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Über dieses Buch:

Von der Autorin des Bestsellers »Schwestern der Hoffnung«: Dunkelheit zieht auf über dem Berlin der 30er Jahre – doch der Mut einer jungen Frau strahlt wie ein Licht in finsterer Nacht … Voller Hoffnung reist Jenny nach Berlin, um dort Gesang zu studieren. Der goldene Glanz und das wilde Leben der Stadt ziehen sie sofort in ihren Bann – ebenso wie der charmante Künstler Björn Jonasson. Mit ihm wagt Jenny zum ersten Mal, von Freiheit zu träumen: Freiheit von den ehrgeizigen Ambitionen ihrer Mutter und von allen Konventionen. Doch als das Glück zum Greifen nahe scheint, wandelt sich ihr geliebtes Berlin plötzlich in eine gefährliche Falle: denn Jennifer ist Jüdin. Wir ihr unbändiges Verlangen nach Leben und Liebe stärker sein als die Fesseln des Schicksals?

»Jennys Geschichte steht stellvertretend für viele begabte Frauen des letzten Jahrhunderts, die sich ihr Leben zu Recht anders vorgestellt hatten – und es dennoch mit Würde gelebt haben.« Bestseller-Autorin Viola Alvarez

»Ein Meisterstück von der Großmeisterin der Unterhaltungsliteratur.« Welt am Sonntag

Über die Autorin:

Barbara Noack, geboren 1924, hat mit ihren fröhlichen und humorvollen Bestsellern deutsche Unterhaltungsgeschichte geschrieben. In einer Zeit, in der die Männer meist die Alleinverdiener waren, beschritt sie bereits ihren eigenen Weg als berufstätige und alleinerziehende Mutter. Diese Erfahrungen wie auch die Erlebnisse mit ihrem Sohn und dessen Freunden inspirierten sie zu vieler ihrer Geschichten.
Ihr erster Roman »Die Zürcher Verlobung«, der nun unter dem Titel »Fräulein Julies Traum vom Glück« neu bei dotbooks erscheint, wurde zweimal verfilmt und besitzt noch heute Kultstatus. Auch die TV-Serien »Der Bastian« und »Drei sind einer zu viel«, deren Drehbücher die Autorin verfasste, brachen in Deutschland alle Rekorde und verhalfen Horst Janson und Jutta Speidel zu großer Popularität.

Eine Übersicht über weitere Romane von Barbara Noack finden Sie am Ende dieses eBooks.

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eBook-Neuausgabe Juli 2020

Dieses Buch erschien unter dem Titel »Jennys Geschichte« bereits 1999 bei Langen Müller und 2016 bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 1999 by Langen Müller in der
F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Neuausgaben 2016 und 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Ysbrand Cosijn / Rudy Balasko / javarman / Vector

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95824-621-8

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Barbara Noack

Die Lichter von Berlin

Roman

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Stammbaum

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Jahrhundertwende

Mathilda Bär, Jennys Großmutter, gehörte zu den ersten Mietern in dem pompösen Neubau am Kurfürstendamm gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Von ihrer geräumigen Wohnung im zweiten Stock aus konnte sie das Vorfahren der Kutschen bei Hochzeiten und Trauerfeiern beobachten – und einmal hatte sie auch den Kaiser hineingehen sehen. Ihr Fernglas lag auf dem Fensterbrett immer parat. Manchmal wehten Orgelfetzen durch die kurz geöffnete Kirchentür, und wenn der Straßenlärm nachließ, hörte sie das Brüllen der Löwen im nahen Zoo.

Jedes Jahr, wenn Mathildas Tochter Paula Bergenser mit ihrem Mann Robert und ihrer Tochter Jenny samt Kinderfräulein aus Hamburg zu Besuch kam – aus der Provinz, wie die Berliner abfällig sagten –, hatte sich das Häuserspalier zu beiden Seiten des Kurfürstendamms Richtung Halensee verlängert. Die Bauweise entsprach ganz dem Prunkgeschmack der gut verdienenden Großbürger: Die Fassaden wurden mit strammen Karyatiden, Säulen und Balustraden, die Dächer mit Kuppeln oder Türmchen bestückt, ein unbekümmertes Stilgemisch, welches das Gesicht des Kurfürstendamms prägte.

Seit der Reichsgründung hatte sich Berlin, die Hauptstadt des Kaiserreiches, innerhalb weniger Jahrzehnte zur modernsten Industriestadt Europas mit fast zwei Millionen Einwohnern entwickelt. Die Stadt schluckte nach und nach das gesamte Umland: Äcker, Wiesen, ganze Dörfer. Für die vielen Arbeit suchenden Zuwanderer – meist Polen und Schlesier – und für das ansässige Proletariat wurden fünfstöckige Mietskasernen aus dem Boden gestampft, mit mehreren Innenhöfen hintereinander, die nie ein Sonnenstrahl erwärmte. Sie stellten ideale Brutstätten für Tuberkulose dar; »Motten in der Lunge« sagten die Berliner dazu. Die Armut war vor allem im Osten und Norden der Stadt angesiedelt. Die Gewinner des allgemeinen Aufschwungs zog es in den Westen. Alles war hier neu, die Reichen, die Häuser, in denen sie wohnten, der Protz. Selbst die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gegenüber von Madame Bärs Wohnung war erst vor fünf Jahren erbaut worden.

Bergensers kamen zu Weihnachten, das war Tradition, und blieben bis zum zweiten Januar. Dieses Mal sahen sie dem letzten Tag des Jahres nicht ohne Lampenfieber entgegen, denn in der Silvesternacht begann ein neues Jahrhundert: das zwanzigste.

Jenny sollte an diesem Abend früh zu Bett gehen, damit sie um Mitternacht ausgeschlafen war. Selbstverständlich wurde sie von Fräulein Amanda bewacht, die Tag und Nacht um sie war, solange sie denken konnte, blaß und temperamentlos wie Milchsuppe, immer gleichmäßig sanft und geduldig. Es war so bequem mit ihr, sie nahm Jenny jede Bemühung ab mit der Bemerkung: »Das mach ich schon, mein Liebling, du kannst das ja doch nicht.« Dieser Satz sollte lange noch jede Eigeninitiative des Kindes verhindern.

Gegen sieben Uhr rauschte Madame Bärs älteste Tochter Magda mit ihrem Mann Edmund Kimmeistiehl in beeindruckender Gala in die Diele, um Robert und Paula Bergenser zum Theater abzuholen. Unter einem Cape aus imitiertem Breitschwanz schleppte Plissiertes hinter Magda her. Edmund, ihr Gatte, Kaiser Wilhelm II. verblüffend ähnlich, trug einen Pelerinenmantel genau wie S. M., wenn in Zivil, dazu einen Zylinder. Ihre Kinder hatten sie zu Haus beim Personal gelassen.

