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Petra Sommersperger

Berlin küsst Stockholm

Sommernächte und Blitzlichtgewitter





BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Titel:

 

Petra Sommersperger

 

 

 

Berlin küsst

Stockholm

 

- Sommernächte und Blitzlichtgewitter -

 

 

 

Roman

 

 

 

Widmung:

Ich möchte ein paar besonders lieben Menschen danken,

die mich bei der Verwirklichung dieses Traumes besonders unterstützt haben.

 

Allen voran meinem lieben Bruder Helmut und seiner Familie,

Maggie, meiner besten Freundin und der bezaubernden Tanja.

Ohne euch wäre dieses Projekt nicht zustande gekommen!

 

Ein ganz besonderes Dankeschön auch an Kaddi, Kerstin und Kathrin

für’s Mut machen, für eure Tipps und ein immer offenes Ohr,

was sicher nicht immer einfach für euch war!

 

Und natürlich danke auch an alle anderen, die mich dabei begleitet haben.

Ich denke, ihr wisst, wer von euch damit gemeint ist!

 

 

D A N K E !

 

 

Ich widme dieses Buch meiner lieben Mama,

die immer an mich geglaubt hat!

 

 

KAPITEL 1

 

 

Kursivschrift = Alicia

Fettschrift = Ben

 

 

„Und du bist dir sicher, dass du nicht mitkommen möchtest?“, fragt er bereits zum gefühlt zehnten Mal, ein aufgesetzter Schmollmund natürlich inklusive. Ich schüttle den Kopf. „Nein, mein allerliebster Ben, ich möchte nicht mitkommen, da bin ich sogar sehr sicher.“

Ein theatralisches Seufzen soll mir noch einmal signalisieren, was er davon hält und ich kann nicht anders, als loszulachen. „Wieso um Himmels willen möchtest du nicht alleine zu dieser Party? Du kennst doch genügend Leute dort.“

Er sieht mich an, setzt an etwas zu sagen und schließt seinen Mund schließlich wieder.

„Ich warte?“ Doch statt zu antworten, kommt er zu mir auf die Couch, legt seinen Kopf auf meine Schulter, zieht erneut eine Schnute und blickt mich an, wie ein Welpe, der ein neues Zuhause sucht.

„Alicia-Schatz, du weißt doch, man sollte mich nicht alleine auf Partys lassen“, versucht er es nun mit einer Schiene, die vielleicht bei seinen diversen weiblichen 'Bekanntschaften' funktionieren mag, doch mich bekommt er damit nicht rum.

„Mein Lieber, spar dir diesen Hundeblick doch lieber für eine andere auf. Ich bin mir sicher, auf der Party laufen genügend Frauen herum, die sich freuen, wenn du sie mit deinen blauen Augen anhimmelst.“ Ich hauche ihm noch einen Kuss auf die Stirn und stehe lachend auf.

„Du bist grausam zu mir.“ „Ich weiß“, antworte ich ihm kurz, während ich den Korkenzieher aus dem Wandschrank hole, um meine Weinflasche zu öffnen.

„Wozu hat man Freunde, wenn sie einen so im Stich lassen, wenn man sie wirklich braucht?!“ Bei diesen Worten muss er selbst lachen. „Ja, ich bin wirklich eine schlechte Freundin, ich weiß. Aber ich habe heute Abend ein wichtiges Date, wie du wissen solltest.“ Vorsichtig ziehe ich den Korken aus der Flasche und gieße etwas der wohl-duftenden roten Flüssigkeit in ein Weinglas.

Ben steht auf, tritt neben mich und tätschelt mir gespielt mitleidig den Kopf. „Deine Lieblingsfernsehserie und eine Flasche Wein ist nicht wirklich ein Date, meine Süße. Ich möchte nur, dass dir das bewusst ist.“

Schnell verpasse ich ihm einen sanften Stoß mit dem Ellbogen. „Immer noch besser, als eine Party von irgendeiner drittklassigen Promotion-Firma.“

„Ja ja, ich hab es schon verstanden.“ Er lacht und zuckt mit den Schultern. „Dann werde ich wohl jetzt alleine lostigern, aber beschwere dich nicht, wenn die Party nicht gut endet und ich in desaströsem Zustand wieder hier ankomme. Ich werde schließlich einsam sein und wenn man einsam ist,...“ „Hau schon ab!“, unterbreche ich ihn und schiebe ihn schon fast zur Tür hinaus.

Als ich endlich alleine bin, lasse ich mich auf die Couch fallen und nehme genussvoll einen großen Schluck Rotwein zu mir. Ein anstrengender Tag liegt hinter mir und es kommt mir ganz Recht, dass ich diesen Abend alleine auf meiner Couch verbringen kann. 

Seit gut zwei Wochen wohnt Ben nun bei mir. Während der letzten Deutschland-Tour mit seiner Band lernte er durch Zufall Jonas, den Besitzer eines kleinen Musik-Labels kennen und nachdem die beiden auf Anhieb einen Draht zueinander gefunden hatten, hat Ben innerhalb kürzester Zeit beschlossen, sich an Jonas Label zu beteiligen.

Bens ursprünglicher Plan war es, sich lediglich finanziell einzubringen, um Jonas schneller auf die Beine zu helfen, doch schon bald hatte sich herausgestellt, dass Bens Bekanntheit den beiden von noch viel größerem Nutzen sein könnte, deshalb hat er sich kurzerhand entschlossen, nicht sofort wieder in seine Heimat Stockholm zurückzukehren, sondern noch ein paar Wochen in Berlin zu bleiben, um Jonas bei ein paar Dingen unter die Hand greifen zu können.

Gleichzeitig will er die Zeit nutzen, um ein paar PR-Termine für seine Band absolvieren zu können und da Ben jemand ist, der am liebsten immer Menschen um sich hat und sich in Hotelzimmern ziemlich schnell einsam fühlt, habe ich ihm spontan angeboten, für diese paar Wochen bei mir zu wohnen.

 

Ben Lindqvist und ich kennen uns schon seit Jahren. Er war mit seiner Band 'Northern Summer‘ – vier etwas verrückten, aber absolut liebenswerten Jungs aus Schweden, die mit hochwertiger Rockmusik die Ohren ihrer Fans verwöhnen - in Deutschland unterwegs. Die Band war damals kaum bekannt, aber das Magazin bei dem ich arbeite, hatte ein Interview mit ihnen organisiert und dabei haben wir uns kennen – und wie sagt man so schön – 'lieben' gelernt.

