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Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
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sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 Falkena-Röhrle, Maria / Skupin, Marcus
Bearbeitete und gekürzte Taschenbuchausgabe

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Redaktion: Welt der Katzen, Marcus Skupin
http://www.welt-der-katzen.de

Coverfotos: Marcus Skupin

© 1996 Falkena-Röhrle, Maria
der niederländischen Originalausgabe
© 2009 Falkena-Röhrle, Maria / Skupin, Marcus (Hrsg.)
der deutschen Erstausgabe

ISBN: 978-3-8448-7777-9

Inhaltsverzeichnis

Vorwort / Mein Dank

Margaytje

Intermezzo

Kleine Buena

Buena

Candy

Ein Versprechen muss man halten

Die goldene Göttin

Assunta

Über viel zu zahme Wildkatzen

Gehet hin und vermehret Euch

Verhaltens-Verständnis

Der Kinkajou

Katzen, Kinder und ein verschwundener Kinkajou

Der Kuss

Goldkinder und ein neuer Herr im Hause

Ein ganz natürliches Ereignis

Familiengründung

Gloria

Victor und Victoria

Die Kinderstube

Zusammen Leben

Flecken

Der “Homo Journalensis”

Armer Kinka

Vaterschaftswehen

Die Prägung

Zum Geburtstag viel Glück!!!

Stolpersteine

Das alte Haus

Flora und Fauna in und rundum “De Brei”

Das Recht auf Leben

Schwere Zeiten

Ihr letzter Tag

Abschied vom alten Haus

Epilog

Nachwort

Vorwort / Mein Dank

Es liest sich so einfach: »Dies ist eine vom Aussterben bedrohte Tierart.« Uns steht dabei ein biologischer Begriff vor Augen. Wenn dagegen jemand sagen würde »Die Menschheit stirbt aus«, dann würden wir ganz anders reagieren, wir würden an unsere Nachkommen denken, an einzelne Personen, Individuen, nicht an eine “Art”.

Ich habe einige Exemplare von bedrohten Tierarten höchst persönlich und als sehr spezifische Individuen kennen gelernt und diese, so besondere Erfahrung verpflichtet mich, von ihnen zu berichten.

Meine Erkenntnisse und meine Überzeugung, dass jedes Tier seinen ganz persönlichen Charakter und Wert hat und die Schlüsse, die ich aus diesen Erkenntnissen ziehe, stehen in diesem Buch.

Die holländische Ausgabe dieses Buches erschien 1996. Mit dem Schreiben hatte ich 1992 begonnen. Anfangs habe ich in jährlichen Abständen noch einmal die Zahlen korrigiert, die ich hier und da mit Bezug auf ökologische Themen genannt hatte. - Jedes Mal musste ich meine Zahlen in negativer Richtung korrigieren. Jetzt, beim Erscheinen der deutschen Ausgabe versuche ich das nicht mehr. Morgen wären auch diese Zahlen wieder überholt.

Ich glaube, es ist wirksamer, wenn man vergleichen kann und sehen, wie schnell sich alles verändert. Es ist schließlich längst an der Zeit, grade darüber nachzudenken und zu handeln.

Mein ganz persönliches Anliegen an jeden, der dieses Buch zu lesen bekommt ist vor allem dieses: Niemand möge dieses Buch als Anreiz auffassen, sich jetzt eine Tigerkatze (oder ein anderes exotisches Tier) anzuschaffen. Keiner weiß besser als ich, wie schwer es ist, ein solches Tier wenigstens annähernd artgerecht zu halten.

Die in diesem Buch beschriebenen Erfahrungen habe ich vor vierzig Jahren gemacht, als die Umstände noch so waren, dass diese Tiere zwar bereits bedroht waren, aber noch nicht kurz vor der gänzlichen Ausrottung standen.

Heute würde ich nicht im Traume mehr daran denken, mir eine Tigerkatze oder dergleichen einfach zu bestellen, auch wenn man das Tier noch kaufen und importieren könnte.

Tiere, die man im leider immer noch blühenden illegalen Handel erstehen kann, sollte man schon deshalb nicht kaufen, weil man diesen Handel keinesfalls unterstützen sollte.

Doch wer, aus welchem Anlass auch immer, legal an eines dieser Tiere gerät, weil er es aus einer erbärmlichen Situation retten möchte, sollte bedenken, dass es einen großen materiellen und zeitlichen Aufwand kostet und dass man sein ganzes Privatleben auf diese Verantwortung einstellen muss.

Wem das nicht möglich ist, der sollte solch ein Tier lieber einer der Rettungsstationen, die es zum Glück gegenwärtig gibt, anvertrauen.

Schließlich hat sich jetzt endlich auch bei vielen Tiergärten die Einsicht durchgesetzt, dass es besser und sogar dem Publikum angenehmer ist, wenn man nicht „schreckliche Bestien“ zur Schau stellt, sondern Tiere aus bedrängten Situationen rettet. Man denke an das Projekt „Berenbos“ das ich in diesem Buch beschreibe.

* * *

An allererster Stelle und immer gilt mein Dank meinem Mann, dem ich alles was ich tat und was ich erleben durfte zu verdanken habe. Alles geschah im Schutz seiner Sorge und Liebe, die ich noch über den Tod hinaus spüre. Ohne ihn und ohne die Tiere, die zu halten ich seiner Großzügigkeit verdanke, hätte ich das Beste in meinem Leben nie kennen gelernt.

All denen, die mir bei der Gestaltung des holländischen Buches geholfen haben, gebührt nochmals mein Dank. Ohne sie wäre das Buch nicht so unerwartet erfolgreich geworden.

Herrn Professor Leyhausen und seiner Frau Barbara danke ich für ihre vielen guten Ratschläge und Hilfe in den Jahren, als unser Haus wilde Katzen beherbergte. Mein ganz besonderer Dank gilt dazu noch Frau Barbara Leyhausen für die Erinnerungshilfe den Besuch beim Max-Planck-Institut betreffend, die zur Verfügung gestellten Fotos und - last not least - für die letzte Bearbeitung dieses deutschen Manuskriptes. Der Beitrag zur Iriomotekatze stammt von Frau Barbara Leyhausen.

Ich danke auch meinen beiden alten Schulfreundinnen Rosemarie Dehmel-Nollmann und Hannelore Franke-Schomer fürs „Mitlesen“. Herr Ernst Schomer und seiner Frau Hannelore, haben sich die Mühe gemacht, mein - nach einem halben Jahrhundert im Ausland - etwas verschlissenes Deutsch wieder zurecht zu rücken. Diese zwei sind es auch, die mich ermuntert und stimuliert haben, mein Buch aus dem holländischen ins Deutsche zu übersetzen.

Frau Dagmar Thies, der Autorin vieler sehr lesenswerter Sachbücher, danke ich für ihre ermutigenden Worte und Stimulanz und Frau Dr. Rosemarie Wolff für gar vieles, zuletzt für das zur Verfügung stellen ihrer Fotos von meinen Oncilla-Abessinier-Hybriden.

Posthum gehört noch mein Dank einem Lehrer aus meiner Schulzeit, Herrn Studienrat Otto Chudczian, der vor so langer Zeit mit einem Satz im Physikraum den Grundstein zu meiner Lebensauffassung gelegt hat.

