Harald Welzer
Täter
Wie aus ganz normalen Menschen
Massenmörder werden
Sachbuch
FISCHER E-Books
Unter Mitarbeit von Michaela Christ
Die Zeit des Nationalsozialismus
Eine Buchreihe
Herausgegeben von Walter H. Pehle
Harald Welzer, geboren 1958, ist Direktor von Futurzwei – Stiftung Zukunftsfähigkeit, Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. Daneben lehrt er an der Universität St. Gallen.
In den S. Fischer Verlagen sind außerdem erschienen: »›Opa war kein Nazi‹. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis« (zusammen mit S. Moller und K. Tschuggnall, 2002); »Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben« (zusammen mit Sönke Neitzel, 2011), Der FUTURZWEI-Zukunftsalmanach 2015/16 (2014), »Selbst denken« (2013), »Autonomie. Eine Verteidigung« (zusammen mit Michael Pauen, 2015), »Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit« (2016), »Wir sind die Mehrheit. Für eine offene Gesellschaft« (2017) und zuletzt »Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen« (2019).
Covergestaltung: Hißmann & Heilmann, Hamburg
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2007
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-400082-4
Zur Arbeit mit Strafprozessunterlagen siehe vor allem: Wolfgang Scheffler, NS-Prozesse als Geschichtsquelle. Bedeutung und Grenzen ihrer Auswertbarkeit durch den Historiker, in: Wolfgang Scheffler und Werner Bergmann (Hg.), Lerntag über den Holocaust als Thema im Geschichtsunterricht und in der politischen Bildung, Berlin 1988, S.13–27. Siehe auch: Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord, (Anm. 154) S.25ff.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.14ff.
Herbert Jäger zitiert nach Scheffler, NS-Prozesse als Geschichtsquelle, (Anm. 570) S.14.
Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord, (Anm. 154) S.25.
Molly Harrower, Rorschach Records of the Nazi War Criminals: An Experimental Study after Thirty Years, S.341 [Übersetzung H. W.], Journal of Personality Assessment, 40/4 1976, S.341–351.
Ebd., S.342.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Theodor W. Adorno, Erziehung nach Auschwitz, S.95, in: Theodor W. Adorno (Hg.), Stichworte. Kritische Modelle 2, Frankfurt am Main 1969, S.84–101. In seinem Vortrag »Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute« von 1962 zeigte er sich davon überzeugt, dass es eine Psychopathologie der Täter tatsächlich gäbe: »Es sind jene pathisch kalten, beziehungslosen, mechanisch verwaltenden Typen wie Himmler und der Lagerkommandant Höß.« Theodor W. Adorno, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, in: Theodor W. Adorno (Hg.), Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft, Frankfurt am Main 1971, S.105–134.
George M. Kren und Leon Rappoport, The Holocaust and the Crisis of Human Behavior, New York 1980, S.70 und S.64.
Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, Leipzig 1986, S.102.
Barry A. Ritzler, The Nuremberg Mind Revisited: A Quantitative Approach to Nazi Rorschachs, S.352, Journal of Personality Assessment, 42/4 1978, S.344–353.
Der Versuch von Miale & Selzer, mit Hilfe des Nürnberger Materials eine solche Psychopathologie zu konstruieren, kann vor allem aus methodischen Gründen als gescheitert betrachtet werden. Auch hier lag der methodische Kunstfehler vor, dass das Material in dem Bewusstsein interpretiert wurde, um wen es sich bei den Urhebern handelte. Siehe Florence Miale und Michael Selzer, The Nuremberg mind: The psychology of the Nazi leaders, New York 1975. Zur Kritik vgl. Ritzler, The Nuremberg Mind Revisited (Anm. 9).
Für die USA und andere westliche Gesellschaften wird eine Prävalenz von 0,5–2,5 paranoider Persönlichkeiten angenommen, dazu kommen etwa 1–3 % antisoziale Persönlichkeiten. Überdies wird davon ausgegangen, dass ein Anteil von 7,5% der Bevölkerung schizoide Persönlichkeitsmerkmale aufweist. Wie immer man diese Zahlen im Einzelnen einschätzen mag (mir scheint besonders der letztgenannte Wert ziemlich hoch) – sie zeigen jedenfalls, dass die Zahl der psychisch auffälligen Täter etwa ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung auch unter gewöhnlichen Bedingungen entspricht. Siehe Harold I. Kaplan, Benjamin Sadock, J. und J. A. Grebb, Synopsis of Psychiatry. Behavioral Sciences and Clinical Psychiatry, Baltimore 1994, S.731ff.
Zitiert nach Todorov, der darauf hinweist, dass dieses bemerkenswerte Zitat einem Appendix zu »Ist das ein Mensch?« entstammt, der in der deutschen Ausgabe (München 1992) fehlt. Tzvetan Todorov, Angesichts des Äußersten, München 1993, S.137.
Aussage des SS-Standartenführers Paul Blobel, der im so genannten Einsatzgruppenprozess in Nürnberg zum Tode verurteilt wurde. Zitiert nach Robert M. W. Kempner, SS im Kreuzverhör, München 1964, S.91.
Solche Darstellungen finden sich etwa in den Vernehmungsprotokollen eines Adjutanten des Kommandeurs des Polizeibatallions 45, das uns im Hauptteil dieses Buches noch beschäftigen wird.
»Wenn es richtig ist, dass die Konzentrationslager die konsequenteste Institution totaler Herrschaft sind, dann dürfte zur ihrer Erkenntnis ein Verweilen beim Grauen unerlässlich sein. Dies kann die rückschauende Erinnerungsreportage ebenso wenig leisten wie der kommunikationslose Augenzeugenbericht. Die ihnen innewohnende Richtung wendet sich von dem Erlebten fluchtartig ab; sie wissen instinktiv oder ausdrücklich zu genau über den furchtbaren Abgrund Bescheid, der die Welt der Lebenden von der der lebenden Toten trennt, als dass sie mehr geben könnten als eine Reihe erinnerter Begebenheiten, die ihnen selbst ebenso unglaubwürdig erscheinen müssen wie denen, die sie hören.« Gleichwohl, betont Arendt, sei ein Verweilen beim Grauen notwendig, um eine »antizipierende Angst« entwickeln zu können, »die sich an jenen Berichten entzündet, der ja aber faktisch noch nichts auf den Leib gerückt ist und die deshalb noch frei ist von der tierisch verzweifelten Furcht, die vor dem real gegenwärtigen Grauen unweigerlich alles lähmt, was nicht bloße Reaktion ist.« Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1996, S.680.
