen darzulegen, wie die Menschen von der schreibenden Zunft über das Lesen geschrieben haben bzw. wie das Lesen in der Literatur Thema werden kann. Da wir aber dieses Thema, wenn auch aufs 20. Jahrhundert begrenzt, im Programm des Symposions haben, werde ich mich, gleichsam zur Abwechslung nach der Theorie, auf einen Cocktail beschränken.

Eines der schönsten poetischen Zeugnisse eines überwältigenden Lese-Erlebnisses findet man beim englischen Romantiker John Keats (1795–1821), der seine Lektüre der Übersetzung Homers durch George Chapman (1559?–1634) in das Sonett „On First Looking into Chapman’s Homer“ gefasst hat. Darin vergleicht er diesen seinen ersten Blick mit dem augenrollend-stillen Staunen, mit dem im Jahre 1513 der Eroberer Cortez und seine Männer auf einer Anhöhe der Meerenge von Panama, als erste Europäer, den Stillen Ozean erblickten. (Es war zwar nicht Cortez, sondern Balboa, aber das tut hier nichts zur Sache.) Rainer Maria Rilke hat zwei Sonette mit dem Titel „Der Lesende“ (1901) und „Der Leser“ (1908) geschrieben. Eines davon hätte er ruhig „Die Leserin“ nennen können, weil Frauen in der Geschichte des Lesens meist in der Überzahl waren (Rilke 1962, S. 213f.; 392). Im erstgenannten Gedicht hat er beschrieben, wie die Züge eines vertieft Lesenden für immer „umgestellt“ sind, so dass nicht einmal seine Mutter sicher sagen kann, ob er es ist. Und seine Romanfigur Malte Laurids Brigge beschreibt, wie einen ein Lesender, auftauchend, ansieht und doch nicht sieht (Rilke 1962, S. 8). Ich muss übergehen, wie tiefschürfend und leseappetitanregend Marcel Proust über das Lesen geschrieben hat (Proust 1905, 2000). Und als z. B. André Gide Goethes Gedichte las, in einem Gewächshaus, von goldgelben Pantoffelblumen umgeben, empfand er, in Großbuchstaben ins Tagebuch verzeichnet, „ein VOLLKOMMENES GLÜCK“ (Gide 1961, S. 80). Ich übergehe die interessanten „Ersten Lese-Erlebnisse“, die der Verleger Siegfried Unseld im Jahre 1975 den damaligen Autorinnen und Autoren des Suhrkamp Verlages abverlangt hat (Unseld 1975). Vielleicht daraus nur der heute fast vergessene Horst Krüger: Für ihn war Hermann Hesses Demian im gleichnamigen Roman ein Führer, aber ein gänzlich anderer als der damals so Betitelte. Demian habe ihm vermittelt: „Nicht du, die Welt ist in Unordnung. Geh deinen Weg. Es gibt nur eine Wahrheit: die ist in dir“ (Unseld 1975, S. 66). Noch ein paar Tropfen aus dem Cocktailshaker: Elias Canetti hat bekannt, was ein Tiger sei, wisse er wirklich erst seit dem berühmten Gedicht von William Blake (1757–1827): „Tiger, Tiger, burning bright / In the forests of the night“ (Canetti 1976, S. 25). Thomas Bernhard hat dem Lesen die Leistung zugeschrieben, seine „jederzeit offenen Abgründe“ zu überbrücken (Bernhard 1978, S. 153). Silvia Bovenschen, der die deutschsprachige Germanistik frühe und wegweisende Analysen von Bildern der Weiblichkeit in der Literatur verdankt, schreibt in ihrem berührenden Buch Älter werden vom Lesen als dem ganz „Anderen“, als ihrer besonderen „dunklen Geheimsache“, mit der zusammen sie eine „Sekte“ gebildet habe (Bovenschen 2004, S. 63f.). Ich möchte nur ein Beispiel etwas ausbreiten: Von Benjamin Lebert wurde 1999, er war damals siebzehn Jahre alt, der Bestseller Crazy veröffentlicht, den man der im 20. Jahrhundert so reichhaltigen Schul- und Internatsliteratur zuordnen kann. Es ist belegt, dass viele Schüler und Schülerinnen diesen kurzen Roman unaufgefordert gelesen haben (Lebert 1999; dazu Bassler 2002, S. 10; Unterhuber 2008). Darin