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SILKE HANSEN

… UND JETZT DAS WETTER

DIE BELIEBTESTE MINUTE DER
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Himmlisches Feuerwerk:
Mit rund 1,2 Millionen Blitzen pro Jahr ist der Maracaibo-See in Venezuela die blitzreichste Region der Welt.

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Hinter den Kulissen:
Auch das Wetter im ARD-Mittagsmagazin kommt live aus Frankfurt.

Inhalt

1.Wie alles anfing – die Historie des Tagesschauwetters

>25 Bilder für 1 Sekunde – die Tricktechnik der Anfänge

>Über den Wolken – Computertechnik ändert den Blick auf das Wetter

2.Das Azorenhoch und alles andere, was man über Wetter wissen sollte – wie Wetter entsteht

>Azorenhoch und Islandtief – Großwetterlagen

>So schwer wie ein Elefant – Wolken

>Ein kalter Winter in Danzig – Temperatur

>Stürmische Zeiten – Wind

>Schnell wie der Blitz – Wetterphänomene

>500 Liter Regen in 6 Stunden – Unwetter

>Let it snow – das Wetter lässt sich verändern

>Ganz schön heiß – das Wetter beeinflusst unsere Gefühle

>Das Wetter ändert sich – der Klimawandel

3.Die Entstehung einer Wettervorhersage – gar nicht so einfach

>Der Flügelschlag des Schmetterlings – Wetter vorhersagen ist ganz schön schwierig

>Ein Gitternetz – die Modelle der großen Wettercomputer

>Hamburg sonnig 20 °C – die aktuelle Wetterbeobachtung

4.Ein Blick hinter die Kulissen – so kommt das Wetter heute in die Tagesschau

>Die Wetterkarte – die Erstellung der Wettergrafiken

>Es bleibt wechselhaft – die Texte entstehen

>Auf die letzte Minute – die Produktion des Tagesschauwetters

>Mehr als nur eine Vorhersage – auch das Wetter für das ARD-Mittagsmagazin kommt aus Frankfurt

1.Wie alles anfing – die Historie des Tagesschauwetters

>25 Bilder für 1 Sekunde – die Tricktechnik
der Anfänge

>Über den Wolken – Computertechnik ändert den Blick auf das Wetter

25 BILDER FÜR 1 SEKUNDE – DIE TRICKTECHNIK DER ANFÄNGE

Kaum ein Thema interessiert und fasziniert die Menschen so sehr wie das Wetter. Und so ist der tägliche Wetterbericht von Beginn an Teil der abendlichen Tagesschausendung. In den 1950er-Jahren erklärten Meteorologen wie Heinrich Kruhl vom Deutschen Seewetteramt in Hamburg live aus einem Studio beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), wie sich das Wetter entwickeln wird. Mit dicken Kohlestiften zeichnete er Messwerte und Wolkenverläufe auf klassische Wettertafeln. Mit dabei waren die beiden Puppen »Sehbastian« und »Sehbienchen«, die je nach Wetterlage einen Schirm oder ein Jäckchen trugen. Wenn Schnee vorhergesagt war, schneite es kleine Papier-flöckchen im Studio.

1960 wechselte die Zuständigkeit für den Wetterbericht vom Seewetteramt in Hamburg zum Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach und damit vom Norddeutschen Rundfunk zum Hessischen Rundfunk (HR). Denn in der ARD galt damals noch das sehr strenge »Ortsprinzip« – das heißt, dass jede Landesrundfunkanstalt ausschließlich über das berichtet, was in ihrem Sendebereich passiert. Und der Wetterbericht entstand zu diesem Zeitpunkt schließlich in Offenbach. So hatte am 1. März 1960 gegen Viertel nach acht »Die Wetterkarte«, die in internen Abrechnungen heute immer noch so heißt, unter dem Titel »Das Wetter morgen« Premiere. Mit dem Wechsel vom NDR zum HR änderte sich auch die Darstellung des Wetters in der Tagesschau. Beim Hessischen Rundfunk setzte man auf die damals sehr moderne »Tricktechnik«. Dafür wurden Papp-Vorlagen mit einer 16-mm-Trickkamera nacheinander abfotografiert. Aus vielen einzelnen Wetter-Bildern ergab sich so am Ende der Wetterfilm.