Eine genaue Zahl ist nicht zu ermitteln. Beteiligt waren Einheiten des Polizeiregiments Süd, der Wehrmacht (zur Absperrung), ukrainische Miliz sowie das Sonderkommando 4 a.
Dabei geht es nicht immer um bewusst durchlaufene Reflexionen; viele Entscheidungen finden gewohnheitsmäßig oder intuitiv statt. Gleichwohl geht allen Handlungen prinzipiell eine Interpretation der Situation voraus, ob diese nun im eingelebten und nicht-reflexiven Modus dessen, was »man« tut, abläuft oder ob sie die knifflige und höchst bewusste Analyse eines ungewöhnlichen Problems ist. Dass die Interpretation prinzipiell immer in Geltung ist, merkt man dann, wenn man etwas falsch interpretiert hat – sich in einer Tür geirrt, jemanden irrtümlich für einen Bekannten gehalten oder etwas falsch verstanden hat. Durch den dann entstehenden »Klärungsbedarf« wird deutlich, dass der missglückten Handlung eine Interpretation, wenn eben auch eine falsche, zugrunde gelegen hat.
Stefan Schmitz (Hg), Willi Peter Reese. Mir selber seltsam fremd. Die Unmenschlichkeit des Krieges. Russland 1941–44, München 2003, Abbildungsteil.
Ebd., S.242.
Ebd., S.242ff.
Ebd., S.197.
Ebd., S.179.
Ebd., S.85ff.
Ebd., S.77.
Ebd., S.70.
Ebd., S.9.
Paradigmatisch hierzu etwa Alice Miller, die die Frage stellt, »was ein Mord über die Kindheit des Mörders erzählt«. Alice Miller, Am Anfang war Erziehung, Frankfurt am Main 1980, S.242f.
Lee Ross, The intuitive psychologist and his shortcomings: distortions in the attribution process, S.214ff, in: Leonard Berkowitz (Hg.), Advances in Experimental Social Psychology, New York u.a. 1977, S.173–222.
Als extremer Fall von Widersprüchlichkeit dürfte Wilhelm Kube, Generalkommissar von Weißruthenien zu betrachten sein, der qua Biographie und Funktion als absolut überzeugter Nationalsozialist und Antisemit gelten kann und de facto Täter in großem Maßstab war, andererseits aber intensiv um das Leben einiger deutscher Juden kämpfte, dafür zahlreiche Konflikte in Kauf nahm und in einem Fall auch erfolgreich war. In seinem Fall wird ein empörter Ausfall gegen einen SS-Hauptsturmbannführer, der bei einer Deportation Menschen mit der Peitsche traktierte, genauso berichtet wie der an sich bemerkenswerte Umstand, dass er bei einem Spaziergang im Ghetto jüdischen Kindern Bonbons schenkte. Siehe Tom Lampert, Ein einziges Leben. Acht Geschichten aus dem Krieg, München 2001, insbes. S.80–113.
Götz Aly, Ich bin das Volk, Süddeutsche Zeitung, 1.9.2004, S.11.
Michel Alexandre, Der Judenmord. Deutsche und Österreicher berichten, Köln 2004, S.115.
»Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit, auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden. [ ... ] Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – ›Das jüdische Volk wird ausgerottet‹, sagt ein jeder Parteigenosse, ›ganz klar steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.‹ Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber der ist ein prima Jude. Und von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht.« Rede Himmlers am 4.10.1943 in Posen bei der SS-Gruppenführertagung. Internationaler Militärgerichtshof, Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Nürnberg 1948, Bd. 29, S.145 (1919-PS).
Rudolf Höß, Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß, herausgegeben von Martin Broszat, München 1963, S.156.
Gitta Sereny, Am Abgrund: Gespräche mit dem Henker. Franz Stangl und die Morde von Treblinka, München 1995.
Gitta Sereny, Das Ringen mit der Wahrheit. Albert Speer und das deutsche Trauma, München 1995.
Sereny, Am Abgrund, (Anm. 34) S.129.
Harald Welzer, Härte und Rollendistanz. Zur Sozialpsychologie des Verwaltungsmassenmords, Leviathan, 21/1993, S.358–373.
Sereny, Am Abgrund, (Anm. 34) S.131.
Ebd., S.235.
Ebd., S.189ff.
Ebd., S.197.
Ebd., S.149. Hervorhebung im Original.
Ebd., S.150.
Ebd., S.137.
Ebd., S.143.
Ebd., S.244.
Programmatisch hierzu der Titel von Gabriela Friedrichsen, »Ich bin doch kein Mörder!« Gerichtsreportagen 1998–2004, München 2004.
Höß, Kommandant in Auschwitz, (Anm. 33) S.132.
Herbert Jäger, Verbrechen unter totalitärer Herrschaft. Studien zur nationalsozialistischen Gewaltkriminalität, Olten/Freiburg 1967, S.28.
Alexandre, Judenmord, (Anm. 31) S.142.
Richard Breitman, Himmler and the Final Solution. The Architect of Genocide, London 1991, S.243.
Raphael Gross und Werner Konitzer, Geschichte und Ethik. Zum Fortwirken der nationalsozialistischen Moral, S.48ff, Mittelweg 36, 4/1999, S.44–67.
Jürgen Matthäus, Das »Unternehmen Barbarossa« und der Beginn der Judenvernichtung, Juni-Dezember 1941, S.373, in: Christopher R. Browning (Hg.), Die Entfesselung der »Endlösung«. Nationalsozialistische Judenpolitik 1939–1942, München 2003, S.360–448.
Isabel Heinemann, »Rasse, Siedlung, deutsches Blut.« Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas, Göttingen 2003. Ulrich Herbert, Best: biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989, Bonn 1996. Karin Orth, Die Konzentrationslager-SS. Soziokulturelle Analysen und biographische Studien, Göttingen 2000. Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002. Historische Rekonstruktionen der Vermittlungsformen von Ideologien hin zu den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Einzelpersonen haben freilich eine prinzipielle Grenze, da individuelle Orientierungen und Einstellungen aufgrund vieler verschiedener Faktoren zustande kommen und sie empirisch niemals vollständig erfasst werden können. Man bleibt, wenn man von der Untersuchung kleiner Gruppen ausgeht, auf Generalisierungen angewiesen, die theoretisch einleuchten, aber nicht empirisch geprüft werden können.
Herbert, Best, (Anm. 54) S.95.
Best 1936, zitiert nach ebd., S.164.
