coverpage

Über dieses Buch:

Die Oberpfalz im Jahre 1225: Nur ganz oben auf dem Hauptturm fühlt die junge Ava von Lechtenberg sich frei. Hier kann sie durchatmen, hier drängt sie niemand, in die Ehe mit einem Mann einzuwilligen, den sie nicht liebt – und hier darf sie ihrer heimlichen Leidenschaft hingeben: Sie singt die Lieder ihres Vaters, eines berühmten Minnesängers, und träumt davon, in seine Fußstapfen zu treten. Doch dies ist einer Frau streng verboten! Avas große Chance kommt, als sie ihren Vater auf einen Sängerwettstreit begleiten darf und er spurlos verschwindet. Ist er tot? Mit zitternden Knien, aber mutigem Herzen verkleidet Ava sich als Mann, um die Ehre ihres Vaters zu verteidigen. Aber sie hat nicht damit gerechnet, dass einer der Konkurrenten ungeahnte Gefühle in ihr weckt – und es jemanden gibt, der alles daran setzt, den »jungen Sänger« zu töten …

Über die Autorin:

Sybille Schrödter ist Juristin, Kabarettistin, Sängerin, Roman- und Drehbuchautorin – und so wenig, wie sie sich auf einen einzelnen Beruf festlegen lassen will, ist sie bereit, sich nur in einem Genre zu bewegen: Sie schreibt Kriminalromane und Thriller (»Weil mich menschliche Abgründe faszinieren«), historische Roman (»Weil es ein Vergnügen ist, in lang vergangenen Zeiten auf die Suche nach starken Frauenfiguren zu gehen«) und – unter verschiedenen Pseudonymen – Familiensagas (»Weil es in jeder Familie dunkle Geheimnisse gibt«) und Liebesgeschichten (»Nach dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt …«). Sybille Schrödter lebt in Hamburg.

Die Autorin im Internet: www.sybilleschroedter.de

Bei dotbooks veröffentlicht Sybille Schrödter die Kriminalromane »Das dunkle Netz des Todes« und »Was letzte Nacht geschah« und die historischen Romane »Die Lebküchnerin« und »Das Erbe der Lebküchnerin« – die beiden letztgenannten Werke erschienen auch als Sammelband unter dem Titel »Die Lebkuchenbäckerin«.

***

eBook-Neuausgabe März 2019

Copyright © der Originalausgabe 2011 Piper Verlag GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von shutterstock/Everett-Art und shutterstock/faestock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-297-9

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Versand zweimal im Monat – unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Minnesängerin« an: lesetipp@dotbooks.de (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Sybille Schrödter

Die Minnesängerin

Historischer Roman

dotbooks.

Inhalt

Prolog

Erster Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Zweiter Teil

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Dritter Teil

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Epilog

Nachwort

Kleines Glossar

Lesetipps

Prolog

Durch die Luft fliegende Gliedmaßen, dahingemetzelte Säuglinge, aufgeschlitzte Frauenleiber und unendlich viel Blut. Bäche, Flüsse, Ströme ... Warum nur konnte er diese Bilder nicht endlich vergessen? Warum hatten sich die Schreie der Gepeinigten in seine Erinnerung eingebrannt wie teuflische Dämonen? Warum ließen sie ihn nicht einmal bei helllichtem Tag in Ruhe?

Doch der Einarmige durfte sich seine Pein auf keinen Fall anmerken lassen. Wenn seine Leute auch nur annähernd ahnten, wie es in seinem Innern aussah, sie würden ihn nicht mehr als ihren Hauptmann anerkennen. Im Gegenteil, sie würden sich wie wilde Tiere auf ihn stürzen und ihn in Stücke reißen.

Herrisch und mit vorgerecktem Kinn blickte er in die Runde seiner Männer. Männern wie diesen hätte er in guten Zeiten nicht einmal von Weitem begegnen mögen. Nun war er nicht nur irgendeiner von ihnen, sondern der Anführer dieser Bande von Halunken. Seine innere Zerrissenheit und das Leben in den Wäldern hatten ihn vorzeitig altern lassen. Tief eingekerbte Falten zeichneten das Gesicht mit den eingefallenen Wangen. Es kostete ihn viel Kraft zu vergessen, wer er wirklich war. Streng untersagte er sich, an seine Jugendjahre auf der Burg oder gar an die verlorene Zeit während des Kreuzzuges gegen die Katharer zu denken. Von seinem Vorleben ahnten seine Gefolgsleute nicht das Geringste. Sie hielten ihn für einen Verbannten, der sich eigenhändig den Arm abgeschlagen hatte, um sich für immer vom Zeichen der Brandmarkung zu befreien. Einen strengen, grausamen Anführer, dem sich keiner zu widersetzen wagte. Einen, der mit dem Dolch so geschickt umzugehen verstand wie ein Unversehrter. Einen, der kein Mitleid duldete. Weder sich noch anderen gegenüber.