Und wieder und immer gehört mein Dank den vielen Tieren, die im Laufe meines Lebens mir Freundschaft, Liebe, Anregung, Treue und Vertrauen geschenkt haben.

Mit Hilfe dieses Buches mögen sie nicht vergessen werden.

Doorwerth (Niederlande), 2001

- zehn Jahre nach der Idee zu diesem Buch -

Maria falkena-Röhrle

Kapitel 1

Margaytje

War es Glück oder nur Zufall, dass das Schicksal mir das Vorrecht gegönnt hat, die südamerikanischen Tigerkatzen kennen lernen zu dürfen? - Ich weiß es nicht. - Mit ihnen habe ich vieles erfahren, das einzigartig ist und sich wohl kaum irgendwo auf der Welt in dieser Form wiederholen wird.

Diese Wildkatzen stehen längst auf der Liste der bedrohten, leider nicht auch auf der Liste der beschützten Tierarten. Sie leben oder lebten in den Urwäldern von Ecuador, Bolivien und Brasilien. Mit jedem Quadratmeter Regenwald vermindern sich ihr Lebensraum und ihre Überlebenschancen als Art drastisch.

Meine so seltsamen Erfahrungen mit ihnen verpflichten mich geradezu von der Zeit zu berichten, wo sie, später mit noch manchen anderen Tieren, Teil unserer Familie waren. Ich habe sechzehn Jahre mit den Wildkatzen zusammen gelebt und finde, dass sie es verdient haben durch meine Geschichte fortzubestehen; so, wie sie in meiner Erinnerung immer noch leben.

Zur Verwirklichung dieser Aufgabe stehen mir zwei Mittel zur Verfügung: die Fotos, die ich damals gemacht habe und meine Erinnerungen, die durch alte Tagebucheintragungen und durch das gute Gedächtnis meines Mannes unterstützt werden.

Ich hoffe sehr, dass ich die richtigen Worte finden werde um denen, die dieses lesen, das Wunder erklären zu können, das ich mit meinen zahmen Wilden erlebt habe. Sie waren nicht nur faszinierend schön, sie hatten auch Persönlichkeit, Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und einen absoluten Realitätssinn.

Ich schreibe dies alles aber auch zum Andenken an alle die Tiere, die mir mein Leben lang die besten Freunde und Weggenossen waren. Sie alle haben meinem Leben Inhalt gegeben und von ihnen habe ich mehr über die Schöpfung gelernt, als aus allen Büchern während und nach meiner Schulzeit.

* * *

Angefangen hat alles im Jahre 1951 mit einer ganz normalen Hauskatze, die wir uns anschafften, weil unsere Kinder so gern ein Kätzchen haben wollten.

Auf dem „Hoogkamp“ in Arnheim wurde ein junges Katerchen angeboten. Der Hoogkamp war am anderen Ende der Stadt. Wir fuhren hin und holten das sehr junge Tierchen in einem Haus an der “Jacob Marislaan” ab. Genau in dieser Straße, schräg gegenüber der Geburtsstätte unseres ersten Katerchens, sollte sich später die Geschichte abspielen, die ich erzählen will.

Der kleine Kater war einer dieser Straßenschönheiten, grau getigert mit weißem Lätzchen und Pfoten. Wir fanden ihn schön und nannten ihn großzügig “Tiger”.

Als wir vier Jahre später selbst ein Haus an der Jacob Marislaan bezogen, ging Tiger mit und war ganz selbstverständlich gleich dort zu Hause. Er war ein gutes Vorbild dafür, dass die Annahme, dass eine Katze sich nur an das Haus und nicht an die Menschen gewöhnt, falsch ist.

Bald hatte Tiger eine Frau gefunden, “Snoesje” hieß sie, was soviel heißt wie “Süße”. Sie kam und blieb und bekam gar bald zwei noch süßere Kinderchen.

Wir waren zu der Zeit auf dem Gebiet der Katzenhaltung noch nicht viel gewohnt und vier Kätzchen erschienen uns absolut zu viel. Also rief ich den Tierschutz an: ob man nicht ein gutes Heim bei lieben Menschen für zwei reizende kleine Katzenbabys wisse. Die Tierschutzdame erkundigte sich ausführlich danach, wie wir die Kätzchen wohl versorgten und als sie alles gehört hatte, vom Hackfleisch bis zu den Vitamintropfen, verabschiedete sie sich mit ein paar freundlichen Worten und ließ vorläufig nichts mehr von sich hören. Es gab wohl Tiere, die ihre Sorge dringender nötig hatten. Aber das alles musste ich erst später lernen.

Die beiden Kinder von Tiger und der Süßen blieben also bei uns und wurden “Fleckje” und “Leeuwtje” getauft (Leeuw ist holländisch für Löwe).

Nach einer Weile hörte ich dann doch wieder etwas von der Tierschutzdame. Im Park Sonsbeek sei so ein armes, verwahrlostes Kätzchen gefunden worden. Das Tierheim wäre voll und das Tierchen würde wohl eingeschläfert werden müssen, wenn man keine Bleibe dafür fände. Ob ich es nicht »für eine ganz kleine Weile« aufnehmen könnte, bis eine passende Adresse gefunden sei? Wer kann da schon “nein” sagen? Das Katerchen war plump, ungleichmäßig gezeichnet, struppig, kurz gesagt, das genaue Gegenteil von einer Schönheit. Aber grade das gab ihm etwas Rührendes. Es wurde von einer Tierschutzdame gebracht, die Reinemann hieß und in unserer Nähe wohnte. Sie gehört zu den Schicksalsfiguren dieser Geschichte. Das Katerchen nannten wir “Scampolo”.

Frau Reinemann brachte uns später auch den schwarzweißen “Panda”, der so sanft und anhänglich war und die fröhliche “Pückie”, die erste Katze in unserem Haushalt, die Türen öffnen konnte, indem sie auf die Türklinke sprang. Panda wollte ihr das nachmachen, aber er hatten den Kniff nicht im Griff. Er sprang vor der Tür herum, wenn er heraus wollte, aber das funktionierte nicht. Ab und zu kam Pückie ihm zu Hilfe.

“Romy”, die wir so nannten, weil sie ein so liebes, freundliches Gesichtchen hatte, fand ich selbst im Tierheim, das ich inzwischen wöchentlich besuchte.

Sie stand auf der “Einschläferungsliste”, wobei man mir das Wort “einschläfern” vergeben möge. In Wirklichkeit geschah das “einschläfern” mit sehr schmerzhaften Strychnin-Injektionen, die aber billig waren. dass ich dagegen protestierte, brachte mir Streit ein und ich verhielt mich weiter still, weil man drohte, mir sonst den Zugang zum Tierheim zu verweigern.

Im Frühjahr 1960 waren wieder einmal alle Käfige im Tierheim voll besetzt mit “einzuschläfernden” Katzen, hauptsächlich Mutterkatzen mit Jungen.

Gleich als ich herein kam, sah ich im obersten Käfig eine tote Katze mit zwei Jungen, die vergeblich bei der toten Mutter zu trinken versuchten. Auf dem Steinfußboden krabbelte noch ein ganz kleines Tierchen herum, das wohl aus einem der Käfige gefallen war. Ich nahm die zwei aus dem oberen Käfig und legte sie so lange zu einer der anderen Mutterkatzen.