Ebd., S.314.
Klaus Michael Mallmann, »Mensch, ich feiere heut’ den tausendsten Genickschuß«. Die Sicherheitspolizei und die Shoah in Westgalizien, S.113, in: Gerhard Paul (Hg.), Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche?, Göttingen 2002, S.109–136.
Lawrence Kohlberg, Die Psychologie der Moralentwicklung, Frankfurt am Main 1996, S.127.
Ebd., S.135.
Im Original heißt es bei ihr »universe of obligation«, aber mir scheint der Begriff der »Verpflichtung« zu stark auf codifizierte oder gar einzuklagende wechselseitige Hilfeleistungen ausgerichtet. Helen Fein, Genocide. A Sociological Perspective, London 1993.
Arendt, Eichmann in Jerusalem, (Anm. 8) S.104.
Ebd., S.103.
Christopher R. Browning, Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die »Endlösung« in Polen, Reinbek 1996, S.107.
Erving Goffman, Rollendistanz, S.265, Symbolische Interaktion, Stuttgart 1973, S.260–279.
Ebd.
Höß, Kommandant in Auschwitz, (Anm. 33) S.156.
Ebd., S.74.
Barch, R 20/45a/b Tagebuch Erich von dem Bach-Zelewski, S.111.
Siehe zum Beispiel Robert J. Lifton, Ärzte im Dritten Reich, Stuttgart 1999. Alexander Mitscherlich und Fred Mielke, Medizin ohne Menschlichkeit, Frankfurt am Main (1960, 1978) 1995.
Theodor W. Adorno, Studien zum Autoritären Charakter, Frankfurt am Main 1973.
Eine hervorragende Übersicht hierzu liefert Gerhard Paul, Von Psychopathen, Technokraten des Terrors und »ganz gewöhnlichen« Deutschen. Die Täter der Shoah im Spiegel der Forschung, in: Gerhard Paul (Hg.), Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche?, Göttingen 2002, S.13–90. Vgl. auch James Waller, Becoming evil. How ordinary people commit genocide and mass killing, Oxford 2002, S.55ff.
Raul Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer, Frankfurt am Main 1992, S.64.
Vergleiche Ross, The intuitive Psychologist (Anm. 28). Grete Schurz, Destruktive Gehorsamsbereitschaft im psychologischen Experiment, in: Peter Huemer und Grete Schurz (Hg.), Unterwerfung – Über den destruktiven Gehorsam, 1992, S.39–64.
In der Industriesoziologie weiß man das, seit man in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erkannt hat, dass die extrem taylorisierten Arbeitsgänge in der industriellen Produktion zu einer geringeren Produktivität führen als solche, die ein gewisses Maß an individuellem Gestaltungsspielraum für die Arbeit bereitstellen. Siehe Fritz J. Roethlisberger, Man-in-Organization, Harvard 1969.
Raul Hilberg, Die Quellen des Holocaust. Entschlüsseln und Interpretieren, Frankfurt am Main 2002, S.40.
Alf Lüdtke, »Fehlgreifen in der Wahl der Mittel«. Optionen im Alltag militärischen Handelns, S.74, in: Mittelweg 36, 1/2003, S.61–75.
William E. Thomas und Dorothy S. Thomas, Die Definition der Situation, in: Heinz Steinert (Hg.), Symbolische Interaktion, Stuttgart 1973, S.333–335.
Helen Fein, Genozid als Staatsverbrechen. Beispiele aus Ruanda und Bosnien, S.40, in: Zeitschrift für Genozidforschung, 1/1 1999, S.36–45.
Der hier unternommene Versuch stellt das Gegenteil von Ansätzen dar, die Gewalthandlungen »anthropologisch« zu erklären versuchen und dabei, wie Wolfgang Sofsky, ausdrücklich betonen, dass es ihnen dabei nicht um den »Sinn«, sondern um die »Formen sozialen Verhaltens« gehe (Vgl. Wolfgang Sofsky, Zeiten des Schreckens, Frankfurt am Main 2002, S.26). Soziales Verhalten ist aber, wenn wir über Menschen und nicht über Bienen oder Ameisen sprechen, geradezu dadurch definiert, dass die Handelnden interpretieren, was vor sich geht, und ihren Schlussfolgerungen Sinn beilegen. Insofern ist kaum verständlich, wie Sofskys Übung gelingen sollte.
Kwiet, Konrad, zitiert nach Hilberg, Quellen, (Anm. 76) S.49.
Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt am Main 1990, S.1061.
Arendt, Elemente und Ursprünge, (Anm. 15) S.573.
Zitiert nach Peter Longerich, Judenverfolgung und nationalsozialistische Öffentlichkeit, S.237, in: Kristin Platt (Hg.), Reden von Gewalt, München 2002, S.227–255.
Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer, (Anm. 73) S.10.
Protokoll der Besprechung Reinhard Heydrichs mit Vertretern Oberster Reichsbehörden und Offizieren der Sicherheitspolizei und des SD am 20.Januar 1941 betr. die »Endlösung der Judenfrage«, in: Kurt Pätzold (Hg), Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung. Dokumente des faschistischen Antisemitismus 1933 bis 1942, Leipzig 1987, S.337.
Jan Björn Potthast, Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag. Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 2002. Hier versuchten überwiegend jüdische Wissenschaftler, die Hinterlassenschaften der Juden aus Böhmen und Mähren zusammen, bewahren und wissenschaftlich zu bearbeiten.»Ihre Situation war kurios, vermutlich einzigartig in der Geschichte der Museen dieser Welt: Beinahe über Nacht verfügte ein Museum, das vorher nur eine relativ kleine, provinzielle Sammlung besessen hatte, über einen gigantischen Hort wertvollster Zeugnisse der jüdischen Kultur; [ ... ] Das hätte der Wunschtraum eines jeden Museologen gewesen sein können, wenn nicht die Umstände so furchtbar gewesen wären. Denn schließlich war jedes einzelne Objekt, das zu ihnen kam, ein stummer Zeuge der Gewalt, die den Juden angetan wurde, ein Dokument der Zerstörung einer uralten, gewachsenen Kultur. Und mit Fortschreiten des Krieges wurde klar, dass diese Gegenstände das Einzige waren, was von den Juden unter deutscher Herrschaft bleiben sollte. Denn alle, auch die Museumsarbeiter selber, wurden nach und nach abtransportiert und kehrten mit ganz wenigen Ausnahmen nicht mehr zurück.« (Ebda., S.234)
Praktische Erinnerungspolitik ist, analog zur Ausgrenzungspolitik, die nie rein ideologisch oder theoretisch verfährt, wirksam, weil sie die Wirklichkeit verändert. »Die Behauptung, dass nur Moskau eine Untergrundbahn habe, ist nur solange eine Lüge, als die Bolschewisten nicht die Macht haben, alle anderen Untergrundbahnen zu zerstören.« Arendt, Elemente und Ursprünge, (Anm. 15) S.557ff.
