ICH SUCHE NICHT – ICH FINDE

Suchen – das ist Ausgehen von alten Beständen

und ein Finden-Wollen

von bereits Bekanntem im Neuem.

Finden – das ist das völlig Neue!

Das Neue auch in der Bewegung.

Alle Wege sind offen

und was gefunden wird,

ist unbekannt.

Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer!

Die Ungewissheit solcher Wagnisse

können eigentlich nur jene auf sich nehmen,

die sich im Ungeborgenen geborgen wissen,

die in die Ungewissheit,

in die Führerlosigkeit geführt werden,

die sich im Dunkeln einem unsichtbaren Stern überlassen,

die sich vom Ziele ziehen lassen und nicht

– menschlich beschränkt und eingeengt –

das Ziel bestimmen.

Dieses Offensein für jede neue Erkenntnis

im Außen und Innen:

Das ist das Wesenhafte des modernen Menschen,

der in aller Angst des Loslassens

doch die Gnade des Gehaltenseins

im Offenwerden neuer Möglichkeiten erfährt.

Pablo Picasso

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Warum Geschichten?

Bedeutung der narrativen

Psychologie Metaphern und Symbole

Die Heldenreise als inneres Prinzip einer Geschichte

Praktische Überlegungen zu den Geschichten

Die Übungen

Tipps

Übersicht der Geschichten

Geschichten mit Gesprächsleitfaden und Übungen

Abschluss

Literaturtipps

Links

Bildnachweis

Autorin

Einleitung

Warum Geschichten?

Geschichten können:

Es gibt keinen einzigen korrekten Weg, sondern alle Wege sind offen und möglich.

Bedeutung der narrativen Psychologie

Der narrative Gesprächsansatz basiert auf dem Gedanken, dass wir durch die Geschichten, die wir über uns selbst und über andere in uns tragen, unserem Leben Sinn geben.

Diese Geschichten können motivierend und stärkend sein, aber auch problematisch und einschränkend. Dabei ist die zugrundelegende Metapher, dass Menschen das eigene Leben in Geschichten organisieren. Egal ob in tatsächlichen Anekdoten, die wir erzählen, in Briefen oder in alltäglichen Gesprächen, immer interpretieren wir unser Leben auf bedeutsame Weise und wählen dafür bestimmte Aspekte unseres Erlebens aus.

In der narrativen Therapie wird die „Problemgeschichte“, die Klienten erzählen, durch die Fragen der Therapeutin angereichert und erweitert mit mehr Details, sodass die Geschichte näher an die Realität kommt. Dahinter steckt die Idee, dass die Problemgeschichte wichtige Aspekte auslässt, die aber hilfreich zu sehen sind: Widerstand gegen das Problem, biographische Gründe für das Fehlverhalten, ein gesellschaftlicher Hintergrund einer schwierigen Zeit, moralische Werte die erklären, warum man ist, wie man ist. So ist es möglich, eine neue Haltung zu sich selbst und dem Problem zu finden, die umfassender als die ursprüngliche Erzählung ist.

Eine wichtige Technik dabei ist die Externalisierung, d.h. man unterscheidet zwischen dem Menschen und seinem Problem. Der Mensch ist nicht das Problem, sondern er hat ein Problem. Damit muss er nicht mehr in die Rolle der Selbstverteidigung gehen und ist offen für Veränderungen. Durch diese Verlagerung entsteht ein Perspektivenwechsel, der es ermöglicht, objektiver auf eine Situation zu schauen. Das Problem kann mit Abstand wahrgenommen werden und fehlende oder ergänzende Aspekte können hinzugefügt werden. Neue Möglichkeiten können erkannt und ins eigene System integriert werden.

In der narrativen Kunsttherapie wird mit Bild-Geschichten gearbeitet.

Die in diesem Buch ausgewählten Geschichten bieten ein Spektrum an Möglichkeiten, um zu den unterschiedlichsten Themen wie Mut, Vertrauen, Angst, Durchsetzungskraft uvm. im Sinne der narrativen Gesprächsführung zu arbeiten.

Metaphern und Symbole

Metaphern

Können wir als Geschichten mit einem Symbolgehalt verstehen, in denen Personen Charakterzüge und Eigenschaften haben, in denen sich der Zuhörer spiegeln kann. Sie enden oft mit einem „Aha“- Erlebnis, sind humorvoll und regen zum Nachdenken und zum Gespräch an.

In unserem Sprachgebrauch kennen wir die Metapher auch als Bild im übertragenen Sinne, um eine Situation genau zu benennen, wie z.B. eine „Sternstunde“ – als besondere Zeit, die „rosarote Brille“ als gutgläubige Wahrnehmung, die „Nussschale“ als kleines Boot usw.

Symbole

Sind Bildträger und Erkennungszeichen, die in einer Kultur eine gemeinsame Gültigkeit haben. Geschichten mit Symbolgehalt fungierten über Jahrhunderte hinweg zur Weitergabe von Erfahrungen, Werten und Überzeugungen.1

Die Heldenreise als inneres Prinzip einer Geschichte

Quelle: www.heldenprinzip.de

Der Mythenforscher Joseph Campbell (1904 – 1987) entdeckte, dass in allen Religionen, Sagen, Mythen und Geschichten universell gültige Erfahrungsmuster verborgen liegen, die sich auch in der Struktur der menschlichen Psyche wiederfinden. Jeder Lebensweg und jede Heldenreise beinhaltet 11 Krisen, 11 Situationen oder Stationen, die mit entsprechenden Wandlungen verbunden sind. Die zwölfte Station ist immer der Status Quo und der Ausgangspunkt für neue Abenteuer und Entscheidungen.

Somit hat jeder Mensch auf seiner persönlichen, individuellen Heldenreise mit den gleichen Abläufen zu tun: Er ist mit der momentanen Situation unzufrieden, ignoriert aus Angst oder Bequemlichkeit den Ruf zur Veränderung, macht sich dann doch auf den Weg, trifft Unterstützer und Verbündete, erprobt seine Fähigkeiten, erkennt seinen größten inneren Feind, entreißt ihm in einem Kampf auf Leben und Tod ein Elixier (Wissen, Erkenntnis), wird bei der Rückkehr von seinem inneren Feind verfolgt und besiegt ihn endgültig (Transformation). Er kehrt als „Herr zweier Welten“ (Alltagsleben und neues Wissen) mit seinem Elixier in seine Welt zurück und lässt die Welt an seinem neuen Wissen teilhaben. Beispiele für diese Reise sind z.B. „Die unendliche Geschichte“, „Herr der Ringe“, „Jim Knopf“ oder Filme wie „Star Wars“.

Die in diesem Buch gesammelten Geschichten beinhalten jeweils einen Aspekt dieser Heldenreise. Sie können sowohl einzeln besprochen werden als auch in den Gesamtkontext mit den anderen Aspekten gestellt werden, um einen Überblick über die vollständige Reise und Zielfindung zu geben.

Praktische Überlegungen zu den Geschichten

Herkunft der Geschichten

Die hier gesammelten Geschichten stammen aus aller Welt und wurden zum größten Teil mündlich überliefert. Die Inhalte sind als Ur-Bilder und Archetypen auf der ganzen Welt ähnlich und werden je nach Kultur und Gemeinschaft in unterschiedlichen Bildern vermittelt.

Welche Wirkung hat eine Geschichte?

Wie wähle ich eine Geschichte aus?

Aktuelle Themen in der Gruppe haben immer Vorrang. Es gilt für den Gesprächsleiter, abzustimmen, ob die Geschichte das Thema direkt oder indirekt aufgreifen oder von einer ganz anderen Seite beleuchten soll. Der Vorteil der direkten Ansprache ist, dass die Gruppe tatsächlich konzentriert und ohne Abschweifungen an diesem Thema arbeitet. Wenn eine Gruppe mehr Zeit hat und regelmäßig zusammenkommt, können Themen in Ruhe und organisch entwickelt werden. Indirekt auf ein Thema zuzusteuern bewirkt, dass die Teilnehmer sich nicht überfordert oder angegriffen fühlen und ihrem eigenen Rhythmus entsprechend auf das Thema einlassen können. Die Selbststeuerung und Selbstregulierung einer Gruppe können dabei eine wertvolle Erfahrung und neue Lernmöglichkeit sein.

Erfahrungsgemäß werden die Themen, die die Gruppe bewusst oder unbewusst beschäftigen, im Laufe des Gespräches von selbst angesprochen. Jeder Teilnehmer identifiziert sich in der Regel mit einer Rolle oder einem bestimmten Aspekt in der Geschichte. Die Interpretationen einer Geschichte können somit sehr unterschiedlich sein. Der Gesprächsleiter hat hierbei nun die Aufgabe, allen Perspektiven Raum zu geben und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.

Für welche Gruppe ist sie geeignet?

Jede Geschichte ist für Menschen ab 5 Jahre geeignet! Das Gesprächsniveau sollte dem Alter der Teilnehmer angepasst werden.

Unter welchen Bedingungen wird eine Geschichte am besten erzählt?

Wichtig ist eine offene Atmosphäre, in der jeder Teilnehmer die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen und Gedanken zu äußern, ohne dass sie kommentiert oder bewertet werden. Jede Aussage hat ihre Berechtigung und Gültigkeit und kann in den Raum gestellt werden.

Die Gespräche werden nicht ziel- oder ergebnisorientiert geführt, sondern sollten als Anregung und Inspiration verstanden werden. Respektvolles und achtsames Zuhören als innere Haltung erschaffen gleichzeitig einen vertrauensvollen Rahmen.

Als äußerer Rahmen eignet sich besonders das Kreisgespräch. Dabei wird die Gleichstellung aller Gesprächsteilnehmer am besten sichtbar und erfahrbar. Bewährt hat sich in der Mitte ein Symbol – z.B. ein Blumenstrauß, ein Objekt, eine Skulptur, eine Kerze oder einen Gegenstand, der die Gruppe gerade beschäftigt zu platzieren und somit den Fokus immer wieder auf die Mitte und das Gemeinsame zu richten. Gespräche am Lagerfeuer sind natürlich auch eine wunderbare Möglichkeit, um eine entspannte Atmosphäre zu kreieren.

Das offene Gespräch – philosophieren mit kleinen und großen Menschen

Die offenen Fragen dienen nur als Gesprächsleitfaden und sind als Anregung gedacht. Es werden sich sicherlich daraus viele weitere Fragen ergeben, die alle in einem lebendigen Gespräch ihren Platz haben können.

Die Fragen kreisen zunächst um die Geschichte selbst. Dann wird versucht, die Fragestellung, die Botschaft und das Muster zu erkennen. Nun bezieht man die Geschichte auf die Gesprächsteilnehmer selbst: Wie sind ihre konkreten Erfahrungen, Gedanken und Gefühle dazu. Welche Lösungsansätze gibt es?

Schließlich wird der Bogen zu allgemeingültigen, universellen Werten wie Freundschaft, Treue, Hoffnung, Glaube, Wahrheit etc. gespannt und der Blick auf die Gesellschaft, in der wir leben, und die ganze Welt geöffnet.

Die Übungen

Im Praxisteil werden Übungen vorgestellt, die das Thema verdeutlichen, sichtbar und erfahrbar machen sollen. Wichtig dabei ist, dass der Gesprächsleiter offen und aufmerksam dafür ist, wenn sich nun Gespräche zu dem Thema anbahnen. Es empfiehlt sich, eine Abschlussrunde und Möglichkeiten zur Reflektion des Erlebten anzubieten.

In vielen Bereichen wie der Kinder- und Jugendarbeit, der Gestaltung von Ethikunterricht oder Kindergottesdiensten, im Bereich Hospiz- und Palliativpflege, in der Geriatrie, im Coaching und anderen Gruppenprozessen ist immer die grundlegende Frage, wie der Gesprächsleiter an ein Thema herangehen soll. Die Erfahrung zeigt, dass eine offene Grundhaltung für das, was mir im Kontakt mit anderen Menschen begegnet, der wichtigste Baustein für ein gelungenes Gespräch ist. Dieses Buch möchte versuchen, durch ausgewählte Geschichten einen Anker für Themen anzubieten, denen die Gruppe sich dann entweder zunächst praktisch durch die Übungen und Spiele nähern kann oder das Thema zunächst im Gespräch erörtern und dann praktisch vertiefen kann.

Oft zeigt sich auch, dass während einer praktischen Übung ein Gespräch viel leichter und wie von selbst entsteht. Diese Situation kann natürlich immer aufgegriffen und vertieft werden. Bei dynamischen Spielen ist es sinnvoll, nach einer Weile eine kurze Pause zu machen und das Erlebte zu reflektieren, um dann mit neuen Impulsen in die zweite Phase gehen zu können.

Die Ideen sind hierbei als Möglichkeiten gedacht und wir hoffen, dass sie zu einem lebendigen, intensiven und humorvollen Austausch führen.2

Tipps

1   Literaturempfehlung: „Der Mensch und seine Symbole“ von C. G. Jung Verlag Patmos – broschiert, 25.9.2012

2   Weiterführende Literatur zur Methodik und Didaktik: Handbuch der Psychomotorik, von Prof. Dr. Renate Zimmer, Verlag Herder 2010, ISBN 9783451266218