Tilla Bär betrachtete mißbilligend ihren Schwiegersohn: »Schneidig, schneidig, lieber Edmund, aber wenn ich dir raten darf, dann laß den Hut hier, du weißt, in der Silvesternacht…«

»Mir passiert schon nichts«, unterbrach er sie. Ein Kimmelstiehl ließ sich von Schwiegermutter nur ungern Ratschläge geben. Bornierter Pinkel, dachte Tilla hinter ihm her.

Dann waren sie fort, auf dem Weg zum Apollotheater, und in der großen Wohnung wurde es still, bis auf das Knacken des Parketts und feines Gläserklingen aus dem Salon, wo Ida den Tisch für das Nachtmahl deckte.

Tilla Bär hatte eine Einladung vom Verein der Künstlerinnen mit der Begründung abgelehnt, verkühlt zu sein. Aber es war wohl mehr ihr Wunsch, die Abendstunden vor der Jahrhundertwende besinnlich zu Hause zu verbringen.

Im Journal hatte sie die Prognosen für das 20. Jahrhundert gelesen. Für Deutschland wurde Weltgeltung vorhergesagt. Zunehmende Motorisierung. Ein Sieg der Sozialdemokraten. Das hätte Bismarck ja nun gar nicht geschmeckt. Er war der neuen Zeit und Technik nicht mehr gewachsen gewesen. Hatte er selber einmal gesagt: »Berlin ist mir über den Kopf gewachsen.«

Als Tilla das Fremdenzimmer betrat, probierte Jenny gerade ihre neuen Buntstifte aus, während Fräulein Amanda ein Puppenkleid umsäumte. »Ich bring sie sofort ins Bett, gnä’ Frau«, versicherte Fräulein.

»Was malst du denn da?« fragte Tilla interessiert.

»Ach, das neue Jahrhundert.« Jenny hielt der Großmutter das Zeichenblatt hin. Da war eine Häuserreihe zu sehen, dahinter ein rot gestrichelter Himmel mit Kreisen und Pfeilen. Und eine Mondsichel.

»Kind, das sieht ja aus, als ob die Häuser brennen.«

»Nein, das ist doch bloß das Feuerwerk. Freust du dich auf 1900?«

»Ich weiß nicht«, sagte Tilla, »mir ist immer ein bißchen bange, wenn ein Jahr zu Ende geht. Dabei ist es im Grunde nicht mehr als ein Datumswechsel. Aber wenn sich gleich ein ganzes Jahrhundert verabschiedet! Plötzlich möchte man es festhalten, weil es ein so gutes für uns war.«

»Erzähl mir von deinem Jahrhundert, Großmama«, bat Jenny, um das Ins-Bett-Gehen hinauszuzögern. »Wo warst du als Kind?«

Tilla Bär gab die Geschichte zum besten, die sie zu erzählen pflegte, wenn sie in Berlin nach ihrer Herkunft gefragt wurde.

»Als ich so alt war wie du, habe ich in Kiel gewohnt«, sagte sie. »Im schönen Giebelhaus meines Großvaters am Markt.

Mein Vater war ein Freiheitsheld. Als sein Aufstand mißlang, mußte er fliehen, um nicht eingesperrt zu werden. Er floh übers Meer. Kurz vor Amerika versank das Auswandererschiff in einem fürchterlichen Sturm mit Mann und Maus und meinem Vater. Wir haben nie mehr von ihm gehört.«

Jenny war beeindruckt. Wer hatte schon einen ertrunkenen Helden zum Großvater!

Vielleicht würde Tilla ihr später einmal die wahre, trostlose Geschichte ihrer Jugend erzählen, als sie zu den Allerärmsten der Armen gehörte, herumgestoßen und von der Stiefmutter als Magd ausgebeutet. Tilla verdrängte ihre Jugenderinnerungen. Sie wollte an nichts Bedrückendes mehr erinnert werden. Sie mied den Geruch der Armut. Um ihr Gewissen zu beruhigen, spendete sie lieber auf Wohltätigkeitsfesten, auf denen es nach schwerem Moschusparfum und kalten Buffets duftete.

»Aber nun muß unser Liebling ganz schnell ins Bett«, mahnte Fräulein, worauf Tilla die beiden allein ließ, in ihr Schlafzimmer ging und nach ihrer Wirtschafterin läutete.

Sie verlangte einen gut gekühlten Niersteiner. »Bring dir auch ein Glas mit, Ida, aber leg vorher noch meine grüne Gesellschaftstoilette heraus, heute ist schließlich eine besondere Nacht.«

Während sie sich umkleidete, schaute sie kritisch in den freistehenden Spiegel. Ihr Haar war frühzeitig weiß geworden, mit einem leichten Gilb wie bei einem alten Hermelinfell. Das Gesicht wirkte wie gemeißelt und zeigte keine Spur von Altersschlaffheit: fein aufgeräumte Fältchen um Augen und Oberlippe, eine schmale, gerade Nase, wachsame Blicke aus aquamarinblauen Augen, ein energisches Kinn, das sie ihrer Tochter Paula vererbt hatte. Ihr einziger Schmuck waren schwere, die Ohrläppchen herabziehende Brillantboutons.

Ida half ihr beim Zuhaken der grünen Robe.

»Knüter nicht so rum«, schimpfte Tilla.

»Ohne Brille jeht das nich schneller, gnä’ Frau.«

»Dann hol den Wein. Ich komm schon allein zurecht.«

Ida trank ihr Glas – »Ich bin so frei.« – in einem einzigen geübten Zug aus.

Madame Bär war schwierig und nicht immer gerecht, aber im Laufe von 15 gemeinsamen Jahren hatte Ida das Schicksal Tilla Bars und ihrer Familie gleichsam als ihr eigenes annektiert. Sie war Ende Fünfzig, genau wie Madame, und mit ihrer Stellung zufrieden, weil sie ihr ein Leben frei von Existenzängsten bot. Eine knausrige, ungeduldige Gnädige in einer gutgeheizten Siebeneinhalb-Zimmer-Wohnung am neuen Kurfürstendamm war weitaus einfacher zu ertragen als ein grober Kerl, der ihr in einer Hinterhofbleibe ein Gör nach dem anderen gemacht hätte und seinen Wochenlohn versoff. Aber daß Madame ihre Weinvorräte seit kurzem in drahtigen Gefängnissen mit starken Schlössern einzubuchten pflegte, das nahm sie ihr übel.

»Na schön«, sagte Tilla Bär, die ihre Gedanken erriet, »schenk dir noch ein Glas ein.«

Nach dem Genuß desselben fing Ida an zu philosophieren: »Jedet Jahrhundert hat sein Schicksal, und jedet Land und jede Stadt hat ooch seins – und wir sowieso.«

»Ja und?« fragte Tilla ungeduldig, weil danach nichts mehr kam.