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Wetterberichte in den 1950er-Jahren https://youtu.be/jXY1Edrnwhg

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MIT DEM MOTORRAD IN DEN SENDER – DER TEXT

Die Texte für das abendliche Wetter kamen bereits gegen 15 Uhr per Auto oder Motorrad mit einem Fahrer des Hessischen Rundfunks vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach zum Hessischen Rundfunk nach Frankfurt. Geschrieben wurden sie von Meteorologen des DWD in einer sehr streng reglementierten, sachlichen, meteorologischen Sprache. Zusätzlich zum Vorhersagetext zeichneten die Meteorologen zwei Karten, auf denen alle Hoch- und Tiefdruckgebiete sowie die wichtigsten Isobaren (die Linien gleichen Luftdrucks, siehe Seite 26) eingetragen waren. Eine Karte (in Schwarz) zeigte den »Ausgangszustand«, eine weitere (in Rot) den »Endzustand«. So konnten die Grafiker im »Funkhaus am Dornbusch« erkennen, wie sich die Druckgebiete über Europa bewegen würden. Ergänzt wurde der Wetterbericht durch Satellitenbilder, die immer am Anfang des Wetterberichts gezeigt wurden. In den frühen Jahren waren das einzelne Satellitenfotos, die von den Grafikern im HR mit der Trickkamera abgefilmt wurden. Mit der Einführung der Videotechnik schickten die Meteorologen aus Offenbach dann komplette Videofilme nach Frankfurt, die dort in den Wetterbericht eingebaut wurden.

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Tagesschau-Wetterbericht vom 10.04.1963 https://youtu.be/FzKjJsm4u4E

TEXT DER WETTERKARTE VOM 10.04.1963

Auf der Vorderseite des über Ostfrankreichs liegenden Störungsausläufers, liegt Deutschland heute noch im Bereich der aus Süden zufließenden Warmluft. Mit der weiteren Verlagerung der Störzone gelangt jedoch Deutschland in zunehmendem Maße unter den Einfluss der kühlen Meeresluft. Die Vorhersage bis morgen Abend: In ganz Deutschland anfangs überwiegend stark bewölkt bis bedeckt und strichweise Regen. Später von Westen her Bewölkungsauflockerung und nur noch einzelne schauerartige Niederschläge. Tiefsttemperaturen heute Nacht: 4 bis 7 °C. Mittagstemperaturen morgen zwischen 12 und 15 °C. Schwache bis mäßige Winde aus südlichen Richtungen.

Von einer fließenden Bewegung der Druckgebiete war man in den 1960er-Jahren noch weit entfernt. Die Entwicklung der Luftmassen über Europa wurde in einzelnen Phasen dargestellt, die dann überblendet wurden. Die Meteorologen in Offenbach hatten dazu die Karten des Hessischen Rundfunks als Vorlage und zeichneten die Druckgebiete und Isobaren in die entsprechenden Vorlagen ein. In Frankfurt wurde die Bewegung der Hochs und Tiefs dann eins zu eins von den Vorlagen auf Trickfilmfolie abgezeichnet. Bei einfachen Wetterlagen nur das Anfangs- und das Endbild. Zogen Wetterfronten über Deutschland hinweg, entschied man sich in einer telefonischen Absprache mit den Wetterexperten in Offenbach, den Verlauf des Wetters in mehreren Phasen darzustellen.

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Die Trickfilm-Folien mit den eingezeichneten Isobaren wurden nun über die Europakarte gelegt und dann entsprechend der Länge des Textes abfotografiert. Für eine Sekunde Text benötigte man 25 Einzelbilder. Sollte die Ausgangssituation über Europa entsprechend des Textes zum Beispiel eine Länge von 5 Sekunden haben, musste der Grafiker also 125 Einzelbilder fertigen. Danach wurde die nächste Folie aufgelegt, und auch hier wurden entsprechend der Textlänge Einzelbilder fotografiert.