Alfred Schütz, Tiresias oder unser Wissen von zukünftigen Ereignissen, S.268, in: Alfred Schütz (Hg.), Gesammelte Aufsätze II. Studien zur soziologischen Theorie, Den Haag 1972, S.259–278.
W. G. Sebald, Luftkrieg und Literatur, Frankfurt am Main 2001, S.110.
Harald Welzer, Albert Speers Erinnerung an die Zukunft, in: Jürgen Straub (Hg.), Erzählung, Identität und historisches Bewusstsein, Frankfurt am Main 1998, S.389–403.
Barch, R 20/45a/b Tagebuch Erich von dem Bach-Zelewski, S.8.
Albert Speer, Erinnerungen, Berlin 1993, S.187.
Aly, Ich bin das Volk, (Anm. 30). Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt am Main 2005, S.12f.
Hans Mommsen, Die Realisierung des Utopischen. Die »Endlösung der Judenfrage« im »Dritten Reich«, in: Geschichte und Gesellschaft, 9/1973, S.381–420. – Eine Untersuchung zu SS-Führern beim Rasse- und Siedlungshauptamt der SS kommt zu dem Ergebnis, dass 76 Prozent dieser Gruppe zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs jünger als 40 Jahre waren. Ähnlich bemerkenswert ist das Bildungsniveau dieser Gruppe: 40 von ihnen hatten einen akademischen Abschluss, davon wiederum 21 einen Doktortitel, weitere fünf waren Professoren und zwei bereits habilitiert. Siehe Heinemann, »Rasse, Siedlung, deutsches Blut«, (Anm. 54) S.563ff.
Barch, R 20/45a/b Tagebuch Erich von dem Bach-Zelewski, S.11.
Ebd., S.31.
Ebd., S.2.
Ebd., S.15.
Ebd., S.7.
Ebd., S.21.
Ebd., S.22.
Höß, Kommandant in Auschwitz, (Anm. 33) S.134.
Longerich, Judenverfolgung, (Anm. 84) S.231.
Martin Doerry, »Mein verwundetes Herz«. Das Leben der Lilly Jahn 1900–1944, München 2002, S.93.
Michael Wildt, Gewaltpolitik, Volksgemeinschaft und Judenverfolgung in der deutschen Provinz 1932–1935, in: WerkstattGeschichte, 35/2003, S.23–43. Vergleiche auch Klaus Hesse, Sichtbarer Terror – Öffentliche Gewalt gegen deutsche Juden 1933–1936 im Spiegel fotografischer Quellen, in: WerkstattGeschichte, 35/2003, S.44–56. Zur These der stillen Verfolgung siehe Robert Gellately, Hingeschaut und weggesehen. Hitler und sein Volk, Stuttgart 2002, S.42.
Sebastian Haffner, Geschichte eines Deutschen. Erinnerungen 1914–1933, München 2002, S.148.
Ebd., S.148ff.
Als Territorien des Selbst bezeichnet Goffman symbolische oder soziale Räume, mit deren Hilfe sich Individuen vor Gefährdungen ihrer eigenen körperlichen oder psychologischen Integrität zu schützen versuchen. Mit ihrer Hilfe versucht man zu verhindern, dass man durch andere Körper berührt wird, die Ausdünstungen anderer Menschen einatmet u.Ä. Die Möglichkeiten, die Territorien des Selbst zu behaupten, sind vielfältig, aber begrenzt. Man kann sich z.B. hinter Büchern oder Zeitungen verschanzen und auf diese Weise einen symbolischen, intimen, blickgeschützten Raum etablieren. Erving Goffman, Das Individuum im öffentlichen Austausch. Mikrostudien zur öffentlichen Ordnung, Frankfurt am Main 1974.
Haffner, Geschichte eines Deutschen, (Anm. 107) S.263.
Ebd., S.275.
Ebd., S.247.
Primo Levi, Ist das ein Mensch?, München 1992, S.127ff.
Peter Longerich, Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, München 1998.
Longerich, Judenverfolgung, (Anm. 84) S.232.
Ebd., S.233.
Zitiert nach Hilberg, Die Vernichtung, (Anm. 82) S.1097.
Assumptive world ist ein Begriff von Alfred Schütz, mit dem die subjektive Auffassung dessen, was selbstverständlich zum So-Sein der Welt gerechnet wird, bezeichnet wird.
Peter Huemer, Auschwitz als Idylle. Befehl und Gehorsam im Nationalsozialismus, S.26ff, in: Peter Huemer und Grete Schurz (Hg.), Unterwerfung. Über den destruktiven Gehorsam, Wien 1990.
Omer Bartov, Widerschein der Zerstörung. Krieg, Genozid und moderne Identität, S.60, in: Zeitschrift für Genozidforschung, 1/1 2000, S.46–69.
Daniel Jonah Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996, S.66ff.
Norbert Elias, Studien über die Deutschen, Frankfurt am Main 1989, S.27.
Ebd., S.130.
Ebd., S.153.
Helmut Lethen, Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, Frankfurt am Main 1994. Klaus Theweleit, Männerphantasien, München 2000.
Wibke Bruhns, Meines Vaters Land, München 2004.
Haffner, Geschichte eines Deutschen (Anm. 107).
Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933–1939, München 1998, S.49ff.
Ebd., S.50.
Alex Bruns-Wüstefeld, Lohnende Geschäfte. Die »Entjudung« am Beispiel Göttingens, Hannover 1997, S.69.
Friedländer, Das Dritte Reich, (Anm. 128) S.52.
Götz Aly hat darauf hingewiesen, dass der Nationalsozialismus natürlich auch eine Reihe ganz handfester Gratifikationen für die Volksgenossinnen und -genossen bereithielt: »Wer den destruktiven Erfolg des Nationalsozialismus verstehen will, der sollte sich die Schauseite der Vernichtungspolitik ansehen – den modernen, sozialpolitisch warmgehaltenen Gefälligkeitsstaat.« Aly, Ich bin das Volk, (Anm. 30).
