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Divina Michaelis

Fluch der Bestimmung

Erotik-Fantasy





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Überraschung

 

Akribisch überprüfte ich noch ein letztes Mal mein Aussehen im Spiegel, bevor ich mich frisch geduscht in meiner neuen Unterwäsche auf dem Sofa drapierte. Thomas musste jeden Augenblick von der Arbeit kommen und ich war gespannt, wie er darauf reagieren würde, denn so hatte ich ihn noch nie empfangen. Mein Herz hüpfte in freudiger Erwartung. Er war zwar nicht der große Hengst, aber das hier konnte ihn kaum kalt lassen.

Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, hörte ich bereits den Schlüsselbund am Hauseingang klimpern. ‚Pünktlich wie die Maurer‘, dachte ich erfreut. Das war eine seiner herausragendsten Eigenschaften: Ich konnte mich immer auf ihn verlassen, und dafür liebte ich ihn. Seine Bodenständigkeit bot mir Halt und bewahrte mich vor unliebsamen Überraschungen, wovon ich in meiner Vergangenheit bereits genügend gehabt hatte.

Meine Spannung stieg, während ich wartete. Noch einmal schaute ich nach unten, betrachtete meine Brüste in ihrer wundervollen Verpackung: schwarze Spitze auf roter Seide, sündhaft teuer, aber jeden einzelnen Cent wert. Der dazu passende Stringtanga verdeckte nur das Nötigste, was umso mehr Appetit auf das machen sollte, was sich dahinter verbarg.

Schnell strich ich mir meine langen Haare nach hinten, damit meine Vorderseite noch besser zur Geltung kommen konnte. Sollte ich das rechte Bein ein wenig über das linke legen oder doch lieber dahinter? Und wohin mit meinem Arm?

Das typische Geräusch, wenn der Schlüssel in das Schloss gesteckt und umgedreht wurde, drang an meine Ohren, dann das der Tür, die geöffnet wurde und schließlich zurück ins Schloss fiel. Gleich würde er kommen, mich sehen und dann …

„Sabrina, Schatz, ich bin wieder da!“ rief er.

Ich entschloss mich, die Beine übereinander zu legen und die Füße etwas zu strecken. Das war zwar nicht besonders bequem, sah aber bestimmt toll aus. Den Arm legte ich entspannt auf meine Seite, mit dem anderen stützte ich meinen Oberkörper ab, um mich richtig in Szene zu setzen.

„Ich bin im Wohnzimmer!“ Mit meiner Aufregung stieg auch meine Erregung. In Gedanken stellte ich mir vor, wie er hereinkam, stutzte, ihm ein Grinsen ins Gesicht stieg und er sich schnell seiner Klamotten entledigte. Ob er mich hier gleich auf dem Sofa nehmen würde? Und würde er den String tatsächlich ausziehen oder ihn einfach nur der Einfachheit halber zur Seite schieben? Egal, ich war bereit für jede Schandtat!

Etwas war anders. Normalerweise entledigte er sich zuerst seiner Jacke, aber entgegen seiner sonstigen Gewohnheit kam er direkt auf die Tür zu, ich hörte es an den Schritten auf den Fliesen. Ahnte er etwas? Die Klinke senkte sich und sein strahlendes Gesicht erschien im Türspalt – bis er mich sah.

Ich konnte mehrere Emotionsdurchläufe in seiner Miene beobachten: Verwirrung, Erkenntnis, Berechnung. Und nichts davon hatte in meinem Erwartungsplan gestanden. Enttäuschung überflutete mich und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. War etwa alles für die Katz? Meine Überraschung schien jedenfalls misslungen.

„Oh, gut, dass du nichts anhast. Dann kannst du dich schneller fertig machen“, brachte er schließlich rüber und ging in den Flur zurück, um seine Jacke jetzt doch aufzuhängen. Er schien nicht einmal ansatzweise begriffen zu haben, was ich mit meiner Aufmachung bezweckt hatte. Oder er hatte es begriffen, aber keine Lust.

Ich hätte mich sogar mit einem kleinen Quickie begnügt, irgendetwas, das mir gezeigt hätte, wie sexy er mich findet. Stattdessen sollte ich mich fertig machen. Ernüchtert sah ich ihm mit großen Augen hinterher. „Fertig machen? Was meinst du?“ Natürlich konnte Thomas nichts dafür, dass ich solche Erwartungen in ihn gesetzt hatte, ich wusste ja, dass er nicht der große Romantiker war und das war auch vollkommen in Ordnung. Dennoch hätte ich wenigstens gerne etwas Anerkennung bekommen.

