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Es gibt keinen im ganzen Universum, der es böse mit uns meint. Aber wir selber machen das ganz großartig. Es gibt auch keinen, der uns erlösen wird. Außer uns selbst.

[ Ayya Khema | buddhistische Nonne, 1923–1997 ]

Vorwort

Letzten Winter beobachtete ich zwei Vögel in einem Schneesturm. Immer wieder verließen sie ihren geschützten Tannenbaum, um sich in den Sturm zu stürzen. Sie ließen sich eine Weile vom Wind herumwerfen, und es sah gar nicht verzweifelt aus. Dann kehrten sie zur Tanne zurück. Dieses Schauspiel wiederholte sich stundenlang. Ich fragte mich, warum sie sich nicht einfach im Baum verkrochen. Es schien, als ob es ihnen Spaß machte. So wie diese Vögel können auch wir mit schwierigen Situationen umgehen.

Das Thema Trennung begleitet mich seit meiner Kindheit. Ich habe dabei erfahren, dass es Mut braucht, sich in die emotionalen Stürme zu begeben, die eine zerbrochene Partnerschaft mit sich bringt. Doch wir lernen, dass wir darin nicht untergehen und dass diese Energien lenkbar sind. Verlust und Schmerz können uns also zu persönlicher Reifung führen. Um schließlich zu erreichen, was der Dalai Lama als Zweck des Lebens bezeichnet: glücklich zu sein.

Petra Biehler

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1. Mit Buddhas Hilfe Trennungen bewältigen

Schuldgefühle, Wut, Verzweiflung – solche Empfindungen, die fast immer mit einer Trennung einhergehen, können uns psychisch enorm belasten. Doch schmerzhafte Trennungen bergen ein gewaltiges Potenzial, sich weiterzuentwickeln. Dabei können sich westlich-psychotherapeutische und östlich-kontemplative Hilfsmaßnahmen hervorragend ergänzen.

Verarbeiten
statt verdrängen

Als sich meine langjährige Beziehung verabschiedet hatte und mich das Gefühlschaos voll erwischte, beschloss ich, die schmerzvolle Erfahrung nicht zu verdrängen, sondern mich allem zu stellen, was damit zusammenhing, vor allem aber, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Einerseits bin ich Psychologin, andererseits seit über 10 Jahren Buddhistin und Meditierende – so wandte ich mich zunächst gemäß westlich-psychodynamischer Modelle meinem inneren Kind zu (siehe ab >). Doch fast noch mehr als diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit half mir die tiefe TRANSFORMATIVE Kraft von Meditation und Kontemplation, die ich in der buddhistischen Praxis kennen gelernt hatte.

Die buddhistische Psychologie

Die buddhistische Psychologie bietet eine wahre Schatzkiste an Möglichkeiten, positiv mit einer Krise umzugehen. Sie zeigt uns, wie wir uns selbst begegnen und uns mit uns selbst befreunden können, statt Liebe und Anerkennung immer nur außerhalb zu suchen. Durch mentale Selbstbeobachtung – Meditation – lernen wir unsere gedanklichen und emotionalen Muster besser kennen. Durch das Lenken unserer Gedanken und Emotionen – Kontemplation genannt – lernen wir darüber hinaus, sie zu verändern, wenn sie uns nicht mehr guttun. Streng genommen ist der Buddhismus kein Glaubenssystem, keine Religion im engen Sinne. Der buddhistische Weg ist ein Praxisweg. Buddhas Lehren beschreiben gesunde und ungesunde, allen Menschen gemeinsame geistige Muster. »Geist« meint in östlichen Lehren immer mentale und emotionale Prozesse. Herz und Verstand werden als Einheit gesehen. Um geistige Gewohnheiten, die uns leiden lassen, zu verändern, bietet der Buddhismus ganz konkrete Werkzeuge. Im dritten Kapitel (>) werde ich noch genauer auf die Inhalte und Methoden der buddhistischen Psychologie eingehen, die seit 500 vor Christus weitergegeben und heute im Westen zunehmend entdeckt werden.

Ein paar Anregungen für die Trennungszeit

Ich möchte Ihnen noch einige allgemeine Inspirationen für die Zeit der Trennungsverarbeitung geben.

Man kann von einem Leiden nicht genesen, wenn man es nicht in ganzer Stärke durchlebt.

[ Marcel Proust | französischer Schriftsteller (1871–1922) ]

Trennung:
eine der schwierigsten
Prüfungen

Etwa 80 Prozent der Menschen, die meine therapeutische Praxis aufsuchen, stecken in einer Trennungsthematik. Meist ist eine Beziehung im Begriff zu zerbrechen, oder es ist bereits geschehen, manchmal ist auch der Partner oder ein Elternteil verstorben. Wenn eine Paarbeziehung endet, gehen die meisten Menschen durch ein tiefes Tal. Sie müssen loslassen, und das tut weh. »Trennungswehen« werden diese Schmerzen im Volksmund genannt. Und nicht immer leidet nur der »Verlassene«, auch der aktive Part empfindet häufig Schmerz. Vor allem dann, wenn der Trennung viele gemeinsame Kämpfe um die Beziehung vorausgingen, hat man das Gefühl, gescheitert zu sein oder kapituliert zu haben.

Eine der besonders schwer zu bewältigenden Varianten ist, wegen einer anderen Person verlassen, quasi »ersetzt« zu werden. Man beginnt, an sich zu zweifeln, sich nicht mehr liebenswert zu fühlen. Der Vertrauensbruch kann tief verwunden oder alte Wunden aufreißen.

Vielleicht ist es Ihnen ein kleiner Trost: Sie sind nicht die einzige Person, die gerade eine schmerzvolle Trennung durchmacht: In Großstädten wird jede zweite Ehe geschieden – dazu kommen noch die vielen nicht ehelichen Trennungen von Paarbeziehungen. Demnach müsste jeder Erwachsene mindestens eine, meist aber mehrere enorm schmerzhafte Trennungen bereits durchlebt haben, ein Großteil der Menschen müsste heute – wie Sie – genau in dieser Krise stecken. So unterschiedlich die Situation bei jedem Einzelnen auch aussehen mag – wir erleben alle gemeinsam, dass unsere Emotionen Pingpong mit unserer Seele spielen!

Erfahrungsberichte

Max, 36, der Verlassene:

Als sie mir im Urlaub mitgeteilt hat, dass sie nicht mehr mit mir weiterleben könne, bin ich für mehrere Monate in eine tiefe Krise gerutscht. Zwar war ich zuerst erleichtert, dass die nervtötenden Streitereien, mit denen wir uns schon seit geraumer Zeit nur noch im Kreis gedreht hatten, vorbei waren. Aber was dann kam, war erst mal schlimmer, als ich es je für möglich gehalten hätte: Ich hatte manchmal Angst, völlig den Boden zu verlieren. Ich lag nächtelang wach und grübelte – wie es so weit kommen konnte und wie es jetzt weitergeht. Nach kurzem Erschöpfungsschlaf kam mit dem Wachwerden immer die volle Erkenntnis der Situation zurück – das war jedes Mal wie ein Tritt in die Magengrube. Tagsüber war ich völlig gerädert, meldete mich mehrmals krank. Ich habe sogar überlegt, einen Psychiater aufzusuchen. Es gab Zeiten, da kam mir ein Weiterleben ohne die Beziehung sinnlos vor. Manchmal malte ich mir aus, wie ich sie doch noch mal herumkriege und wie dann alles gut wäre … Dann wieder kamen fast Hassgefühle ihr gegenüber hoch. Besonders, wenn ich sah, wie sie auflebte. Sie sollte leiden wie ein Hund, genauso wie ich.

Heute, ein halbes Jahr später, kann ich sagen, dass ich weitgehend durch bin. Ich habe wieder zu leben angefangen, und es fühlt sich weit besser an als in der frustrierenden Endphase unserer Beziehung. Bis ich mich wieder neu auf was Festes einlassen kann, wird es noch dauern. Aber ich bin zuversichtlich…

Rita, 31, die Verlassende:

Am schlimmsten war das Gefühl, mich irgendwie schuldig gemacht zu haben, brutal und gemein zu sein. So sieht man sich ja nicht gern. Dabei habe ich es mir wirklich nicht leicht gemacht. Irgendwann war es aber Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Die festgefahrenen, öden Auseinandersetzungen haben uns beiden nur noch Energie geraubt. Im Grunde haben wir zu unterschiedliche Lebensentwürfe. Als meine beste Freundin an Krebs gestorben ist, war das wie aufwachen: Ich beschloss, nicht noch mehr Lebenszeit zu vergeuden und neu anzufangen. Trotzdem hatte ich zu kämpfen. Erstens mit dem Alleinsein, zweitens mit dem Gefühl, versagt zu haben (schließlich habe ich ihn mal geliebt, wir planten sogar gemeinsame Kinder!). Dazu kam, dass ich sah, wie er quasi zusammenfiel. Gerade ich konnte ihm dabei weder tröstende Freundin noch Therapeutin sein.

Die typischen Symptome bei einer Trennung

In einer Trennungssituation geht es Ihnen wahrscheinlich körperlich wie seelisch erst einmal gar nicht gut:

Die meisten der oben genannten Symptome treffen besonders auf diejenigen zu, die verlassen wurden. Diejenigen, die gehen, kämpfen meist mit Schuldgefühlen (schlechtes Gewissen) oder der Angst, beziehungsunfähig zu sein. Wenn nicht schon ein Ersatz bereitsteht, kann natürlich auch hier das Alleinsein schwer zu bewältigen sein.

Bei den Verlassenen kommen jedoch noch der angegriffene Selbstwert dazu (siehe >) und das Gefühl, Opfer zu sein – sie haben nicht selbst entschieden, die Partnerschaft zu beenden, sondern wurden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt – die Empfindung von Ohnmacht und Hilflosigkeit, weil sie nichts mehr am Entschluss des anderen ändern können, kann dann leicht zu den oben beschriebenen Wut- und Hassgefühlen sowie zur Verzweiflung führen!

Es ist jedoch für beide Parteien wichtig, sich ihren Gefühlen rund um die Trennung zu stellen. Weil sonst »Verlassende« wie »Verlassene« in alten Mustern hängen bleiben.

Verantwortung übernehmen

Viele Menschen suchen nach einer Trennung fieberhaft nach einem Trost, nach etwas, das ihnen Erleichterung bringt, das sie ablenkt, damit sie sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen müssen. Das können Alkohol und andere Suchtmittel sein, Ersatzpartner, übertriebene Fernsehzeiten, übermäßiger Konsum von Schokolade und Fastfood (um sich eine Schutzschicht anzuessen), »tröstende« sexuelle Erfahrungen, racheerfüllter, destruktiver Streit um Geld und Kinder – bis hin zum Überfluten des Ex mit anklagenden Mails oder Telefonaten. Manchmal verhalten wir uns wirklich nicht erwachsen! Oft geht dabei zu viel von unserer persönlichen Würde verloren.

Es ist bis zu einem gewissen Grad völlig normal, Trost in Ersatzbefriedigungen zu suchen. Wichtig ist aber, die VERANTWORTUNG für die eigene Befindlichkeit nicht völlig abzugeben – weder an den Partner noch an ein Suchtmittel noch an irgendetwas sonst außer uns selbst. Wenn die Verzweiflung ins (Selbst-) Zerstörerische abgleitet, ist es wichtig, sich äußere Unterstützung zu sichern.

Um Verantwortungsübernahme kommen Sie aber auch nicht herum, wenn Sie sich in Therapie begeben. Es mag dabei stützende und erleichternde Erlebnisse geben, aber es wird auch hier früher oder später klar: »Durchgehen muss ich selbst – in Auseinandersetzung mit mir und dem Partner, real oder in der Fantasie«. Eine gute Trennung ist auch Trauerarbeit. Diese Arbeit ist wichtig, um wirklich loslassen und reifen zu können. Damit Sie in der nächsten Beziehung nicht irgendwann wieder in genau demselben Albtraum aufwachen, sondern »neue Tanzschritte tanzen«. Dabei ist es egal, ob Sie der »Verlassene« oder der »Verlassende« sind. In beiden Fällen ist es wichtig, die eigenen Muster zu erkennen, die Ihre Beziehungen immer wieder zum Scheitern bringen. In beiden Fällen sollten Sie mit diesen Mustern und den dazu gehörenden Ängsten auch gefühlsmäßig in Kontakt treten – denn nur im Kopf lässt sich kein Beziehungsmuster verändern.

Mit diesem Ratgeber möchte ich Sie unterstützend begleiten, wenn Sie sich den schwierigen und schmerzhaften Emotionen stellen, die zu Ihren Beziehungsmustern gehören. Durchmachen müssen auch Sie das Ganze selbst. Gehen Sie in Ihre Gefühlswelt hinein, öffnen Sie Ihr Herz, auch wenn es Sie manchmal zu überwältigen scheint. Es lohnt sich! Jede Krise birgt tausendmal mehr Wachstumspotenzial in sich als Zeiten, wo alles reibungslos funktioniert. Ich habe bei meinen Patienten oft erlebt, wie sie in der Therapie nach einer Zeit des Weges beginnen aufzublühen, neue Energien und Perspektiven entdecken und auf gute Art erwachsen werden. Und zwar weit über den Status quo hinaus, der vor der Trennung bestand. Voraussetzung ist immer, dass wir uns ehrlich mit uns selbst auseinandersetzen und mutig unser Herz öffnen. Auch wenn dies manchmal schmerzt.

Was uns als schwere Prüfung erscheint, erweist sich oft als Segen.

[ Oscar Wilde | englischer Schriftsteller (1854–1900) ]

Westliche Gesellschaftsdefizite

Immer wieder bin ich erschrocken über die Tatsache, wie hilflos viele Menschen werden, wenn eine Beziehung zerbrochen ist: hilflos im Umgang mit sich, dem eigenen emotionalen Chaos und dem Expartner. Wenn Kinder da sind, dann oft auch hilflos im Umgang mit ihnen. Neben dem ganzen intellektuellen Wissen, das wir uns im Laufe unseres Lebens aneignen, bräuchten wir idealerweise nicht nur den schon vielfach geforderten »Elternführerschein«, sondern auch einen »Beziehungs-« und einen »TRENNUNGSFÜHRERSCHEIN«.

Der Bereich der emotionalen Bindungen, der menschlichen Beziehungen und der damit verbundenen psychischen Anforderungen (Geist, Emotionen und Verhalten betreffend) kommt meiner Meinung nach in unserer westlichen, individualistisch geprägten Gesellschaft viel zu kurz. Wie soll jedoch unsere von vielen Kriegen, Zerstörung, Missverständnis, Intoleranz und Hass durchsetzte politische Welt friedlich werden (danach sehnen wir uns doch im Grunde alle), wenn schon im Kleinen Beziehung, Trennung und Scheidung regelmäßig in Rosenkriege ausarten?

Im Kleinen und im Großen gelten dieselben Gesetze: Im Zentrum steht die eigene Person und deren maximaler Gewinn – materieller und immaterieller. Stets vergleichen wir uns mit anderen und achten mit Argusaugen darauf, dass wir nicht zu kurz kommen. Und erfahren eben dadurch, dass gerade dies immer wieder passiert.

Im Buddhismus und anderen östlichen Traditionen nennt man diese übertriebene Selbstbezogenheit Ego. In der westlichen Psychologie sprechen wir von Narzissmus. Im dritten Kapitel (>) werden wir uns intensiv mit »Ego« befassen. Dieser buddhistische Kernbegriff bildet eine der Hauptursachen für unsere emotionalen Verstrickungen (siehe ab >) und das daraus entstehende Leiden, das wir meist schon mehr oder weniger bewusst innerhalb der Beziehung empfinden, erst recht aber nach der Trennung.

Trennung als Chance begreifen

Buddhistische wie auch andere spirituelle Lehren sind sich einig: Wenn wir unseren Geist, der in den östlichen Lehren Denken und Fühlen in einem ist, umprogrammieren, diese ständigen Gewinn-Verlust-Rechnungen über den Haufen werfen, kommen wir viel weiter. Als Einzelpersonen und als Menschheit.

Wenn wir uns die Sehnsucht aller Menschen nach Glücklichsein und Liebe als unsere ureigene Essenz klarmachen und anfangen, jedem (uns eingeschlossen) einfach zu wünschen, dass die Dinge für sie oder ihn gut laufen mögen, ist das Selbstbefreiung und ermöglicht eigenes GLÜCKLICHSEIN. Wenn wir üben zu sagen: »Möge sie/er auf ihre/seine ganz persönliche Weise glücklich werden«, völlig unabhängig davon, was uns von dieser Person Gutes oder Schlechtes widerfuhr, bringt das eigenen inneren Frieden. Der Kontakt mit dem anderen wird konstruktiver und produktiver. Das hilft uns und wirkt sich positiv auf das Befinden und Verhalten der anderen Person aus.

Partnerkonflikte und Trennungen sind Übungen im Kleinen für den Weltfrieden. Buddhistische Lehren betonen immer wieder: Niemand ist grundlegend schlecht oder böse. Auch wenn er uns verlassen oder uns den Krieg erklärt hat. Das, was schmerzt, enthält meist eine große Ladung alter Verletzungen, Entbehrungen, Kränkungen, die häufig aus unserer eigenen Kindheit und Jugend kommen (siehe ab >). Verletzendes Verhalten entsteht aus »wild gewordenen Emotionen«, deren Ursachen in der Vergangenheit liegen und die wir nicht richtig einordnen, lenken und heilen gelernt haben.

Beziehung
und das Gesetz des Wandels

»Alles ist vergänglich« war eine der letzen Aussagen Buddhas. Der Dalai Lama und viele andere buddhistische Lehrer betonen nicht ohne Grund immer wieder, dass es wichtig ist, nicht am Jetztzustand zu hängen, sondern ständig das Loslassen – in letzter Konsequenz also das Sterben – zu üben.

Wenn wir einen wunderschönen Urlaub am selben Ort ein Jahr später wiederholen und auf dieselbe Art glücklich sein wollen, sind wir in der Regel enttäuscht, denn jeder Moment ist einzigartig und lässt sich nicht festhalten. Im Frühling blühen Obstbäume auf manchmal überwältigende Art und Weise – doch schon drei Wochen später liegen die faulenden Blüten am Boden und werden zusammengekehrt.

Das Glück im Außen zu suchen ist wie das Warten auf Sonnenschein in einer nach Norden gelegenen Höhle.

[ Tibetisches Sprichwort ]

Loslassen lernen

Auch für die Partnerschaft gilt: Jede noch so gute, nahe Beziehung ist irgendwann zu Ende. Spätestens dann, wenn einer der beiden Partner stirbt. Gerade in Trennungszeiten kommt es jedoch oftmals zu intensiven Wunschträumen des Immer-vereint-Seins mit dem Partner oder mit irgendeinem anderen Menschen. Dieses Gefühl entsteht, weil uns das Ende einer Beziehung in Kontakt mit unserem in letzter Konsequenz totalen Alleinsein bringt. Und dieses Gefühl ist schwer auszuhalten. Irgendwann jedoch sterbe ich, sterben Sie. Wir wissen nicht, ob uns noch 10, 20, 30 Jahre bleiben oder ob es nur noch ein Jahr ist oder gar nur ein einziger Tag. Auch wenn Angehörige oder Freunde bis zum Schluss an unserem Sterbebett bleiben sollten, den Weg aus dem Leben müssen wir doch alleine gehen. Was für eine Chance, die Trennung als Mittel zu betrachten, sich auf diese Wahrheit schon jetzt einzulassen! Wir können das tiefe Alleinsein, die Einsamkeitsgefühle, den Schmerz, die Angst dazu nutzen, um die »ganze Wahrheit« des stetigen Wandels aller Dinge und Umstände zuzulassen, sie in unserem Leben zu integrieren und so eine innere Freiheit zu entwickeln, die ECHTE PARTNERSCHAFT möglich macht. Denn die tiefe Sehnsucht der meisten Menschen, irgendwann bei jemandem anzukommen und dauerhaft durch diese Bindung glücklich gemacht zu werden, ist eine Rechnung, die nicht aufgeht.

Glück lässt sich nicht festhalten

Wir arbeiten immer wieder daran, die Momente, in denen wir glücklich sind, und die Auslöser für dieses Gefühl zementieren zu wollen. Paradoxerweise töten wir damit unser Glückspotenzial eher ab, und die Lebendigkeit in der Beziehung geht verloren. Fragen Sie Langzeitpaare – Sie werden vermutlich keines treffen, das ständig glücklich miteinander war. Mit Sicherheit werden sie Zeiten harter Auseinandersetzungen gehabt, Beziehungs- und Loslassarbeit investiert sowie individuelles und gemeinsames (auch schmerzhaftes) Wachsen erlebt haben.

Ich bin immer wieder verblüfft über die Tatsache, wie gerade noch harmonisch und erfüllend geglaubte Ehen und Partnerschaften quasi über Nacht den Bach hinuntergehen können. Sicher gibt es in diesen Fällen schon länger viel verdrängten Konfliktstoff. Die Umwelt, oft auch das Paar selbst, hat diesen jedoch nicht wahrgenommen oder wollte ihn nicht sehen. Das Konzept »Wir sind durch unsere Beziehung glücklich« wird aber oft zur saftlosen äußeren Formel. Wir fliehen dabei nur hartnäckig vor der Realität des nicht fixierbaren Liebesglücks und wollen nicht wahrhaben, dass wir in dieses Glück immer wieder investieren und auch immer wieder üben müssen es loszulassen. Im Grunde sollten wir uns eingestehen: Nicht der andere, nicht die Verschmelzung miteinander und stetige Erfüllung durch die Beziehung kann uns dauerhaft glücklich machen. Jeder Mensch braucht auch eigene, vom Partner unabhängige Quellen, die den Selbstwert, innere Stabilität und Freude speisen. Diese Desillusionierung ist nicht schmerzfrei. Gleichzeitig kann es eine ungeheure Erleichterung bedeuten, wenn diese menschliche Grundwahrheit zunehmend ins Leben und Beziehungsleben integriert werden kann.

Die buddhistischen Lehren betonen stark, dass jeder Mensch selbst für sein Glücklichsein zuständig ist. Der empfohlene Weg besteht unter anderem darin, nicht an äußeren Glücksquellen zu hängen, ständig Loslassen und neu Anfangen zu üben sowie dabei die bereits genannten hoch effektiven Werkzeuge Meditation und Kontemplation einzusetzen.

Wenn wir nichts besitzen, haben wir nichts zu verlieren. Wir haben nichts zu verlieren als die bis in unsere Zellkerne reichende Programmierung, dass wir viel zu verlieren haben.

[ Pema Chödrön | buddhistische Nonne und Schriftstellerin]

Was ist Liebe?

Seit der Erfindung der romantischen Liebesbeziehung Mitte des 18. Jahrhunderts existieren ganz klare Bilder von Verliebtsein, Liebe und Heirat. Diese paaren sich mit einer tiefen, ureigenen menschlichen SEHNSUCHT NACH VERSCHMELZUNG, nach Einswerden. In den meisten spirituellen Traditionen wird diese Sehnsucht beschrieben, und in der Psychoanalyse und Bindungstheorie nimmt sie einen großen Raum ein. Diese Sehnsucht nach Einssein wird immer wieder auf einen potenziellen oder realen Partner projiziert und hat viel mit dem Wunsch zu tun, selbst »ganz werden« zu wollen.

»… And I love you, more than I wanted to – say we’ll be together – to the end…« Diese Gefühle, von denen Phil Collins singt, lassen sich in tausendfacher Abwandlung in anderen Liebesliedern finden: Immer geht es um Anziehung, Faszination, Verschmelzen, Euphorie, und gerne werden dabei die Wörter »endlos« und »ewig« benutzt. Hier wird die uns Menschen so grundlegend eigene Sehnsucht deutlich, das Liebesglück festzuhalten – und zwar für immer.

Glück nicht im Außen suchen

Überall hören wir, wie erstrebenswert und dauerhaft Glück verheißend es ist, auf Traumpartnersuche zu gehen – besonders seit der Erfindung der Internetpartnerbörsen. Stets werden wir damit konfrontiert, dass Alleinsein ein irgendwie zu meisternder Mangelzustand ist. Oder, wie bereits beschrieben, dass Verliebtheit ein Dauerzustand sein sollte, unser Partner uns dauerhaft glücklich machen kann (und diesen Job auch zu leisten hat…!). Sehen wir uns an, wie wir im öffentlichen Leben Liebesglück als Heilsbringer vermittelt bekommen, taucht immer wieder die Idee auf, dass wahres, dauerhaftes Glück im Außen, bei einem anderen Menschen, zu suchen und zu finden sei. In der Boulevardpresse erfahren wir, dass prominente Paare entweder erfüllt in einer heilen Liebeswelt schwelgen oder aber nach Trennungen schmerzvoll zusammenbrechen, zu Drogen und Alkohol greifen. Oder sofort beim Nächsten ihr Heil suchen, statt erwachsen zu werden und sich mit sich selbst zu konfrontieren.