Den Kleinen vom Fußboden nahm ich auf und steckte ihn in meinen Mantel. Er war etwa vier Wochen alt. Den Tierarzt, der grade kam, fragte ich: »Wie kann ich den am besten füttern, um ihn groß zu kriegen?« - »Lassen sie den nur hier,« sagte er »der geht ihnen doch ein.«

Trotzdem nahm ich den Kleinen mit und fütterte ihn, sehr unsachgemäß aber mit Erfolg mit einer Diät aus gehacktem Steak und Sahne und hatte danach in ihm für achtzehn Jahre den treuesten Freund, den je ein Mensch gehabt hat. Wir nannten den kleinen Kater “Jantje”.

Inzwischen war ich längst Mitglied beim Tierschutz geworden und der Kontakt mit den beiden Tierschutzdamen war unvermeidlich. Sie berichteten mir treu wenn dringend Hilfstruppen für die Kollekte am 4.Oktober gesucht wurden oder wenn jemand mit Auto gebraucht wurde, weil irgendwo ein Kätzchen, ein Hund oder ein Meerschweinchen in mehr oder weniger beschädigtem Zustand abgeholt werden musste.

Frau Reinemann war es auch wieder, die eines Tages einen wunderschönen, roten Kater fand, der - so war aus dem Fundort und seinen Verwundungen ersichtlich - am verkehrsreichen “Amsterdamerweg”überfahren worden war. Ein Bein war gebrochen. Es war zu spät für eine Operation, also lief er weiter, etwas hinkend aber trotzdem unbehindert, durchs Leben - natürlich in unserem Haushalt!

Inzwischen könnte man natürlich fragen, was das denn für eine Familie sei, die einen so rapiden Zuwachs des Katzenbestandes im Haushalt duldete. Nun, das war mein sehr tierliebender Mann, unsere Tochter Marion, unser Sohn Freerk und ich. Die beiden Kinder waren wohl auf dem Gebiet der Tierliebe erblich belastet.

Soweit die Vorgeschichte.

Der tatsächliche Anfang spielte sich in der ersten Dezemberwoche des Jahres 1960 ab, genau gesagt am 5. Dezember, dem holländischen Nikolaustag. An diesem Tag kam nämlich Frau Reinemann wieder einmal mit einem Kätzchen zu uns, das ich aufnehmen sollte.

Ich sehe sie da noch sitzen, auf dem Sofa. Den Mantel hatte sie nicht ausgezogen, denn darin versteckte sich etwas das ich erst für ein Plüschtier hielt. Merkwürdigerweise hatte Frau Reinemann sogar ihre Handschuhe angelassen, als sie in unser Wohnzimmer kam. Mit behandschuhten Händen holte sie nun das Fellbündel aus ihrem Mantel und hatte einen kleinen Winzling in den Händen, der wütend kratzte und in ihre Handschuhe biss. Sie ließ das kleine, fauchende Etwas los und es flog verängstigt unter ein Kissen in der Ecke des Sofas, auf dem Frau Reinemann saß. »Ich habe da ein Kätzchen gefunden« sagte sie etwas matt, und ich: »Kätzchen ist gut! Was ist das in Himmels Namen? Ein Miniaturpanther?« Ich sah noch ein Stück Fell unter dem Kissen hervor gucken. Goldgelb war es, mit schwarzen Ringen.

Jetzt hörte ich die Geschichte: Frau Reinemann war in ihrer Funktion als Tierschutzkontaktperson angerufen worden und hatte gehört, dass man irgendwo eine Katze abholen sollte, die auf einem ungeheizten Dachboden gehalten würde. Sie war von einem Matrosen aus Südamerika mitgebracht worden, aber die Eltern des jungen Mannes wollten sie nicht mehr haben. Sie wäre bösartig, hatte man gesagt und außerdem wollte sie nicht einmal Milchbrei fressen. Mit viel Mühe hatte Frau Reinemann das Tierchen eingefangen und brachte es nun zu mir, da ich ja sowieso im Ruf stand, ein Katzennarr zu sein.

»Ich will versuchen, ob ich mit ihr fertig werde« versprach ich. »Aber ob ich sie behalten kann, hängt davon ab, wie sie sich mit meinen anderen Katzen verträgt.«

Mit sichtlicher Erleichterung ging Frau Reinemann fort und gab mir nur noch den Rat, die kleine Furie nicht ohne Handschuhe anzufassen.

Nun trage ich grundsätzlich keine Handschuhe im Wohnzimmer. Also zog ich unbewaffnet und wehrlos das Kissen von dem “wilden Tier” herunter. - In diesem Augenblick sah ich zum ersten Mal eine Tigerkatze.

Sie saß da, winzig klein, wie erstarrt, fauchte auch nicht mehr, sie war nur die verkörperte Angst. Ich hatte auch keine Zeit, sie zu bewundern, erst musste ich ihr Gelegenheit geben, mich kennen zu lernen.

Ich hielt ganz vorsichtig meine Hand in ihre Nähe. Sofort ging sie zum Angriff über, kratzte, blies, fauchte, biss in die Hand. Aber das merkwürdige Ding, das da vor ihr lag, rührte sich nicht. So setzte sie sich hin und besah und beschnüffelte meine Finger, dann gingen ihre Augen an meinem Arm entlang und über die ganze Gestalt, die daran fest saß. Und was sie da sah, musste sie einer gründlichen Untersuchung unterziehen. So richtete sie sich auf, saß auf den Hinterpfoten und schaute von rechts nach links und wieder zurück mit einer Bewegung, wie man sie bei den Bären im Zoo beobachten kann, wie ein Metronom, nur langsamer. Diese “Beobachtungshaltung” habe ich später bei meinen Tigerkatzen immer wieder wahrgenommen.

Jetzt endlich konnte ich mein neues “Kätzchen” gut ansehen. Ihr Fell war goldgelb, am Bauch mehr cremefarben und überall ganz gleichmäßig gefleckt. Die Zeichnung auf der Stirn war M-förmig, wie alle getigerten Katzen, wild oder zahm, sie haben. Sie hatte runde, kleine Öhrchen mit einem weißen Fleck auf der Rückseite, wie die Tiger ihn haben. Ihre Augen waren warm-braun und vom ersten Augenblick an fiel mir auf, wie intelligent sie dreinschauten.

Ich habe versucht, meine erste Tigerkatze nun ganz nüchtern zu beschreiben. Was ich allerdings nicht ausdrücken kann, ist die Ausstrahlung, die von diesem winzig kleinen Tier ausging. Ein Hauch von Urwald war es, eine Kombination von Wildtier und hilfloser Kreatur, ein Stückchen Urschöpfung, die mir bisher verborgen geblieben war. Sie war eine atemberaubende Winzigkeit.

Viel Zeit zum Bewundern gab es vorläufig nicht. Es war klar, dass unser Gast erst einmal etwas nahrhaftes bekommen musste und ganz sicher keinen Milchbrei. Eines der Kinder holte rohes Rindfleisch: Vitamintropfen waren im Haus. Das Fleisch wurde in kleine Würfel geschnitten (völlig überflüssig, wie sich später herausstellte) und die Vitamintropfen darüber getröpfelt.

