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Die nächste Revolution


Die nächste Revolution

Libertärer Kommunalismus und die Zukunft der Linken
aus dem amerik. Englisch übersetzt von Sven Wunderlich Vorwort von Ursula K. Le Guin

von: Murray Bookchin, Debbie Bookchin, Blair Taylor

12,99 €

Verlag: Unrast Verlag
Format: EPUB
Veröffentl.: 25.11.2016
ISBN/EAN: 9783954050239
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 224

Dieses eBook erhalten Sie ohne Kopierschutz.

Beschreibungen

Mehr als 40 Jahre lang entwickelte Murray Bookchin seine Ideen über Kommunalismus, libertäre Ökologie und direkte Demokratie und brachte sie in die Politik der Neuen Linken ein. Seine Schriften beeinflussten zahlreiche politische Denker*innen und Soziale Bewegungen – von der radikalen Ökologiebewegung bis zur Antiglobalisierungsbewegung. Nicht zuletzt die kurdische Befreiungsbewegung in der Türkei und in Syrien bezieht sich aktuell auf die Weiterentwicklung von Bookchins Idee eines Libertären Kommunalismus hin zu einer Praxis des Demokratischen Konföderalismus. Durch ein Vorwort der Bestsellerautorin Ursula K. Le Guin eingeleitet, versammelt ›Die nächste Revolution‹ erstmals Bookchins Essays über Freiheit und direkte Demokratie, um eine politische Vision zu entwickeln, die vom Protest zur praktischen Transformation des Kapitalismus führen kann. »Über die Jahre hat Murray Bookchin seine eindrucksvollen Fähigkeiten und sein Engagement in vielen Bereichen unter Beweis gestellt: sei es Geschichte, Technologie, gesellschaftliche Organisation, die Suche nach Freiheit und Gerechtigkeit und vieles andere mehr. Immer hat er Einsichten, Erkenntnisse, originelle und provokante Thesen sowie anregende Visionen beigetragen. Diese neue Textsammlung über radikale Demokratie ist Zeugnis seiner Lebensleistung.« – Noam Chomsky
Vorwort – Ursula K. Le Guin

Einleitung – Debbie Bookchin und Blair Taylor

Das kommunalistische Projekt (November 2002)

Die Umweltkrise und die Notwendigkeit gesellschaftlicher Erneuerung (Januar 1992)

Eine Politik des 21. Jahrhunderts (August 1998)

Die Bedeutung des Konföderalismus (November 1990)
Dezentralisierung und Selbstversorgung
Probleme der Dezentralisierung
Konföderalismus und gegenseitige Abhängigkeit
Die Konföderation als duale Gegenmacht

Libertärer Munizipalismus: Eine Politik der direkten Demokratie (Oktober 1991)

Städte: Die Entfaltung der Vernunft in der Geschichte (September 1995)

Nationalismus und die ›nationale Frage‹ (März 1993)
Ein Überblick über die Geschichte
Nationalismus und Linke
Zwei Grundgedanken über die nationale Frage
Nationalismus und Zweiter Weltkrieg
Der Kampf um ›nationale Befreiung‹
Ein neuer Internationalismus
Die Suche nach einer Alternative

Anarchismus und Macht während der Spanischen Revolution (November 2002)

Die Zukunft der Linken (Dezember 2002)
»In den neun Essays entfaltet Bookchin im Hinblick auf die aktuell gegebenen ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen seine Argumentation als eine Notwendigkeit gesellschaftlicher Erneuerung. […] Diese tief in der Aufklärung verankerte Überzeugung, dass es möglich sei, die Potentiale aller Menschen und deren Freiheit in Institutionen zu gießen, umfasst für ihn nicht bloß die politische Idee, sondern bringt auch die Mittel und Zwecke der Umsetzung dieser mit sich. Es ist die Hoffnung, dass die Spannungen eines auf die Ökonomie ausgerichteten Marxismus und eines auf die Individuen fokussierten Anarchismus, in den konföderierten Volksversammlungen aufgelöst werden können. Thesen und Ziele von Bookchins Projekt erhalten in den Essays eine klare Form und sind in Ausrichtung und Impetus schlüssig und nachvollziehbar.«
Murray Bookchin (1921–2006), Sohn jüdischer Migrant*nnen, war ein US-amerikanischer libertärer Sozialist und einer der ersten, der anarchistische Theorie mit ökologischem Denken verband. Er war Direktor und Mitbegründer des ›Institute for Social Ecology‹ (ISE) sowie Professor am Ramapo College von New Jersey.

Debbie Bookchin ist eine mehrfach ausgezeichnete Journalistin, deren Artikel in ›The Atlantic‹, ›The Nation‹, ›The New York Times‹, ›HarperCollins Best Science Writing‹ und vielen weiteren Publikationen veröffentlicht wurden. Ihre Recherchen zu verunreinigten Polio-Impfstoffen und die enge Verbindung zwischen der FDA (oberste amerikanische Gesundheitsbehörde) und der Pharmaindustrie hat sie in dem vielbeachteten Buch ›The Virus and The Vaccine‹ (New York: St. Martin's Press, 2004) zusammengefasst.