Erneut zeigte er sein Gesicht in der Tür. Er wirkte so aufgeregt, wie ich es noch vor ein paar Minuten gewesen war. Seine Wangen waren gerötet und die Augen leuchteten regelrecht vor Freude, was aber definitiv nicht meinem Aussehen geschuldet war, denn er sah mir nur ins Gesicht und schien meine Aufmachung gar nicht mehr wahrzunehmen. „Du glaubst gar nicht, was mir heute passiert ist!“

Da mir die Lust auf meine Überraschung vergangen war, setzte ich mich auf, legte meine Ellenbogen auf den Beinen ab und stützte meinen Kopf auf die Hände. „Was?“ Gab es denn etwas Wichtigeres, als über die Verlobte herzufallen, wenn sie sich ihm schon so anbietet?

„Mein Chef kam ins Büro und hat mich zu einer Dinnerparty eingeladen – noch heute Abend. Also los, zieh dich an! Am besten ein Abendkleid. Es soll dort sehr förmlich zugehen.“

Okay, das klang zumindest nicht unwichtig, aber was sollte ich da? Skeptisch zog ich meine Augenbrauen in die Höhe, ohne mich weiter zu bewegen. „Er hat dich eingeladen und dann muss ich mich anziehen?“

Thomas kam ungeduldig auf mich zu, ergriff meine Hand und zog mich hoch. „Nein, eigentlich hat er gesagt, dass er mich einlädt und ich dich unbedingt mitbringen muss. Und nun mach endlich. Wir haben noch ein bisschen Strecke vor uns und es fängt bald an. Weißt du eigentlich, was für eine einmalige Gelegenheit das für mich ist? So eine Chance muss ich nutzen und darf nicht zu spät kommen.“

Ergeben seufzte ich. Also wurde es nichts mit einem wundervollen Abend nur mit uns beiden. Und dann sollte es ausgerechnet noch ein Abendkleid sein. Davon hatte ich ja auch so viele.

 

Ärger

 

Zweifelnd stand ich vor meinem Schrank und betrachtete das einzige Abendkleid, das meine Garderobe ausmachte. Es war bisher erst ein Mal zum Einsatz gekommen – vor drei Jahren auf einer Hochzeit. Eigentlich war es ein Traum in dunkelroter Seide und viel zu schade, um sein Dasein im Schrank zu fristen. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich da noch hineinpassen würde. Damals saß es zwar etwas locker, aber ich hatte seitdem ein bisschen zugenommen.

Während Thomas damit beschäftigt war, seinen jetzigen dunklen Anzug gegen einen festlicheren, und seine Krawatte gegen eine Fliege auszutauschen, entledigte ich mich meines BHs, stieg in das Kleid und drehte mich vor dem Spiegel. Wie erwartet, störte der Stringtanga. Was auf dem Sofa noch so vorteilhaft ausgesehen hatte, bildete nun unschöne Einschnitte in dem ansonsten so fabelhaft an mir hinabfließenden Stoff. Das konnte so nicht bleiben.

Kurzerhand entledigte ich mich des Slips und war gleich darauf von dem Anblick mehr als begeistert. Niemand würde wissen, dass ich rein gar nichts darunter trug, was das Ganze ein kleines bisschen aufregend für mich machte. Ob ich Thomas wohl unterwegs darauf hinweisen sollte? Innerlich grinste ich mir einen. Er hätte dann zumindest einen Grund, die ganze Zeit wie auf Kohlen zu sitzen – eine kleine Revanche für meine Enttäuschung vorhin. Aber vielleicht störte es ihn ja auch nicht. Nach meinem missglückten Überraschungsversuch war ich mir nicht mehr so sicher, dass es ihn überhaupt berührte. Vielleicht würde er sich sogar nur für mich schämen. Zuzutrauen wäre es ihm.

Erst jetzt warf mir Thomas einen Blick zu und wirkte zufrieden. „Sehr schön. Bist du dann fertig?“

Mehr kam von ihm nicht? Sehr schön und das war’s? Banause! Das Kleid hatte er vorher noch nie an mir gesehen und ich sah nicht nur sehr schön, sondern sogar fabelhaft aus. Nicht auszudenken, wenn er auf das Hochzeitskleid in vierzehn Tagen genauso reagierte. Andererseits hatte ich ihn mir ausgesucht, also musste ich damit wohl leben. Man konnte nicht alles haben. Ich schüttelte den Kopf. „Gleich. Ich muss nur noch etwas Make-up auflegen, aber das geht schnell.“

„Mach zu, wir wollen los!“, drängelte er und ging voraus in den Flur. Ich hörte, wie er bereits seine Jacke vom Bügel nahm und den Autoschlüssel aus der Schublade holte.

