INHALT

Einleitung

Nicht schwanger

Schwanger!

Hurra, das Kind ist da!

Zum Schluss

EINLEITUNG

Liebe Mutter, liebe Eltern,

Egal, ob Ihr Spatz erst ein winziger Punkt auf dem Ultraschallbild ist (der Ihnen natürlich sehr, sehr ähnlich sieht), oder ob er schon voll Elan mit der Plastikschaufel auf andere Kinderköpfe drischt, es gibt eine Einsicht, die eint Mütter aller Kinders- und Altersstufen, nämlich:

Sie machen es sowieso falsch. Was? Alles. Das geht schon in der Schwangerschaft los, vermutlich sind Sie zu früh schwanger geworden, Sie haben ja anscheinend gar keine beruflichen Ambitionen. Wenn nicht zu früh, dann sind Sie zu spät schwanger geworden und eine dieser karrieregeilen Fregatten, die sich künstlich befruchten lassen müssen oder die ihre Eizellen schon im Vorfeld einfrieren haben lassen.

Entweder Sie sind so egoistisch und haben nur ein Kind, das als verwöhntes Einzelkind und ohne geschwisterliche Liebe aufwächst, nur weil Ihnen zwei Kinder zu stressig sind, oder Sie haben mehr als eins, und das ist ja fast schon assi, spätestens ab dem dritten, dafür sahnen Sie so richtig Kindergeld ab. Sie Schmarotzerin.

Vermutlich sind Sie so ein Hausmütterchen, das den Schuss nicht gehört hat – ohne Ehrgeiz, vielleicht sogar verheiratet? Die moderne Frau und Mutter sollte inzwischen schon etwas emanzipiert sein! Ach, Sie arbeiten Vollzeit? Sie Emanze, und alles auf Kosten der armen Kinder.

So geht es dahin und wenn Sie einmal verinnerlicht haben, dass Sie es eh falsch machen, ganz egal wie, dann entsteht daraus eine große Freiheit. Schließlich weitet sich Ihr Versagen auf alle Themen Ihrer Elternschaft aus.

Ihr Kind wurde falsch geboren, nämlich entweder im Krankenhaus oder zu Hause oder, oh Schreck: per geplantem Kaiserschnitt! Mit Sicherheit wird es auch falsch ernährt, Sie machen zu viel Aufhebens um die Brut oder kümmern sich nicht genug und mit oder ohne Impfung (je nach Gesprächsteilnehmer) haben Sie das Leben der Kinder aufs Spiel gesetzt. Auch das mit dem Anziehen bekommen Sie einfach nicht hin: Sie sind zu warm, zu luftig, in der falschen Farbe oder nicht in ökologische Baumwolle gekleidet, Sie Flasche. Apropos Flasche: Vermutlich haben Sie noch nicht mal das mit dem Stillen hinbekommen, Sie Nulpe, und damit wird das Kind übergewichtig und hochallergisch. Es sei denn natürlich, Sie haben doch gestillt, aber hoffentlich haben Sie zum richtigen Zeitpunkt damit aufgehört und das Kind hängt nicht einen Tag mehr an der Brust, als gerne gesehen, das ist nämlich das Allerletzte. Die entblößte Brust ist übrigens auch nicht gern gesehen.

Dieses völlige Versagen zieht sich von Anfang bis Ende, von der Schwangerschaft (oder ihrer zu langen Abwesenheit) bis die Blagen groß sind, und je früher Sie sich den ganzen Mist, den man auf dieser Reise sollte und müsste, am Arsch vorbeigehen lassen, anstatt sich zu stressen, desto besser. Das ist die einfachere Aufgabe. Die schwierigere Aufgabe – ich dachte mir schon, dass Sie fragen – ist die Sache mit dem Stress, den man sich selber macht. In dem Moment, wenn man Mutter wird (und keinen Tag vorher), beginnt plötzlich das, von dem einem immer alle sagen, man könne es sich nicht vorstellen: das Kostbarste im Leben, das Herz, befindet sich plötzlich außerhalb des Körpers – und ist dort allen Gefahren der Welt ausgesetzt.