»Jetzt hab ick den Faden verloren«, bedauerte Ida, dann fiel ihr wieder ein, was sie sagen wollte. »Nehm es bloß mal det Schicksal von Preußen in dieset Jahrhundert. Anfangs wurden die Pißpötte noch auf die Straße jekippt, und nu ham wa Spülklosetts. Der Fortschritt is nich aufzuhalten und wird immer technischer. Aba«, ihr Zeigefinger stieß warnend in die Höhe, »im nächsten Jahrhundert jibt’s ’nen Bruch. Da hat Frau Matzke bloß noch Scherben jesehn und Blut und Zerstörung. Danach fangen die Menschen wieder mit ’nem Plumpsklo an. Und det soll’n se allet ’nem neuen Messias zu verdanken haben.«

»So ein Blödsinn.« Tilla wurde wütend angesichts von so viel Spökenkiekerei. »Wer ist überhaupt Frau Matzke?«

»Eine Wahrsagerin.«

Tilla sah ihre Wirtschafterin amüsiert an. »Sag bloß, sie hat dir auch noch einen Bräutigam versprochen.«

»Ach, gnä’ Frau, det is vorbei. Wat krieg ick denn noch in mein Alter!? Bloß det olle Kroppzeug, det keena mehr will. Neeneenee, ick bin doch nich hier –!« Sie tippte gegen ihre Stirn. »Ick war bei Frau Matzke wegen meine Warzen. Die sagt nich bloß wahr, die kann ooch besprechen.« Ida streckte Tilla Bär ihre Hände hin. »Da, sehn es, alle wech.«

»Ja, wirklich.« Tilla war beeindruckt.

Ida drehte an ihrem leeren Glas, weil aber die Gnädige diesen Wink nicht verstehen wollte, stand sie schließlich auf. »Ick muß jetzt in meine Küche; sonst werd ick bis zwölfe nich fertig.«

»Ida«, rief Madame Bär hinter ihr her, »woher kennst du diese Person?«

»Die Matzke? Die kennt jeder hier. Wochenlang vorher muß man sich anmelden. Kost teuer. Zehn Märker für’s Warzen-Weghexen.«

Als Ida gegangen war, goß sich Tilla Bär ein zweites Glas Wein ein.

Sie hielt nichts von Wahrsagerinnen. Alles Mumpitz. Dennoch wollte sie zu gern wissen, ob die Ehe zwischen ihrer Tochter Paula und ihrem Schwiegersohn noch zu retten war. Robert ging völlig in seiner Praxis auf. Er hatte kaum Zeit für seine Familie. Paula hingegen fühlte sich unausgefüllt, nutzlos und machte ihm ständig Vorwürfe, weil er nicht bereit war, diese alte Jungfer zu entlassen, die ihr das Kind wegnahm. Robert schwor auf Fräulein Amanda, und Jenny brüllte wie am Spieß bei der Vorstellung, ihr Kinderfräulein zu verlieren. Im Haushalt hatte Paula auch nichts zu tun, der wurde von einer Köksch, zwei Mädchen und einem Diener beherrscht…

Auf dem freistehenden Herd in der großen, gekachelten Küche köchelte die Gulaschsuppe für die Heimkehrer aus dem Theater. Ida war gerade dabei, ihre Zitronencreme mit einem Schneebesen schaumig zu prügeln. Tilla sah ihr von der Tür her zu und überlegte, ob sie nach der Adresse der Wahrsagerin fragen sollte. Aber dann war ihr das doch zu peinlich.

Nur noch 52 Minuten fehlten bis Mitternacht. Unten auf dem Kurfürstendamm nahm die Unruhe langsam zu.

Im Apollotheater hatte Paul Linckes nagelneue Operette »Im Reiche des Indra« das Publikum in Champagnerlaune versetzt. Selbst Edmund Kimmeistiehl, der sonst nie zufriedenzustellen war, sprach von einer tadellosen Aufführung. Magda hatte die große Pause am besten gefallen: »Nein, diese Roben, diese Eleganz, da kommt sich ja unsereins richtig schäbig gegen vor.«

Weil sie ihr im Trubel verlorengegangenes Riechfläschchen suchen mußte, verließen Bergensers und Kimmelstiehls als letzte Besucher das Theater. Die Schlange der wartenden Droschken hatte sich inzwischen aufgelöst. Es blieb ihnen deshalb nichts anderes übrig, als zu Fuß zum Bahnhof zu gehen.

Auf einmal sahen sie eine Menschenkette auf sich zukommen, die »Zylinder, Zylinder« skandierte. Ein Mann löste sich aus der Kette und ging direkt auf Edmund zu: »Nimm den Deckel ab!« rief er übermütig, worauf Kimmelstiehl schrie: »Aus dem Weg, verdammter Pöbel.«

Das hätte er besser nicht gesagt. Denn der Mann hob seinen Arm und hieb mit der Faust kraftvoll auf das Prachtexemplar von Zylinder ein. Deckellos rutschte das gute Stück über Edmunds ungläubiges Entsetzen hinweg auf seinen Kragen. Wild schlug er um sich, und ebenso wild schlug Magda mit dem Pompadour auf den Angreifer ein.

»Um Gottes willen! Magda!« Paula zog an ihrer Schwester und war, ehe sie sich versah, umringt von der grölenden Meute. Wo war Robert? Nie war er da, wenn sie ihn brauchte.

Bergenser hatte indessen das Laternenlicht einer langsam näherrollenden Droschke dritter Güte gesichtet und stellte sich dem Gaul in den Weg. Der Kutscher winkte ab, seine Liese lahme. Robert versprach ihm den dreifachen Fahrpreis, wenn er sie mitnähme, dann drängelte er sich in die Mitte des Menschenknäuels vor und griff nach dem rasenden Edmund mit den Zylinderresten vor seinem Gesicht. »Nicht treten, Edmund, ich bin’s, Robert, nun komm schon.« Und zur kreischenden Magda: »Die Droschke da drüben, steig sofort ein.«

Dann suchte er Paula. Wo war seine Frau? Endlich erblickte er sie: Sie stand da, im Kreis der Zylinderjäger, als ob sie dazugehörte, und zog gerade ein Taschentuch aus dem Muff, um ihre Lachtränen abzuwischen. Ihr schwarzes, starkes Haar wirkte zerzaust. So fröhlich hatte er sie seit Jahren nicht mehr erlebt. Mit ihren frostgeröteten Wangen und ihrem herzlichen Lachen sah sie aus wie das frühreife Mädchen Polly, das er vor acht Jahren geheiratet hatte. Er liebte sie noch immer.

Paula lachte durch ihn hindurch, als sie seinem Blick begegnete.

»Nun komm schon.« Er zog sie mit sich fort.