Er wollte los, nicht ich. Aber was nahm man nicht alles für den zukünftigen Ehegatten in kauf.

Auch wenn ich wirklich schnell im Schminken war – mehr als fünf Minuten brauchte ich nicht, um mich aufzuhübschen – war das ungeduldige Tappen seines Schuhs auf den Fliesen nicht zu überhören. Das half nicht gerade dabei, meine Laune zu heben und ich war versucht, das Ganze noch etwas mehr in die Länge zu ziehen, nur um ihn zu ärgern, konnte mich aber gerade noch beherrschen.

„Du hättest mich auch anrufen können“, rief ich ihm aus dem Badezimmer zu. „Dann wäre ich schon fertig gewesen und du müsstest jetzt nicht warten.“

„Kein Netz“, war seine lausige Erklärung.

Wahrscheinlich hat er nur wieder einmal nicht die richtigen Tasten gefunden‘, dachte ich verärgert, weil er nie zugeben wollte, wenn er etwas nicht konnte. „Es gibt auch Festnetz“, rief ich. Zumindest hätte mir ein Anruf die Enttäuschung erspart. Nun sollte ich auf eine Dinnerparty gehen, zu der ich überhaupt keine Lust hatte. Schließlich kannte ich da niemanden und die Kleiderordnung ließ auf staubtrockene Konversation schließen. Mit Bedauern blickte ich auf meine neue, teure Unterwäsche, die ich auf dem Stuhl abgelegt hatte. Dann musste sie eben zu einem anderen Zeitpunkt zum Einsatz kommen. Aufgeschoben bedeutete nicht aufgehoben. Dieser Gedanke versöhnte mich etwas mit meinem Schicksal.

Ich steckte mir ein paar Creolen durch die Ohrlöcher und nickte meinem Spiegelbild schließlich anerkennend zu. Eine hübsche Frau schaute mir entgegen. Ich fand schon, dass Thomas froh sein sollte, dass er mich für sich gewinnen konnte. Obwohl auch er alles andere als hässlich war. Aber viele Frauen würden in ihm einen Langweiler sehen, nur weil er Verlässlichkeit verinnerlicht hatte – eine Eigenschaft, die für mich den Grundpfeiler einer stabilen Beziehung ausmachte. Was machte es da, wenn er nichts für Romantik übrig hatte, oder wenn er die Gelegenheit auf eine Beförderung ausschweifendem Sex vorzog? Ich hätte mich in dieser Situation vielleicht nicht anders verhalten.

„Sabrina, mach doch bitte etwas schneller!“

Als ich zu meinem Zukünftigen in den Flur kam, stieg ich in ein paar hohe Stilettos, die hervorragend zu dem Kleid passten, meine Beine länger und mich ein bisschen größer wirken ließen. Nun konnte ich dem ungeduldig wartenden Thomas wenigstens gerade auf die Nasenspitze schauen und er musste sich beim Küssen nicht mehr so tief bücken. Er dachte allerdings nicht daran, mich zu küssen, sondern schwebte mit seinen Gedanken bereits irgendwo in seinem zukünftigen Posten.

 

Fahrt aufs Land

 

„Und wie kommt es nun zu dieser Einladung?“, fragte ich meinen Verlobten, als wir endlich im Auto saßen und er in hohem Tempo stadtauswärts fuhr. „Das hat dein Chef doch noch nie gemacht.“

„Keine Ahnung. Ich nehme an, er hat mich für eine Beförderung vorgesehen und will sich nun überzeugen, dass er mit mir den richtigen Mann bekommt.“

„Einfach so?“

„Wie gesagt: Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass er sesshafte Männer bevorzugt.“

„Sesshaft?“ Ich wusste, dass Thomas es nicht mochte, wenn ich immer wieder nachfragte. Aber er kam ja nicht mit der Sprache heraus und das Ganze hier war so ungewöhnlich, dass ich es mir nicht verkneifen konnte.