Das Ganze wurde auf ein Tellerchen gelegt und auf den Fußboden gestellt. Und dann hörten wir zum ersten Mal den Ruf einer kleinen Tigerkatze!

Ich habe seither oft und vergeblich versucht diese Stimme zu beschreiben. Immer wieder komme ich nicht weiter als zu sagen, dass sie mich in erster Instanz an den Ruf eines Pfauen erinnert. - Ein heiserer Ruf, in weitaus höherer Tonlage als der Schrei eines Panthers, aber doch diese “Melodie”, die Tonart. Sie gleicht überhaupt nicht der Stimme der Hauskatzen.

Also diesen Schrei stieß sie aus, stürzte sich auf den Teller mit Fleisch, biss in den Rand, sprang mit allen vier Pfoten auf den Teller, ergriff eins der Fleischstückchen und rannte damit quer durchs Zimmer unter einen Schrank. Dieses Schauspiel wiederholte sich, bis der Teller leer war. Danach legte sie sich in unseren Bücherschrank und schlief lange.

Am Abend war Familienrat. Wir waren uns einig, dass am nächsten Tag ein Tierarzt kommen müsste und zwar nicht der, der unsere Hauskatzen geimpft hatte, sondern einer, der auch die Tiere im Zoologischen Garten betreute. Er würde das Kätzchen impfen müssen, uns Ratschläge für die Versorgung geben und auch wohl sagen können, was für ein Tier das überhaupt sei.

Der Tierarzt kam auch. Er sagte, dass wir nur weiter rohes Fleisch mit Vitaminen füttern sollten, kam zu dem Schluss, dass das Tierchen wohl eine junge Margay sei und fand sie noch zu jung, um geimpft zu werden. - Damit hatte er unserem Kätzchen schon das Todesurteil ausgesprochen.

Viel später erwies sich übrigens auch seine Bestimmung der Katze als falsch. Es war eine Kleinfleckkatze (Leopardus geoffroyi) die uns ins Haus geschneit war. Aber den Namen hatten wir damals noch nie gehört. Der Zoo-Tierarzt scheinbar auch nicht. - Vorläufig war alles noch eitel Sonnenschein.

Der Name Margay gefiel uns so gut, dass wir ihn zum Rufnamen der Kleinen machten und sie gewöhnte sich bald an ihren Namen, den sie wohl mit Futter assoziierte. Am zweiten Tage lief sie schon hinter mir her, am dritten wagte ich es, sie mit den anderen Katzen bekannt zu machen.

Es war ein Riesenerfolg. Sie lief auf die Hauskatzen zu, beschnüffelte sie und stieß dabei wieder diesen merkwürdigen Schrei aus. Für uns sah es ganz so aus, als ob sie unter ihnen nach ihrer Mutter suchte. Eine Ersatzmutter fand sie dann in Kater Jantje, der sie sofort liebevoll betreute.

Er leckte sie, spielte mit ihr, ließ sie zwischen seinen Pfoten schlafen. Beim Spielen gab es ab und zu einmal einen Schrei, denn die Kleine hatte weitaus schärfere Krallen und Zähne als eine Hauskatze. Aber sehr schnell hatte sie begriffen was erlaubt war und was sie besser unterlassen sollte. Nach ein paar Tagen hielt sie ihre Zähne und Krallen unter Kontrolle.

Überhaupt lernte sie alles in einem unglaublich schnellen Tempo. Uns erstaunte das damals. Erst viel später, als unser Haus eine Oncilla-Kinderstube war, erkannten wir, wie ungeheuer diszipliniert junge Wildkatzen erzogen werden, eine Maßregel, die wohl zum Überleben im Urwald eine absolute Notwendigkeit ist.

Ihre Intelligenz war bedeutend größer, als die einer Hauskatze. Als sie eine Woche bei uns war, wusste sie alles, was eine “anständige” Hauskatze wissen muss. Bei den meisten Dingen imitierte sie einfach die anderen Katzen. Sie konnte von einem Tellerchen fressen, ohne erst in den Rand zu beißen, passte sich dem Tag- und Nachtrhythmus an, ging sogar - und das war wirklich sehr bemerkenswert - auf das Katzenklo, spielte mit einem Tischtennisbällchen und sah vor allem uns Menschen nicht mehr als ihre Feinde, sondern wohl als etwas komische Mit-Tiere.

Sehr auffallend war ihr Geruchssinn. Es ist mir ein paar mal passiert, dass ich in der Küche das Fleisch für die Katzen geschnitten hatte und danach ins Zimmer kam, um noch etwas zu holen, die Vitamintropfen oder ein Tellerchen. Noch aus der entferntesten Ecke kam sie dann angerannt, kletterte an meinen Strümpfen, meinen Kleidern hoch und biss in die Hand, mit der ich das Fleisch angefasst hatte. Anfangs biss sie dabei recht fest zu. Später, als sie gelernt hatte, dass sie vorsichtig sein musste, nur ganz zart und dann leckte sie meine Finger.

Erstaunlich war auch ihre Schnelligkeit und ihr Reaktionsvermögen. Nachdem sie ein paar Tage bei uns war, hatte sie sich angewöhnt, auf unseren Schoß zu klettern und dort laut spinnend einzuschlafen. Das tat sie auch einmal, als wir zu Tisch saßen.

Dem Anschein nach lag sie in tiefem Schlaf und völlig regungslos auf meinem Schoß. Dann, auf einmal, im Bruchteil einer Sekunde, so schien es, schoss sie wie ein Blitzstrahl über den Tisch und saß im nächsten Augenblick in der Ecke des Zimmers mit ihrer Beute: der Bockwurst, die noch ein paar Augenblicke zuvor auf dem Teller meiner Tochter gelegen hatte!

Auch ihr Anpassungsvermögen war bemerkenswert. Schon am dritten Tag ihres Aufenthalts bei uns, an dem Tage an dem sie die anderen Katzen kennen gelernt hatte, lief sie der Gruppe nach, die, der Gewohnheit gemäß, ihr Abendfutter in dem geräumigen Badezimmer bekam, wo die Katzen auch ihre Schlafkörbchen für die Nacht hatten. Dort nestelte sie sich mit Jantje in ein Körbchen.

In unserer Familie habe ich den Ruf, eine Art Weihnachtsfanatiker zu sein. Ein paar Wochen vor dem Fest beginnen schon die Vorbereitungen und zum Fest ist das ganze Haus mit Tannengrün und Kerzen geschmückt. Die Weihnachtskarten hängen an einer langen Leine im Wohnzimmer. Diese Gewohnheit aus meiner Jugend hatte ich mit nach Holland genommen, als ich dorthin übersiedelte, obschon zu der Zeit Weihnachten in Holland noch mehr ein religiöses Fest war als ein fröhliches Familienfest. Heute ist das holländische Weihnachtsfest kaum noch vom deutschen zu unterscheiden. Nur die Geschenke bekommt man noch immer nicht zu Weihnachten sondern am 5. Dezember vom Nikolaus. Nun, zum Nikolaus hatten wir das allerschönste Geschenk bekommen: unser “Margaytje” und zu Weihnachten war sie der Mittelpunkt des Festes. Alles hatte ihre Aufmerksamkeit. Der Weihnachtsbaum war ein einziges Abenteuer. Zum Glück habe ich noch ein paar Fotos aus jenen Tagen.