Dass 25 Einzelbilder 1 Sekunde Film ergeben, ist auch heute noch so. Allerdings werden die Bilder heute nicht mehr einzeln mit der Trickkamera aufgenommen, sondern digital erstellt.

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Wetterberichte in den 1980er-Jahren https://youtu.be/d9snTatjJG8

Genau so klar vorgegeben, aber etwas anders erstellt, wurde die Vorhersagekarte für Deutschland. Hier wurde der Trickfilm zunächst mit einer blauen Deutschlandkarte, auf der Flüsse und Städte, aber keine Grenzen eingezeichnet waren, belichtet. Das Wetter wurde danach in einer Art Doppelbelichtung darüber gelegt. Dazu gab es »Lochmasken«, die nur bestimmte Bereiche offen ließen und Pappen mit Wetterereignissen, wie Sonne, Wolken oder Regen, die man darunter legte. So waren Regen oder Schnee nur in einem vorher genau bestimmten Bereich zu sehen. Die Vorgaben, welche Lochmaske wann zum Einsatz kam, kamen ebenfalls von den Meteorologen in Offenbach.

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Da das Wetter in den Gebirgen häufig ein bisschen anders ist als in den Tallagen rundherum, gab es zum Beispiel Lochmasken, die nur die Alpen frei ließen oder den Schwarzwald. Andere Masken sparten den Norden aus oder den Südwesten. So konnte man das Wetter in ganz bestimmten Bereichen darstellen. Die Grafiker in Frankfurt setzen die Vorgaben des DWD eins zu eins um. War das Bild starr, zum Beispiel bei Sonnenschein, wurden entsprechend der Länge des Textes mehrere einzelne Trickbilder derselben Grafik gemacht. Brauchte die Grafik Bewegung, zum Beispiel bei Regen, wurde die Pappe fest auf dem Tisch fixiert und dann der gesamte Tisch unter der Maske bewegt. Bei jeder Bewegung wurde ein Trickbild gemacht. Aneinandergereiht entstand so eine Bewegung, und es sah im Film so aus, als würde der Regen fallen. Um Gewitter darzustellen, öffnete der Grafiker die Blende der Kamera komplett und fotografierte ein weißes Blatt Papier. Im Film sah das dann aus wie ein Blitz.

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Zum Schluss kamen noch die Windrose und Temperaturen dazu. Die Windrose entstand durch Pfeile, die entsprechend der Vorgaben auf der Karte verschoben wurden. Die Temperaturzahlen wurden mit »Anreibezahlen« auf die Trickfilmfolie gerubbelt und dann abfotografiert. Einen Überblick über das Wetter der kommenden Tage gab es in den 60er-Jahren noch nicht.

Die Filme wurden exakt passend zum Text in der entsprechenden Länge und der entsprechenden Reihenfolge aufgenommen. Eine spätere Änderung war nicht möglich. Machte einer der Grafiker einen Fehler, musste er wieder ganz von vorn anfangen.

Der fertige Film kam zur Entwicklung ins »Kopierwerk«. Die 30 bis 45 min, die bis zur fertigen Entwicklung des Filmes nötig waren, nutzte der Grafiker, um den Text mit Kohlepapier auf einer Schreibmaschine abzutippen. Ein Exemplar war für den Grafiker selbst, eines für den Sprecher des Wetterberichts und eines für den Leiter vom Dienst (LvD) der ARD. Der LvD ist für den Ablauf der Sendungen in der ARD verantwortlich und schaltet die entsprechenden Programme »auf«, die das Programm der ARD bilden. Er muss daher den Text, und vor allem die letzten Worte kennen, um zu wissen, wann er das nachfolgende Programm starten oder abrufen muss.

Als die Satellitenbilder noch Fotos waren und in der Tricktechnik abgefilmt wurden, war der Wetterfilm – also das »Bild« – mit der Entwicklung im Kopierwerk fertig. In späteren Jahren, als die Satellitenbilder in Form eines Videofilms vom Deutschen Wetterdienst geliefert wurden, musste der Videofilm zunächst auf eine U-Matic-Kassette (einem Vorgänger der Videokassette) kopiert und dann in den Wetter-Trickfilm eingefügt werden.