Die Chemie zwischen uns beiden stimmte auf Anhieb und nach einem ziemlich verkorksten 'ersten Date' und einem völlig gefühllosen ersten Kuss, landeten wir beide damals laut lachend und ziemlich betrunken auf meiner Couch und haben spontan beschlossen, dass wir uns bestens verstehen, solange sich unser Verhältnis auf einer freundschaftlichen Ebene bewegt und so ist es auch seither. Er besucht mich so oft es geht und die stressigen Zeiten überbrücken wir mit Anrufen und albernen Bildern, die wir uns gegenseitig via Handy zusenden.

Kaum habe ich den Fernseher angemacht und das richtige Programm gefunden, piepst mein Handy auch schon. Schnell öffne ich das Foto, das Ben mir gesendet hat. Ein Bild von ihm im Taxi, den Kopf an die Tür gelehnt, mit dem bereits mehrfach erwähnten Schmollmund, blinkt mir entgegen. „So einsam...“, steht darunter. Ich muss lachen. „Manchmal muss man stark sein im Leben. Hab Spaß!“, ist meine Antwort. Kopfschüttelnd lasse ich das Handy neben mich fallen und widme mich endlich meiner Lieblingssendung.

 

~~~~~~

 

Nach gefühlt zwei Stunden durchgehendem Händeschütteln und Nettigkeiten austauschen, habe ich endlich wieder ein paar Minuten für mich. So schmeichelnd die Resonanz auf unsere letzte Tour und meinen Geschäftsplänen gegenüber ist, so viele negative Seiten zieht es auch mit sich.

Ich liebe Partys, das dürfte allseits bekannt sein, allerdings nicht diese inszenierten Dinge. Ich mag es, spontan mit den Jungs in einer Bar zu versacken oder auch mal eine Aftershow-Party aufzumischen, gerade dann, wenn keiner damit rechnet, aber dieses lieb lächeln und danke sagen und Jedermanns Darling zu sein, das ist nicht meine Welt.

Dennoch gehört es zu meinem Beruf eben auch dazu, zu diversen Promotion-Terminen zu erscheinen, zig Interviews zu geben, selbst dann, wenn man die Fragen längst nicht mehr hören kann, viele ‚wichtige‘ Hände zu schütteln und immer den netten Kerl von nebenan zu mimen, auch wenn einem manchmal wirklich nicht danach ist. 

Schnell kippe ich das Glas Champagner, das mir in die Hand gedrückt wurde, in einem Zug hinunter und wechsle dankbar zu einem Bier, als ein Kellner mit einem vollen Tablett an mir vorbeigeht. Schon besser!

„Hey, du bist Ben, oder?“ Suchend drehe ich mich um und blicke in zwei wunderhübsche braune Augen. Ein kurzer Ganzkörper-Scan verrät mir, dass auch der Rest nicht ohne ist. Lange braune Haare, zierliches Gesicht, strahlend weiße Zähne, hübsches Dekolleté, schlanke Taille und das alles in einem schicken schwarzen Mini-Kleid verpackt. Es hätte schlimmer kommen können.

„Der bin ich. Und du?“ „Ich heiße Sandy und finde deine Musik wirklich unheimlich schön.“ Sie strahlt über das ganze Gesicht und die Tatsache, dass sie mit ihren Fingern bereits das vierte Mal binnen einer Minute eine nicht vorhandene Haarsträhne hinter ihr Ohr streicht, verrät mir, was die Absicht hinter diesem Gespräch ist. Diese leichte Nervosität, der anhimmelnde Blick, mittlerweile kenne ich das nur zu gut und um ehrlich zu sein, seit meiner Trennung von Romina vor einem halben Jahr, habe ich auch ein paar davon – nun sagen wir mal – etwas ‚näher‘ kennen gelernt.

„Wollen wir rausgehen und eine rauchen?“ Ich deute zum Hintereingang und ohne zu zögern nickt sie. „Gerne.“ Ich lasse sie vorausgehen, um den Anblick zu genießen. Sie hat wirklich rundum alles dort, wo es hingehört, das muss man ihr lassen. 

Zwei Zigaretten später weiß ich ihre halbe Lebensgeschichte. Sandy ist wirklich süß. Einerseits wirkt sie schüchtern, andererseits denke ich, dass sie genau weiß, worauf sie hinaus will und das gefällt mir. So hat der Abend doch noch eine ganz annehmbare Wendung erhalten.

„Was hast du denn noch vor heute?“, frage ich sie plötzlich und unterbreche damit ihren Monolog über – ja worüber eigentlich? Sie zuckt etwas zusammen und für einen Moment scheinen sämtliche Rädchen in ihrem Kopf auf Hochtouren zu rattern. Eine leichte Röte huscht über ihr Gesicht und macht das Ganze für mich noch einmal einen Tick verführerischer. „Äh… Ich denke nichts?!“ Sie wirkt etwas nervös, als sie die Worte ausspricht. „Wieso?“

„Ich hab ehrlich gesagt keine Lust mehr auf die Party hier. Was denkst du, sollen wir zu mir fahren? Ich hab eine gut gefüllte Minibar.“ Ich streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während ich zu ihr spreche, wohl wissend, dass eine kleine zarte Berührung sicherlich nicht schaden kann und wie erhofft, verfehle ich auch dieses Mal meine Wirkung nicht. „Das klingt gut“, flüstert sie schon beinahe.

 

~~~~~~

 

Ein lauter Knall lässt mich plötzlich aus einem wunderschönen Traum hochschrecken. Was um...? Verwirrt sehe ich mich um und ein lautes „Verdammt!“ aus dem Flur, gefolgt von einem erneuten Poltern, löst schließlich das Rätsel. „Alles klar bei dir?“ Ein grummelnder Ben kommt durch die Tür.

„Du hast zu viele Schuhe! Die sind einfach überall.“ Er schüttelt den Kopf und humpelt zu mir aufs Sofa. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es mittlerweile fast sechs Uhr morgens ist.

„Man merkt, dass du schon seit einem halben Jahr keine Frau mehr hast, sonst wüsstest du, dass ich definitiv in der Norm liege, was meine Schuhe anbelangt.“ Ich strecke ihm die Zunge heraus und kuschle mich gleichzeitig an ihn. Schnell schlingt er seinen Arm um mich und nach einer kurzen Pause beginnt er zu lachen.