Und der es hasste, wenn sich Weibsbilder an ihn hängten, so wie es die üppige, rothaarige Frau mittleren Alters gerade eben versuchte, indem sie ihn zärtlich von hinten umfasste. Schnaubend stieß er sie mitten in ein Morastloch. Einer der Männer johlte. »Komm zu mir, Dirne!« Andere pfiffen als Zeichen ihrer Schadenfreude. Die Frau aber rappelte sich rasch auf, wischte sich den gröbsten Schmutz vom Rock und verschwand mit unbewegter Miene in Richtung ihres Verschlages.

In diesem Augenblick humpelte ein finsterer Geselle mit vernarbtem Gesicht auf den Einarmigen zu.

»Eine Gruppe von Kaufleuten nähert sich«, raunte er breit grinsend.

Der Einarmige nickte kühl und wandte sich an seine Leute.

»Holt euch, was ihr bekommen könnt. Es gibt reiche Beute, und dann lasst uns sofort aufbrechen und weiterziehen.«

Die Antwort der Männer war ein lautes Murren.

»Hauptmann, wir haben doch gerade erst unser Lager aufgeschlagen, und was gibt es für einen besseren Ort, als hier in der Nähe der Salzstraße auf Beute zu warten?«, wagte einer der Männer zögernd zu widersprechen.

Die Miene des Anführers verfinsterte sich noch mehr. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, und in seinem Blick lag Todesverachtung.

»Ich sagte, dass wir weiter in den Böhmerwald ziehen. Alle, die meinem Befehl folgen, hierher zu mir!«

In Windeseile war der Hauptmann von seiner Räuberschar umringt. Allen voran jener, der es gewagt hatte, ihm eben noch Widerworte zu geben. Nur ein stämmiger, blonder junger Mann aus dem Norden, fast noch ein Kind, war auf seinem Platz stehen geblieben und starrte den Hauptmann trotzig an.

»Du willst uns also verlassen?«, entgegnete der Einarmige und kniff die Augen zusammen, bis sie sich zu Schlitzen verengt hatten. Drohend trat er auf den Burschen zu, der es gewagt hatte, ihm zu widersprechen.

»Ich bin es leid, rastlos von einem Wald in den nächsten zu ziehen«, brachte dieser vor.

»Es gefällt dir also nicht bei uns?«, fragte der Hauptmann mit drohendem Unterton.

»Ja, aber sicher, ich ... nein, ich habe das nicht so gemeint ...«, stammelte der junge Kerl entschuldigend, doch bevor er überhaupt etwas zu seiner Verteidigung vorbringen konnte, hatte der Anführer ihm bereits seinen Dolch in die Brust gerammt. Wie eine Fontäne schoss ihm ein Blutschwall aus dem Körper. Dann sank er stumm zu Boden und blieb reglos in einer dunkelroten Lache liegen. Die nackte Angst stand ihm in die Augen geschrieben.

»Noch jemand, der mir die Gefolgschaft verweigern will?«, fragte der Hauptmann und blickte lauernd in die Runde.

Betreten sahen die Männer zu Boden.

»Gut, dann schneidet den Kaufleuten den Weg ab«, befahl er und lehnte sich, kaum dass er allein war, zitternd gegen eine Eiche. Wenn sie gewusst hätten, wie ihn das alles anwiderte ... Aber er hatte keine Wahl. Nur mit brutaler Härte schaffte er es, dieses Leben zu führen, das er im Inneren zutiefst verachtete. Nur so gelang es ihm, ein anderer zu sein, als es ihm an der Wiege gesungen worden war.