Blair Taylor ist Doktorand an der ›New School for Social Research, New York‹ und als solcher Gaststipendiat bei der ›Einstein Crisis Research Group, Berlin‹. Hier arbeitet er derzeit (2016) an seiner Dissertation »From Alterglobalization to Occupy Wall Street: Neoanarchism and the New Spirit of Capitalism«.
DIE SUCHE NACH EINER ALTERNATIVE

Wenn der Nationalismus reaktionär ist, welche rationale und humanistische Alternative kann ein moralischer Sozialismus ihm entgegensetzen? Für Nationalstaaten – in Gestalt von Nationen oder Staaten – ist kein Platz in einer freien Gesellschaft. Wie stark das Verlangen mancher nach einer gemeinsamen Gruppenzugehörigkeit auch sein mag , Vernunft und die Einhaltung moralischer Verhaltensweisen verpflichten uns, das Universalitätsprinzip der Stadt oder Gemeinde und die politische Kultur einer direkten Demokratie wiederzugewinnen, wenn auch auf höherer Stufe als bei der polis im Athen des Perikles. Gruppenzugehörigkeiten sollten am besten durch Gemeinschaften ersetzt werden – durch eine gemeinsam geteilte, an humanen Maßstäben ausgerichtete nichthierarchische und libertäre Zugehörigkeit, die allen offensteht, ohne Rücksicht auf Geschlechter, ethnische Merkmale, sexuelle Vorlieben, Fähigkeiten oder persönliche Neigungen. Ein solches Gemeinschaftsleben lässt sich einzig durch eine neue Politik des libertären Munizipalismus wiedererlangen: durch die Demokratisierung der Gemeinden, sodass diese von den Bewohner_innen selbst verwaltet werden können, und durch die Schaffung einer Konföderation dieser Gemeinden, um eine duale Gegenmacht zum Nationalstaat aufzubauen.

Die Gefahr, dass demokratisierte Gemeinden in einer dezentralisierten Gesellschaft zu wirtschaftlichem und kulturellem Provinzdenken führen könnten, ist sehr real und kann nur durch eine lebendige Konföderation der Gemeinden auf der Grundlage materieller Gegenseitigkeit verhindert werden. Die ›Selbstversorgung‹ der Gemeinschaft würde, selbst wenn sie heute möglich wäre, keineswegs eine echte Basisdemokratie sicherstellen. Eine Konföderation von Gemeinden bietet als Vermittlerin des Zusammenwirkens, der Kooperation und der gegenseitigen Unterstützung der jeweiligen Gemeinden die einzige Alternative einerseits zum mächtigen Nationalstaat und andererseits zum Provinzdenken der Dörfer und Städte.

Diese vollständig demokratische Konföderation, in der die Abgeordneten der einzelnen Gemeinden in den konföderalen Institutionen absetzbar und austauschbar wären und einer ständigen öffentlichen Kontrolle unterlägen, wäre eine Erweiterung lokaler Freiheiten auf die regionale Ebene und brächte ein sensibles Gleichgewicht zwischen Ortschaften und Regionen zustande, bei dem die kulturelle Vielfalt der Städte erblühen könnte, ohne dass sich die Städte nach innen gerichtet der lokalen Exklusivität zuwenden.

Sicher würden dann auch produktive kulturelle Aspekte innerhalb und zwischen den verschiedenen Konföderationen geteilt werden, Hand in Hand mit dem gegenseitigen Austausch von Waren und Dienstleistungen, die die materielle Lebensgrundlage bilden. In derselben Weise würde ›Eigentum‹ vergemeindet werden, weder verstaatlicht (was nur eine Verstärkung der Staatsmacht durch wirtschaftliche Macht bedeutete), noch kollektiviert (was nur private Unternehmerrechte in eine ›kollektive‹ Form verwandelte) oder privatisiert (was den Wiederaufschwung einer auf Konkurrenz basierenden Marktwirtschaft begünstigte). Eine vergemeindete Wirtschaft käme einem System von Genossenschaftsrechten nahe, das einzig auf den Bedürfnissen und der Bürgerschaft der Menschen in einer Gemeinde basiert, und nicht auf deren Besitz- und Berufsinteressen. Wo eine Bürgerversammlung der Gemeinden die Wirtschaftspolitik bestimmt, kontrolliert – geschweige denn besitzt – keine Einzelperson die Produktionsmittel und die Lebensbedürfnisse.

Wo konföderale Mittel zur Verwaltung der Ressourcen einer Region das ökonomische Verhalten als Ganzes koordinieren, weichen Einzelinteressen oft größeren menschlichen Interessen und wirtschaftliche Anliegen häufig demokratischen Interessen. Die Probleme, welche die Gemeinden und deren Konföderationen lösen, würden sich dann nicht mehr um wirtschaftliche Eigeninteressen drehen, sondern ihr Fokus läge auf demokratischen Verfahrensweisen und schlicht auf einer egalitären Erfüllung menschlicher Bedürfnisse.

Es sollte kein Zweifel bestehen, dass die technologischen Mittel, die den Menschen die Wahl ihrer Lebensweise ermöglichen und ihnen die freie Zeit verschaffen, in der sie sich an einer demokratischen Politik in vollem Umfang beteiligen können, höchst notwendig sind für die libertäre, konföderal organisierte Gesellschaft, die ich hier kurz beschrieben habe. Selbst die besten moralischen Absichten führen wahrscheinlich zu irgendeiner Form der Oligarchie, wo der unterschiedliche Zugang zu den Lebensgrundlagen eine Elite hervorbringt, die mehr von den wertvollen Dingen des Lebens at als die anderen Bürger_innen. Deshalb ist die Enthaltsamkeit, die einige Linke fordern, in heimtückischer Weise reaktionär, denn sie ignoriert nicht nur die Freiheit der Menschen, ihre eigene Lebensweise wählen zu können – die einzige Alternative zur bestehenden Gesellschaft, in der die Menschen zu stumpfsinnigen Konsument_innen werden –, sondern unterstellen zudem die Freiheit an sich einem fast mystischen Verständnis.

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