„Na ja, wahrscheinlich deswegen, weil gebundene Männer eher Skrupel haben, ihren Arbeitsplatz zu wechseln, weil sie zu Hause noch jemanden versorgen müssen.“

„Klingt trotzdem merkwürdig. Außerdem bin ich durchaus in der Lage, mich selbst zu versorgen“, konterte ich. „Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Erzähl mal genauer, wie das abgelaufen ist.“

Genervt seufzte er. „Also gut: Er kam in mein Büro, legte ein paar zu bearbeitende Akten auf den Tisch, sah dein Bild, das, was du mir erst gestern gerahmt und mitgegeben hast, und hat mich dann in ein Gespräch über unsere Beziehung verwickelt. Nachdem ich ihm gesagt habe, dass wir verlobt wären und in vierzehn Tagen heiraten wollten, meinte er, dass er es gut findet und ich solle heute Abend mit dir zu seiner Dinnerparty kommen. Er nannte mir die Uhrzeit und sagte, dass Abendgarderobe erwünscht ist. Mehr war da nicht.“

Inzwischen hatten wir die Stadt, ein paar Dörfer und auch die Hauptstraße hinter uns gelassen und fuhren auf einer abgelegenen Straße durch ein Waldgebiet. Der Kerl wohnte ganz schön fernab vom Schuss, fand ich, und wurde immer nervöser, weil wir hier offensichtlich am Arsch der Welt gelandet waren. Die Straße machte eher den Eindruck eines Wirtschaftswegs.

„Bist du sicher, dass du richtig bist?“, erkundigte ich mich.

Thomas nickte. „Das Navi sagt ja, und ich vertraue dem Ding.“ Dann deutete er nach vorne und grinste. „Da ist auch schon das Tor zu seinem Anwesen. Und wir sind pünktlich.“

Als ich seinem Fingerzeig mit den Augen folgte, überzog mich eine Gänsehaut. Das hier war beinahe wie in einem Gruselfilm: eine mit Efeu überwachsene Mauer mit einem schmiedeeisernen Tor mitten im Nirgendwo und danach folgte eine weitere Strecke durch den Wald.

Warum fühlte ich mich auf einmal besorgt? Je näher wir unserem Ziel kamen, desto unruhiger wurde ich. Was war nur los mit mir? So etwas kannte ich gar nicht. Adrenalin pumpte durch meine Adern, mein Herz schlug schneller. Das hier fühlte sich alles andere als richtig an!

Ängstlich legte ich meine Hand auf Thomas‘ Bein. „Bitte Thomas, lass uns umdrehen und nach Hause fahren. Ich habe hier kein gutes Gefühl!“, versuchte ich ihn zu überreden.

Doch er lachte nur. „Und mir diese Gelegenheit entgehen lassen? Ich wäre verrückt, mich auf ein komisches Gefühl von dir zu verlassen! Was soll schon groß passieren?“

Das Tor öffnete sich, wir fuhren hindurch und nach gut einem weiteren Kilometer sahen wir das riesige Herrenhaus.

Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich zu dem Gebäude, vor dem bereits mehrere hochwertige Autos standen. Es sah eigentlich wundervoll aus und ich konnte selbst nicht erklären, was mit mir los war, aber alles in mir warnte mich davor, auch nur einen Fuß in das Haus zu setzen.

Meine Angst übermannte mich und ich krallte mich so in Thomas‘ Bein, dass er schließlich meine Hand packte und sie fluchend in meinen Schoß schleuderte.

Wütend brachte er den Wagen vor dem Haus zum Stehen und sah mich böse an. „Was ist nur los mit dir? Bist du verrückt geworden?“

Unwillkürlich zuckte ich zusammen. War ich verrückt geworden? Nein, das nicht. Aber ich hatte eine unbestimmte Ahnung. Ohne den Blick von dem hochherrschaftlichen Gebäude zu wenden, schüttelte ich den Kopf. „Ich will da nicht rein, Thomas. Ich habe das Gefühl, wenn ich dort hinein gehe, komme ich nicht wieder raus.“

Er senkte den Kopf und massierte sich angestrengt die Stirn. „Das ist albern, Sabrina! Wie kommst du dazu, so etwas zu glauben? Hast du in letzter Zeit zu viele Gruselromane gelesen, oder was? Wir gehen da jetzt rein, unterhalten uns ein bisschen und gehen in ein paar Stunden auch zusammen wieder raus. Versprochen!“

„Und wenn ich im Auto bleibe und warte?“ Das schien mir sogar eine annehmbare Option zu sein.

Sein Blick war verärgert, als er mich wieder anschaute. „Sabrina, es reicht jetzt. Du kannst nicht wirklich ein paar Stunden im Auto hocken wollen, während wir alle drinnen sind. Außerdem – was soll mein Chef davon halten? Willst du unbedingt meine Beförderung torpedieren? Er hat dich ausdrücklich dabei haben wollen. Da kann ich kaum sagen, dass meine Verlobte sich nicht ins Haus traut.“

Stumm presste ich meine Lippen zusammen und nickte. Offenbar hatte ich keine Wahl. Ich schloss noch mal meine Augen und holte tief Luft, bevor ich die Tür öffnete und aus dem Wagen stieg.