Die jungen, leicht angetrunkenen Zylinderjäger riefen: »Bleib hier, Mädel!« hinter ihr her. »Bei uns wird’s bestimmt lustiger als mit den Spießern!«

Die Fahrt ging über Glatteis durchs Brandenburger Tor die Siegesallee hinunter. Dabei redete der Kutscher unaufhörlich auf seinen Klepper ein: »Vorsicht, Lieseken, Lieseken, Vooorsicht! Detste mir keen Bild machst!«

Und Lieseken machte keen Bild. Sie rutschte zwar mehrmals bedrohlich aus, fing sich aber zum Glück immer wieder.

Tilla hatte fröhliche Heimkehrer erwartet. Statt dessen stürmte Magda mit aufgelöstem Dutt, Zylinderreste in den Händen, auf ihre Mutter zu. »Schau dir das an, Mama. Um ein Haar hätten sie mein Edmundchen totgeschlagen. Es war ein Alptraum, nicht wahr, Robert, nun sag doch was!«

Er grinste, da fing auch Paula wieder an zu lachen.

»Das ist alles die Schuld der Sozis«, schimpfte Kimmeistiehl. »Die hetzen den Pöbel auf!«

Magda spuckte in ihr Taschentuch und tupfte damit das getrocknete Blut von einer Schramme an seiner Stirn. Verärgert schob er sie zur Seite. »Laß mich in Ruh!«

In diesem Augenblick kam Fräulein Amanda mit der verschlafenen Jenny ins Zimmer. »Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, in fünf Minuten geht unser liebes Jahrhundert zu Ende.«

»Ach, du großer Gott«, erschrak Tilla. »Nun aber fix. Robert, mach den Champagner auf, Paula, hol die Gläser, Ida – unsere Pelze für den Balkon! Reiß dich zusammen, Kimmeistiehl, verdirb uns nicht von Anfang an das neue Jahrhundert! Robert, wie spät ist es genau? Magda, Edmund – nun kommt schon.«

Dann vernahm sie Edmund Kimmelstiehls energisches »Nein« aus dem Salon. »Ich trinke nicht auf diese Zukunft. Mit der Zerstörung harmloser Zylinder fängt es an, und wo wird es für uns enden? Auf dem Schafott! Vom Pöbel hingerichtet.«

»Jawohl, Schwager«, sagte Robert, die aufgeklappte Taschenuhr in der Hand, und zählte: »Noch acht Sekunden – sieben – sechs – fünf – vier – drei – zwo – eins und: Kopf ab!« Verflixter Kimmeistiehl mit seinem Hinrichtungsgefasel! Gott sei Dank hatte ihm angesichts der allgemeinen Ergriffenheit niemand zugehört.

Auch Jenny, in das Otterfell ihres Tuchmantels gewickelt und eng an Großmama gepreßt, fühlte eine bedeutungsvolle Erschütterung.

»Prost Neunzehnhundert!«

Raketen zischten in die Nacht – aber wo blieben die Glocken? Doch ehe es zum Streit kam, ob Roberts Uhr vorging oder die der Gedächtniskirche nach, setzten sie auf einmal tief und voll ein, und nach und nach kamen auch die der anderen Kirchen dazu. Die Menschen auf der Straße brüllten »Prost Neujahr«, und aus Fenstern und von Balkonen kam das Echo. Der Himmel rauchte und glitzerte von weißen Blitzen, aufblühenden Rosetten, Palmen, Fontänen, Girandolen, römischen Lichtern, Wirbelpiecen, riesigen Buketts und Sternen – ein chromophantastisches Feuertableau. Ein verpulvertes Vermögen. Und dazu die Glocken! Eine Trompete blies »Lobet den Herrn« dazwischen.

Nie wieder würde Jenny so einen feierlichen Krach erleben. Auch sie hielt ein Champagnerglas zum Anstoßen in den Händen, wurde geküßt und umarmt und ließ sich ein friedliches, glückliches, erfolgreiches neues Jahrhundert wünschen.

Robert wollte seine Frau auf den Mund küssen, aber Paula entzog sich ihm durch eine kleine Kopfbewegung, so daß seine Lippen ihr aufgestecktes Haar berührten. Tilla Bär sah es, und es machte sie traurig. Und Jenny sah es auch.

Nach einer Weile hörten die Glocken auf, später auch das Feuerwerk. Tilla, Bergensers und Fräulein Amanda gingen in den Salon zurück, und Ida eilte in ihre Küche, an Kimmelstiehls vorbei, die wie zwei beleidigte Leberwürste auf dem Sofa saßen. Man hatte Edmunds Kampf mit dem Pöbel in dieser Familie nicht wichtig genug genommen, sogar gelacht. Darum wollten Kimmelstiehls auch nicht zum anschließenden Nachtmahl bleiben, sondern heim zu ihren Kindern.

»Nein danke, Mama, ich will nichts essen, mir ist der Appetit gründlich vergangen«, versicherte Magda gekränkt.

Bevor sie gingen, ließen sie sich von Ida die Hälfte der vorbereiteten Canapés sowie einen Henkeltopf voll Gulaschsuppe einpacken – und eine Flasche Champagner.

»Kimmeistiehl verdirbt einem jedes Fest«, beschwerte sich Tilla, nachdem sie die beiden zur Haustür gebracht und am Eßtisch Platz genommen hatte. »War es denn wirklich so schlimm?«

»Es waren junge, angeheiterte Leute auf der üblichen Silvesterjagd nach Zylindern«, erklärte Robert. »Aber es hätte böse ausgehen können, denn er hat sie als ›Pöbel‹ beschimpft.«

»Ja«, nickte Paula, »er wird immer gleich so ausfallend.«

Nach dem Essen brachte Fräulein Amanda Jenny zu Bett. Als letzte sagte ihr die Großmutter gute Nacht.

»Eine Jahrhundertwende erlebt nicht jeder, das ist etwas Besonderes, nicht wahr, Großmama?«

»Ja, mein Kind«, bestätigte Tilla, und dabei hielt sie Jennys weiche Hand.

»Alle Menschen umarmen sich und wünschen sich Gutes. Aber sie sind sich nicht gut«, sagte Jenny bedrückt.

»Ach weißt du, jeder hat die besten Absichten fürs neue Jahr, nur die wenigsten halten sich daran. Wir Menschen sind schwach«, gab Tilla zu.

»Mama und Papa sind nicht schwach, wenn sie streiten. Keiner gibt nach. Und immer geht es um mich. Jeder sagt, er will mein Bestes. Aber mich fragen sie nicht, was mein Bestes ist.« Jennys blasses, braves Gesichtchen, umkraust von schwarzem Haar, in ein dickes Kissen mit Lochstickerei gebettet, war gezeichnet von Traurigkeit.

Armer Schatz, der noch nie Gelegenheit gehabt hatte, herumzutoben, sich die Knie aufzuschlagen, sein Kleid zu zerreißen, sich mit anderen Kindern zu prügeln, ein Mädchen ohne Erfahrungen jeglicher Art.