„Wenn ich gewusst hätte, welches Programm bei dir läuft, wäre ich vielleicht sogar schon früher nach Hause gekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas guckst.“ Mit breitem Grinsen beobachtet er mich und erst jetzt sehe ich, dass mittlerweile ein drittklassiger Sexfilm über die Mattscheibe läuft. „Tja, da siehst du mal, es gibt immer noch Dinge, die du nicht über mich weißt. Aber ich tippe mal schwer darauf, dass du so etwas in der Art vor nicht allzu vielen Minuten noch selbst gemacht hast.“ „Da tippst du gar nicht mal so falsch, meine Liebe.“ Er zuckt die Schultern und zieht seinen Arm noch etwas enger um mich, während er mir gleichzeitig ein Küsschen auf den Haaransatz haucht.

Es war wohl klug von mir, von vornherein mit ihm zu vereinbaren, dass er keine Frauen, mit denen er es nicht wirklich ernst meint, mit in meine Wohnung bringt, solange er hier wohnt. Bei aller Liebe, aber das muss nun wirklich nicht sein. Ben hatte sofort zugestimmt, für diese Aktivitäten auf ein Hotelzimmer auszuweichen und ich bin wirklich froh, dass er sich auch daran hält.

„Hast du mich eigentlich so vermisst?“, unterbricht er schließlich meine Gedanken. „Was?“ Mein fragender Blick lässt ihn grinsen.

„Na, weil du hier in meinem Bettchen schläfst.“ „Das ist MEINE Couch, Mr. Rockstar. Bild dir mal nicht zu viel ein.“

Er haucht mir ein Küsschen auf die Stirn, während ich mich langsam aus seinen Armen befreie und mich auf den Weg in mein Schlafzimmer mache. Ein paar weitere Stunden Schlaf würden auch mir nicht schaden.

 

~~~~~~

Geschafft lasse ich mich auf die Couch fallen. Was für ein Abend! Es ist nicht zu leugnen, dass Sandy ihre Qualitäten hat, das muss man ihr lassen. Wir haben ein paar schöne Stunden verbracht und sind schließlich Arm in Arm eingeschlafen, doch kaum war ich wach, spürte ich wieder, was ich so oft fühle in letzter Zeit. Es war schlichtweg nicht richtig. Es fühlte sich nicht gut an, in ihren Armen aufzuwachen.

Früher hat mir das nichts ausgemacht. Vor Romina habe ich mich auch gerne mal ausgetobt und damals war es ganz normal für mich, in einem fremden Bett oder fremden Armen aufzuwachen, meistens gab es dann einfach die nächste `Runde`, doch mittlerweile fühle ich mich meistens leer, wenn alles vorbei ist.

Ich nehme einen großen Schluck aus dem Weinglas, das Alicia nicht mehr geleert hat und genieße das warme Gefühl, das die leckere Flüssigkeit in meinem Körper hinterlässt. Eine Weile lasse ich noch die Bilder, die vor mir über die Mattscheibe flimmern, auf mich einprasseln, bis ich schließlich erschöpft einschlafe.

 

~~~~~~

 

Gegen zehn Uhr krieche ich schließlich geplättet aus meinem Bett. Ich habe geträumt, dass Ben nachts mit drei Frauen in meine Wohnung gestürmt ist und sie vor meinen Augen vernaschen wollte. Schnell schüttle ich mich und husche durchs Wohnzimmer in Richtung Küche. Ein kurzer Blick zur Couch bestätigt, was ich vermutet habe - er schläft immer noch tief und fest.

Einen Augenblick bleibe ich stehen und beobachte ihn. Sein Atem geht ruhig und gleichmäßig und ein sanftes Röcheln ist zu hören, was mich zum Grinsen bringt. Verstehen kann ich die diversen Damen ja schon, wieso sie ihm so zahlreich verfallen. Er kann wirklich charmant sein, wenn er will und sein Äußeres ist nicht gerade von schlechten Eltern.

Er ist weit über 1,80 m groß, hat dunkelblonde Haare, die gerne mal in alle Richtungen abstehen, wenn er beim Nachdenken seine Hände darin vergräbt, ist dank regelmäßiger Trainingseinheiten wirklich ansehnlich gebaut und mit ein paar nicht allzu aufdringlichen Tattoos auf seinen Oberarmen und an seiner Seite verziert. Aber vor allem ist es wohl seine Art, die Frauen meist direkt in ihren Bann zieht, denn er findet diesen schmalen Grat zwischen echtem Kerl und spitzbübischem Kuschelbären scheinbar mühelos und wenn er mit einer Frau spricht, hat jede davon sofort das Gefühl, das Zentrum seines Interesses zu sein. Eine Mischung, der nicht viele widerstehen können. Aber natürlich kann er auch ganz anders, auch diese Seite konnte ich mehr als einmal kennen lernen.

Er ist eben ein normaler Mensch, wie jeder andere auch, mit schönen und weniger schönen Seiten und dennoch ist er in den vergangenen Jahren zu einem besonderen Punkt in meinem Leben geworden.

Ich beobachte eine Haarsträhne, die sich mit jedem seiner Atemzüge auf und ab bewegt und muss unweigerlich lächeln. Genau in diesem Moment schlägt er seine Augen auf und blinzelt mich an. „Erwischt!“ Für einen kleinen Moment komme ich mir tatsächlich ertappt vor.

„Soso, du beobachtest mich also während ich schlafe.“ Er grinst mich an, seine Augen ziemlich verquollen und die Kissenabdrücke noch sichtbar im Gesicht. „Was dagegen?“, antworte ich ihm nur knapp und will sogleich in die Küche verschwinden, doch da habe ich die Rechnung ohne meinen Mitbewohner gemacht, denn der klopft lachend neben sich auf die Couch.

„Du kannst mich gerne aus der Nähe betrachten.“ Ich rolle die Augen und schüttle deutlich den Kopf. „Das würde ich ja unheimlich gerne, aber ich muss gleich los zu einem Termin und sollte vorher noch duschen. Ich wollte mir nur eben etwas zu trinken holen.“

Schnell greife ich nach der angebrochenen Wasserflasche von gestern Abend, die immer noch auf dem Tisch steht. Er streckt sich einmal ausgiebig und setzt sich auf. „Soll ich mitkommen?“ „Unter die Dusche?“ Er nickt und angesichts des Blickes, den er aufsetzt, muss ich grinsen. Da ist er wieder, dieser spitzbübische Ausdruck, für den ihm niemand böse sein kann.