Man will es beschützen vor diesen Gefahren, und zwar nicht nur vor den großen, sondern auch vor den kleinen: Plötzlich liest man tatsächlich Artikel über die Vor- und Nachteile von Gläschen-Nahrung, die Ergebnisse aller TÜV-Tests aller Baby-Autositze und was man tun muss, wenn das Kind überraschenderweise auf einen Wespenstich allergisch reagiert. Das Kind soll nicht nur überleben, es soll es auch schön haben. Es soll froh sein, keine Schmerzen haben, die richtigen Werte vermittelt bekommen, kein Arsch, aber trotzdem stark werden, und sich nicht sorgen müssen – nur weil man selbst völlig unzulänglich in dieser Eltern-Sache ist. DAS ist der größere Stress.

In den folgenden Abschnitten finden Sie Themen aus beiden Kategorien, denn das Feld der Elternschaft ist ein weites. Viel Spaß und toi, toi, toi! Wir schaffen das!

NICHT SCHWANGER

Naaa?

Wer es vergessen hat: Es gab eine Zeit, da war man nicht schwanger und man hatte keine Kinder. Das war auch ganz schön. Speziell die Nächte. Und die Morgen. Und die … aber lassen wir das.

Das Bemerkenswerte an dieser Zeit (außer diesen vielen Stunden ungestörten Schlafs) ist, dass ab einer magischen Altersgrenze, die irgendwo zwischen blutjunges Flittchen und alte Fregatte verläuft, die Umwelt sich plötzlich für die eigene Reproduktion zu interessieren beginnt. Vorausgesetzt allerdings, man hat einen Lebensgefährten, ansonsten ist selbige unbedingt zu vermeiden. Sind die Bedingungen richtiges Alter und Lebensgefährte gegeben, kann man schon mal die Bullshit-Bingo-Karten ausdrucken und die Aussprüche der Umwelt im gegebenen Fall ausstreichen:

Naaaa?
Wann ist es bei euch soweit?
Soll ich die Babysachen jetzt aufheben oder nicht? Tick-Tack, Tick-Tack!
Habt ihr da – Probleme? Die Fruchtbarkeit nimmt bei Frauen mit jedem Jahr rapide ab! Euer Kind wär’ bestimmt süß!
Ihr wollt doch nicht etwa keine haben? Na, seid ihr noch am Üben? Ich will ja nicht indiskret sein, aber …

Wie unangenehm einem die Sprüche sind, hängt zum einen vom Gesprächspartner ab, zum anderen vom tatsächlichen Stand des Kinderwunsches. So manch forscher Fragesteller merkt erst, wenn sein Gegenüber in Tränen ausbricht, dass seine Flapsigkeit hier nicht angebracht ist.

Es ist mir auch ein völliges Rätsel, dass sich diese Sprüche halten: Die fand noch nie jemand lustig! Das ist eine Frage, die man vielleicht bei einer Flasche Wein zu vorgerückter Stunde vorsichtig anklingen lässt und dann darüber redet – falls der andere das will und man selbst wirklich interessiert ist und nicht nur Small Talk machen will.

Wer von unüberlegten Fragen seiner Mitmenschen genervt ist, kann ruhig meinen alten Satz benutzen, der auch wieder bei Fragen nach einem potentiellen Geschwisterkind eingesetzt wird:

»Ein/Noch ein Kind? Nein – weißt du, was ich gerne hätte? Ein Pferd! Das hätte ich wirklich gerne, aber es klappt einfach nicht!«

Diese Erkundigungen nach dem Zustand der Fortpflanzungsorgane geben einen kleinen Vorgeschmack auf das, was noch kommt, sollte es irgendwann wirklich soweit sein:

SCHWANGER!

Wie toll, oder? Wenn man das erste Mal zwei Striche auf einen Schwangerschaftstest pinkeln kann, das ist ein ganz besonderer Moment. Man möchte es am liebsten der ganzen Welt erzählen, und wenn man es dann macht – dann hat man den Salat.

Die Reaktionen der Lieben können unter Umständen etwas ernüchternd sein. Während einem einige wie gewünscht freudestrahlend um den Hals fallen, »Ich freu mich so für euch« rufen und ein Tränchen aus dem Augenwinkel wischen, reagieren andere erstaunt: »Ach – ich wusste gar nicht, dass ihr unbedingt Kinder wollt?« oder sogar unsympathisch: »Ach herrje – war das Absicht?«

Sei’s drum, Idioten gibt es überall, werden Sie sich denken, ICH KANN SCHLIEßLICH ZWEI STRICHE PINKELN! HURRA!