In Jennys Alter, erinnerte sich Tilla, hatte sie ihre kleinen Geschwister versorgen, Wäsche waschen, das Haus putzen, kochen und die kranke Mutter pflegen müssen, immer hungrig und im Winter mit Händen und Füßen voll eitriger Frostbeulen.

»Wenn Papa und Mama das Beste für mich wollen, dann sollen sie sich wieder liebhaben«, murmelte Jenny kurz vor dem Einschlafen, und dann fiel ihr ein: »Ich muß noch beten.«

Tillas Hände hielten die Jennys wie eine Muschel umschlossen, während das Kind sein frommes Gedicht beendete und alle Menschen aufzählte, die Gott beschützen sollte. Amen.

Tilla war sehr bewegt. Ihr über alles geliebter Sohn Bernhard, ihr Abgott, war früh gestorben. Damals glaubte sie, alle Liebe und Zärtlichkeit, deren sie fähig war, mit ihm begraben zu haben. Er war so wunderschön gewesen, so blond und friesisch-blauäugig und immer fröhlich.

Und nun gab es Jenny, das genaue Gegenteil von Tillas Friesenglück, und dazu so dünn, daß man ihr das Vaterunser durch die Rippen pusten konnte. Dennoch fühlte sich Tilla in besonderer Weise zu diesem Enkelkind hingezogen.

Als sich Jenny einmal in ihrer Gegenwart verletzte, war der Gedanke, sie könnte leiden, auch für Tilla ein körperlicher Schmerz gewesen. Und mit dem Schmerz wurde auch die Liebe spürbar… und mit der neu erwachten Liebe der Wunsch, dieses Kind zu beschützen und sogar jenen anzurufen, an den sie seit ihrer frühen Jugend schon nicht mehr glaubte.

Ins Ungewisse ihr Gebet sprechend, kehrte sie ins Speisezimmer zurück: »Lieber Gott, wo immer du auch sein magst, paß gut auf dieses kleine Mädchen auf.«

Hoch oben auf dem Weihnachtsbaum glimmten zwei Kerzen. Wenn man sich nicht um alles selber kümmerte! Tilla holte den Stock mit dem eisernen Hütchen, mit dem man selbst in drei Metern Höhe die Flammen löschen konnte, und dachte dabei: Wieso habe ich auch noch Gott gebeten, auf Jenny aufzupassen? Das ist ja gerade ihr Unglück – seitdem sie auf der Welt ist, hat sie noch kaum einen unbewachten Augenblick erlebt. Ich sollte besser dafür beten, daß sie endlich laufen lernt.

Jenny

Jenny Bergenser fuhr am 1. November 1919, knapp ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, von Hamburg nach Berlin, um bei der Gesangspädagogin Dreese ihr Studium fortzusetzen. Ihre Mutter hatte in der Pension Ballmann, die man ihr empfohlen hatte, zwei Zimmer gemietet.

Mit der Taxe fuhr Jenny nach ihrer Ankunft vom Lehrter Bahnhof zum Nikolsburger Platz. Der Chauffeur brachte ihre Koffer in den dritten Stock hinauf, den Geigenkasten trug sie selbst. Frau Ballmann, die Ende Vierzig sein mochte und im Profil einem Huhn ähnelte, empfing sie bereits am Lift, neugierig und geschwätzig wie die meisten Berliner Zimmervermieterinnen, die ihren Beruf schon vor dem Kriege ausgeübt hatten und nicht erst danach wie die Damen mit Herrschaftswohnungen, die ihren Mietern persönlich übelnahmen, daß sie aus Not vermieten mußten.

»Willkommen, Frollein Bergenser. Na? Gute Reise gehabt? Ohne Streik? Streik is das einzige, worauf man sich heute verlassen kann. Hete, trag das Gepäck von Frollein ins Balkonzimmer. Schönes, gemütliches Zimmer, werden Se sich drin wohl fühlen, bißchen klamm is es ja, aber wo nich – bei dem Kohlenmangel. Und das soll noch schlimmer werden. So. Punkt sieben wird gegongt, bis dahin können Se sich noch frisch machen, Frollein.«

Hete nahm Jennys Koffer, und diese wollte ihr mit dem Geigenkasten gerade folgen, als Frau Ballmann hinter ihr her rief: »Übrigens, die Herren sind schon mächtig gespannt auf Sie. Es hat hier ja auch noch nie ’ne Dame gewohnt.«

»Was für Herren?« fragte Jenny.

»Na, Ihre Mitbewohner.« Frau Ballmann zwinkerte vertraulich. »Lauter Junggesellen.«

Jenny sträubte sich das Gefieder vor Empörung. »Damit ein für alle Mal klar ist, ich bin in Berlin, um meine Gesangsstudien fortzusetzen, und nicht, um mir einen Mann zu … zu … na, angeln.«

»Jotte doch, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.« Frau Ballmann klang ebenso beschwichtigend wie untergründig gereizt. »War ja bloß ’n Scherz, Frollein.«

»Und außerdem zieht meine Mutter ja auch bald hier ein«, fügte Jenny hinzu.

Sobald sie unter sich waren, meinte Frau Ballmann zu Hete: »Ich hab’s geahnt. Ich weiß schon, waaim ich bloß männliche Mieter haben will. Na jut, sie machen mehr Dreck mit ihre Zigarren und putzen sich auch mal die Stiebei anne Gardine, manche pinkeln nich sauber, aber sie sind nich zickig wie die Weiber und stellen weniger Ansprüche. Ach, warum hab ick mich bloß breitschlagen lassen!«

»Gegen Frollein Claire haben Se doch ooch nüscht«, gab Hete zu bedenken.

»Fräulein Claire is was andres. Die kommt bloß ab und zu, um ihren Onkel zu besuchen.«

Hete grinste, sagte aber nichts. Sie kriegte jedes Mal vom Doktor zwanzig Mark extra geschenkt, wenn Claire hier wohnte. Wer weiß, was er Frau Ballmann zusteckte, damit sie sich überzeugen ließ, daß es sich um seine Nichte handelte …

Die fünf männlichen Mieter, die sich jeden Abend um den ovalen Tisch im großen Berliner Zimmer einfanden, hatten den Zuzug von Hamburger Damen mit unüberhörbarem Mißfallen zur Kenntnis genommen. Wozu das – es war doch bisher so locker und gemütlich in ihrem Kreis zugegangen. Bei Jennys Eintritt erzählte einer der Herren gerade ein Abenteuer der letzten Nacht. Es mußte mißglückt sein, weil das Lachen seiner Zuhörer so schadenfroh klang.

Frau Ballmann klatschte in die Hände und sagte, diesmal betont hochdeutsch: »Meine Herren, bitte! Ich möchte Ihnen Ihre neue Mitbewohnerin vorstellen: Fräulein Bergenser aus Hamburg. Sie ist in Berlin, um hier Gesang zu studieren. Ich möchte die Herren bitten, sich selbst vorzustellen.«

Da stand nun die Neue, hochgewachsen, schmal, in einem krähenhaften Trauerkleid, und scheute vor all den abschätzenden männlichen Blicken.

Einer nach dem anderen schob sich aus seinem Stuhl hoch und machte eine leichte Verbeugung.

»Gestatten – Dr. Schmidt, Finanzministerium.«

Dem Journalisten Lieseke rutschte beim Aufstehen die Serviette vom Schoß, weshalb er beim Bücken seinen Namen mehr unter den Tisch als in Jennys Richtung sprach. Danach stellte sich ein Dr. Jonasson als schwedischer Dichter vor, mit Zwicker auf der Nase. Dieser wiederum gehörte dem Textilfabrikanten Lobinsky aus Breslau, der ihn vor dem Essen neben seinen Teller zu legen pflegte.

Zuletzt riß ein alter Mann seine Gicht und ebenfalls die Hacken zusammen, was ein knallendes Geräusch verursachte. »Anjenehm. Von Edlig, Oberst a. D., setzen Se sich an meine grüne Seite, Gnädigste, da is noch ’n Stuhl frei.«

Hatten die Mieter anfangs vehement gegen weibliche Elemente in ihrer lockeren Herrenrunde protestiert, so milderte sich ihre Ablehnung bei Jenny Bergensers schüchternem Auftritt. Während Herr Lobinsky seinen Kneifer suchte, ihn endlich auf Jonassons Nase wiederfand und verärgert »Immer diese dummen Scherze« murmelte, nahm sie neben dem Oberst a. D. Platz.

Hete trug zuerst die Graupensuppe mit Backpflaumen auf und keilte sie in tiefe Teller. Sehr gerade, mit angelegten Ellenbogen, löffelte Jenny ihre Suppe.

Sie war bei näherem Hinsehen sehr attraktiv. Auf langstieligem Hals ein ovales Gesicht mit vollen Lippen und mandelförmigen Augen. Wenn sie die Lider hob, überraschte ihr Blick voll mädchenhafter Unschuld, für die sie mit Ende Zwanzig eigentlich nicht mehr jung genug war. Ihr dunkles, widerspenstiges Haar bändigte sie in einem Dutt. Jonasson, Schmidt und Lieseke, die ihr gegenübersaßen, konnten die Neue nicht richtig einordnen. Dieses Fräulein Bergenser wirkte scheu, sehr wohlerzogen und ein bißchen altmodisch. Dornröschen, bevor der Prinz sie wachgeküßt hatte. In ihrer Gegenwart

versteifte die bisher so lockere Unterhaltung, auch zügelten die Herren ihre Tischmanieren. Bis auf den Oberst a.D., der schlürfte und kleckerte zum Gotterbarmen. Zwischen zwei Löffeln erkundigte er sich: »Gnädiges Frollein, zum ersten Mal in Berlin?«

»Oh, nein. Meine Großmutter hat hier gewohnt. Kurfürstendamm, Ecke Rankestraße. Wir waren jedes Jahr mehrmals hier. Leider ist sie vor kurzem gestorben.«

Dr. Schmidt horchte auf. »Und ihre Wohnung? Wie groß?«

»Siebeneinhalb Zimmer.«

»Schon vergeben?«

»Natürlich. Wir leben ja in Hamburg.«

»Schade, schade, zu schade«, bedauerte Schmidt. Sieben Zimmer am Ku’damm, das wär’s gewesen. Drei hätte man selber behalten, den Rest als Kanzlei vermietet.

»Ist es denn so schwierig mit Wohnungen in Berlin?« fragte Jenny, den Kern der Backpflaume vorsichtig am Tellerrand deponierend.

»Was glauben Sie, weshalb wir alle in ’ner Pension wohnen. Wenn einen von uns mal der Wunsch nach einer eigenen Bude übermannt, braucht er sich nur die Warteschlangen vor den Wohnungsämtern anzusehen«, antwortete Lieseke, »und schon ist er bedient. Ich zum Beispiel habe eine Braut mit drei Zimmern, sehr verkehrsgünstig gelegen. Aber da kann ich bloß übers Standesamt einziehen, und da sage ich mir, also sooo schlecht lebe ich hier ja nu auch nicht. Im Gegenteil. Es ist bequem. Um nüscht muß man sich kümmern: kein stundenlanges Anstehen, Kochen, Waschen, Bügeln, Heizen. Alles inklusive. Keiner macht einem Vorwürfe, wenn man erst um fünfe früh nach Hause kommt und der Schlüssel das Loch nicht findet. Nee, es kann schlimmer kommen als möbliert.«

Dann wurde der Hauptgang aufgetragen, für jeden eine Heringshälfte und drei Pellkartoffeln.

Journalist Lieseke war der erste, der sich anschließend verabschiedete. Er mußte zu einer Gesangsdarbietung im Blüthner Saal und anschließend zum Bayerischen Platz. Da hatte schon wieder eine Tanzdiele eröffnet. Famoser Negersänger. Ein unterhaltsamer Beruf, wenn nicht das Schreiben wäre, nachts in der Redaktion.

Jonasson, der »schwedische Dichter«, der Jenny während des Abendessens ohne Rücksicht auf ihre zunehmende Irritation eingehend betrachtet hatte, sagte: »Vielleicht kommen wir auch noch hin. Mich interessiert der Sänger. Aber es wird spät werden. Ich hole Claire vom Nachtzug ab.«

Claire. Dieser Name schien die Herren zu elektrisieren, selbst der Oberst, der noch an seinem halben Hering herumsäbelte, war beglückt: »Frollein Claire, die kesse Motte, immer lustig. Und nun kommt sie.« Auf einmal fühlte er eine Gräte im Hals und hustete.

Die übrigen Herren hatten es plötzlich eilig fortzukommen, ihre raschen Schritte im Flur, das Zuknallen der Pensionstür, und ab ins Berliner Abendleben, das übergangslos zum Nachtleben wurde. Gesellschaften, Kulturveranstaltungen, Tanzvergnügen. Boston, Bebop, Onestep, Foxtrott, Schieber. Außer dem Oberst hatten die Pensionsherren alle den Schlager »Désirée« im Kopf und kriegten ihn nicht mehr heraus, ständig, von morgens bis nachts, »Désirée«, es war manchmal zum Verzweifeln.

Jenny hätte sich auch gern verabschiedet, aber sie konnte den alten Mann mit der Gräte im Hals doch nicht alleine lassen.