„Ich denke, ich schaffe das auch alleine, danke.“ Mit diesen Worten verschwinde ich lachend im Schlafzimmer, von wo aus es direkt ins Badezimmer geht. 

~~~~~~

Lachend sehe ich Alicia hinterher. Sie ist wirklich so etwas wie mein bester Freund. Zugegeben ein äußerst hübscher bester Freund, mit ihren geschätzten 1,75 m und den schulterlangen dunkelblonden Haaren, doch wenn ich sie ansehe, sehe ich nicht das, was ich üblicherweise an einer Frau sehe. Dass sie eine nahezu perfekte Figur hat, weiß ich, aber das alles spielt keine Rolle, wenn ich in ihrer Nähe bin. Wenn sie mich ansieht, habe ich das Gefühl, dass sie nicht nur meine blauen Augen sieht, sondern viel mehr das, was dahinter vor sich geht. Es ist, als könnte sie in mich hineinsehen und wenn ich in ihre grünen Augen blicke, dann fühle ich mich geborgen.

Ihr Humor, ihre Art mit mir umzugehen, die Lockerheit, die sie versprüht, das alles macht sie für mich so besonders und ich bin froh, dass wir damals ziemlich schnell beschlossen haben, Freunde zu werden, denn Freunde bleiben einem ein Leben lang und ich könnte mir nicht vorstellen, sie jemals missen zu müssen.

Wahrscheinlich war es Glück, dass der Funke damals bei unserem ersten Date nicht übergesprungen ist, zumindest nicht auf körperlicher Ebene, obwohl ich mir den Grund dafür nicht wirklich erklären kann, aber es war gut so, das weiß ich heute. Wie schnell man einen Menschen verlieren kann, den man emotional und körperlich an sich heranlässt, das habe ich vor gar nicht langer Zeit mit Romina erst wieder einmal erkennen müssen, dabei habe ich wirklich gedacht, in ihr endlich wieder eine Frau gefunden zu haben, mit der ich mein Leben teilen möchte. Doch leider wurden wir beide eines Besseren belehrt und mussten erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, Probleme, die sich einem zweifelsohne in den Weg stellen, zu überwinden, wenn man dabei räumlich so häufig voneinander getrennt ist.

Durch das Klingeln meines Handys werde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen.

 

~~~~~~

 

Eine gute Stunde später bin ich zu meinem Termin eingetroffen. Als Journalistin im Bereich Lifestyle und Musik hat man mich heute dazu verdonnert, eine derzeit total angesagte Nachwuchs-Teenie-Band zu interviewen. Gleichzeitig haben zwei unserer Leserinnen ein Treffen mit den Jungs gewonnen und meine Aufgabe ist es nun, dieses Treffen zu organisieren und die beiden Mädchen am Interview teilhaben zu lassen und jede von ihnen ihre eigene Frage formulieren zu lassen.

Innerlich hoffe ich, dass die Mädchen – Lisa und Maria – das ganze Ereignis hier möglichst cool über die Bühne bringen und sich nicht danebenbenehmen, schließlich ist die Anhängerschaft der Band dafür bekannt, dass sie überall für einen wahren Kreischalarm sorgen, wo auch immer die Band auftaucht, was ich selbst bereits am eigenen Leib erfahren durfte, als ich mich vor etwa zehn Minuten durch die wartende Menge am Eingang des Studios schlängeln musste.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass die Mädchen jeden Moment eintreffen müssten, von da an habe ich noch genau fünfzehn Minuten, um mit ihnen alles durchzugehen, bevor die Jungs eintreffen werden.

Durch ein deutliches Vibrieren macht sich mein Handy in meiner hinteren Hosentasche bemerkbar. Hoffentlich keine unangenehmen Zwischenfälle, denke ich, bin jedoch froh, als ich sehe, dass es lediglich eine Nachricht von Ben ist.

Auf dem Bildschirm prangt eine Nahaufnahme seiner ausgetreckten Zunge. Er hat die Kamera so nah an sich herangezogen, dass man außer seinem Geschmacksorgan nur noch ein paar Zentimeter Haut und den unteren Teil seiner Nase erkennen kann. Darunter steht in Großbuchstaben: „NOCH EINMAL ENTKOMMST DU MIR NICHT. Heute Abend Party bei einer weiteren Sponsoring-Firma, ausnahmsweise sogar mit guter Musik und ich werde NICHT alleine dorthin gehen, verstehst du? Du weißt, das endet NIE gut!“

Ich schüttle den Kopf und stecke das Handy lachend zurück in meine Hosentasche. Genau in diesem Moment öffnet sich auch schon die Tür und die Mädchen werden von einem Mitarbeiter des Studios hereingebracht.