Und schon haben Sie einen wunderbaren Arsch-vorbei hinbekommen, der da heißt:

Wer sich nicht mit mir freut, am Arsch vorbei!

Denn, und das ist das Tolle: Sie freuen sich (hoffentlich) wie Bolle und die anderen sind nicht so wichtig. Wenn man jemand ist, der sich immer einen Tick zu viele Gedanken um andere macht oder darum, was andere von einem halten könnten, dann ist die Schwangerschaft eine großartige Zeit, die Ihnen ganz plötzlich zeigt, was wirklich zählt: Sie und Ihr Baby, beziehungsweise andersherum: Ihr Baby und Sie. Weil sich dieses Pünktchen, das Ihnen so ähnlich sieht, ganz und gar in den Vordergrund Ihrer Gedanken drängt, rückt der Rest der Welt automatisch dahin, wo er hingehört: etwas weiter nach hinten. Das ist für manche eine völlig neue Erfahrung.

Während der nächsten wunderbaren Monate werden Sie merken, wie Freunde, Familie und auch völlig Unbekannte ihre eigenen Interessen, Meinungen und Vorstellungen an Ihren Bauch bringen wollen, zum Beispiel:

ERNÄHRUNG

Niemand weiß so gut, was Ihnen jetzt guttut, wie Ihre Mitmenschen und – herzlichen Glückwunsch –, die halten auch nicht im Geringsten hinter dem Berg damit. Regelmäßig werden Sie sich gerade genüsslich ein Häppchen in den Mund schieben, während Ihr Gegenüber die Augenbrauen hochzieht: »DAS darfst du essen?« Und noch bevor Sie mit vollem Mund »Waff ?« sagen können, erhalten Sie gratis einen Vortrag über die Schädlichkeit von – Häppchen.

Essen Sie währenddessen unbeirrt weiter, Ihr Gegenüber bringt lediglich zum Ausdruck, dass er Anteil nimmt. Das ist viel netter, als permanent »Arschloch« zu denken. Das ist der Stress von außen, von dem wir sprachen. Der Stress, den man sich selbst macht – Sie erinnern sich, das ist der, der viel schwerer wiegt – ist, dass wir ja alles richtig machen wollen. Zugegeben, Mütter, die schon ein oder mehrere Kinder haben, sind da abgebrühter, aber beim ersten googelt man eben noch nach Rohmilch und Salami und der Schädlichkeit von Ananas und liest sich den ganzen Schmonz dann sogar durch. Ebenso wichtig wie das, was man nicht essen darf, ist das, was man unbedingt essen soll. Plötzlich setzt man sich mit Hülsenfrüchten auseinander und überlegt, wo man zwei Mal die Woche Fisch herbekommt! Nicht dass man das Kind versaut, bevor es überhaupt auf die Welt gekommen ist! Ich war eine absolute Expertin in Sachen gesunde Ernährung und habe diese auch durchgezogen. Eine ganze Woche lang. Dann kotzte ich zwei Monate lang auf alles, was kein Cheeseburger war.

BAUCHKOMMENTARE

Das Abschätzen und Kommentieren von Schwangerschaftsbäuchen ist ein gesellschaftlich weitgehend akzeptiertes Body Bashing. Nie vor der Schwangerschaft und nie danach werden Sie so viele Kommentare über Ihren Körper zu hören bekommen. Und das, obwohl vielleicht der Kollege aus der Buchhaltung einen viel größeren Bauch hat als Sie! Während es niemandem im Traum einfallen würde, ganz normalen Leuten auf der Straße zu sagen:

»Hi, wie geht’s? Boah, dein Bauch ist aber ganz schön groß geworden!«, ist das bei schwangeren Frauen völlig legitim. Auch Überlegungen, ob mit Größe und Form des Bauches alles in Ordnung ist, werden angestellt und die Irritation ist groß, wenn die Schwangere zurückschlägt:

»Danke, alles in Ordnung, aber sag mal: Deine Männerbrüste sind ja auch nicht gerade geschrumpft?« Ist das böse? Ja – aber vielleicht hat die nächste Schwangere Glück und der Herr mit den Männerbrüsten hält sich in seiner Beurteilung etwas zurück, vorsichtshalber.

DU BIST NICHT KRANK …