Nachdem der Film fertig war, fehlte nun noch der Ton zum Bild. Verlesen wurden die Texte des DWD von Sprechern des HR. Die bekanntesten Sprecher waren Hans-Joachim Scherbening und Hans-Helmut Sievert, die über viele Jahre die Stimmen des Tagesschauwetters waren. Im Gegensatz zu heute, in denen der Wettertext fast keine längeren Pausen enthält, nahm man sich früher etwas mehr Zeit und ließ das Bild auch schon mal einige Sekunden ohne Text stehen. Damit die Sprecher genau wussten, wann ihr nächster Einsatz war, bedienten die Grafiker im Vorraum des Aufnahmestudios einen Schalter, der im Studio einen Lichtimpuls auslöste. Für den Sprecher war dies das Zeichen weiterzulesen.

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Der QAM-Code https://youtu.be/YFNs93GKo9E

Das »piiiep piiiep piep piiiep piep piiiep piiiep piiiep« (– – · – / · – / – –) das früher immer am Ende jedes Wetterberichtes kam, wenn die Windrose eingeblendet wurde, entstammt übrigens der Luftfahrtkommunikation. Es ist der internationale Morse-Code der Buchstaben QAM, die zur »Q-Gruppe« gehören. Diese Schlüssel werden zur schnellen Übertragung von Standardnachrichten genutzt. Die Kombination QAM heißt so viel wie »Wie ist das Wetter am Landeplatz?«. Hängt man an den QAM-Code noch die Uhrzeit, die Abkürzung für den Landeplatz und bestimmte Abkürzungen, die das Wetter beschreiben, dann beschreibt es das Wetter an dem Landeplatz zu eben dieser Uhrzeit.

Ein QAM-Code

QAM 2000 HB
Wolkig 20 km Wolken 1000 m 1/8 4/8 NW 30 km/h

würde beispielsweise sagen: Das Wetter am Flughafen Hamburg um 20 Uhr ist wolkig. Die Sichtweite beträgt 20 km, die niedrigsten Wolken hängen auf 1.000 Meter und bedecken 1/8 des Himmels. Die Gesamtbewölkung beträgt 4/8. Der Bodenwind kommt aus Nordwest und weht mit 30 km/h.

War die Sprachaufnahme gemacht und der Wetterbericht damit komplett fertig, brachte der Grafiker ihn zum »Filmgeber«. Von hier aus wurde der Film zum NDR nach Hamburg überspielt, der bis heute die Tagesschau produziert. Spätestens um 19:30 Uhr sollte der Film dort vorliegen. In Einzelfällen durfte es auch schon mal 19:55 Uhr werden, was aber die ganz große Ausnahme war.

Das Wetter der Tagesschau um 20 Uhr war immer 90 Sekunden lang. Das entspricht 2.250 Einzelbildern oder etwa 30 Metern Film. Zeichnete sich ab, dass die Wetterlage kritisch werden würde, durfte die Vorhersage – nach Rücksprache mit den Kollegen der Tagesschau – ausnahmsweise auch mal 100 Sekunden lang werden. Heute ist das Wetter in der Tagesschau um 20 Uhr nur noch 45 Sekunden lang.

Während mithilfe der heutigen modernen Computertechnik Designänderungen in wenigen Wochen entwickelt und umgesetzt werden können, dauerte es früher schon mal eineinhalb Jahre vom ersten Entwurf bis zum fertigen Wetterfilm in der Tagesschau um 20 Uhr.

Zwei Fragen an Richard Köhler, studierter Grafikdesigner, der seit 1985 beim Hessischen Rundfunk und seit 1989 in der Wettergrafik arbeitet:

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Was ist das Besondere daran, Wetterkarten zu erstellen?

»Das Besondere ist für mich immer wieder die Übersetzung von Texten, Zahlen und Prognosen in eine verständliche grafische (TV-)Bildsprache. Dazu kommt mein eigenes langjähriges Interesse am Wettergeschehen. Und besonders spannend ist es natürlich, am Tag nach der Sendung das reale Wetter mit der von mir bebilderten Prognose zu vergleichen.«

Was sind die größten Unterschiede zwischen damals und heute?