büchst eine Gruppe von Internatsschülern, für die „crazy“ eine Art Gruppen-Losungswort ist, aus und fährt nach München. Die Hauptfigur, der Ich-Erzähler Benni (= Benjamin Lebert), ist behindert, ein Schulversager und immer wieder gefährdet. Er liest im Abteil aus Ernest Hemingways Roman Der alte Mann und das Meer (1952) vor. Die Jugendlichen, die in der Schule eher ungern vorlesen oder vorgelesen bekommen, hören gebannt zu. Der alte Fischer hat einen großen Schwertfisch gefangen, von dessen Verkauf er eine ganze Weile leben könnte, aber er muss den längsseits am Boot vertäuten Fisch die ganze Nacht hindurch gegen die Haie verteidigen, und er verliert diesen Kampf; übrig bleibt das Skelett. Die Reaktion der Zuhörer: „Die Wangen der Jungen sind rot. Sogar Janosch schnauft laut. Wild schüttelt der den Kopf. Seine Augen platzen fast. Ein dunkles Rot glüht in seinen Ohren.“ Zwei der Schulkameraden „reichen sich entsetzt die Hände, einer greift ebenfalls nach dem Buch (…)“ Ein wenig stilistischer Übereifer darf im Alter von siebzehn Jahren schon sein (Lebert 1999, S. 143f.). Zwölf Seiten zuvor schon hat es, ohne Nennung Hemingways und seines Romans, ein Gespräch gegeben. Besagter Janosch sagt zu Benni, er dürfe nicht aufgeben. „Der Mensch darf nicht aufgeben. Er kann vernichtet werden, aber er darf nicht aufgeben“ (Lebert 1999, S. 130). Das ist exakt der Kern von Ernest Hemingways Roman: „A man can be destroyed but not defeated“ (Hemingway 1952, 2004, S. 86). Diesen berühmten Satz, der, ähnlich wie sein Autor, immer ein wenig des „machismo“ verdächtigt worden ist, sagt sich der alte Fischer vor, nachdem er den ersten, seinen Fisch attackierenden Hai getötet hat und ahnt, dass weitere kommen werden. Als ein Stück Literatur in einem Stück Literatur, Stichwort Intertextualität, wird dieser Satz einem behinderten Internatsschüler als Ich-Stärkung nahe gebracht. Hunderttausende Exemplare wurden verkauft, das bedeutet, von weiteren Hunderttausenden zusätzlich gelesen, dann erst verfilmt: Muss man sich wirklich, wie man hören kann, um das Lesen Sorgen machen?

Bevor ich diese Frage zu erörtern versuche, einige Ausführungen zu einem Aspekt, den ich „Lesen in Extremsituationen“ nenne. Ich fasse dabei unter „Lesen“ auch lautes oder stilles Aufsagen von Auswendiggelerntem und nenne es „inneres Lesen“. Der schon erwähnte Alberto Manguel erzählt, dass einer seiner Lehrer ihn Gustav Schwabs Ballade „Der Ritt über den Bodensee“ habe auswendig lernen lassen mit der Begründung, die Verse würden ihm eines Tages Gesellschaft leisten, wenn er keine Bücher zum Lesen habe (Manguel 2000, S. 81). Inneres Lesen kann auch auf ganz andere Weise nützlich sein. Ein einfaches Beispiel: Eine vormalige österreichische Weltklasseläuferin über 800 Meter erzählte im Rundfunk, sie brauche beim Zahnarzt niemals eine Anästhesie, sondern rezitiere im Stillen Kindergedichte, die sie mit ihrer Mutter eingelernt hat (ORF, Ö1, 26.5.2008, Radiokolleg). Also eine Art poetische Bet-übung anstelle einer Be-täubung. Als ein weiteres Beispiel ein persönlicher Bericht (an den Verf.) von Elisabeth Klaus, Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Salzburg: Sie habe, als sie einmal Monate lang Verpackungsarbeiten zu leisten hatte – drei Handgriffe in endloser Wiederholung –, für sich die Arbeits-Zeit durch das Aufsagen von Gedichten erträglicher gemacht. Es kann einem aber auch ein literarisches und entsprechend gewaltsameres Beispiel einfallen: Ray Bradburys bekannter, auch verfilmter Roman Fahrenheit 451