Gleich nach Weihnachten wurde Margaytje krank. Sie wollte nichts mehr fressen und lag lustlos in ihrem Körbchen. Der Tierarzt kam und schüttelte den Kopf: »Vielleicht hätten wir sie doch impfen sollen.« sagte er. Er gab mir ein paar Tabletten, die ich ihr eingeben musste und hatte Eile wieder fort zu kommen. Ich hätte ihn ermorden können, wenn ich nur gewusst hätte, wie man so etwas macht und wenn es geholfen hätte.

Krampfhaft suchten wir noch nach Hilfe. Mein Mann rief beim Tiergarten Artis in Amsterdam an, dem damals größten holländischen Zoo. Aber dort gab man sich zurückhaltend. Wildtiere gehörten nun einmal nicht in Privathände und übrigens sei da der Tierarzt zuständig.

Irgend jemand gab uns die Adresse von Herrn Professor Leyhausen vom Max-Planck-Institut in Wuppertal. Ich rief ihn an und er war hilfsbereit und freundlich. Viel Trost konnte er uns allerdings nicht geben. »Wenn die kleine Katze die Katzenseuche hat, wird es wohl kein Mittel geben, sie zu retten. Grade gegen Katzenseuche sind diese Wildkatzen außerordentlich empfindlich. Aber wenn es sich um eine Verdauungsstörung handelt, dann rate ich ihnen dringend, ihr eine schlachtwarme Taube zu besorgen. Tauben sind das ideale Futter für Wildkatzen.«

Wo findet man in einer Stadt eine schlachtwarme Taube? Mein Mann fand schließlich ein Geflügelgeschäft, das Tauben verkaufte. Schlachtwarm war die Taube nicht, die er mit nach Hause brachte, aber es war immerhin eine Taube. Ein kleines Stückchen Taubenfleisch war das Einzige, das noch ein wenig Interesse bei unserem Margaytje erwecken konnte. Das kleine Häppchen, das sie gefressen hatte, brach sie gleich wieder aus. Mit dem Köpfchen hing sie über der Wasserschüssel und konnte doch nicht trinken. Fünf Tage hat sie so gelitten und wir mit ihr. Dann war sie tot und meine Welt, der sie einen exotischen Glanz verliehen hatte, war leer und sinnlos. So verängstigt war sie gewesen und so schnell hatte sie uns ihr Vertrauen geschenkt und damit unsere Liebe gewonnen. Ich konnte es nicht fassen, dass das alles vorbei sein sollte.

Einmal früher hatte ich in meinem Leben eine solche Verzweiflung gefühlt. Ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre. Meine erste Katze.… Ich hatte sie gefunden, als ich etwa zehn Jahre alt war. Es war ein kleines, halb verhungertes Tierchen, das ich auf dem Schulweg fand. Ich nahm es auf, brachte es schnell nach Hause: »Bitte bewahrt es, wenigstens bis ich aus der Schule komme!«

Am Mittag hatte “Pussy” sich dann schon in den Arm meiner Mutter genestelt, die krank war und im Rollstuhl saß. Natürlich durfte das Kätzchen bleiben. Es war ein liebes, anhängliches Tierchen, das seine Zuneigung ehrlich zwischen meiner Mutter und den anderen Familienmitgliedern teilte. Es war Anfang der dreißiger Jahre und wir wussten noch nichts von Kastration und Impfung gegen Katzenseuche. Als “Pussy” zu einem stattlichen Kater heranwuchs, zog es ihn ab und zu nach draußen, wir mussten ihn hinauslassen. Eines Tages kam er zurück und war krank. Damals dachten wir, dass er vergiftet sei. Es kann so gewesen sein. Es gab nicht nur katzenfreundliche Leute in der Nachbarschaft. Aber vielleicht hatte er auch die Katzenseuche. Ich weiß nur noch, dass er nach drei traurigen Tagen starb. Es war meine erste Begegnung mit dem Tod und ich konnte und wollte das nicht akzeptieren. Pussy hatte doch gerade noch gelebt, das konnte doch nicht einfach vorbei sein!

- Haben wir das nicht alle ein wenig, auch wenn wir älter sind und längst die Realität des Todes erfahren haben? Dieses “Nein”, wenn wir hören, dass jemand gestorben ist? Ich denke, dass meine Familie es damals nicht leicht mit mir gehabt hat.

Als man mir dann erklärte, dass meine Pussy begraben werden sollte, habe ich mich gewehrt, gekämpft. Das konnte man nicht tun, meine Pussy unter die Erde stecken, das ging nicht!

Auf meinem Schulweg kam ich jeden Tag an einer Kürschnerei vorbei. Dort hatte ich oft vor dem Schaufenster gestanden. Ein ausgestopfter Fuchs stand da und ein Eichhörnchen und viele Vögel. Wenn meine Pussy nicht mehr leben konnte, dann sollte sie wenigstens so erhalten bleiben, wie diese Tiere, dann würde ich sie immer noch streicheln können.

Ich hatte sehr gütige Erzieher. Pussy wurde in einen Pappkasten gelegt und ich durfte sie zum Kürschner bringen. Der sagte, dass ich in drei Wochen zurück kommen solle und Pussy abholen.

Es verging eine lange Zeit, weit mehr als drei Wochen. Ich fürchtete mich vor dem Wiedersehen. Irgendwas stimmte nicht mit meinem Plan, das fühlte ich und wusste nicht, was es war. Dann musste ich endlich zum Kürschner. Der nahm das Geld an und gab mir ein Päckchen. Aufsetzen hätte er die Katze nicht können, dazu sei das Fell zu schlecht gewesen, weil sie wohl krank gewesen sei. Aber er habe das Fell präpariert. Das war wohl aufgerollt in dem Päckchen, das er mir gab.

Zu meinem Zimmer gehörte ein Erker und darin stand ein etwas abgedanktes Sofa, auf dem durfte ich spielen. In jeder Ecke lag ein Kissen. Unter eins der Kissen stopfte ich das ungeöffnete Päckchen und saß fortan in der anderen Ecke. Wochen später erst traute ich mich, einmal vorsichtig unter das Kissen zu sehen: das Päckchen war fort …

Jetzt war es 1961. Ich war eine erwachsene Frau, die den Krieg erlebt hatte mit allen seinen Schrecken und dem großen Sterben. Aber dieses “Nein” dem Tode gegenüber, diese Auflehnung gegen das “Niemals wieder”, die war auf einmal wieder da. Und wieder ging ich zum Kürschner. Diesmal konnte das Tierchen aufgesetzt werden und wieder einmal musste ich erkennen, dass man den Tod nicht überlisten kann.

Das Fell war gut, aber das Köpfchen war nicht im entferntesten das Gesichtchen von unserer kleinen Margaytje. Ich stellte sie mit dem Kopf zur Wand in einen offenen Bücherschrank und dort hat sie wie eine Reliquie bis zu unserem Umzug nach Ingen, gestanden. Beim Umzug ist sie dann irgendwie verloren gegangen, aber zu der Zeit hatten wir auch schon unsere ganze Wildkatzenfamilie. -

Denn die Geschichte fängt jetzt erst richtig an.

Kapitel 2

Intermezzo

Es gibt Leute die behaupten, dass es rote Rosen für sie regnen sollte, andere gibt es, die beim ersten, besten Missgeschick verkünden, dass sie nun einmal immer Pech haben. Da nun in dieser Geschichte außer den Tieren auch die dazu gehörigen Menschen eine Rolle spielen, kann ich wohl gleich etwas von mir verraten. Ich behaupte immer, dass mir irgendeiner meiner Vorfahren ein “Durchhalte-Gen” vererbt haben muss, das mir in schlimmen Situationen immer eine große Hilfe war.

Schlimm war es wirklich. Ich hatte etwas so Schönes, so paradiesisch Ursprüngliches besessen und wusste nur, dass das nicht alles gewesen sein konnte. Also stürzte ich mich in die Arbeit. Ich holte alles an Büchern ins Haus, das nur irgendwie mit Wildkatzen zu tun hatte, wissenschaftliche Abhandlungen oder einfach Erzählungen, ich las alles ganz wahllos. Ich besuchte alle Zoos, die erreichbar waren und fragte nach Adressen, wo man eventuell eine südamerikanische Wildkatze kaufen könnte. Ich wurde überall mehr oder weniger freundlich abgewiesen. Irgendeine verwöhnte Frau, die sich in den Kopf gesetzt hatte, etwas Besonderes haben zu wollen, die musste man schnell wieder loswerden!

Eine Freundin, die das Margay-Drama miterlebt hatte, verstand meinen Kummer. Sie war Ärztin und sie hatte einen Patienten, der einen jungen Löwen aufzog. Der kleine Löwe war im Tiergarten von seiner Mutter verstoßen worden und sollte eigentlich von der Hündin des Herrn F. gesäugt werden. Aber irgendwie hatte das nicht geklappt und der Herr war selbst zur Löwenpflegemutter avanciert.

Meine Freundin, Gré Jebbink, arrangierte einen Besuch bei der Löwen-Pflegefamilie für meinen Sohn Freerk und mich. Und wieder war da diese Erfahrung ein Tier zu sehen, das uns früher immer als “wildes Tier” vorgestellt wurde und dem man ansah, dass es völlig unberührt von “gut” und “böse” und ganz unbefangen den Menschen gegenüber war. Seine “Pflegemutter” gab ihm ein Fläschchen mit einer speziell zubereiteten Milch und danach - zu unserem Erstaunen - leckte er dem Löwenbaby das Bäuchlein.

»Das hat er nötig«, sagte Herr F. »Das macht eine echte Löwenmutter auch.« Seine Ziehmutter leckte ihn, wie es eine Löwenmutter auch getan haben würde.

Obwohl es zeitlich vorgreifend ist, muss ich die Löwengeschichte doch zu Ende erzählen. Der kleine Löwe wuchs zu einem gesunden Tier heran und wurde, sobald er von normaler Löwennahrung (Fleisch) leben konnte, von dem Zoo, der ja der rechtmäßige Eigentümer war, zurück geholt. Schließlich hatten die Pflegeeltern keinerlei Recht auf ihn.

Noch einmal haben sie ihn wieder gesehen. Weil er so zahm und menschenfreundlich war, hatte man ihn an eine Warenhauskette verkauft oder vielleicht auch vermietet oder ausgeliehen. Dort lag er im Schaufenster, mager, traurig und verängstigt.

Frage: Hätte man ihn nicht besser gleich im Zoo sterben lassen sollen, wenn man ihm später doch kein löwenwürdiges Leben bieten wollte? Und wer ist nun hier böse, das schreckliche Wildtier oder die nette Menschheit? Wo sind die wahren Wilden?

Auf meiner Suche nach Adressen, bei denen man mir eine südamerikanische Wildkatze vermitteln könnte, gab mir jemand eine Anschrift in Ecuador. Dorthin schrieb ich, legte ein Foto von “Margaytje” ein und erklärte, dass ich ein solches Tier, eine Margay, erwerben wolle. Von dort hörte ich vorläufig erst einmal nichts.

Ich muss nun wohl einfügen, dass es damals noch kein Einfuhrverbot für Wildkatzen oder andere exotische Tiere gab, so wie es heute besteht. Selbst von den Gründen, derentwegen dieses Verbot besteht, hatte man Anfang der sechziger Jahre, von denen ich erzähle, noch nichts gehört. Wohl hatte ich darüber nachgedacht, ob man es einem Tier antun dürfe, es aus seiner Umgebung zu holen. Die Antwort darauf gab mir ein holländischer Missionar, der in Bolivien stationiert war und der gerade, wie man mir mitgeteilt hatte, seine Eltern in Nijmegen besuchte. Ich bat ihn um ein Gespräch und hörte, ich sei willkommen.

Ich erzählte ihm von meinem “Margaytje” und zeigte ihm die Fotos. Er sah sie sich an und sagte: »Ja, solche Wildkatzen gibt es in Bolivien auch, oder wenigstens ähnliche.«

»Sind die auch so zahm?« fragte ich ahnungslos. Und dann erzählte er mir, dass die Wildkatzen dort, wenn man sie sichtet, erschossen, mit Pfeilen getötet oder in Schlingen gefangen werden. Als ich entsetzt reagierte, sagte er nüchtern: »Das ist Broterwerb für die Eingeborenen. Sie verkaufen die Felle und essen das Fleisch. Das schmeckt sehr gut,« sagte er, »ich habe es selbst gegessen. Der Geschmack ähnelt ein wenig dem von Rehbraten.«

»Vielfach sind es die säugenden Katzen, die getötet werden.«, fuhr er fort. »Sie wagen sich, weil der Hunger sie unvorsichtig macht, auf der Suche nach Nahrung oft in die Nähe der Menschen. Wenn die Mutterkatze getötet ist, machen sich die Kinder der Leute auf die Suche nach den Jungtieren und holen sie, um damit zu spielen oder, wenn sie Glück haben (die Kinder meinte er, nicht die Tiere, die fielen erkennbar außerhalb seiner missionarischen Verantwortung), dann können sie die kleinen Katzen am Hafen oder in der Stadt an Touristen verkaufen oder an einen Tierhändler. Der verkauft sie dann wieder weiter, wenn sie ihm nicht vorher eingehen.«

Einem solchen Tierchen, das sonst vielleicht sterben muss, die Chance zum Überleben zu geben, fand ich gerechtfertigt und würde das auch heute noch finden. Meine späteren Erfahrungen haben mir recht gegeben.

In der Wochenzeitschrift “Elseviers Weekblad” las ich einen Artikel von Joost de Klerk über südamerikanische Jaguarundis, die er im Tiergarten Artis in Amsterdam gesehen hatte.

Gleich schrieb ich an Joost de Klerk, ob er mir mitteilen könne, wie diese Jaguarundis nach Holland gekommen seien und ob er mir helfen könne, eine südamerikanische Wildkatze zu bekommen. Ich erzählte ihm von meinem kleinen Margaytje und schickte Fotos mit.

Schon bald bekam ich Antwort. Den Importeur der Jaguarundis kenne er zwar nicht, aber er hätte da einen Tipp. Er wisse nämlich, dass die Firma Verolme eine Filiale in Jacuacanga in Brasilien habe.

Die Firma Verolme war eine große, wohl damals die größte holländische Werft. Der Eigentümer, Herr Cornelis Verolme, war gleichzeitig der Gründer des Betriebes. Von ihm verriet Joost de Klerk mir, dass er sehr viel Interesse am Besonderen habe, ein großer Tierfreund sei und auch viel Interesse an allem habe, das der Publizität seiner Werften diene. Wenn ich ihn darum bitten würde, mir aus Jacuacanga eine Wildkatze zu besorgen und wenn ich dazu schreiben würde, dass ich bei allem, was ich darüber publizieren würde, den Namen Verolme nennen wolle, dann wäre das vielleicht eine Chance.

Jetzt hatte das Schicksal wieder einmal zugeschlagen. Ich schrieb: »Sehr geehrter Herr Verolme, ich habe da eine merkwürdige Bitte …«

Von der Firma Verolme hörte ich vorläufig einmal nichts und ich tröstete mich mit der Arbeit an der Erfüllung meines “Alternativ-Wunsches”, nämlich dem Erwerb einer Abessinierkatze. Ich hatte einmal einen Abessinierkater auf einer Katzenausstellung gesehen und ihn sehr bewundert.

Allerdings, Abessinierkatzen waren damals beinah so selten wie Wildkatzen und man musste schon lange und ausführlich mit - meist englischen - Züchtern korrespondieren, ehe man jemand finden wollte, der Jungtiere hatte und obendrein auch noch bereit war, eine davon zu verkaufen.

Ich besaß ein Katzenbuch, in dem die Abessinier beschrieben wurden, komplett mit dem “Standard”, also der Beschreibung einer Abessinierkatze, so wie sie den Zucht- und Ausstellungsanforderungen nach aussehen sollte. An eine renommierte, englische Züchterin schrieb ich, dass ich so gern ein Abessinier-Jungtier kaufen möchte. Um sicher zu sein, dass sie auch wusste, was für ein Tierchen ich meinte, schrieb ich den Standard ab: so sollte sie aussehen!

Fast umgehend kam die Antwort: »Dear Mrs. Falkena, I am afraid you are looking for the impossible cat!« Vorläufig gäbe es sicher nirgendwo auf der Welt eine so vollkommene Katze, die in allen Punkten dem Standard entspräche. Im Augenblick habe sie überhaupt keine jungen wildfarbenen Abessinier, denn die seien noch außerordentlich selten und man müsste sie eben bestellen und dann warten, bis so ein Jungtier geboren worden sei.

Sie selbst hätte im Augenblick nur “rote” Abessinier, aber die wären noch nicht vom “Governing Council of the Cat Fancy” anerkannt, d.h. sie bekämen noch keine Stammbäume und könnten nicht auf Ausstellungen konkurrieren. Allerdings gab sie mir den Namen einer anderen englischen Züchterin, die grade einen Wurf mit jungen Abessiniern hatte. Dort könnte ich es ja einmal versuchen.

Die Adresse war dabei, also schrieb ich wieder.

Kapitel 3

Kleine Buena

Das erste Ergebnis meiner vielseitigen Korrespondenz zeigte sich in den ersten Septembertagen des Jahres 1961. Aus England kam meine erste Abessinierkatze “Taishun Cleonie”. Sie war gut drei Monate alt, sehr anhänglich und zärtlich und sie war so schön wie ich gehofft hatte, dass sie sein würde. Ein schlankes Körperchen, beweglich, elegant und gehüllt in ein löwenfarbiges Fell.

Der Vergleich mit Löwen wird bei Abessiniern oft gemacht. Sie haben einen geschmeidigen Körper und die etwas tänzelnden Bewegungen. Das Fell der “wildfarbenen” Abessinier erinnert an die Farbe des Löwenfelles. Das bringt ihnen dann auch den oft etwas scherzend ausgesprochenen Namen “Miniaturlöwen” oder der kleinen “Salonlöwen” ein. In Wirklichkeit stammen sie -ebenso wie unsere Hauskatzen - von den ägyptischen Falbkatzen ab, nur wurden die Abessinier bewusst auf die “Fast-Kopie” der Falbkatze gezüchtet. Jedenfalls war das so in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die Abessinier in England auftauchten bis noch zum zweiten Weltkrieg. Inzwischen hat Katzenzüchter-Ehrgeiz und das Bedürfnis der Menschen die Natur “zu verbessern” da so Einiges verändert.

Die Falbkatzen (Felis silvestris libyca), die bereits etwa im Jahre 2000 vor unserer Zeitrechnung gelebt haben sollen, sind sandfarbige, gelbliche oder auch etwas rötliche, recht zierliche Wildkatzen, die sich scheinbar leicht zähmen ließen. Die Römer brachten sie zu Beginn unserer Zeitrechnung nach Europa.

Über die weitere Entwicklung bestehen verschiedene Theorien, vielleicht haben die hier in den Wäldern lebenden Europäischen Wildkatzen (Felis silvestris) durch Paarung mit den von den Römern importierten Falbkatzen ihren Beitrag zur Entstehung der Hauskatze in ihrer heutigen Form beigetragen. Aber das ist ein umstrittenes Thema.

Die Abessinier dagegen sind, wie ihre Entstehungsgeschichte erzählt, den kürzeren Weg gegangen. Die ersten ihrer Art, wahrscheinlich bereits zahme Falbkatzen, wurden als Kriegsbeute von englischen Truppen von Afrika nach England gebracht. Die Engländer führten 1868 einen kurzen, aber heftigen Krieg gegen Äthiopien, den sie gewannen.

Die “Wildfarbe”, die den Abessiniern einen so faszinierenden Eindruck gibt, entsteht dadurch, dass jedes Haar auf ihrem löwenfarbigen Fell noch ein schwarzes “Ticking” trägt. Das “Ticking” ist eine zwei- bis dreifache Bänderung im gelblichen Haar und eine schwarze Haarspitze. Es liegt wie ein Schleier über dem Fell und gibt den Katzen den speziellen Wildkatzeneffekt. Der offizielle Name dieser Haarfärbung ist übrigens “Agouti”.

Dr. Rosemarie Wolff schreibt in ihrem Buch über Rassekatzen, dass die Abessinier dem Wunschtraum nach einem “möglichst wildkatzenähnlichen Hausgenossen” nahe kommen. Was mich betrifft, stimmt das sicher. Der Anblick der kleinen Cleoni hatte geradezu etwas Tröstliches für meine “Wildkatzensehnsucht”.

Die kleine Cleo passte sich erstaunlich schnell unserem Katzenhaushalt an. Sie war den Umgang mit anderen Katzen gewohnt und bei unseren “Großen” gab es keinerlei Eifersucht.

Wir waren damals angenehm überrascht. Heute, nach mehr als dreißig Jahren Erfahrung mit Katzen, hat sich mir immer wieder bestätigt, dass das Verhalten der Tiere zum großen Teil von ihren “Jugenderfahrungen” abhängig ist. Eine Katze, die unter allerhand drohenden Gefahren, z.B. auf einem Bauernhof, versteckt im Stroh, durch ihre Katzenmutter großgezogen ist, von ihr vielleicht sogar vor den Menschen gewarnt wurde, wird sich nicht so schnell an einen Haushalt voller Menschen gewöhnen, wie ein Jungtier, das in einem Haushalt aufgewachsen ist. Die “Prägung” die den sozialen Kontakt mit der Umgebung im Katzengehirn festlegt, findet eben in den ersten Lebenswochen statt und kann nicht nachgeholt werden. Einen Lernprozess, der Erfahrungen (sogar die Erfahrungen der Eltern) dazu fügen kann, gibt es allerdings und er kann das Prägungsverhalten korrigieren.

Unser Jantje musste wohl eine sehr liebevolle Katzenmutter gehabt haben, er bemutterte die kleine Cleo vom ersten Tag an, genau wie er es damals mit unserem Margaytje tat.

Kaum eine Woche war unser Abessinierkätzchen bei uns, da überstürzten sich die Ereignisse. Es kam ein Telegramm aus Ecuador: Die von uns bestellte “Langschwanzkatze” würde am 15. September in Schiphol eintreffen.

Eine “Langschwanzkatze” - nicht einmal den Namen hatten wir vorher gehört. Bis zum 15. September waren es noch zwei Tage. In denen würden wir wohl herausfinden müssen, was da auf uns zu kam.

In einem alten “Brehm” der zwanziger Jahre war zwar die Rede von einer Langschwanzkatze, aber die sollte in Brasilien und Bolivien leben und nicht in Ecuador. Auch in einem Buch von Dr. Haltenorth (aus dem Jahre 1957) und in einer Schrift von der Zoologin Ingrid Weigel wurde die Langschwanzkatze genannt, gleich mit fünf verschiedenen Unterarten, aber nicht eine davon mit dem Standort Ecuador. Schließlich fand ich noch in einem anderen Buch die Zeichnung des Felles einer Langschwanzkatze. Das sah aus, wie das Fell eines ausgewachsenen Panthers.

Heute kam man in “Grzimeks Tierleben” und anderen Tierenzyklopädien ausführliche Beschreibungen der “Margay”, die auch “Langschwanzkatze” oder “Baumozelot” genannt wird, nachlesen. Selbst im neusten Medium, dem Internet, findet man sie, allerdings nur in der Reihe der aussterbenden Arten. Welch ein Menetekel! In der Zeit, über die ich erzähle, vor etwa fünfzig Jahren, waren die südamerikanischen Wildkatzen noch nicht vollständig registriert, etwa zehn Jahre später beschrieb Professor Grzimek sie als erster in seiner Enzyklopädie und heute, während ich dieses Buch aufs neue bearbeite (ein alter Entwurf davon liegt seit zwölf Jahren ungenutzt in meiner Schublade) muss ich mich mit Informationen über Restbestände der Wildkatzen begnügen, die als Spezies bereits fast aufgegeben sind. Der korrekte lateinische Name der Baumozelots ist “Leopardus wiedii”. Dr. Grzimek beruft sich bei der Beschreibung hauptsächlich auf die beiden Baumozelots von Professor Leyhausen, von denen ich im Laufe dieser Geschichte noch erzählen werde. Aber “Grzimeks Tierleben” gibt es erst seit 1970 und wir lebten noch im Jahre 1961. Die beiden Baumozelots von Professor Leyhausen, die später im “Max-Planck-Institut” leben würden, waren zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geboren.

Bestellt hatte ich eine “Margay”, weil wir ja durch die falsche Information des Tierarztes die erste kleine Wildkatze für eine Margay gehalten hatten. Mir wurde kalt und heiß bei dem Gedanken, dass ich durch meine vielleicht undeutliche Bestellung ein Raubtier ins Haus bekommen könnte, das eine Gefahr für meine anderen Katzen sein könnte. Auch mein Mann sah auf einmal etwas besorgt aus. Dabei waren es nur noch zwei Tage, bis das Tier in Schiphol ankommen würde.

Am nächsten Tage rief mein Mann vom Büro aus an: »Es wird heute etwas später, wartet nicht mit dem Essen auf mich, bitte.» Spät am Abend kam er endlich, hatte auch noch Arbeit dabei. »Das hier muss heute Abend noch fertig werden, den Rest kann ich aufschieben und Gerichtstermine habe ich morgen nicht. Ich denke, ich fahre doch besser morgen mit nach Schiphol.«

So fuhren wir dann zu zweit - Gott sei Dank zu zweit - am 13. September zum Flughafen. Zuerst mussten wir zu einer Art Abfertigungsschalter, wo man uns allerhand Papiere in die Hand drückte und unterschreiben ließ.

»Haben sie einen Zoo?« fragte der Beamte.

»Nein, wieso?«

Darauf ging er nicht ein. Er händigte uns noch ein Formular aus und verwies uns zum Büro Nummer so und soviel. Dort mussten wir bezahlen. Wofür weiß ich nicht mehr, ich glaube für den Transport und die Einfuhrgebühren. Das alles taten wir in einer Art von Trance.

Dann endlich durften wir zum “Tierhotel”, Käfige voller Papageien, Affen …, an einen kleinen Hund erinnere ich mich noch und an einen Käfig voller ganz winziger Vögel.

Uns übergab man eine verschlossene Holzkiste. Die hatte man wohl vorsichtshalber gar nicht erst geöffnet. Sie war etwa 30×30×50 cm groß. An der Vorderseite war Maschendraht, der Deckel war oben verriegelt. Durch den Maschendraht sah man nur Stroh.

Sobald wir im Auto waren, öffneten wir den Deckel. Aus dem Kistchen sahen uns zwei Augen an! Wirklich, zu Anfang sah man nur diese Augen! Nie wieder in meinem Leben habe ich irgendwo auf der Welt so schöne Augen gesehen. Groß, dunkel und glänzend waren sie. Ohne Furcht, aber auch ganz ohne Aggression sahen sie uns an, forschend, als ob sie sich unser Bild gleich einprägen wollten. Der Rest war allerdings ein armseliges Häufchen Katze, das struppig in dem gar nicht mehr sauberen Kistchen saß und sich nicht rührte.

Ehe wir nach Hause fuhren, gingen wir erst beim Tierarzt vorbei, (unserem eigenen, nicht dem vom Tiergarten, versteht sich.) um unseren kleinen Neuling gleich impfen zu lassen. Das wenigstens hatten wir schon gelernt. Dort stellte sich heraus, dass die kleine Katze nicht stehen konnte. Der ganze Hinterkörper war gelähmt.

Zu Hause erwarteten uns die Kinder schon. »Ich tippe auf Jaguar«, hatte Freerk gesagt, als wir abfuhren. Jetzt sahen sie zu, wie wir das Kistchen öffneten und sagten wie aus einem Munde: »Ach, je!«

»Wenn die uns nur nicht auch wieder stirbt!« sagte Marion. »Was machen wir dann?«

»Sie darf nicht sterben und sie wird nicht sterben!« antwortete ich und war mir selbst nicht sicher.

In der ersten Etage unseres Hauses war ein kleines Gästezimmer. Dort installierten wir unseren neuen “Gast” erst einmal. Wir machten die Kleine sauber und legten sie in ein Körbchen. Sobald wir sie erst einmal geputzt hatten, konnten wir sehen, was für ein wunderschönes Tierchen sie war.

Gleich zu Anfang, als ich mir vornahm, diesen Bericht über meine Wildkatzen zu schreiben, habe ich mir die strenge Auflage gestellt, Worte wie “süß”, “rührend”, “entzückend” so weit wie möglich zu vermeiden.