Klaus Mann, Mephisto, zitiert nach Friedländer, Das Dritte Reich, (Anm. 128) S.22.
Longerich, Judenverfolgung, (Anm. 84) S.243.
Friedländer, Das Dritte Reich, (Anm. 121) S.73.
Barch, R 58/217 Ereignismeldung Nr. 100 vom 1.10.1941.
Barch, R 58/218 Ereignismeldung Nr. 106 vom 7.10.1941, S.15
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65, Bd. I, Bl. 167.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 SA 406, S.61.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65, Bd. I, Bl. 196.
Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg), Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944, Hamburg 2002, S.56.
Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verband des Heeres vom 28.4.1941, zitiert nach Ebd., (Anm. 141)S.60.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.31.
Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg), Verbrechen der Wehrmacht, (Anm. 141) S.63.
Wildt, Generation des Unbedingten, (Anm. 54) S.561.
Dieter Pohl, Die Einsatzgruppe C 1941/42, S.73, in: Peter Klein (Hg.), Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1942/42. Tätigkeits- und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Berlin 1997, S.71–87.
Zitiert nach Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.34.
Barch, R 58/214 Ereignismeldung Nr. 24 vom 6.7.1941.
Dieter Pohl schreibt hierzu: »Gesichert dürfte sein, dass Hitler Anfang Juli als Vergeltung für die NKWD-Massaker angeordnet hat, Erschießungen großen Ausmaßes in Lemberg vorzunehmen. Bald darauf vereinbarten HSSPF Jeckeln und das AOK 6 eine massive Verstärkung der SS und Polizei im rückwärtigen Armeegebiet, die sich nur verschärfend auf die Judenmorde auswirken konnte, da nun noch größere Gebiete von den Verbänden heimgesucht wurden. Himmler entsandte unter anderem am 22.Juli die 1. SS-Brigade zum HSSPF. An diesem oder dem vorhergehenden Tag war der Reichsführer selbst in Lemberg im rückwärtigen Heeresgebiet gewesen. Ob er dabei Rasch angetroffen hat, ist fraglich. [...] Es gibt jedoch Indizien dafür, dass Rasch seine Kommandoführer in Shitomir angewiesen hat, nicht mehr nur männliche Juden aus der Oberschicht, sondern alle Männer zu erschießen, die nicht in Arbeit standen. Vermutlich während der ersten zwei August-Wochen teilte Rasch dann seinen Untergebenen mit, dass nun unterschiedslos alle Juden zu ermorden seien. Die 1. SS-Brigade meldete schon am 30.Juli die Erschießung von erwachsenen Jüdinnen in der Gegend von Zwiahel, am 4.August traf es 225 Frauen in Ostrof; es gibt weitere Indizien für die Erschießung jüdischer Frauen und Kinder bereits für Ende Juli durch das Sk 4 a im Raum Berditschew; wahrscheinlich am 14.August erschoß das Teilkommando Fasse* in Belaja-Zerkow Frauen. [...] Viele Kommandoführer waren schon frühzeitig bereit, Frauen und Jugendliche zu erschießen, wenn sich ein entsprechender Vorwand finden ließ (z.B. Komsomol-Funktionäre).« Pohl, Die Einsatzgruppe C, (Anm. 146) S.73ff.
Hilberg, Die Vernichtung, (Anm. 82) S.312.
Mallmann, »Mensch, ich feiere heut' ...«, (Anm. 58) S.19ff.
Barch, B 162 / AR-Z 269/60, SA 392, S.405ff.
Götz Aly und Susanne Heim, Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Hamburg 1991. Christopher R. Browning, Fateful Months. Essays on Launching the Final Solution., New York/London 1985. Christian Gerlach, Krieg, Ernährung, Völkermord. Forschungen zur deutschen Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1998. Eberhard Jäckel und Jürgen Rohwer (Hg), Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Entschlussbildung und Verwirklichung, Frankfurt am Main 1987. Klaus Michael Mallmann, Die »Türöffner« der Endlösung. Zur Genese des Genozids, in: Gerhard Paul und Klaus Michael Mallmann (Hg.), Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. »Heimatfront« und besetztes Europa, Darmstadt 2000, S.437–463.
Siehe zum Beispiel Andrej Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003. Andrej Angrick, Martina Voigt, Silke Ammerschubert und Peter Klein, »Da hätte man schon ein Tagebuch führen müssen.« Das Polizeibataillon 322 und die Judenmorde im Bereich der Heeresgruppe Mitte während des Sommers und Herbstes 1941, in: Helge Grabitz, et al. (Hg.), Die Normalität des Verbrechens. Bilanz und Perspektiven der Forschung zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, Berlin 1994, S.325–385. Vincas Bartusevicius, Joachim Tauber und Wolfram Wette (Hg.), Holocaust in Litauen. Krieg, Judenmorde und Kollaboration, Köln 2003. Ruth Bettina Birn, Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten, Düsseldorf 1986. Peter Klein (Hg.), Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Tätigkeits- und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Berlin 1997. Helmut Krausnick und Hans-Heinrich Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938–1942, Stuttgart 1981. Konrad Kwiet, Auftakt zum Holocaust. Ein Polizeibataillon im Osteinsatz, in: Wolfgang Benz, et al. (Hg.), Der Nationalsozialismus. Studien zur Ideologie und Herrschaft, Frankfurt am Main 1995, S.191–208. Ralf Ogorreck, Die Einsatzgruppen und die »Genesis der Endlösung«, Berlin 1994.
Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1998, S.440.
Eberhard Jäckel, Peter Longerich und Julius H. Schoeps (Hg.), Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, München 1998, S.396.
Ebd.
Christopher R. Browning, Die Entfesselung der »Endlösung«. Nationalsozialistische Judenpolitik 1939–1942, München 2003, S.321.
Benz, Graml und Weiß, Enzyklopädie des Nationalsozialismus, (Anm. 155) S.440.
Andrej Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord. (Anm. 154) S.80.
Browning, Die Entfesselung der »Endlösung«, (Anm. 158) S.333.
Ebd.
Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord, (Anm. 154) S.83.
Ebd.
Für die Bezeichnung Sonderkommando gab es während des Nationalsozialismus unterschiedliche Verwendungen. Für die Täterseite bezeichneten die Sonderkommandos Einheiten, die hauptsächlich aus SS-Männern bestanden und für spezielle Aufgaben eingesetzt wurde wie die Sonderkommandos der Einsatzgruppen im Russlandfeldzug, die »ursprünglich für den besonders frontnahen Einsatz vorgesehen waren«. Des Weiteren wurde das deutsche Personal der Vernichtungslager Chelmno, Belzec, Sobibór und Treblinka als Sonderkommando bezeichnet. Die »Sonderkommandos 1005« öffneten auf dem Rückzug der Ostfront die Massengräber und verbrannten die Leichen, um die Spuren des Mordens zu verwischen. Für die Seite der Opfer wurde der Begriff Sonderkommando für diejenigen Konzentrationslagerhäftlinge verwendet, die in den Krematorien arbeiten mussten. Darüber hinaus gab es im Ghetto von Lodz ein jüdisches »Sonderkommando«, das Teil des jüdischen Ordnungsdienstes war. Siehe Jäckel, Longerich und Schoeps (Hg.), Enzyklopädie des Holocaust, (Anm. 156) S.1337.
Helmut Krausnick, Die Einsatzgruppen vom Anschluß Österreichs bis zum Feldzug gegen die Sowjetunion. Entwicklung und Verhältnis zur Wehrmacht, S.129, in: Helmut Krausnick, Hans-Heinrich Wilhelm (Hg.), Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938–1942, Stuttgart 1981, S.13–278.
Benz, Graml und Weiß, Enzyklopädie des Nationalsozialismus, (Anm. 155) S.440.
Zu den Zahlen der Opfer von Einsatzgruppen und Polizeibataillonen siehe: Stefan Klemp, »Nicht ermittelt«. Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch, Essen 2005, S.70ff. und S.466f.
Jäckel, Longerich und Schoeps (Hg.), Enzyklopädie des Holocaust, (Anm. 156) S.1212.
Benz, Graml und Weiß, Enzyklopädie des Nationalsozialismus, (Anm. 155) S.440.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.30.
Pohl, Die Einsatzgruppe C, (Anm. 146) S.71 (Braune und Fasse sind Pseudonyme).
Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die Repräsentativität, mit der die Bataillonsangehörigen dem Durchschnitt der deutschen Bevölkerung etwa Goldhagen zufolge entsprochen hätten, so nicht gegeben war (vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, (Anm. 114) S.304 ff.) Es lässt sich aber soziodemographisch auch nicht von einer exponierten Gruppe sprechen.
Als Intentionalisten wurden jene Historiker bezeichnet, die einen personenzentrierten Erklärungsansatz für die Vernichtung bevorzugten, als Funktionalisten die, die der administrativ-industriellen Eigendynamik mehr explanatorische Kraft zuschrieben.
Arnold H. Buss führte Ende der fünfziger Jahre Experimente durch, bei denen es um das Phänomen der »forced compliance«, des erzwungenen Einverständnisses, ging. Die Untersuchungen versuchten, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie Personen damit umgehen, wenn sie etwas tun müssen, was ihrer eigenen Einstellung widerspricht. Das Experiment hatte ein ganz ähnliches Design wie das später von Stanley Milgram durchgeführte. Buss »konnte zeigen, dass Personen, die die Gelegenheit bekommen hatten, vom Experiment zurückzutreten und trotzdem weitergemacht hatten, im Nachhinein die ausgeteilten Schocks als weniger schmerzhaft bewerteten.« Generell lässt sich zeigen, dass Personen – »sofern sie (irrtümlich) meinen, dies freiwillig getan zu haben – eine Anpassung ihrer Einstellung an das gezeigte Handeln vornehmen.« Siehe Jeannette Schmid, Freiwilligkeit der Gewalt? Von der Psychologie der Täter zur Psychologie der Tat, S.32, in: Analyse & Kritik, 1/1998, S.27–45.
Michael A. Hogg und Graham M. Vaugham, Social Psychology, London u.a. 1995, S.213.
S. E. Asch, Effects of group pressure upon the modification and distortion of judgements, in: H. Guetzkow (Hg.), Groups, Leadership and Men, Pittsburg 1951, S.177–190.
Muzafer Sherif, The Psychology of Social Norms, New York 1936.
Dieser Referenzrahmen wird in der Regel als »Kameradschaft« bezeichnet. Sebastian Haffner hat aus eigener Anschauung die integrative Wirkungsweise von Kameradschaft beschrieben und diese als »Dezivilisierungsmittel« par excellence bezeichnet. »Wenn wir – Referendare immerhin, Akademiker mit intellektueller Schulung, angehende Richter und gewiß nicht durch die Bank Schwächlinge ohne Überzeugungen und ohne Charakter – in Jüterbog binnen wenigen Wochen zu einer minderwerigen, gedankenlos-leichtfertigen Masse geworden waren, [...] dann waren wir dies durch Kameradschaft geworden.« Haffner, Geschichte eines Deutschen, (Anm. 107) S.281.
Barch, B 162 /AR-Z 1251/65 SA 406, S.38.
Barch, B 162 /AR-Z 1251/65 Bd. B I, Bl. 133–140. Barch, B 162 /AR-Z 1251/65 Bd. B VIII, Bl. 1492–1504. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. X Bl. 1881–1886 und 1967.
Kazimierz Leszczynski (Hg.), Fall 9. Das Urteil im SS-Einsatzgruppenprozeß gefällt am 10.April 1948 in Nürnberg vom Militärgerichtshof II der Vereinigten Staaten von Amerika., Berlin 1963. Ralf Ogorreck und Volker Rieß, Fall 9: Der Einsatzgruppenprozess (gegen Otto Ohlendorf und andere), in: Gerd R. Ueberschär (Hg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952, Frankfurt am Main 1999, (Anm. 156) S.164–175.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B I, Bl. 170–176.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. X, Bl. 1970–1974. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VII, Bl. 1237–1255.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VII, Bl. 1203–1209.
Barch, B 162 / AR-Z 269/60, SA 392.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65, Bd. I, Bl. 166–167.
Wolfgang Benz und Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes, Frankfurt am Main 1994. Helmuth Groscurth, Tagebücher eines Abwehroffiziers 1938–1940. Mit Dokumenten zur Militäropposition gegen Hitler, hg. von Helmut Krausnick und Harold C. Deutsch, Stuttgart 1970.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VIII, Bl. 1525–1542. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VII, Bl. 1210–1222. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 SA 406.
Pseudonyme, die aus Datenschutzgründen verwendet werden, werden bei erstmaliger Nennung durch ein * gekennzeichnet.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B II, Bl. 259–263.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B III 564–573. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VIII Bl. 1748–1752.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 SA 406 S.4.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 SA 406.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B I, Bl. 148–156. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VII, Bl. 1473–1491. Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. X Bl. 1899–1905 und Bl. 1967.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B II, Bl. 201–207.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 SA 406, S.10.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B VI, Bl. 1001–1005.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B IV, Bl. 626–630.