Der Zorn auf jenen, der ihm sein altes Leben gestohlen hatte, flackerte wieder einmal mit unverminderter Heftigkeit auf und fraß sich wie ein Feuer in sein Herz. Er fragte sich verzweifelt, warum er ihn nicht einfach getötet und sich zurückgeholt hatte, was ihm gebührte. Und wie so oft zuvor konnte er die Antwort kaum ertragen. Wie ein Wahnsinniger schlug er mit der Stirn gegen den Stamm der Eiche, doch die Wahrheit ließ sich mit Gewalt nicht vertreiben. Im Gegenteil, bei jedem Schlag hämmerte es noch lauter in seinem schmerzenden Kopf. Sie hat keine Träne um mich vergossen, sondern sich mit offenen Armen dieser Memme an den Hals geworfen. Und wie sie den Verräter angeblickt hatte! Mit der Lüsternheit einer läufigen Hündin.

Ja, er hätte aus seinem Versteck springen, ihn töten und sich seine Familie zurückholen können, aber sie hätte ihn dafür gehasst. Seit jenem Tag träumte er davon, diesem Kerl einmal ohne ihren Schutz zu begegnen, und malte sich aus, was er ihm dann antun würde. Die Bilder, wie er um Gnade flehen würde, hielten ihn überhaupt am Leben. Diesem unwürdigen Leben!

Wie ein waidwundes Tier schrie der Einarmige auf, während er den Kopf ein letztes Mal mit voller Wucht gegen den Baumstamm schlug.

Erster Teil

Sie ist doch alles, was ein Mann zum Glück auf dieser Erde jemals haben muss, die, die man gar nicht rühmen kann. Wie's ihr gebührt. Das Loblied käme nie zum Schluss. Lobte ich sie, wie all die andern Damen, das wäre Hohn. Die Engel singen ihren Namen! Sie ist so rein, setzt alle matt, nicht eine gibt's, die ihre noble Größe hat In keiner Stadt!

Und wird mir einst das Glück beschert, dass ich von ihrem herrlichen Munde mir stehlen kann den Kuss. Der Preis wär wohl den Einsatz wert. Ich weiß doch, wenn ich ein Geheimnis hüten muss. Doch was, hielt sie's für eine große Schande, dass sie mich hasste, wie keinen sonst im Lande? Was tät ich bloß, was tät ich dann? Ich nähm den Kuss und böte ihn ihr wieder an, ich armer Mann.

Das Preislied des Reinmar von Hagenau (in neuhochdeutscher Übersetzung)

Er nimmt sich viel heraus, der Mann: Er spricht von höchster Tugend, wie nur diese Frau sie hat. Er singt, es finge Ostern an, wenn er sie anschaut. Ja, er glaubt, das setzt uns alle matt. Ach, um uns andre Diener wär's geschehen, ließ man die hohlen Worte einfach stehen. Ich bin's, der's wohl sagen muss: Meiner Herrin raubt man heimlich keinen Kuss. Und damit Schluss!

Walther von der Vogelweide, Eine spöttische Antwort auf das Preislied (in neuhochdeutscher Übersetzung)

Kapitel 1

Vom unbewohnten Hauptturm, der die Ringmauer der Burg fast um das Doppelte überragte, hatte man einen einzigartigen Blick über endlose Wiesen und dichte, dunkle Wälder bis hinüber zur Burg Hoheneich.

Dieser entlegene Winkel war Ava von Lechtenbergs Lieblingsplatz, und bei dem Gedanken, dass ihre Mutter Luitgard sie hier oben nicht finden würde, lächelte sie triumphierend in sich hinein. Der Einstieg zur allerhöchsten Stelle war nämlich nur über eine wackelige Leiter zu erreichen, und Luitgard fürchtete sich nicht nur vor Ratten und Fledermäusen, sondern auch vor schwindelnden Höhen. Sie traute sich nicht einmal auf den Wehrgang, der unter den Zinnen einmal um die Burg herumführte.

Ava war hierhergeflüchtet, nachdem die Mutter den Besuch von Kasimir und dessen Mutter angekündigt hatte. Dabei hatte Ava gar nichts gegen den jungen Mann. Früher, als Knabe, war er sogar ihr bester Freund gewesen, bis man ihn als Siebenjährigen auf die Burg Donaustauf zum Bruder seiner Mutter gegeben hatte, wo er zum Knappen ausgebildet worden war. Erst jüngst war er als frisch gebackener Ritter und stattlicher junger Mann nach Hause zurückgekehrt. Er war hochgewachsen, hatte breite Schultern, glattes dunkles Haar, lebendige grüne Augen mit langen, dichten Wimpern, die jeder Frau zur Ehre gereicht hätten ... Nein, sie konnte wirklich nichts Nachteiliges gegen ihn vorbringen. Im Gegenteil, sie liebte besonders seine lustigen Schilderungen über das spannende Leben bei Hof. Sie hing an seinen Lippen, wenn er erzählte: von den Festen, den Speisen, den Turnieren ... Was sie weniger mochte, war das Gerede der beiden Mütter, dass es endlich an der Zeit sei, an eine Vermählung zu denken. Vor lauter Scham wäre sie jedes Mal am liebsten im Erdboden versunken, sah sie in ihm doch nicht mehr als jenen Bruder, den sie zum großen Bedauern ihres Vaters nicht hatte.

Ava ließ den Blick in die Ferne schweifen und entdeckte die beiden Reiter, die sich Burg Falkenberg näherten. Es waren Kasimir und seine Mutter. Wie sollte sie es nur bewerkstelligen, ihm ein Zeichen zu geben, wo sie zu finden sei, ohne dass Ottilia von Hoheneich Wind davon bekam?

Während Ava noch darüber nachgrübelte, wie sie ihren Freund aus Kindertagen unter vier Augen sprechen konnte, vernahm sie die unverwechselbare Stimme ihres Vaters Konrad.

Wie immer, wenn sie ihn singen hörte, beschleunigte sich ihr Herzschlag, und sie summte leise mit. Das war ein weiterer Vorteil ihres Versteckes im Turm. Der Gesang des Vaters ertönte so laut aus dessen Kammer empor, als brächte er ihr ein Ständchen. Auf diese Weise hatte Ava seine Lieder immer wieder und wieder gehört, denn sie flüchtete häufig in den Turm. So oft, dass sie die Lieder des berühmten Sängers Konrad von Lechtenberg inzwischen fast auswendig kannte. Nur durfte sie sich auf keinen Fall beim Singen ertappen lassen. Einmal hatte sie im Burghof aus voller Kehle ein Lied ihres Vaters geschmettert. Schon bei der Erinnerung an die schallende Ohrfeige, die der Vater ihr überraschend versetzt hatte, zuckte sie noch immer zusammen.

»Tu das nie wieder! Das stünde nur meinem Sohn zu, aber du bist ein Mädchen!«, hatte er sie angeschrien.

Auch sein gequältes Gesicht würde sie nie vergessen. Wie immer, wenn sie daran dachte, wie verächtlich er sie behandelt hatte, versetzte es ihr einen schmerzhaften Stich. Und sie musste unwillkürlich an das Kräuterweib denken, das jahrelang in der Burg ein- und ausgegangen war, um Luitgard zu helfen, einen Jungen zu empfangen. Vergeblich! Sie, Ava, war das einzige Kind von Luitgard und Konrad geblieben. Ach, wie sehr sie es doch bedauerte, als Mädchen geboren zu sein. Wie gern wäre sie in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und ein großer Sänger geworden. Aber so blieb ihr nichts anderes übrig, als zu heiraten oder – was sie noch grausamer dünkte – ins Kloster zu gehen. Letzteres pflegte Luitgard ihr jedes Mal anzudrohen, wenn Ava sich in ihren Augen wieder einmal ungebührlich benahm.

Ava verstummte erschrocken, als sie nun ihre eigene Stimme singen hörte, eine Stimme, die der ihres Vaters verblüffend ähnlich war. Wieder war es einfach so geschehen, dass sie in seinen Gesang mit eingestimmt hatte. Nun traute sie sich nicht einmal mehr, leise mitzusummen, obgleich er ihr Lieblingslied zum Besten gab. Es handelte von einem Ritter, der untröstlich war, weil er sich von seiner Liebsten trennen musste, um mit den Kreuzrittern in ein fernes Land zu ziehen, aus dem er niemals zurückkehren würde. Ava hatte längst herausgefunden, dass er in jedem seiner Lieder die Schönheit Luitgards pries, wenn er sie auch niemals namentlich benannte.

»Will, dass ich bei bleibe, die ich liebe Tag und Nacht, doch zu lieben dieses Weibe, nimmt mir eine ferne Macht ...«

So gern Ava ihm auch zuhörte, sie verstand nicht ganz, warum er so gern den Schmerz einer nicht erfüllten Liebe besang. Luitgard liebte ihn doch bedingungslos, sie schienen glücklich miteinander. Ava erklärte sich diesen Widerspruch damit, dass es wohl die hohe Kunst war, nicht sein eigenes Leben in die Liedtexte zu weben, sondern ferne Sehnsüchte und den Schmerz der Unerfüllbarkeit.

Ava horchte auf. Statt eines Liedes schallte nun ein schrecklicher Husten bis an ihr Ohr. Als Konrad schließlich weitersang, klang seine sonst so klare Stimme brüchig. Was er nun von sich gab, erinnerte Ava eher an das Krächzen der Raben, die sich stets in Scharen auf der Burgmauer niederließen. Plötzlich aber wurde alles still, kein Laut drang mehr aus der Kammer ihres Vaters, bis sie ihn verzweifelt fluchen hörte. Er stimmte das Lied zwar noch einmal an, aber es hörte sich noch schauerlicher an als zuvor.

Wie gern wäre Ava zu ihm gegangen und hätte ihn getröstet, aber damit hätte sie sich bloß verraten.

Da erblickte sie in der Ferne einen weiteren Reiter, der sich im Galopp der Burg näherte. Was den Fremden wohl so eilig zu uns führt?, fragte sich Ava, und schon hatte ihre brennende Neugier gesiegt. Rasch zwängte sie sich durch die enge Luke und kletterte die Leiter hinab. Ihre Wissbegier war schon seit jeher stärker als alles andere gewesen. Wenn es etwas zu erleben und entdecken gab, ließ sie sich durch nichts aufhalten. Und wenn sie gar ein Geheimnis vermutete, ruhte sie nicht, bis sie es aufgedeckt hatte. Wie die jahrelangen allmonatlichen Besuche des alten Kräuterweibes. Natürlich hatte ihr keiner gesagt, was die unheimliche Alte bei ihrer Mutter gewollt hatte. So hatte Ava sich, um eine Antwort zu bekommen, eines Tages in der Kammer ihrer Mutter versteckt und ein Gespräch der beiden Frauen belauscht. Es hatte ihr fast das Herz zerrissen, mit welcher Verzweiflung Luitgard die Alte angefleht hatte, ihr ein Mittelchen zu verabreichen, damit sie einen Sohn gebären konnte. Doch sie wurde einfach nicht mehr schwanger.

Hastig versuchte Ava den Gedanken an dieses Flehen und Betteln ihrer Mutter abzuschütteln.

Unten angekommen, stellte sie erleichtert fest, dass die Gäste offenbar bereits im Speisesaal waren und sie ungehindert zur Tür hinaus in den Hof schlüpfen konnte. Dort begegnete ihr der vom Ritt verschwitzte Fremde.

»Was wünscht Ihr?«, fragte sie ihn mit unverhohlener Neugier.

»Ich bringe eine Nachricht für Konrad von Lechtenberg«, entgegnete er. »Ich muss ihn dringend sprechen.«

»In welcher Angelegenheit?«

»Das muss ich dem verehrten Meister persönlich sagen. Nur so viel: Mich schickt unser erlauchter Prinz Otto.«

»Gut, dann gebt Euer Pferd dem Knecht und lasst Euch von der Magd einen Krug Bier geben. Ihr seht so aus, als hättet Ihr einen langen Ritt hinter Euch.«

Der Bote des Herzogs grinste schief. »Da habt Ihr recht. Auf dem Weg von Landshut hierher habe ich nur zweimal genächtigt, aber nun wäre ich wirklich dankbar, wenn Ihr mir für die heutige Nacht Obdach gewähren würdet.«

»Der Knecht wird Euch gleich zu den Schlafstellen führen«, entgegnete Ava, winkte den alten Johann heran und bat ihn, dem Fremden ein Lager zu bereiten. Dann versprach sie dem Boten, ihren Vater zu holen, und eilte nach oben zu seiner Kammer. Hatte sie nicht jüngst einige Gesprächsfetzen aufgeschnappt, in denen sich Vater der Mutter gegenüber beklagt hatte, dass er immer seltener zu Turnieren eingeladen werde? Ob man ihn zu dem größten aller Wettbewerbe nach Landshut holte?

Den strengen Ausruf »Ava! Wir haben Besuch!« aus dem Mund ihrer Mutter, der ihr auf der Treppe vorwurfsvoll hinterherschallte, überhörte sie geflissentlich.

Stattdessen riss sie ungestüm die Tür der väterlichen Kammer auf. »Vater, ein Bote des Prinzen Otto hat eine Nachricht für dich!«, rief sie aufgeregt.

Ava erschrak, als der Vater wütend herumfuhr. »Ist das ein Grund, in mein Gemach zu platzen, während ich singe?«

Ava seufzte. »Nein, werter Vater, ich hätte anklopfen müssen, aber seid Ihr denn nicht gespannt, welche Nachricht der Herzog Euch überbringen lässt? Der Bote tat sehr wichtig. Ob er Euch wohl ...«

»Ava, du redest zu viel«, unterbrach Konrad sie streng.

Sie schluckte trocken und sah ihren Vater empört an. Warum war er so schlecht gelaunt? Und warum ließ er diese Stimmung an ihr aus? Dann erst nahm sie wahr, wie erschöpft er wirkte. Seine Augen waren müde, seine Gesichtshaut hatte einen grauen Schimmer, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen.

Doch Avas Neugier siegte. Sie wollte endlich wissen, was den Boten zur Burg Falkenberg geführt hatte. So tat sie einen beherzten Schritt auf ihn zu und nahm seine Hand.

»Kommt, Vater, Ihr könnt ihn nicht warten lassen.«

Widerstandslos ließ sich Konrad vom Stuhl ziehen. Ava, die inzwischen genauso groß wie er war, strich ihm eine Locke aus dem Gesicht und tupfte ihm mit dem Ärmel ihrer Cotte den Schweiß von der Stirn.

»Seid Ihr krank, Vater?«, fragte sie besorgt.

Unwirsch schüttelte Konrad den Kopf und entzog ihr verärgert die Hand. Dann straffte er die Schultern, rang sich ein Lächeln ab und eilte dem Boten entgegen. Sie konnte ihm kaum folgen und hörte ihn bereits mit dem Mann sprechen. »Wie ich erfahre, schickt Euch der Herzog.« Seine Stimme klang so, als strotze er nur so vor Kraft.

Der Bote verbeugte sich ehrerbietig vor dem Sänger. »Ja, Meister Konrad. Ich komme im Auftrag Prinz Ottos zu Euch, des Sohnes unseres erlauchten Herzogs Ludwig. Und es ist mir eine große Ehre, Euch die Botschaft überbringen zu dürfen, sah ich Euch doch einst in Kelheim auf einem Turnier, das noch Ludwig veranstaltete. Ihr seid in meinen Augen der Beste von allen, Meister Konrad. Umso mehr freue ich mich, dass ich gekommen bin, um Euch zu einem Sängerwettstreit auf die Burg Trausnitz einzuladen. Es wird das erste große Fest auf der neuen Burg sein. Zu Ehren der Geburt von Prinzessin Elisabeth. Mit einem besonderen Gruß unserer erlauchten Prinzessin Agnes.«

Ava sah, wie ein kurzes Strahlen über das Gesicht ihres Vaters huschte, über das sich aber sogleich wieder ein düsterer Schatten legte.

»Das ist ja großartig, Vater, auf die neue Burg und beim zukünftigen Herzog von Bayern!«, rief sie begeistert aus, obwohl sie doch genau wusste, dass er ihr vorlautes Mundwerk gar nicht mochte. Konrad aber überhörte die Begeisterungsrufe seiner Tochter. »Das ist mir eine große Ehre«, sagte er stattdessen mit belegter Stimme.

»Dann darf ich meinem Herren Euer Kommen ankündigen?«

»Ja, natürlich werde ich diese Einladung nicht ausschlagen. Und wann soll es stattfinden?«

»An Mittsommer.

»Wer wird gegen mich antreten?«

Diethart von Bergau.«

Spöttisch kräuselte Konrad die Lippen. »Dieser Bauernsänger sollte kein ernst zu nehmender Gegner für mich sein. Wer noch?«

»Waldemar von Hollheim.«

Bei Nennung dieses Namens schwollen Konrads Halsadern auf der Stelle mächtig an. »Dieser Aufschneider, dieser ...«

»Vater, wer ist dieser Waldemar von Hollheim?«, unterbrach ihn Ava neugierig.

»Ein Niemand! Und nun geh endlich!«, erwiderte Konrad in scharfem Ton. »Natürlich werde ich kommen. Wir haben nun Ostermonat. Und ich habe genügend Zeit, mich auf meinen Sieg gegen Waldemar vorzubereiten. Ich schwöre bei meinem Leben, ich werde ihn schlagen.«

Ava kümmerte sich nicht darum, dass ihr Vater sie fortschickte, sondern lauschte dem Gespräch mit wachsender Aufmerksamkeit. Was war in ihren Vater gefahren? So heftig hatte er sich noch niemals über einen Gegner geäußert. Er war ein eher friedliebender Mann, weshalb er auch die Turniere der Sangeskunst denen des Schwertkampfes bei Weitem vorzog. Nur ihr gegenüber zeigte er sich manchmal hart und abweisend. Immer dann, wenn sie vorlaut war und sich wie ein »ungehobelter Bursche« gebärdete, wie er ihr häufig vorhielt. »Warum nur bist du nicht nach deiner Mutter geraten?« Wie oft hatte Ava diesen Stoßseufzer schon aus seinem Munde gehört. Natürlich wusste sie, dass Konrad ihre Mutter über alles liebte. Schließlich waren die Zeichen seiner Zuneigung nicht zu übersehen und zu überhören. Konrad überhäufte seine Frau nahezu mit Komplimenten. Und Ava konnte das gut verstehen. Luitgard war so wunderschön mit ihrem langen schwarzen Haar, ihrem ebenmäßigen Gesicht, ihrem vollen roten Mund ... Ava überragte sie jetzt schon um Haupteslänge und hatte nicht nur das lockige, widerspenstige dunkelblonde Haar ihres Vaters geerbt, sondern auch seine geraden Formen. Wo sich bei Luitgard wohlgeformte Rundungen bildeten, wölbte sich bei Ava nur bei näherem Hinsehen etwas. Auf den ersten Blick war sie überall gleich schlank und besaß die Figur eines Jungen. Nur ihr Gesicht war rundlich und mit seinen rosigen Wangen stets von gesunder Farbe.

»Träumst du?«, riss die unfreundliche Stimme ihres Vaters sie aus ihren Gedanken. »Ich sagte, du sollst uns nun allein lassen. Deine Mutter erwartet dich im Speisesaal, aber so kannst du ihr nicht unter die Augen treten.«

Kopfschüttelnd musterte Konrad seine Tochter von oben bis unten. Sein missbilligender Blick blieb an dem verschmutzten Ärmel ihres Unterkleides hängen.

»Ja, Vater«, murmelte Ava und entfernte sich seufzend. Es war nicht das erste Unterkleid, das auf dem abenteuerlichen Weg in ihr Versteck gelitten hatte, aber sie würde sich trotzdem nicht umziehen. Insgeheim hoffte sie, dass Ottilia irgendwann genug von ihrem Verhalten haben und für ihren Sohn nach einer besseren Ehefrau Ausschau halten würde. Schließlich betonte sie bei jeder Gelegenheit, dass sie selbst von vornehmer Herkunft sei. Eine geborene Edelfreie von Ehrenfels. Ava hatte ihre Mutter einmal gefragt, was das wohl zu bedeuten habe. Voller Ehrfurcht hatte Luitgard ihr erklärt, dass Ottilia von uraltem adligem Geschlecht sei. Und dann hastig hinzugefügt, dass sie selbst zwar von ebenso vornehmer Abstammung sei, aber keinen reichen Ritter geheiratet habe wie Ottilia, sondern einen armen Sänger.

Ava stürmte in den Speisesaal und erkannte an dem Blick der Edelfreien von Hoheneich, dass sich ihre Hoffnung auf die Wahl einer neuen Braut für Kasimir schon recht bald erfüllen könnte.

Wie fest Ottilia die Lippen zusammenpresst, als hätte sie gar keinen Mund, dachte Ava belustigt und deutete auf die Schüssel mit dem Getreidebrei.

»Wie ich die Fastenzeit hasse. Wenn doch bloß Ostern vorbei wäre und wieder Fleisch auf den Tisch käme.« Unauffällig zwinkerte sie Kasimir zu.

»Ava, wie siehst du denn wieder aus?«, rief ihre Mutter entsetzt aus. »Und überhaupt, willst du unsere Gäste nicht erst einmal begrüßen, bevor du dich auf das Mahl stürzt? