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Nr. 178

– ATLAN exklusiv Band 39 –

 

Atlan und der Ungeborene

 

Der Kristallprinz auf dem Planeten der Stürme – der Sohn der Goldenen Göttin ist in Gefahr

 

von Marianne Sydow

 

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Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III., ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nachfolge antreten zu können.

Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft inzwischen längst gefestigt hat – einen Gegner hat der Imperator von Arkon besonders zu fürchten: Atlan, den rechtmäßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der nach der Aktivierung seines Extrahirns den Kampf gegen den unrechtmäßigen Herrscher aufgenommen hat und – zusammen mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen – den Sturz Orbanaschols anstrebt.

Doch gegenwärtig – eigentlich schon seit dem Tag, da er erstmals Ischtar begegnete, der schönen Varganin, die man auch die Goldene Göttin nennt – hat er noch mehr zu tun, als sich mit Orbanaschols Schergen herumzuschlagen oder nach dem »Stein der Weisen« zu suchen, dem Kleinod kosmischer Macht.

Atlan – er liebt Ischtar und hat mit ihr einen Sohn gezeugt, der sich im embryonalen Zustand in einem Lebenserhaltungssystem befindet – muss sich auch der Nachstellungen Magantillikens, des Henkers der Varganen erwehren, der die Eisige Sphäre mit dem Auftrag verließ, Ischtar zu töten.

Bereits einmal konnte die Varganin dank Atlans Hilfe dem Henker entgehen. Und als Magantilliken erneut zuschlägt, um sich Ischtars zu bemächtigen, begibt sich der Kristallprinz in tödliche Gefahr.

Ein gefährliches Spiel beginnt auf dem Planeten der Stürme. Der Jäger ist Magantilliken – die Gejagten sind ATLAN UND DER UNGEBORENE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Kristallprinz flüchtet sich auf den Planeten der Stürme.

Chapat – Ein Ungeborener ist in Gefahr.

Fartuloon – Atlans väterlicher Freund und Lehrmeister.

Ischtar – Die Goldene Göttin wird erpresst.

Magantilliken – Der Henker der Varganen wird getäuscht.

1.

 

Ischtars goldene Augen blitzten mich unwillig an.

»Ich muss fort«, behauptete sie. »Begreifst du das denn nicht? Glaubst du wirklich, ich wäre hier auf Kraumon sicher?«

Ich setzte zu einer Antwort an, aber die Varganin ließ mich nicht ausreden.

»Magantilliken ist nicht gekommen, um mit uns Versteck zu spielen«, fuhr sie ärgerlich fort. »Er muss mein Schiff bemerkt haben, als er mit den fünf Alten hier landete. Du darfst dich darauf verlassen, dass er keine Sekunde Zeit verlieren wird. Der einzige Weg, der mir bleibt, ist die Flucht. Wenn ich erst an Bord bin, kann er mir nicht mehr so leicht etwas anhaben. Wirklich sicher werde ich mich allerdings erst fühlen, wenn ich einen neuen Stützpunkt gefunden habe.«

Wir standen am Rand des Landefelds. Das Beiboot, mit dem Ischtar zu ihrem im Orbit um Kraumon kreisenden Raumschiff hinauffliegen wollte, war bereits startklar.

Alles, was jetzt gesprochen wurde, hatten wir bereits mehrmals beredet. Magantilliken, der varganische Henker, befand sich auf Kraumon. Ischtar schwebte in höchster Gefahr. Sie war nirgends besser aufgehoben als in ihrem eigenen Schiff. Dennoch versuchte ich, sie zurückzuhalten.

Die hochgewachsene Varganin schlug mich völlig in ihren Bann. Wie sie jetzt vor mir stand, wäre ich bedenkenlos bereit gewesen, mein Leben für sie hinzugeben. Der sanfte Wind, der von den Bergen herüberwehte, spielte mit ihrem langen, roten Haar. Das ebenmäßige Gesicht leuchtete in der Sonne, als hätte ein begnadeter Künstler es aus purem Gold geformt. Alles in mir sträubte sich dagegen, sie jetzt gehen zu lassen, noch dazu allein.

Aber so groß die Anziehungskraft auch sein mochte, die diese Frau auf mich ausübte – ich hatte noch andere Pflichten zu erfüllen.

Ich konnte Ischtar nicht begleiten. Zu viele Dinge stellten sich dagegen. Abgesehen davon war ich mir sehr wohl der Tatsache bewusst, dass Ischtar ganz gut ohne meine Hilfe auskam – eine Erkenntnis, die nicht gerade erhebend auf mich wirkte. Und sie wollte nicht bleiben. Meine Argumente hatten sie nicht überzeugen können. Dieser Stützpunkt war in ihren Augen nicht geeignet, Magantilliken von einem direkten Angriff zurückzuhalten. Wenn ich an unsere bisherigen Erfahrungen mit dem varganischen Henker zurückdachte, musste ich ihr sogar recht geben.

Widerstrebend rang ich mich zu der Erkenntnis durch, dass es für uns alle besser war, wenn ich endlich nachgab. Aber ehe ich noch dazu kam, ihr das mitzuteilen, sah ich Fartuloon. Der Bauchaufschneider stürzte aus dem Gebäude und rannte auf uns zu, als wären Dämonen hinter ihm her.

Beunruhigt trennte ich mich von der Varganin und lief ihm entgegen.

»Magantilliken hat sich gemeldet«, keuchte er, als wir uns gegenüberstanden. »Er ist in Ischtars Schiff!«

Die Varganin war mir gefolgt. Als ich mich umdrehte und ihre vor Schreck geweiteten Augen sah, kam auch mir die ganze Tragweite dieser Botschaft zu Bewusstsein. Chapat, unser Sohn, befand sich ebenfalls auf dem Doppelpyramidenschiff. Ischtar hatte ihn dort zurückgelassen, als sie mit uns nach Kraumon hinabflog. Er lag in einem Lebenserhaltungssystem. Er war winzig klein, nichts als ein Embryo, und somit absolut hilflos.

Ich wusste, wie sehr Ischtar dieses Geschöpf liebte, und obwohl der Anblick eines unentwickelten Embryos nicht unbedingt dazu geeignet ist, in einem Mann väterliche Gefühle zu erwecken, bestand auch zwischen Chapat und mir eine gewisse Bindung. Es versetzte mir einen Schock, zu wissen, dass sich dieses wehrlose Wesen nun in der Gewalt des Henkers befand.

»Was hat er gesagt?«, fragte Ischtar.

»Bisher nichts Wesentliches«, erklärte Fartuloon, der inzwischen wieder einigermaßen zu Atem gekommen war. »Er teilte uns nur mit, dass er Sie zu sprechen wünscht. Allerdings klang das eher nach einem Befehl als nach einer Bitte!«

»Wie mag er in das Schiff gekommen sein?«, fragte ich Fartuloon bedrückt, während wir in das Gebäude zurückkehrten.

»Es gibt nur eine logische Möglichkeit«, erwiderte mein Lehrmeister.

Fartuloon hatte recht. Seit der Landung des Sofgart-Raumers war kein Schiff mehr von Kraumon gestartet. Magantilliken jedoch war schon von Anfang an unauffindbar geblieben. Er musste noch vor der Landung in den Varganenraumer hinübergewechselt sein. Die fünf Greise waren vermutlich mit dem Manöver und ihrem heißgeliebten Vurgizzel so beschäftigt gewesen, dass niemand auf den vermeintlich harmlosen Mitreisenden geachtet hatte. Magantilliken hatte Ischtars Schiff bemerkt und sich mit einem Raumanzug aus dem Staub gemacht.

Ischtar schwieg immer noch, als wir den Funkraum betraten. Meine Getreuen hatten sich inzwischen hier versammelt. Ein Blick auf ihre bedrückten Gesichter verriet mir, dass sie die Realität erkannten. Magantilliken war kein Gegner, den man unterschätzen durfte. Und mit Chapat besaß er ein Druckmittel, dem wir nichts entgegenzusetzen hatten.

Die Verbindung zu dem varganischen Henker bestand noch.

»Was willst du?«, fragte Ischtar ohne jede Begrüßung.

»Dich!«, erwiderte Magantilliken genauso formlos.

Die Goldene Göttin schwieg sekundenlang. Nur an der Art, wie ihre Hände sich öffneten und schlossen, ließ sich erkennen, wie aufgewühlt sie innerlich war.

»Und wenn ich nicht komme?«

»Dann töte ich zuerst deinen Sohn«, eröffnete Magantilliken ihr gelassen. »Anschließend werde ich dafür sorgen, dass dieser Planet untergeht!«

»Welche Sicherheit gibst du mir, dass Chapat am Leben bleibt, wenn ich mich ergebe?«

»Du hast mein Wort. Das muss genügen!«

Ich glaubte, das zynisch lächelnde Gesicht des Henkers vor mir zu sehen. Ohnmächtige Wut stieg in mir auf. Ich wollte neben Ischtar treten, aber Fartuloon hielt mich zurück.

»Wann?«, fragte Ischtar flüsternd, als sie ihre Beherrschung zurückgewonnen hatte.

»In einer halben Stunde!«, lautete die Antwort des Henkers.

 

*

 

Als der Vargane die Verbindung unterbrach, war es totenstill im Raum. Niemand von uns regte sich. Ischtar war die erste, die aus dieser Erstarrung erwachte. Sie wandte sich mit eckigen Bewegungen um und wollte zur Tür gehen. Ich sah, wie Ra sich mit einem wilden Schrei auf sie stürzte und sie festzuhalten versuchte. Die Goldene Göttin schüttelte ihn ab, als wäre er ein lästiges Tier.

Dieses Ereignis brachte auch mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Bisher hatte ich eigentlich nur an Chapat gedacht. Jetzt kam mir erst eindringlich zu Bewusstsein, dass Ischtar drauf und dran war, in den Tod zu gehen.

Ich hechtete vor, und es gelang mir, sie am Arm zu packen.

»Du darfst nicht gehen!«, stieß ich hervor. »Glaubst du im Ernst, dass Magantilliken Wort hält? Sobald er dich umgebracht hat, wird er auch Chapat töten!«

Sie schien gar nicht zuzuhören, und ich warf einen hilfesuchenden Blick in die Runde.

»Wir haben noch etwas Zeit«, ließ Fartuloon sich vernehmen. »Es muss uns etwas einfallen, wie wir Magantilliken ausschalten können, ehe er sich an dem Embryo vergreift.«

Ischtar lachte schrill auf.

»Ausschalten?«, rief sie. »Niemand kann das!«

»Wir könnten versuchen, ihn aus dem Schiff zu locken«, schlug Fartuloon vor. »Dann hätten wir Gelegenheit, Chapat in Sicherheit zu bringen und ...«

»Das ist unmöglich!«, unterbrach Ischtar ihn heftig. »Er wird sich nicht auf irgendwelche Tricks einlassen. Es ist sinnlos, noch weiter darüber zu reden. Ich muss zu ihm. Vielleicht gelingt es mir wenigstens, unseren Sohn zu retten.«

Ischtar hatte offensichtlich nicht die Absicht, sich auf weitere Diskussionen einzulassen. Ihr Entschluss stand fest, und als ich sie mit Gewalt daran hindern wollte, hinauszulaufen, bekam ich deutlich zu spüren, dass man die körperlichen Kräfte einer Varganin nicht unterschätzen durfte.

Mit einem verzweifelten Ruck riss sie sich los und rannte davon. Ich setzte ihr augenblicklich nach, aber ich ahnte, dass es sinnlos war. Draußen stand ein Gleiter bereit. Ischtar hatte zwar nur einen geringen Vorsprung, aber der mochte durchaus genügen. Sie würde das Beiboot auf jeden Fall früher als ich erreichen. Saß sie erst einmal darin, so konnte sie niemand mehr von diesem sinnlosen Opfergang abhalten.

Wieder einmal war es Fartuloon, der konsequenter und schneller handelte als ich. Er schrie mir etwas zu, ich warf mich fast automatisch zur Seite, und dann hörte ich auch schon das Zischen eines Paralysators. Ischtar brach mitten im schnellen Lauf zusammen.

Ich wandte mich um und sah Fartuloon an. Der Bauchaufschneider steckte eben die Waffe wieder ein. Sein Gesicht war düster.

Er traute den Varganen insgesamt nicht, und selbst Ischtar genoss keineswegs sein volles Vertrauen, aber als echter Freund achtete er meine Gefühle. Er hatte verhindert, dass die Goldene Göttin unüberlegt handelte. Wir wussten jedoch beide, dass damit nicht viel gewonnen war. Chapat befand sich nach wie vor in der Gewalt des Henkers, und die Drohung, Kraumon zu vernichten, blieb ebenfalls bestehen. Es sei denn ...

Ein verwegener Plan schoss mir durch den Kopf. Es war purer Wahnsinn, eine Verzweiflungstat und nichts weiter. Aber immerhin war ich Chapats Vater.

Fartuloon hatte mich beobachtet. Als unsere Blicke sich trafen, wusste ich, dass er zu demselben Schluss gekommen war.

»Nun geh schon!«, nickte er grimmig.

2.

 

Für eine genaue Planung meines Vorgehens blieb keine Zeit mehr. Wir mussten damit rechnen, dass Magantilliken sich kurz vor Ablauf der von ihm gestellten Frist noch einmal meldete. War Ischtar dann unerreichbar, ohne dass er den Start eines Beiboots festgestellt hatte, so musste er zwangsläufig misstrauisch werden. Abgesehen davon kannten wir den varganischen Henker nicht gut genug, um seine Reaktionen vorherzusehen.

Damit der Schwindel nicht sofort aufflog, stieg ich in einen schweren Schutzanzug. Das Ding war so klobig, dass es keine Rückschlüsse auf die Figur seines Trägers zuließ. Der Helm war massiv. Nur ein schmaler Sichtschlitz gestattete mir einen ziemlich eingeengten Ausblick auf meine Umgebung. Dafür hatte ich den Vorteil, dass Magantilliken selbst auf kürzeste Entfernung nicht erkennen würde, dass es nicht Ischtar war, die vor ihm stand.

Ich fuhr allein hinaus. Von Fartuloon und den anderen hatte ich mich im Innern des Gebäudes verabschiedet. Wir wussten nicht, welche Beobachtungsmöglichkeiten dem Varganen zur Verfügung standen und vermieden daher selbst das kleinste Risiko. Ischtar wusste ich unter sicherer Bewachung. Unter anderen hielt sich Chretkor in ihrer Nähe auf. Eiskralles unheimliche Fähigkeiten waren ihr bekannt. Überwand sie die Lähmung, bevor ich gestartet war, und schaffte es sonst niemand, mit ihr fertig zu werden, so würde gerade sein Anblick sie am ehesten vor Unbesonnenheiten zurückhalten.

Die Hälfte der Frist war gerade verstrichen, als ich das Beiboot startete. Ich hielt die Funkanlage auf Empfang, und nach kurzer Zeit drang Fartuloons Stimme aus dem Lautsprecher.

»Ischtar ist soeben gestartet«, teilte er dem varganischen Henker mit.

»Warum meldet sie mir das nicht selbst?«, wollte Magantilliken misstrauisch wissen.

»Sie brach in höchster Eile auf«, log Fartuloon grimmig. »Genauer gesagt, sie verlässt Kraumon gegen unseren Willen. Ihr Sohn ist ihr wichtiger als alles andere. Sie nahm sich ein Beiboot, dessen Funkgerät überholt werden sollte. Der Empfangsteil ist in Ordnung, also hört sie vermutlich unsere Unterhaltung mit. Aber sie kann nicht senden!«

Ich wartete gespannt auf Magantillikens Entgegnung, aber zu meiner Überraschung schluckte der Vargane diese Lüge anstandslos. Er schien von unseren technischen Kenntnissen keine hohe Meinung zu haben und hielt es wohl für selbstverständlich, dass solche Pannen vorkamen. Ich war sehr erleichtert, denn nun war ich der Notwendigkeit enthoben, mich vor dem direkten Zusammentreffen mit dem Henker auf Gespräche einzulassen. Die Gefahr einer vorzeitigen Aufdeckung des Täuschungsmanövers war somit etwas geringer geworden. Dennoch fühlte ich mich nicht besonders wohl in meiner Haut. Ich wusste nur zu gut, dass ich in einem direkten Kampf mit diesem Varganen nur wenig Chancen hatte. Daher war ich auch nicht so vermessen, anzunehmen, ich könnte Ischtars Erzfeind ein für allemal aus dem Verkehr ziehen. Es kam lediglich darauf an, dass ich Chapat in Sicherheit brachte.

Je höher das Beiboot stieg, desto nervöser wurde ich. Der Verdacht, dass die Varganen sich über eine gewisse Distanz auf eine mir unerklärliche Weise gegenseitig erspürten, hatte mich schon oft beschäftigt. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass ich mich irrte.

Ich erreichte die Umlaufbahn, ohne dass der Henker sich noch einmal meldete. Die Position des Doppelpyramidenschiffs war bekannt, und die zur Handhabung des Beiboots notwendigen Handgriffe waren mir längst so vertraut, dass ich mich auf sie nicht mehr zu konzentrieren brauchte. Das war in dieser Situation eher ein Nachteil – ich hatte viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Die Aufregung ließ meine Augen tränen, und ich fluchte über den schweren Helm, der mich daran hinderte, das salzige Sekret wegzuwischen. Eine der üblichen, zynisch-trockenen Bemerkungen meines Extrahirns wäre mir jetzt willkommen gewesen, aber die lautlose Stimme in meinem Kopf schwieg sich aus. Wahrscheinlich hielt dieser streng logisch denkende Teil meines Gehirns das ganze Unternehmen für so verrückt, dass er sich jeden Kommentars enthielt.

Endlich sah ich Ischtars Schiff vor mir. Die gewaltige Doppelpyramide schwebte wie ein gigantischer Kristall vor dem sternenblitzenden Hintergrund. Auf einem anderen Schirm zeichnete sich die braungelbe Oberfläche Kraumons ab. Dort unten hielten meine Freunde jetzt wahrscheinlich genau wie ich den Atem an.