Barch, B 162 / AR-Z 1251/65 Bd. B II, Bl. 228–234.
Hilberg, Die Vernichtung, (Anm. 82) S.197.
Ebd.
Jäger, Verbrechen, (Anm. 49) S.23.
Hilberg, Die Vernichtung, (Anm. 82) S.199.
Ebd., S.201.
Manfred Messerschmidt, Ideologie und Befehlsgehorsam im Vernichtungskrieg, S.911, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 10/2001, S.905–926.
Ebd., S.911ff.
Ebd., S.913.
Ebd.
Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord, (Anm. 154) S.397.
Vgl. Dieter Pohl, Schauplatz Ukraine: Der Massenmord an den Juden im Militärverwaltungsgebiet und im Reichskommissariat 1941–1943, S.139, in: Norbert Frei, et al. (Hg.), Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik, München 2000, S.135–173.
Pohl, Die Einsatzgruppe C, (Anm. 146) S.72.
Zitiert nach Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.), Verbrechen der Wehrmacht, (Anm. 141) S.99.
Ebd., S.102.
Zitiert nach Ludwig Eiber, » ... ein bißchen die Wahrheit«. Briefe eines Bremer Kaufmanns von seinem Einsatz beim Reserve-Polizeibataillon 105 in der Sowjetunion 1941, S.70ff., in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 1/1991, S.58–83.
Vergleiche Browning, Ganz normale Männer (Anm. 64) und Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker (Anm. 121). Einige der folgenden Überlegungen zu Brownings Untersuchung habe ich bereits veröffentlicht in: Natalija Basic und Harald Welzer, Die Bereitschaft zum Töten, in: Zeitschrift für Genozidforschung, 1/2 2000, S.78–100. Siehe auch Harald Welzer, Wer waren die Täter? Anmerkungen zur Täterforschung aus sozialpsychologischer Sicht, in: Gerhard Paul (Hg.), Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche?, Göttingen 2002, S.237–253.
Mittlerweile weiß man, dass diese Wahlmöglichkeit nicht so selten war, wie man zunächst annahm. Selbst Otto Ohlendorf, Chef der Einsatzgruppe D, hat vor dem angetretenen Kommando die Aufforderung ausgesprochen, dass vortreten möge, »wer die Teilnahme an den Judenaktionen vor seinem Gewissen nicht verantworten könne« (zitiert nach Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord, [Anm. 154] S.432). Auch der Führer des Einsatzkommandos 8, Dr.Bradfisch, erklärte in seiner ersten Ansprache zu den bevorstehenden Erschießungen, dass nicht teilnehmen brauche, wer es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne (Klaus-Michael Mallmann, Volker Rieß und Wolfram Pyta (Hg.), Deutscher Osten 1939–1945. Der Weltanschauungskrieg in Photos und Texten, Darmstadt 2003, S.131). Ich werde später noch auf verschiedene Varianten der Befehlausgabe eingehen (Vgl. S.117).
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.238.
Longerich, Politik der Vernichtung, (Anm. 114) S.307.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.241.
Ebd., S.211. Eine gute Frage zu dieser Einschätzung Brownings stellen Kochinka und Straub, nämlich die, »ob die in den Jahren zuvor zweifellos auch von den Reserve-Polizisten wahrgenommene Brutalisierung anderer spurlos an diesen vorübergegangen ist. Brutalität gegenüber Menschen, gerade auch gegenüber Juden, war längst vor dem Einsatz des Hamburger Bataillons ein gewohnter gesellschaftlicher Tatbestand. Kriegserfahrungen waren Bestandteile des öffentlichen Bewusstseins. Brutales Verhalten stand als Modell allen vor Augen, längst bevor sich die Gelegenheit bot, das am Modell Gelernte womöglich selbst auszuagieren. [...] Die Reserve-Polizisten gingen nicht vollkommen unvorbereitet ans Werk. Es gab einen deutschen Kult der Härte, welcher Mitgefühl, insbesondere natürlich das Mitleid mit den als Feinden etikettierten Anderen, als atavistisches Überbleibsel des Christentums verachtete.« Alexander Kochinka und Jürgen Straub, »Dämonologie« oder psychologisches Denken? Wie erklärt man, warum ganz gewöhnliche Angehörige der nationalsozialistischen Gesellschaft das Leben anderer auslöschten? S.103, in: Analyse & Kritik, 1/1998, S.95–122. Jürgen Matthäus argumentiert mit Recht, dass die Polizei auch insofern eine Art Prä-Sozialisation zum Töten durchlaufen hatte, als sie nach der »Machtergreifung« Hitlers in der Regel passiv auf das steigende Gewaltniveau gegenüber Juden reagierte und »davon absah, gegen das breite Spektrum judenfeindlicher Aggression – von Boykottaktionen, Anprangerung und Verleumdung über Sachbeschädigung und Raub bis hin zu Tätlichkeiten und Körperverletzungen – vorzugehen. Siehe Jürgen Matthäus, An vorderster Front. Voraussetzungen für die Beteiligung der Ordnungspolizei an der Shoah, S.141, in: Gerhard Paul (Hg.), Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche? Göttingen 2002, S.137–166.
Matthäus, An vorderster Front, (Anm. 221) S.211ff.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.214ff.
Adorno, Charakter (Anm. 71).
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.218.
Ebd., S.221.
Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker, (Anm. 121) S.533ff.
Im Stanforder Gefängnis-Experiment wurden 21 nach Persönlichkeitsprofil als »normal« ausgewiesene Personen nach dem Zufallsprinzip in »Gefängniswärter« bzw. »-insassen« aufgeteilt, mit Uniformen bzw. Sträflingskleidung versehen und in ein räumliches Setting versetzt, das weitgehend einer normalen Gefängnissituation glich. Das Experiment sollte vierzehn Tage dauern, musste aber bereits nach sechs Tagen abgebrochen werden, weil auf der einen Seite die »Häftlinge« starke Symptome von Hilflosigkeit, Depressivität und verminderter Selbstachtung zeigten und die »Wärter« auf der anderen Seite rücksichtslos ihre Machtbefugnisse bis hin zu sadistischen Quälereien ausnutzten. In wenigen Tagen war eine von extremer Feindseligkeit und Aggressivität geprägte Situation entstanden, die gerade nicht auf vorgängige pathologische Eigenschaften der Akteure zurückgeführt werden konnte. »Am dramatischsten und qualvollsten«, resümierten die Versuchsleiter, »war für uns die Beobachtung, mit welcher Leichtigkeit sadistische Verhaltensweisen bei Individuen hervorgerufen werden konnten, die keine ›sadistischen Typen‹ waren, und die Häufigkeit, mit der akute emotionale Zusammenbrüche bei Männern auftreten konnten, die gerade wegen ihrer emotionalen Stabilität ausgewählt worden waren.« Haney et al. 1973 zitiert nach Ali Wacker, Zur Aktualität und Relevanz klassischer psychologischer Faschismustheorien, S.123, in: Gerhard Paul und Bernhard Schoßig (Hg.), Jugend und Neofaschismus? Provokation oder Identifikation, Frankfurt am Main 1979. Die Ergebnisse dieses Experiments sind aus meiner Sicht mit Vorsicht zu bewerten, da die filmische Dokumentation zeigt, dass der Versuchsleiter offenbar selbst zur Eskalation des Verhaltens der Wärter einiges beigetragen hat.
Siehe zum Beispiel David M. Mantell, The potential for violence in Germany, in: Journal of Social Issues, 27/4 1971, S.101–112. Wesley Kilham und Leon Mann, Level of destructive obedience as a function of transmitter and executant roles in the Milgram obedience paradigm, in: Journal of Personality and Social psychology, 29/5 1974, S.696–702.
Stanley Milgram, Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität, Reinbek 1995. Die Abbildung entstammt diesem Buch.
Wolfram Wette (Hg.), Retter in Uniform. Handlungsspielräume im Vernichtungskrieg der Wehrmacht, Frankfurt am Main 2002. Wolfram Wette (Hg.), Zivilcourage, Frankfurt am Main 2004.
Francois Rochat und Andre Modigliani, Authority: Obedience, Defiance, and Identification in Experimental and Historical Contexts, in: Martin Gold und Elisabeth Douvan (Hg.), A New Outline of Social Psychology, Washington 1997, S.235–247.
»Von 20 Versuchspersonen brach eine ab, bevor der Widerspruch auftrat, 18 hörten genau zu dem Zeitpunkt auf, als der Widerspruch zwischen den zwei Autoritäten zum ersten Mal auftrat. Eine weitere Versuchsperson brach das Experiment einen Schritt nach diesem Punkt ab.« Siehe Milgram, Das Milgram-Experiment, (Anm. 230) S.128.
Beide Bedingungen bei Mantell, The potential, (Anm. 229) S.254.
Stanley Milgram, Some Conditions of Obedience and Disobedience to Authority, S.66, in: Human Relations, 18/1965, S.57–76.
Erving Goffman, Rahmenanalyse, Frankfurt am Main 1973.
Kilham und Mann, Destructive Obedience (Anm. 229).
Zygmunt Bauman, Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 1992.
Stanley Milgram, Obedience to Authority: An Experimental View, New York 1974, S.123.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.228, bezieht dieses Angebot aufgrund einer Zeugenaussage auf ältere Mannschaftsmitglieder, während Goldhagen der Auffassung ist, es habe sich auf alle Personen bezogen (Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker, [Anm. 121] S.256); einig sind sich aber beide Autoren hinsichtlich der Bedeutung, die sie Trapps Aufforderung beimessen.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.228.
Bei Milgram führte die Abwesenheit der Autorität zur höchsten Abbruchquote im Experiment.
Wie an anderer Stelle gezeigt worden ist (Welzer, Härte und Rollendistanz [Anm. 37]), besteht ein zentraler Aspekt nationalsozialistischer Tötungsbereitschaft darin, dass sich die Täter auch als Opfer wahrnehmen können, die unter ihrer Aufgabe leiden, in dem Sinne etwa, in dem in der berüchtigten Rede Himmlers vor dem obersten Führerkorps der SS 1943 die Rede davon ist, was man bei der Ermordung der Juden »alles durchgehalten« habe. Zu diesem Phänomenbereich gehört auch die Beobachtung, dass der NS-Sprachgebrauch die »Befehlsempfänger« in »Befehlsträger« verwandelt habe (Arendt, Eichmann in Jerusalem, [Anm. 8] S.104) – reine Transporteure ihnen fremder und gleichgültiger Zwecke, die an ihrer Last durchaus auch leiden können.
Browning, Ganz normale Männer, (Anm. 64) S.241.
Henry Taijfel, Gruppenkonflikt und Vorurteil: Entstehung und Funktion sozialer Stereotypen, Bern 1982.
So hat Henry Tajfel Versuchspersonen unabhängig voneinander Bilder abstrakter Maler vorgeführt und diese gebeten zu sagen, welche ihnen am besten gefielen. Anschließend wurde den Probanden völlig unabhängig von den geäußerten Präferenzen mitgeteilt, dass sie entweder ausgesprochene Klee- oder ausgesprochene Kandinsky-Liebhaber seien. In einem zweiten Teil des Experiments bekamen sie nun die Aufgabe, Gruppen von anderen Probanden nach einem Verteilungsschlüssel Geldbeträge zuzuweisen: nämlich Klee-Liebhabern, Kandinsky-Liebhabern und Mitgliedern einer gemischten Gruppe. Obwohl die Versuchspersonen untereinander keinerlei Kontakt hatten und sich den jeweiligen Gruppen nur abstrakt zuordnen konnten, häuften sich die Geldbeträge jeweils auf dem Konto der Gruppe, der der Proband sich zugehörig fühlte. Dieses Bild zeigt sich sogar dann, wenn die Gruppen nicht nach fiktiven ästhetischen Vorlieben, sondern nach Münzwurf eingeteilt werden (Ebd., S.76) – woraus man den einfachen Schluss ziehen kann, dass Menschen schon dann als Gruppenmitglieder handeln, wenn sie sich selbst als Mitglieder von Gruppen wahrnehmen. Die brutaleren Ferienlagerexperimente von Muzafer Sherif aus den sechziger Jahren haben gezeigt, dass es mit Hilfe willkürlicher Gruppeneinteilungen von Schülern »erschreckend einfach war, wir-Loyalität und sie-Feindlichkeit zu erzeugen.« Siehe Morton Hunt, Das Rätsel der Nächstenliebe, Frankfurt am Main/New York 1992, S.88.
Hunt, Das Rätsel, (Anm. 246) S.81ff.
Norbert Elias und John Scotson, Etablierte und Außenseiter1990