»Kartoffeln«, krächzte er. »Kartoffeln helfen, damit sie rutscht.«

Während er mit dem Zeigefinger im Gaumen stocherte, rannte Jenny auf den Flur, um Hilfe zu holen. Sie traf auf Hete. »Aach, det is nüscht Neues. Der läßt sich immer wat einfallen für ’nen Nachschlag. Sagen Se ihm, Kartoffeln sind alle.«

Mit dieser Mitteilung gab sich von Edlig, wenn auch unwillig, zufrieden, die Gräte ebenfalls. Der Oberst forderte Jenny auf, wieder Platz zu nehmen. Er hatte endlich ein neues Opfer, dem er seine Familienquerelen darlegen konnte. Seine Frau war gestorben, und seine Schwiegertochter hatte ihn aus seinem eigenen Potsdamer Haus vergrault. Er hatte zwar noch seinen Sohn, aber der war viel zu schwach, um sich gegen diesen Satan von Weib durchzusetzen. »Die hat kein Herz. Das is ein Luder, sag ich Ihnen.«

Gegen acht Uhr floh Jenny in ihr Zimmer, wo Hete gerade das Bett aufdeckte.

Sie unterhielten sich über den frühen Schnee und über den ein wenig senilen Oberst, den sein Sohn ursprünglich für zwei Monate hier abgegeben hatte. Nun war er schon ein Jahr hier, weil keiner ihn haben wollte. Na ja, warum auch nicht. Solange er seine Miete zahlte. Während Jenny ihre Handtasche nach den Kofferschlüsseln durchsuchte, fragte sie beiläufig: »Was dichtet eigentlich Herr Jonasson?«

»Was tut der?« staunte Hete.

»Er hat sich mir als schwedischer Dichter vorgestellt.«

Das Zimmermädchen lachte meckernd. »Der und Dichter! Den dürfen Se nich ernst nehmen, Frollein. Der hat ’n Schalk im Nacken. Wie oft bin ick schon auf den reinjefallen. Also, Frollein: Erstens is er keen Schwede, sondern ein Norweger, aber bloß ein halber, und zwotens is er ein juristischer Doktor. So, ich verzieh mir jetzt. Anjenehme Nachtruhe.«

»Ja, gute Nacht, Hete.«

Nach immer nervöserem Suchen fand Jenny endlich die Schlüssel in ihrer Manteltasche. Sie öffnete einen der unausgepackten Koffer und zog ein Flanellnachthemd, eine Bettjacke und Bettschuhe hervor. Schuhe und Jakke hatte noch ihre Großmutter Tilla Bär gehäkelt. Großmutter war nie ohne Handarbeit gewesen, denn »Müßiggang ist aller Laster Anfang« und »Wer rastet, der rostet«. In ihrem zwanghaften Fleiß hatte sie die Familie umstrickt und zugehäkelt bis kurz vor ihrem Ende, bis »der Todesengel ihr die Nadeln aus den nimmermüden Händen nahm«, wie es ihr Schwiegersohn Edmund Kimmeistiehl in seiner Grabrede ausdrückte.

Zwei Monate zuvor, am 12. September 1919, war Mathilda Bär, geborene Süders, im Alter von 77 Jahren verstorben.

Nach ihrem Tod hatte Jenny mit ihrer Mutter, ihrer Tante Magda und Ida, der Wirtschafterin, die Wohnung am Kurfürstendamm auflösen müssen. Großmutter hatte in ihrem ellenlangen Testament jeden Gegenstand bis zum Küchenlöffel aufgeführt und bestimmt, wer ihn fortan besitzen sollte, so daß keine Streitereien unter den Erben aufkommen konnten.

Am Tage ihrer Rückreise nach Hamburg waren sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel außer den Fernzügen durch einen Streik lahmgelegt. An unbesetzte Taxen und Droschken war nicht zu denken. So kam Paula Bergenser auf die Idee, den Fahrer eines Bollemilchwagens zu bestechen, damit er sie zum Lehrter Bahnhof kutschierte. Sie selbst hatte sich samt ihrem vielen Gepäck zwischen die scheppernden Milchkannen geklemmt, während Jenny zum Kutscher auf den Bock stieg. Auf ihren Knien hielt sie eine Hutschachtel, in der sich die Urne mit der Asche ihrer Großmutter befand. Mathilda Bär war die erste in der Familie, die auf dieser neumodischen Feuerbestattung bestanden hatte.

Sie wollte bei ihren zwei kleinen Söhnen, ihrem Mann Jakob Bär und ihrem Schwiegersohn Robert Bergenser auf dem Jakobifriedhof in Hamburg beigesetzt werden. Jenny vermißte dabei die pietätvolle Trauer, die von einer Erdbestattung ausging – und auch die Orientierung. Am oberen Ende wußte man normalerweise den Kopf des lieben Verstorbenen und vorn im Sarg seine Füße. Alles hatte seinen Platz, wie in einem Bett. Darum ließ es sich mit einem im Sarg begrabenen Toten auch besser Zwiesprache halten als mit der Asche in einer Urne. Aber vielleicht war das ja nur eine Gewöhnungssache.

Und nun war Jenny wieder in Berlin, ohne Großmutter und ohne ihre Mutter Paula, die noch nicht mitgekommen war, weil sie sich in Hamburg um notwendig gewordene Reparaturen an ihren Mietshäusern kümmern mußte. Zum ersten Mal hielt Jenny sich allein in dieser raschen, rücksichtslosen Stadt auf mit ihrem Elend auf der einen und ihren amüsierwütigen Neureichen auf der anderen Seite. In der Zeitung las sie, daß täglich Menschen an Unterernährung oder an Schwindsucht starben. Lebensmittel waren knapp und überteuert, für den Winter fehlten Kohlen. Nicht nur in den Arbeitervierteln im Osten und Norden, auch in den luxuriösen Beletagen des Westens, wo man aus Vaterlandsliebe sein Vermögen in Kriegsanleihen gezeichnet und verloren hatte, wurde gehungert.

Die Arbeitslosenzahlen stiegen täglich. Auf ihren Wegen durch die Stadt begegnete Jenny Kriegskrüppeln am Straßenrand, darunter auch Offizieren, die ihre Mütze aufhielten, bettelnden Frauen mit Kleinkindern, an ihre Röcke geklammert, Lumpenhändlern mit Karren, vor die sie ausgemergelte Hunde gespannt hatten. Deprimiert kehrte sie jedes Mal in die Pension zurück.

Immer wieder legten Streiks die Weltstadt lahm – Verkehr, Elektrizität, Gasversorgung –, alles brach zusammen. Warum gerade gestreikt wurde, interessierte dabei weniger als die Frage, wann der Streik wieder aufhörte.

Eine starke Lebensgier hatte vor allem den Westen der Stadt ergriffen. Man wollte das im Krieg versäumte Amüsement nachholen.

Jenny, auf dem Bettrand sitzend und ein Loch in einem schwarzen Strickstrumpf stopfend, überlegte, wann sie das letzte Mal getanzt hatte. Das mußte Weihnachten 1913 in St. Moritz gewesen sein. Damals war ihre Mutter, Paula Bergenser, eine junge, elegante Witwe mit vielen Verehrern gewesen, worauf Jenny sehr stolz war. Bei ihrem völligen Mangel an Selbstbewußtsein wäre sie nie auf die Idee gekommen, daß das männliche Interesse vor allem ihr selbst gegolten hatte. Und Paula hatte auch nichts unternommen, um diesen Irrtum aufzuklären.