»Die Arbeitsabläufe der analogen Trickfilmtechnik erforderten andere Vorbereitungszeiten. Heute kann auf (Wetter-)Veränderungen sehr kurzfristig reagiert werden. Zudem können zusätzliche Informationen, wie z.B. Warnungen wesentlich präziser in grafische Darstellungen eingefügt werden. Die Zusammenarbeit und Abstimmung mit Meteorologen und Redakteuren direkt am Arbeitsplatz bzw. am Grafik-Computer sind Voraussetzung für eine zuverlässige grafische Umsetzung.«

ÜBER DEN WOLKEN – COMPUTERTECHNIK ÄNDERT DEN BLICK AUF DAS WETTER

Anfang der 90er-Jahre hielt die Computertechnik Einzug in die Grafik des Hessischen Rundfunks. Zunächst mit Computern wie »Paintbox« oder »Harry«. Zwei Grafikcomputer, die die Trickfilmtechnik digital machten, indem sie die Arbeitsweise der Trickfilmtechnik auf den Computer übertrugen. Das heißt, dass auch hier noch mit Lochmasken und festen Karten gearbeitet wurde. Nun aber nicht mehr mit einer Kamera, Pappen mit Wolken darauf und einzelnen Trickbildern, sondern mit einem Computer, der die Vorlagen gespeichert hatte und die Bilder digital rechnete. Die Umstellung von der Trick- auf die Computertechnik war ein großer Schritt und dauerte über ein Jahr. Später wurden »Paintbox« und »Harry« von einem »HAL« abgelöst. Ein neueres Gerät, das nach demselben Prinzip arbeite, aber deutlich schneller war. Die Wetterberichte konnten so in deutlich kürzerer Zeit erstellt werden.

Die Umstellung auf die neue Technik war eine teure Angelegenheit. Noch wurde beim Hessischen Rundfunk nur eine Wettervorhersage – das Wetter für die Tagesschau um 20 Uhr – produziert. Eine einzelne »Paintbox« kostete damals 120.000, ein »HAL« 300.000 D-Mark.

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Die neue Computertechnik https://youtu.be/-lHqV2Ap7_w

EINE EIGENE WETTERREDAKTION – DIE SPRACHE IM WETTERBERICHT ÄNDERT SICH

Der nächste große Schritt kam 1993. Zunächst gründete der Hessische Rundfunk eine eigene Wetterredaktion. Die Wetterinformationen kamen noch immer vom Deutschen Wetterdienst, aber die sachlich-meteorologischen Texte wurden jetzt von Moderatoren und Redakteuren journalistisch aufbereitet. Das war das Ende des »Ausläufers eines Tiefs über der Biskaya« und der »Niederschläge«. Die »Ausläufer eines Tiefs« wurden nun zu »Wolkenbändern«, die Regen brachten, und die Niederschläge wurden ganz konkret als Regen oder Schnee benannt.

Durch eine Gesetzesänderung war es dem DWD ab dem Jahr 2004 nicht mehr möglich, »private Kunden« wie den HR mit fertigen Wettervorhersagen zu versorgen. Die staatliche Behörde sollte und soll sich ganz auf ihren gesetzlichen Informations- und Forschungsauftrag konzentrieren. Dazu gehören die Sicherung der Luftfahrt, der Schifffahrt und der Verkehrswege, die Herausgabe von amtlichen Unwetterwarnungen und der Betrieb der erforderlichen Mess- und Beobachtungssysteme. Reine Wetterdaten stellt der Deutsche Wetterdienst mittlerweile kostenlos zur Verfügung. Über einen »Open Data«-Server sind die meteorologischen Messwerte und Auswertungen für jeden jederzeit frei zugänglich.

In Frankfurt nutzte man das Verbot der Belieferung als Chance, meteorologisches Knowhow in den Sender zu holen und erweiterte die Redaktion um ein Meteorologenteam.

DAS PROGRAMM »TRIVIS« – DAS BILD ÄNDERT SICH

1995 änderte sich die Darstellung der Wettervorhersage grundlegend. Mit den Worten »Der Blick auf Europas Wolkenzukunft« von Christine Kolb, der damaligen Leiterin der Wetterredaktion, begann am 02. Oktober 1995 der erste Wetterbericht der neuen Grafikgeneration. Der Satellitenfilm zu Beginn des Wetterberichtes verschwand, und aus den starren Wolkenpappen der 1960er-Jahre wurden computeranimierte Wolken, die den Bewölkungsverlauf des kommenden Tages wiedergaben. Die Wettervorhersage begann von da an mit einem Blick nach vorn.

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Die neuen Wolkenfilme https://youtu.be/KQQhCTqiIrk

Verantwortlich dafür war das Programm »TriVis«. Das Computerprogramm, dessen Filme auch heute noch Basis der Tagesschaufilme sind, ist eine gemeinsame Entwicklung des Deutschen Wetterdienstes, des Fraunhofer Instituts in Darmstadt und des Hessischen Rundfunks. Die Vorhersage der großen Wettercomputer (siehe Seite 131 ff.) wurde bis dato in zweidimensionalen Karten in einer stündlichen Auflösung dargestellt. »TriVis« macht aus den zweidimensionalen Karten dreidimensionale Filme. Während man mit der alten Tricktechnik den Ablauf des Wettergeschehens nur ganz grob darstellen konnte, zeigen die neuen Filme nun den genauen zeitlichen und örtlichen Verlauf des Wetters in den kommenden 24, 48 oder 72 Stunden.

Bei einem Redesign der Grafik entschieden sich die Verantwortlichen Anfang der 2000er-Jahre der Einfachheit halber dafür, die kleine Uhr wegzulassen. Unzählige Beschwerden waren die Folge. Fahrradfahrer nutzen beispielsweise die Vorhersagen, um zu schauen, ob sie es trocken von A nach B schaffen, Brieftaubenzüchter finden mithilfe des Wolkenfilms die optimale Startzeit für Ihre Tauben. Als Reaktion auf die zahlreichen Beschwerden wurde die Uhr wieder in die Grafik eingebaut – und da ist sie auch bis heute.

Die neue Technik bedeutete zunächst einmal mehr Arbeit. Denn die Computer-filme des Programms »TriVis« sind nur die Darstellung eines einzelnen Computermodells. Meteorologen, die regionale Besonderheiten oftmals besser einschätzen können als ein Computer und sich darüber hinaus die Modelle verschiedener Wetterdienste anschauen, kommen häufig zu einer anderen Vorhersage. Die Roh-Wetterfilme müssen daher – nach den Angaben der Meteorologen – von den Grafikern noch nachbearbeitet werden.

So begann Mitte der 1990er-Jahre der Arbeitstag für das Wetter der Tagesschau um 20 Uhr bereits morgens um 10 Uhr mit dem »Einstellen« der Wolken. Wolke ist bekanntlich nicht gleich Wolke und damit die Wolken farblich und strukturell auch so aussehen, wie sie aussehen sollen, wurde mit verschiedenen Parametern in »TriVis« nachjustiert. Heute ist die Darstellung der Wolken deutlich besser: Es müssen nur noch kleine Korrekturen vorgenommen werden, und die Arbeiten für das Wetter in der Tagesschau um 20 Uhr beginnen erst am späten Nachmittag.

Seit den 1990er-Jahren sind die Computer kleiner, schneller und günstiger geworden, und das Design hat sich mehrfach geändert. Es gibt nicht mehr nur das Wetter in der Tagesschau um 20 Uhr, sondern in unzähligen weiteren Ausgaben. Die ersten Ausgaben sind schon am frühen Morgen, die letzten spät in der Nacht. Dazu kommen noch Tagesthemen, Nachtmagazin, ARD-Mittagsmagazin, ARD-Buffet und das »Wetter vor acht«. Aus der »Wetterkarte« in der ARD sind heutzutage also ganz viele geworden. An der grundsätzlichen Arbeitsweise hat sich aber seit den 1990er-Jahren nicht viel geändert (siehe Seite 122 ff.).