Automatisch passte ich die Geschwindigkeit des Beiboots der des Varganenschiffs an. Eine schier endlos erscheinende Zeit verstrich, ehe sich in der ungeheuren Wandung eine Öffnung bildete.

Ich manövrierte das kleine Boot in den vor mir liegenden Hangar, und als es zum Stillstand gekommen war, warf ich doch noch einen Blick auf Kraumon. Durch das sich schnell schließende Schott sah ich den Wüstenplaneten seitlich weggleiten. Magantilliken beschleunigte also bereits. Er schien es sehr eilig zu haben, aus dieser Gegend zu verschwinden.

Während wir Kraumon rasch hinter uns ließen, kletterte ich aus dem Beiboot und untersuchte den Hangar. Den Empfangsteil des Helmfunkgeräts stellte ich auf die Wellenlänge ein, die Magantilliken vorher benutzt hatte. Ich rechnete damit, dass er sich bald mit genauen Anweisungen melden würde.

Mein eigentlicher Plan lief darauf hinaus, den Henker aus der Zentrale zu locken. Ich hoffte, dass er sich jetzt sicher genug fühlte, um Chapat wenigstens für kurze Zeit aus den Augen zu lassen. Er hielt mich für Ischtar, und wenn die Varganin sich auch in diesem riesigen Schiff ausgezeichnet zurechtfand, so konnte sie ihrem Jäger doch auf keinen Fall entwischen. Der Hangar war bestens für mein Vorhaben geeignet. Mehrere Schotte führten in das Innere des Raumers, und es gab unzählige Verstecke. Magantilliken würde, wenn er diese Halle betrat, lange suchen müssen, ehe er genau wusste, dass sein Opfer sich bereits entfernt hatte. Inzwischen – so hoffte ich – würde ich zu der Lebenserhaltungsanlage vordringen können.

Ich öffnete also alle Zugänge zum Hangar, um meine Spur zu verwischen, und dann betrat ich einen Gang, der in die Richtung der Zentrale führte. Es war beileibe nicht die kürzeste Verbindung, aber ich legte ja auch keinen Wert darauf, Magantilliken direkt in die Arme zu laufen.

Leider unterschätzte ich meinen Gegner. Der Vargane hütete sich wohlweislich davor, seine wertvolle Geisel allein zu lassen. Ich hatte schätzungsweise die Hälfte der Entfernung zurückgelegt, als er sich über Funk meldete.

»Ich warte, Ischtar! Mir scheint, du bist dir nicht bewusst, wie ernst die Lage für deinen Sohn ist. Ich halte die Waffe bereits auf ihn gerichtet. Wenn du nicht innerhalb von fünf Minuten in der Zentrale erscheinst, wird das Kind sterben!«

Es hatte keinen Sinn, diesem brutalen Abgesandten aus der Eisigen Sphäre mitzuteilen, was ich persönlich von Leuten hielt, die mit dem Mord an einem wehrlosen Kind drohen. Ich ballte die Hände zu Fäusten und riss mich zusammen. Auch in meinem Volk gab es Verbrecher – das hatte ich am eigenen Leibe erfahren. Aber die kalte Berechnung, mit der Magantilliken handelte, brachte mich zur Weißglut. Dieser Vargane hatte anscheinend überhaupt kein Gefühlsleben.

Immerhin waren die Fronten jetzt endgültig geklärt. Mein schöner Plan nützte mir nichts mehr. Es würde zum direkten Kontakt kommen, und das warf eine Menge Probleme auf. Sobald der Henker erkannte, dass er genarrt worden war, ging es um mein Leben. Wie ich unter diesen Umständen Chapat befreien sollte, war mir rätselhaft. Immer bedrückender kam mir zu Bewusstsein, dass ich mich auf ein nahezu aussichtsloses Unternehmen eingelassen hatte.

Trotzdem kam mir nicht einmal der Gedanke, einfach aufzugeben. Auch ein Vargane musste irgendeinen wunden Punkt haben, an dem man ihn packen konnte. Es gibt keinen Gegner, der absolut unbesiegbar ist.

Kurz vor Ablauf der Frist erreichte ich die Zentrale. Das Schott stand offen. Drinnen konnte ich Magantilliken erkennen. Der Henker stand in der Mitte des Raumes. Er hielt eine Waffe in der Hand und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um. Durch eine offene Tür im Hintergrund erkannte ich die Lebenserhaltungsanlage, in der Chapat untergebracht war.