 

~~~~~~

Etwas erschrocken betrachte ich die Menge an Schaum, die sich über mir in der riesigen Badewanne türmt. Ich habe es vielleicht ein kleines Bisschen zu gut gemeint mit dem Schaumbad, aber der Inhalt der Flasche roch einfach so unglaublich gut, dass ich nicht widerstehen konnte.

Genussvoll schließe ich meine Augen und genieße die Ruhe. Viel zu wenige dieser Augenblicke gab es in den letzten Monaten und obwohl 90 Prozent meines Körpers eindeutig auf Rockstar getrimmt sind, gibt es da immer noch die zehn Prozent, die zwischendurch auch mal nach Ruhe und Erholung verlangen. Eigentlich sollte ich den heutigen Tag frei haben, doch vor einer guten Stunde kam der nächste Party-Termin eingetrudelt, auf dem ich doch unbedingt erscheinen sollte. „Das ist einer unserer wichtigsten Sponsoren auf euren Deutschland-Tourneen mein Lieber, das können wir einfach nicht ausschlagen“, höre ich noch die Stimme unseres Managers in meinen Ohren und natürlich hat er Recht, aber dieses Mal würde ich auf keinen Fall alleine dorthin gehen. Eine Nachricht an Alicia war längst verschickt und ein ‚Nein‘ werde ich heute auf keinen Fall dulden.

Langsam tauche ich meinen Kopf durch die Schaummassen hindurch in das heiße Nass. Ich halte die Luft an und genieße das leichte Gefühl im Wasser, bis ich das Brummen meines Handys auf der Badewannenkante höre. Schnell tauche ich wieder auf und trockne meine Hände am bereitliegenden Handtuch.

Ein Selfie von Alicia blinkt mir entgegen. Sie hängt in einem Sessel, die Hand theatralisch auf der Stirn platziert und ein mitleiderregender Blick auf ihrem Gesicht. Darunter folgender Text: „Hysterie pur, aber ich habe die kreischende Menge überlebt. Schnaps, ich brauche Schnaps!! Party geht in Ordnung, aber zähle nicht darauf, dass ich auf dich aufpasse!!“ Ein Zwinker-Smiley bildet das Ende ihrer Nachricht.

Schnell tauche ich meine linke Hand in den Schaum und erstelle einen Schnappschuss von meinem erhobenen Daumen, der Schaumberg dahinter deutlich sichtbar. „Perfekt! 20 Uhr geht’s los! Und sorry wegen deinem Badezimmer.“ Lachend betrachte ich den Boden, der mittlerweile einer Pfütze gleicht.

 

KAPITEL 2

 

 

„Und du bist dir sicher, dass du da einfach so in Begleitung auftauchen kannst?“, schreie ich aus meinem Schlafzimmer in Richtung Wohnzimmer, während ich meinen linken Fuß in diesen wirklich unbequemen Schuh presse und gleichzeitig mit der rechten Hand nach dem Glas Rotwein greife, das ich mir vorsorglich genehmigt habe. Es war bereits knapp sieben Uhr, als ich hier ankam und Ben hatte in Frage gestellt, ob ich es noch rechtzeitig schaffen würde, doch nach einer kurzen Dusche, ein bisschen Haare zurecht zupfen, einer Schicht Make-Up und einer blitzartigen Kleiderwahl, befinde ich mich fünfzehn Minuten vor Abfahrt bereits auf der Zielgeraden. Noch den rechten Schuh, das Glas leeren – in anderen Ländern verdursten schließlich Menschen – und schon bin ich fertig.

„Ich bin Stargast auf dieser Party, da kann ich doch wohl entscheiden, ob ich in Begleitung komme.“ Gerade als er zu Ende spricht, betrete ich das Wohnzimmer und blicke in zwei weit geöffnete blaue Augen.

„Aber hallo!“ Ein machohafter Pfiff folgt seinen Worten und ein anerkennendes Kopfnicken soll mir wohl signalisieren, dass er mit meiner Kleiderwahl zufrieden ist. Ja, ich habe vielleicht nicht immer das allergrößte Selbstbewusstsein, aber dass mir dieses magenta-farbene Stückchen Stoff außerordentlich gut steht, das erkenne sogar ich. Eine eingearbeitete Korsage schmiegt den seidenen Stoff eng an meinen Oberkörper, während es nach unten hin fließend ausläuft und schließlich kurz über meinem Knie endet. Die strahlende Farbe schmeichelt meinem sonnenverwöhnten Teint und das zarte silberne Halskettchen, zusammen mit den feinen silbernen Ohrringen, komplettiert das Outfit. Ich fühle mich wirklich wohl darin, mal abgesehen von den silberfarbenen Pumps, die ich eher als Strafe sehe, aber wenn sie nun mal zum Rest passen, wer wäre ich, wenn ich dann in Frage stellen würde, warum man 200 Euro teure Schuhe nicht einfach bequemer gestalten kann.

 „Nimmst du mich so mit, du Stargast?“ Erst jetzt bemerke ich, dass auch er sich richtig in Schale geschmissen hat. Statt dem üblichen rockigen Look, trägt er tatsächlich ein schwarzes Sakko zum ebenfalls schwarzen Hemd, dazu eine Jeans und – wer hätte das gedacht – Anzugschuhe. Auch ich muss anerkennend nicken. „Donnerwetter, du bist aber auch nicht von schlechten Eltern.“

Lachend klopft er sich selbst auf die Schulter. „Danke, danke. Ich werde meiner Mama das Kompliment gerne überbringen. Und zu deiner Frage, mit diesem Outfit nehme ich dich überall hin mit.“ Wir lachen beide los und nachdem die Formalitäten also geklärt sind, machen wir uns auf den Weg nach unten, wo jeden Moment das Taxi ankommen müsste.

 

~~~~~~

„Du weißt, dass wir über den roten Teppich müssen, oder?“, frage ich schließlich mit leiser Stimme, während uns der Taxifahrer durch die Dämmerung chauffiert und lache innerlich schon, als sie loskreischt und einen bitterbösen Blick mit auf den Weg schickt.

„Waaas?“ Ich wusste, dass ich sie damit kriege. Schnell lache ich los und schon hat sie erfasst, dass dies nur ein Spaß war. „Du Arsch!“ Sie untermalt ihre nicht wirklich herzlichen Worte mit einem Faustschlag gegen meinen Oberarm. „Mein Schätzchen, du weißt, das würde ich dir nicht antun.“ Schnell lege ich einen Arm um ihre Schultern und ziehe sie zu mir.

Durch ihren Beruf lernt sie jede Menge bekannter Leute kennen und auch Events wie diese sind keine Seltenheit für sie. Sie bewegt sich in der Medienlandschaft mit wirklich beeindruckender Sicherheit, obwohl dies weiß Gott nicht immer einfach ist, aber kaum sieht sie einen roten Teppich, sieht sie im wahrsten Sinne des Wortes rot. Sie hasst dieses Blitzlichtgewitter, selbst dann, wenn sie nicht im Mittelpunkt des Interesses steht und vor allem verabscheut sie die oft höchst überzogenen Kommentare, die am nächsten Tag in den diversen Boulevardblättern unter den geschossenen Bildern prangen.

„Weiß ich das?“ Alicia hebt eine Augenbraue und schenkt mir schließlich doch ein süßes Zahnpasta-Lächeln.

Mittlerweile sind wir ganz in der Nähe des Veranstaltungsortes angekommen. Natürlich habe ich mit dem Fahrer vereinbart, dass wir durch die Tiefgarage in das Gebäude gebracht werden, ich wollte Alicia schließlich nicht für den Rest unseres Lebens als Partybegleitung verlieren und so finden wir uns kurze Zeit später auch schon im Aufzug auf dem Weg nach oben.

 

~~~~~~

 

Eine Viertelstunde später stehe ich mit meinem ersten Glas Wein an der Bar und lasse den Blick durch die Menge kreisen. Kaum waren wir angekommen, hatte der Veranstalter höchstpersönlich sich Ben angenommen und nach den ersten geschüttelten Händen habe ich mich schnell aus dem Staub gemacht. „Wir sehen uns später zum gemütlichen Teil des Abends“, habe ich Ben ins Ohr geflüstert und mich bei den umstehenden Leuten mit einem „Entschuldigen Sie bitte, ich muss mich mal frisch machen“, freundlich verabschiedet.

Aus der Ferne beobachte ich, wie er mittlerweile das bestimmt zwanzigste Hände-Paar schüttelt und wohlerzogen wie er – zumindest manchmal - ist, merkt keiner der Umstehenden, dass er viel lieber die Bar stürmen würde. Ein Stück weiter rechts steht eine Gruppe bildhübscher Mädchen, die aussehen als wären sie gerade mal eben einer Castingshow für angehende Models entflohen. Ich sehe, wie sie Ben fest im Blick haben und hinter vorgehaltener Hand vor sich hin kichern und muss automatisch loslachen. Eigentlich muss er sich doch fühlen wie bei einem lebenden Buffet.

Mein Blick kreist weiter und ich kann ein paar bekannte Gesichter aus der Medienbranche erkennen, jedoch niemanden, mit dem ich wirklich Lust auf ein Gespräch hätte. Überhaupt ist der Platz an dieser Bar hier ganz nach meinem Geschmack. Eine etwas dunklere Ecke, abseits vom großen Trubel und dennoch mit perfektem Blick auf die Menge an Leuten und auf die kleine Bühne, auf der momentan noch ein DJ ein etwas eigenwilliges Set zum Besten gibt. Schnell habe ich das erste Glas Wein geleert und halte das nächste in Händen.

 

~~~~~~

„Und das hier ist unser Marketingexperte, Herr Schneider“, wird mir mittlerweile die gefühlt hundertste Person vorgestellt. Artig strecke ich Herrn Schneider meine Hand entgegen und tausche wie automatisch ein paar nette Floskeln mit ihm aus. Meine Augen machen sich jedoch bereits weiter auf die Suche nach Alicia. Es würde mich wundern, wenn ich sie nicht an einer der Bars ausfindig machen könnte.

Eine Gruppe von jungen, hübschen Mädchen fängt meinen Blick kurz ein, doch als sie zu kichern beginnen, sehe ich schnell weiter und Bingo, an der Bar, in der dunkelsten Ecke, kann ich schließlich die strahlende Farbe von Alicias Kleid ausfindig machen.

„Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend, Herr Lindqvist“, höre ich Herrn Schneiders Worte und nicke. „Danke.“ „So, Herr Lindqvist, dann würde ich sagen, sie haben sich jetzt erst mal eine kleine Erfrischung verdient und wie ich sehe, wartet ihre Begleitung auch schon auf sie. Dann will ich sie mal nicht länger in Beschlag nehmen.“

Das waren die schönsten Worte, die ich heute Abend gehört habe. Mit einem Lächeln bedanke ich mich noch für die kleine Führung und schon bin ich auf dem Weg zu Alicia, nicht ohne jedoch vorher noch ein kurzes Nicken und ein Lächeln in die kleine Model-Runde zu werfen. Wieder kichern sie los und mit einem Kopfschütteln, aber endlich wieder gut gelaunt, erreiche ich Alicia.

„Bier, ich brauche Bier!“ Sie kichert los und deutet auf ihr fast leeres Weinglas. „Der Wein hier ist wirklich gut.“ „Okay, dann zwei Gläser Wein bitte! Und zwei Wodka!“, rufe ich dem Barkeeper entgegen, der binnen Sekunden vier Gläser herbeizaubert.

„Na dann, Prost! Auf einen hoffentlich tollen Abend!“ Wieder ein Kichern von Alicia. Scheinbar schmeckt der Wein etwas zu gut.

 

~~~~~~

 

Mittlerweile ist der Abend in vollem Gange. Vor ein paar Minuten hat die Band – eine aufstrebende Gruppe aus Irland – die Bühne betreten und Ben und ich haben uns auf zwei der Barhocker verfrachtet und nippen an unseren gerade eben wieder gefüllten Weingläsern. „Geht’s nur mir so oder schmeckt das Zeug einfach himmlisch?“, frage ich ihn und ernte dafür ein Nicken. „Ich weiß nicht, ob es an der Menge liegt oder am Geschmack, aber ich kann nicht klagen. Gar nicht so schlecht die Party.“

Schnell hält er mir sein Glas zum Anstoßen entgegen. „Prost!“ „Prost!“ Der Klang der hochwertigen Weingläser lässt mich erneut loskichern oder sind es vielleicht doch die diversen Wodka, die wir zwischendurch zu uns genommen haben? „Vor jedem Glas Wein muss man einen davon trinken, so macht man das heutzutage“, hatte er felsenfest behauptet und wer war ich schon, dass ich einem Mann mit schwedischer Staatsbürgerschaft misstrauen würde, wenn es um das Thema Alkohol ging, also hatte ich mich widerstandslos gefügt.

 

„Hey schau mal, ich bin mir sicher, da ginge heute noch was.“ Lachend deute ich auf die Gruppe Models, die mittlerweile ein ganzes Stück näher gekommen sind. Muss wohl an der natürlichen Anziehungskraft liegen, was ist schon die Erdanziehung gegen die meiner Rockstar-Begleitung?

Ben wirft einen Blick auf die Gruppe, scannt jede einzelne davon einmal der Körperlänge nach und schlingt schließlich einen Arm um meine Schultern, was mich für einen Moment bedenklich auf meinem Stuhl wackeln lässt. „Danke für den netten Hinweis, aber ich hatte gestern erst das Vergnügen. Ich bin doch keine Maschine!“, witzelt er und zieht seinen Arm noch ein Stück fester um mich.

„Na hör mal, in deinem Alter sollte es schon noch möglich sein, so zwei Nächte hintereinander…“ Ich verpasse ihm einen kumpelhaften Stoß in die Rippen und ernte dafür einen kurzen Schmatzer auf meine Backe, ehe er mich endlich wieder loslässt. Alleine habe ich eindeutig bessere Chancen, mich auf diesem wackeligen Stuhl halten zu können. „Danke, dass du so großes Vertrauen in mich hast, ich weiß das wirklich zu schätzen, aber ich werde dennoch dankend ablehnen“, spricht es und leert den Rest seines Weinglases in einem Zug.

 

~~~~~~

Zwei weitere Gläser Wein und den jeweils zugehörigen Wodka später, stehe ich nach Luft japsend und mit meinem Gleichgewichtssinn hadernd neben Alicia auf der Tanzfläche. „Nur ein Song und dann fahren wir heim, okay?“, hatte sie mich mehrmals mit dem zugehörigen Wimpernschlag gefragt und mich schließlich einfach hinter sich her gezogen und obwohl Tanzen nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählt, habe ich es angesichts der Promillemenge in meinem Blut gar nicht so schrecklich empfunden, aber genug ist genug.

„So Mäuschen, jetzt aber ab ins Taxi. Du hast einen alten Mann ganz schön fertig gemacht.“ Schon wieder dieses Kichern. „Du bist mit deinen 34 Jahren nur vier Jahre älter als ich, das muss schon an etwas anderem liegen als am Alter.“ Schnell macht sie die zugehörige Handbewegung und bläst gespielt Zigarettenrauch in die Luft. Ja, ein Laster, das sie nicht verstehen kann.

Ohne darauf zu antworten packe ich meinen Arm um sie und ziehe sie mit mir in Richtung Aufzug. Kaum sind wir in der Tiefgarage angekommen, merke ich, wie mir die kalte Luft noch ein Stück mehr die Sinne vernebelt und auch Alicia schwankt bedenklich in meinem Arm. „Wir zwei sind reif fürs Bett, würde ich sagen.“ Sie nickt zustimmend und so lassen wir uns beide geschafft, aber zufrieden, auf den Rücksitz eines der dort wartenden Fahrzeuge fallen.

 

~~~~~~

 

„So Madame, hier wären wir.“ Grinsend zieht Ben mich durch die Wohnungstür und während ich sorgsam darauf achte, dass ich meine Beine beim Gehen nicht verknote, passt er auf, dass ich nirgendwo gegen stoße, was gar nicht so einfach ist, angesichts dessen, dass er selbst nicht mehr ganz rund läuft.

Irgendwie schaffen wir es schließlich doch bis in mein Schlafzimmer und ohne noch einen Moment zu zögern, lasse ich mich auf das weiche Bett fallen. Wie schwer sich doch Gliedmaßen anfühlen können, wenn man ein, zwei Gläschen Wein intus hat. Wie soll ich nur diese verdammten Schuhe von meinen Füßen bekommen?

„Benniiii?? Hilfst du mir?“ Ich setze einen mitleidigen Blick auf und deute auf meine Pumps, die mittlerweile doppelt so eng geworden sind.

„Schuhlöffel spielen?“, lacht er und lässt sich neben mich auf das Bett fallen. Ich nicke und werfe meinen linken Fuß etwas unkontrolliert auf seinen Oberschenkel.

„Meinetwegen.“ Ich sehe sein Gesicht nicht, aber ich hätte schwören können, dass er die Augen verdreht. „Was tut man nicht alles für gute Freunde“, grummelt er in seinen nicht vorhandenen Bart, während er den ersten Schuh von meinem Fuß streift und sich schließlich etwas unkoordiniert auf die Suche nach meinem zweiten Fuß macht. Vielleicht hätten wir doch das Licht im Schlafzimmer anmachen sollen.

Kurze Zeit später spüre ich jedoch auch an meinem rechten Fuß die befreiende Erlösung. „Danke!“, hauche ich und greife um mich, bis ich seinen Oberarm zu fassen bekomme. „Benniiii?“ „Noch was?“ Geschafft lässt er sich neben mich fallen und als ich seinen warmen Körper bei mir spüre, kuschle ich mich einfach dagegen. „Alles gut!“, flüstere ich noch und schon bin ich im Land der Träume angekommen.

 

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Ich muss ebenfalls eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen das nächste Mal öffne, liege ich immer noch neben Alicia, allerdings mittlerweile in Löffelchen-Stellung. Ihr warmer, weicher Körper liegt ganz eng an meinem. Ihr Atem geht gleichmäßig und meine Hand auf ihrem Bauch hebt und senkt sich mit jedem ihrer Atemzüge.

Vorsichtig hebe ich meinen Kopf ein Stück an, doch nachdem das Karussell immer noch nicht Feierabend hat, beschließe ich, auf einen Ortswechsel zu verzichten. Ein kleines Seufzen gleitet im Schlaf über Alicias Lippen und ich spüre, wie sie sich noch etwas enger an mich kuschelt. Ohne es zu ahnen, drückt sie ihren süßen Po weiter gegen mein Becken und ich muss einmal tief durchatmen. Sie ist zwar nur eine sehr gute Freundin, aber mein Körper scheint das in diesem Moment nicht wirklich zu realisieren.

Ich spüre, wie ein warmes Gefühl durch mich hindurch zieht und sich schließlich in meinem Schritt sammelt. Wie selbstverständlich vergrabe ich mein Gesicht in ihrem Haar und sauge ihren Duft tief in mich auf, während ich meine Hand über den zarten Stoff ihres Kleides gleiten lasse. Eine Gänsehaut zieht sich über meinen Körper und schärft meine Sinne nur noch mehr.

An ihrer Schulter angekommen, lasse ich meine Finger sanft über ihre nackte Haut gleiten. War sie immer schon so unendlich weich? Noch einmal lasse ich meine Finger kreisen und spüre in meinem Schritt die eindeutige Bestätigung dafür, dass sie sich unheimlich gut anfühlt.

„Mach weiter so und...“, höre ich plötzlich ihre heisere Stimme, doch mitten im Satz verstummt sie.

 

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Ich spüre wie eine Welle des Verlangens durch meinen Körper zieht, während mein vernebelter Kopf scheinbar nicht mehr in der Lage ist, das was hier gerade passiert, in Frage zu stellen. Sein warmer Körper an meinem, seine Hand, die immer noch über die Haut an meiner Schulter kreist und langsam den Weg auf meinen Rücken sucht und sein Atem in meinem Haar, alles fühlt sich so gut an.

Jede Faser meines Körpers scheint auf seine Berührungen zu reagieren. Mir ist heiß und es fühlt sich einfach richtig an in diesem Moment. Ein kleiner Laut huscht wie von Zauberhand über meine Lippen.

„Und was?“, höre ich Bens Stimme in mein Haar flüstern. Er lässt einen zarten Kuss folgen und schickt seinen Mund sogleich auf die Reise in meinen Nacken. Sofort zieht sich eine wohlige Gänsehaut über meinen gesamten Körper. Ich muss schlucken, um überhaupt noch Worte über meine Lippen zu bekommen. „...und ich kann fürs nichts mehr garantieren“, hauche ich, während ich ganz automatisch meinen Po gegen seinen Schritt drücke und meinen Kopf etwas nach vorne beuge, um ihm besseren Zugang zu meinem Nacken zu gewähren.

„Damit kann ich leben“, flüstert er mit rauer Stimme und lässt seine Lippen meinen Nacken entlang, bis zu meiner Schulter wandern. Ein sanfter Biss folgt den zarten Berührungen und entlockt mir ein leises Stöhnen. Seine Hand hat mittlerweile den Reißverschluss auf meinem Rücken gefunden und ich spüre, wie er ihn langsam, Stück für Stück öffnet.

Jeder Zentimeter meiner freigelegten Haut scheint zu brennen und ich kann es kaum erwarten, das lästige Stück Stoff loszuwerden. Ich will ihn, hier, jetzt und vor allem sofort! 

Am Ende des Reißverschlusses angekommen, hält er einen Moment inne, so als würde er wortlos um meine Erlaubnis bitten. Ich nicke und ein leises, aber bestimmtes „Ich will dich spüren...“ aus meinem Mund scheint endlich die letzten Zügel in ihm zu lösen.

Mit bestimmtem Druck befördert er mich auf meinen Rücken und schiebt sich selbst ein Stück auf mich. Ich spüre sein Gesicht an meinem und obwohl ich durch das spärliche Licht nur seine Umrisse erkennen kann, bemerke ich das Funkeln in seinen Augen und im nächsten Moment senkt er auch schon seine weichen Lippen auf meine.

 

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Nie hätte ich gedacht, wie gut diese Lippen schmecken können und unsere Zungen beginnen, ohne noch lange Zeit zu verlieren, ein heißes Spiel. Ich muss sie einfach haben, hier und jetzt. Mein gesamter Körper scheint bereits vor Verlangen zu beben. Hier ist längst kein Raum mehr für Gedanken, für Zweifel, längst haben meine Sinne den Moment für sich vereinnahmt.

Vorsichtig beginne ich damit, sie Stück für Stück aus ihrem Kleid zu befreien und während ich meine Lippen auf Reise schicke, die freigelegte Haut zu verwöhnen, vergräbt sie ihre Hände mit festem Griff in meinen Haaren. Die kleinen genussvollen Laute, die sie immer wieder von sich gibt, wenn meine Lippen ihre Haut berühren, bringen mich schier um den Verstand.

Es dauert nicht lange, da ist das Kleid Geschichte und ich halte einen Moment inne, um die Umrisse ihres wunderschönen Körpers zu betrachten. Ihre nackte Brust streckt sich mir entgegen und mit sanftem Druck deutet sie mir, wie sehr sie sich danach sehnt, meine Lippen darauf zu spüren.

 

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Mein ganzer Körper beginnt zu kribbeln, als er seine Zunge über meine Brustwarze gleiten lässt und mit einer Hand gleichzeitig die andere umspielt. Wie von selbst beugt sich mein Körper ihm noch ein Stück weiter entgegen. Alles in mir schreit danach, ihn endlich richtig zu spüren, ihn ganz zu spüren. So schön dieses Spiel hier ist, aber wenn er es noch weiter in die Länge zieht, dann platze ich.

„Ben...“, hauche ich ihm schließlich entgegen und er unterbricht sein Spiel, um mich anzusehen. Ich deute ihm, dass dies nun mein Turn ist und ohne Widerworte lässt er sich neben mich in die Kissen fallen.

Mit einem Ruck setze ich mich auf ihn und ohne noch eine Sekunde zu verschwenden, öffne ich die Knöpfe seines Hemdes, schäle ihn aus dem überflüssigen Stück Stoff und kratze mit meinen Fingernägeln über die freigewordene Haut. Sein muskulöser Oberkörper spannt sich an unter meinen Berührungen und die Laute, die er durch seine Lippen dabei hervor presst, geben mir in jeder meiner Bewegungen Recht.

Kaum sind meine Hände am Bund seiner Jeans angekommen, öffne ich den Gürtel und die Knöpfe, die darunter zum Vorschein kommen. Es dauert keine Minute, da liegt er auch schon, nackt wie Gott ihn schuf, vor mir. Einen Augenblick betrachte ich, was ich in dem spärlichen Licht erkennen kann.

 

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Es macht mich unheimlich an, wie sie mich ansieht. Sie scheut nicht davor, ihren Blick schamlos über meinen gesamten Körper streifen zu lassen und als sie schließlich fertig ist, spüre ich mit einem Mal, wie sie mich endlich dort berührt, wo ich es so sehr herbei gesehnt habe.

 

„Wenn du so weiter machst, hab hier nur ich meinen Spaß, Süße!“ Sie kichert. „Herrje, das wollen wir nicht“, antwortet sie mir und lässt sofort von mir ab, jedoch nur um sich ohne weitere Umschweife ihres noch verbliebenen Höschens zu entledigen. Es ist unheimlich sexy, wie selbstverständlich sie dies alles tut, wie sie nicht scheut, mir zu zeigen, was sie braucht und was sie will und mein Verlangen steigt mit jeder Sekunde.

Ich weiß, dass ich hier das Ruder übernehmen muss, wenn mir die Sache nicht entgleiten soll, also packe ich sie und befördere sie wieder auf ihren Rücken. Etwas erstaunt quittiert sie mein Handeln mit einem leisen Aufschrei. Hier liegen wir nun, nur noch wenige Zentimeter trennen uns voneinander.

Vorsichtig schiebe ich eine Hand zwischen uns und entlocke ihr mit meiner Berührung einen heiseren Laut. Sanft beginne ich, sie zu verwöhnen und ernte dafür ein „Ich will dich ganz!“, das sie in mein Ohr raunt. Ein Schauer durchzieht meinen gesamten Körper und da ich weiß, dass sie die Pille nimmt und wir beide nach einem erst kürzlich unternommenen Ausflug zum Blutspenden wissen, dass wir auch gesund sind, schlage ich ihr diesen Wunsch natürlich nicht aus.

Sie fühlt sich gut an, unheimlich gut.