The Cover Image
 

 

»Wir lieben uns. Wir mögen uns nur nicht besonders.«

 

Rosalind, Bianca und Cordelia: Die drei Schwestern – von ihrem exzentrischen Vater liebevoll nach Shakespeare-Figuren benannt – verbindet die Liebe zum Lesen. Darüber hinaus könnten sie jedoch unterschiedlicher nicht sein: Rose, die Vernünftige, die den Mann ihrer Träume gefunden hat, aber dem Abenteuer der großen Liebe nicht traut, Bean, die in New York ein Leben in Glanz und Glamour führt, und Cordy, das Nesthäkchen, das nicht erwachsen werden will und ziellos durch Amerika vagabundiert …

 Eines Sommers kehren Rose, Bean und Cordy nach Hause zurück, in die öde Kleinstadt im Mittleren Westen. Die anfängliche Freude über das Wiedersehen währt nur kurz, denn nicht nur das Temperament der Schwestern, auch deren unterschiedliche Lebensvorstellungen prallen aufeinander. Und als nach und nach die wohlgehüteten Probleme der jungen Frauen ans Tageslicht kommen, wird die familiäre Harmonie auf eine harte Probe gestellt …

Die Shakespeare-Schwestern ist eine ebenso mitreißende wie tiefgründige, spritzige wie humorvolle Geschichte über das Los und den Segen lebenslanger Schwesternbande, die – sosehr man sich bemüht, sie zu lösen – doch allen Stürmen des Lebens standhalten.

 

Eleanor Brown hat einen M. A.-Abschluss in Literatur und lebt in Denver, Colorado. Ihre Texte und Geschichten wurden in zahlreichen Anthologien, Magazinen und Literaturzeitschriften veröffentlicht. Die Shakespeare-Schwestern ist ihr erster Roman, der sich auf Anhieb zum New York Times-Bestseller entwickelte.
(www.eleanor-brown.com)

 

 

Eleanor Brown

Die Shakespeare-Schwestern

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Brigitte Heinrich und Christel Dormagen

Insel Verlag

 

 

Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel

The Weird Sisters

© 2011 by Eleanor Brown

This edition published by arrangement with Amy Einhorn Books, an imprint of
G. P. Putnam's Sons, a member of Penguin Group (USA) Inc.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

 

 

 

eBook Insel Verlag Berlin 2014

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4300.

© Insel Verlag Berlin 2014

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr.

Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

Umschlaggestaltung: bürosüd, München

Umschlagabbildung: plainpicture / Bildhusel

Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

 

eISBN 978-3-458-77430-3

www.insel-verlag.de

Die Shakespeare-Schwestern

 

 

 

Für Chris

Für den Frühling,
für eine Rock 'n' Roll-Show,
für immer

 

 

Aber wir riefen nur die Feuerwehr, und kurz darauf kam das Feuerwehrauto, und drei große behelmte Männer brachten einen Schlauch ins Haus, und Mr. Prothero schaffte es gerade noch rechtzeitig hinaus, ehe sie das Wasser anstellten. Nirgendwo hätte es am Weihnachtsabend lauter sein können. Und als die Feuerwehrmänner das Wasser abstellten und in dem nassen, verqualmten Zimmer standen, kam Jims Tante, Miss Prothero, die Treppe herunter und steckte den Kopf durch die Tür. Jim und ich machten keinen Mucks, um zu verstehen, was sie sagen würde. Sie sagte immer das Richtige. Sie betrachtete die drei großen Feuerwehrmänner mit ihren glänzenden Helmen, die da inmitten von Rauch und Asche und halb geschmolzenen Schneebällen standen, und sagte: »Möchten Sie etwas zu lesen?«

Dylan Thomas, A Child's Christmas in Wales

 

 

»Mir träumte jüngst von den drei Zauberschwestern«

William Shakespeare, Macbeth

Prolog

Wir kamen nach Hause, weil wir Versager waren. Das würden wir natürlich nicht zugeben, nicht gleich, nicht vor uns selbst und gewiss nicht vor anderen. Wir sagten, wir seien nach Hause gekommen, weil unsere Mutter krank war, weil wir eine Pause bräuchten, eine kurze Pause, bevor wir zu unserem Nächsten Großen Projekt aufbrächen. Doch in Wahrheit hatten wir versagt, und damit niemand davon erfuhr, ließen wir uns passende Ausreden und Ausflüchte einfallen und hüllten uns darin ein wie in einen Umhang, um die kalte Wahrheit fernzuhalten. Erstes Stadium: Leugnung.

Für Cordelia, die Jüngste, begann es mit den Briefen. Sie kamen beide am selben Tag, waren aber im Inhalt so verschieden, dass sie zunächst auf den Poststempel schauen musste, um festzustellen, welcher zuerst abgeschickt worden war. Sie wirkten so schlicht, einfach Papier in ihren Händen, anfällig gegen Regen oder Feuer oder unvorsichtige Behandlung, doch sie würde sie nicht vernichten. Sie waren von der Art, die man aufbewahrt, sorgfältig zusammengefaltet in ein Kästchen legt, um sie, brüchig vor Alter, Jahre später mit klopfendem Herzen behutsam auseinanderzufalten, beseelt vom krankhaften Wunsch nach Erinnerung.

Wir sollten erzählen, was darin stand, und das werden wir auch, denn ihr Inhalt hatte Auswirkungen auf alles, was später geschah, doch zunächst müssen wir erklären, wie unsere Familie miteinander kommuniziert, und dazu müssen wir unsere Familie erklären.

Mannomann.

Vielleicht erklären wir lieber unseren Vater.

Falls Sie zufällig ein Shakespeare-Seminar belegen, gäbe es den Namen unseres Vaters vielleicht in irgendeinem entlegenen Winkel Ihres Gehirns, begraben unter Schichten unbenutzter Telefonnummern, vergessener Träume und bestimmter Wörter, die es im Bedarfsfall nie ganz bis zu Ihrer Zunge schaffen. Unser Vater ist Dr. James Andreas, Professor für Englische Literatur am Barnwell College, ausschließliches Forschungsgebiet: Der Unsterbliche Barde.

Die Worte, die einem vielleicht zur Beschreibung der Arbeit unseres Vaters einfallen, können kaum vermitteln, was es heißt, mit jemandem zusammenzuleben, der nur ein einziges Thema kennt. Enthusiast, Experte, Besessener – diese Worte haben angesichts des Shakespeare'schen Wirbelsturms, in dem wir aufwuchsen, allesamt einen hohlen Klang. Unsere Kinderreime waren Sonette. Ratschläge und Anweisungen erhielten wir drei in Form von Couplets; einen Spielkameraden, den wir nicht mochten, nannten wir höchstwahrscheinlich »gemästeter Schuft« und nicht Blödmann; wenn wir auf Weihnachtsfesten unter dem Tisch spielten, landeten zusammen mit den Weihnachtsliedern Begriffe wie »Philosophie des Dekonstruktivismus« und »patriarchalischer Übergriff« durch das schwere Tischtuch unten bei uns.

Und das beschreibt es nur annähernd.

Doch für unsere Zwecke genügt es.

Der erste Brief stammte von Rose: gestochene Schrift auf dickem Bütten. Aus »Romeo und Julia«; Cordy erkannte es sofort. Wie und wo und wann wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan, das alles will ich dir auf unserem Weg erzählen; nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen!

Jetzt verstehen Sie vielleicht, dass unsere große Schwester uns auf diese Weise mitteilte, sie werde heiraten.

Der zweite stammte von unserem Vater. Er kommuniziert beinahe ausschließlich über fotokopierte Seiten aus dem Riverside-Shakespeare. Diese Seiten enthalten so viele Anmerkungen aus Jahrzehnten des Nachdenkens und Deutens, dass wir die eigentlichen Textzeilen, die er kommentiert, kaum entziffern können. Doch das spielt keine Rolle; wir wurden mit Theaterstücken genährt und gepäppelt, und beim kleinsten Anstoß kommen die Worte wieder.

Kommt, gehn wir; und zu allen Göttern fleht für unsere Mutter, die in Wehen liegt. Und so erfuhr Cordy, dass unsere Mutter Krebs hatte. So erfuhr sie, dass wir nach Hause mussten.