2.Das Azorenhoch und alles andere, was man über Wetter wissen sollte – wie Wetter entsteht

>Azorenhoch und Islandtief – Großwetterlagen

>So schwer wie ein Elefant – Wolken

>Ein kalter Winter in Danzig – Temperatur

>Stürmische Zeiten – Wind

>Schnell wie der Blitz – Wetterphänomene

>500 Liter Regen in 6 Stunden – Unwetter

>Let it snow – das Wetter lässt sich verändern

>Ganz schön heiß – das Wetter beeinflusst unsere Gefühle

>Das Wetter ändert sich – der Klimawandel

AZORENHOCH UND ISLANDTIEF – GROSSWETTERLAGEN

Auch wenn es sich manchmal so anfühlt – über uns und um uns herum ist nicht Nichts. Zunächst mal ist Luft ein Gemisch verschiedener Gase. Den größten Anteil haben die Gase Stickstoff (78 %), Sauerstoff (21 %) und Argon (0,9 %). Kohlenstoffdioxid (CO2) hat zwar mit einem Anteil von weniger als 0,04 % nur einen ganz geringen Anteil an der Atmosphäre, spielt aber dennoch beim Klimawandel eine große Rolle. Denn CO2 gehört zu den Bestandteilen der Atmosphäre, die die Wärmestrahlungen der Erde reflektieren. Gäbe es kein CO2 und keine anderen Treibhausgase in der Atmosphäre, könnte die Wärme ungehindert ins All entweichen und die Durchschnittstemperatur auf der Erde läge schätzungsweise bei durchschnittlich – 18 °C. Mit CO2 und anderen Treibhausgasen liegen die Temperaturen derzeit dagegen bei rund + 15 °C. Nimmt der Anteil von CO2 weiter zu, wird die Oberflächentemperatur weiter steigen.

Luft hat auch ein Gewicht, und zwar ein ganz ordentliches: Die gesamte Atmosphäre wiegt 5 Billiarden Tonnen. Das entspricht einem Bleiwürfel mit einer Kantenlänge von fast 77 Kilometern. Die Luft über uns ist also tatsächlich richtig schwer. Auf Meereshöhe beträgt der mittlere Luftdruck etwa 1.013 Hektopascal. Das entspricht etwa dem Gewicht von 10 Tonnen pro Quadratmeter oder zwei ausgewachsenen Elefanten oder dem Druck in 10 Metern Wassertiefe. Dass man das nicht spürt, liegt daran, dass der Druck eines Gases in alle Richtungen gleich stark wirkt. Der Luftdruck wirkt sich auf unsere gesamte Körperoberfläche aus, und die Zellen halten von innen dagegen.

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Welche Kraft und welches Gewicht Luft hat, merkt man, wenn sie in Bewegung gerät. Der Luftdruck auf der Erde ist nicht überall gleich. Das liegt an der unterschiedlich starken Sonneneinstrahlung – die am Äquator bekanntlich deutlich höher ist als an den Polen. Dieser Unterschied führt zu einem Temperatur- und damit auch zu einem Druckunterschied. Denn Luft dehnt sich beim Erwärmen aus, wird dadurch leichter und steigt auf. Am Boden entsteht dadurch ein Gebiet mit niedrigem Druck, ein Tiefdruckgebiet. Im Gegensatz dazu zieht sich kalte Luft zusammen, wird schwerer und sinkt ab. So entsteht am Boden ein Gebiet mit hohem Druck, ein Hochdruckgebiet. Mit zunehmender Höhe verliert die Luft immer mehr an Dichte (und auch an Sauerstoff). Deswegen sagt man, dass auf den Bergen die Luft »dünner« werde.

Die Unterschiede zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten kann man sich wie die Höhenunterschiede eines Gebirges vorstellen. Ein Hochdruckgebiet ist ein Berg, ein Tiefdruckgebiet ein Tal. Die Natur versucht Unterschiede auszugleichen, und das gilt auch beim Druck. Dementsprechend fließt die Luft vom Berg zum Tal, also vom Hoch zum Tief. Das kann man sich wie Wasser vorstellen, das vom Berg ins Tal fließt. Die Luft gerät so in Bewegung – das ist der Wind (siehe Seite 77 ff.).

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