»Liebe Mama«, schrieb Jenny am 5. November 1919 an ihre Mutter, es war bereits ihr sechster Brief in fünf Tagen, »heute hatte ich meinen ersten Gesangsunterricht bei Fräulein Dreese. Stell Dir eine Brünnhildenfigur im schwarzen Satin so Mitte Fünfzig vor. Ihr graublondes Haar hat sie zu Ringellocken aufgedreht und mit Haarklemmen befestigt. Der Überschuß von rosafarbenem Puder stäubt vom Gesicht ständig auf ihre Satinbrust, was höchst kurios aussieht. Fräulein Dreese ist von meinem ’Material' entzückt. Sie lobte, wie es jubelt und orgelt. Ich fürchte, sie sieht etwas Besonderes in mir. Du weißt, welche Angst ich davor habe zu enttäuschen. Sie sagte, wir wollen jetzt erst mal Vokale üben, bis Weihnachten hätte ich das Technische begriffen. Dann fangen wir mit Liedern an. Sie sagte außerdem, ich sei viel zu bescheiden, obgleich meine Säcke voll wären. Traute mich nicht zu fragen, ob sie mein stimmliches Volumen damit meinte oder unsere Immobilien, deren Einnahmen zur Zeit nicht einmal die vielen Ausgaben decken, wie Du schreibst.

Mein Leben hier ist eins mit vielen Fragen und wenigen befriedigenden Antworten. Aber wenigstens hat die Dreese einen guten Ruf. Schließlich verhalf sie einer Altistin und einem Mezzosopran dazu, Kammersänger zu werden.

Weil ich nichts zu lesen hatte, borgte mir Dr. Jonasson einen französischen Liebesroman. Mama!!! So was Obszönes!!! Jetzt fragt er mich täglich, wie er mir gefällt, und dann schauen mich alle Herren gespannt an und ergötzen sich an meiner Verlegenheit.

Schrieb ich Dir, daß seine Nichte zu Besuch hier war? Fräulein Claire, eine Lachtaube, so was Fröhliches habe ich selten erlebt. Sie ist Anfang Zwanzig und Handschuhverkäuferin in Leipzig, und sie sagt Onkel Björn zu ihm, und dann lacht sie, aber er bleibt dabei, daß sie seine Nichte sei, schon wegen Frau Ballmann. An sich ist unsere Tischrunde recht amüsant. Heute führten wir ein Gespräch, das nur aus Konsonanten bestand. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, wie wir beide hier leben sollen und ob wir überhaupt wollen. Wären nicht die Gesangsstunden, führe ich lieber heute als morgen wieder nach Hamburg zurück. Ich habe Heimweh nach Dir, liebste Mami. Dein Kind«

Am Telefon klagte Jennys Mutter über die nicht enden wollenden Reparaturen an ihren Hamburger Häusern und die damit verbundenen Mehrkosten. Immer kam noch etwas hinzu, womit sie nicht gerechnet hatte. Schwamm in den Wänden, ein defekter Schornstein, ein Rohrbruch – aber zu Jennys Geburtstag wollte sie unbedingt in Berlin sein.

Ein neuer Bahnstreik verhinderte jedoch ihr Kommen, weshalb sie einen gefühlvollen Brief schickte, in dem sie Jenny mit einem schönen, zarten Bäumchen verglich, das sie umsichtig aufgezogen habe: »Es ist im Treibhaus groß und edel gewachsen, nun muß es vorsichtig eingepflanzt und winterfest werden. Aber darf ich es dabei allein lassen, ohne zu wissen, ob es auch im richtigen Erdreich steht? Wenn nicht, wäre alle Mühe umsonst gewesen. Mein Bäumchen braucht noch meine Pflege, deshalb komme ich zu Dir und werde die notwendigen Bedingungen schaffen, damit Du Dich ganz Deiner begnadeten Stimme widmen kannst.«

Jenny, das »Bäumchen«, das an diesem Tag 28 Jahre alt wurde, bewunderte und liebte ihre Mutter grenzenlos, immer mit dem Gefühl tiefer Schuld gepaart. Anstatt nach dem Tod ihres Mannes noch einmal an ein eigenes Glück zu denken, hatte Paula Bergenser ihr Leben ganz auf ihre Tochter ausgerichtet. Sie war Jennys beste Freundin, eine andere hatte sie nie gehabt. Mama bestimmte ihr Leben.

Und nun kam der erste Geburtstag, den sie ohne ihre Mutter verbringen mußte. Der Schnee hatte sich bereits in Matsch verwandelt, ihre einzigen festen Schuhe befanden sich beim Schuster, und somit war Jenny zu Stubenarrest verdonnert. Kein Blümchen, keine Gratulation – es wußte ja niemand in der Pension, daß sie Geburtstag hatte –, statt dessen lag die Visitenkarte eines Schneiderateliers auf ihrem Teller. Eine Taktlosigkeit. Das ging gegen ihr Trauerkleid, das sie seit Tilla Bärs Tod trug. Das konnte nur dieser Jonasson gewesen sein mit seinem unverschämten Lächeln quer über den Tisch, wenn er ihren Blicken begegnete, und das Schlimme – sein Verhalten war Jenny nicht einmal unangenehm. Das merkte sie an ihrer Enttäuschung, wenn er einmal nicht am Abendessen teilnahm.

Eines Tages kehrte Jenny im strömenden Regen von einer Gesangsstunde zurück. Sie schüttelte ihren Schirm aus, bevor sie die schwere Haustür der Pension aufdrückte und die Marmortreppe mit dem roten Läufer ins Hochparterre hinauflief. Rechts und links befand sich je eine Wohnung, deren Tür mit mehreren Namensschildern der jeweiligen Untermieter bepflastert war. In der Mitte war der Fahrstuhl. Jenny stieg ein und wollte gerade die Gitter schließen, als die Tür noch einmal aufgerissen wurde und ein Mann so heftig in die Kabine sprang, daß sie laut knirschend in Schwingung geriet. Es war Dr. Jonasson.

»Schön, daß ich Sie noch erwischt habe«, freute er sich. »Ich habe Sie ins Haus gehen sehen. Wo waren Sie bei dem Sauwetter?«

»In der Gesangsstunde.« Sie rückte ein wenig von ihm ab, seine intensive Nähe beunruhigte sie. Am liebsten wäre sie wieder ausgestiegen und die drei Treppen zu Fuß nach oben gelaufen. Er spürte ihre Absicht und wunderte sich über sie.

»Warum sind Sie so scheu? Haben Sie schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht?«

»Blödsinn«, ärgerte sie sich.

»Oder gar keine?«

Jenny holte tief Luft. »Herr Doktor!«

»Gnädiges Fräulein?«

»Der Fahrstuhl.«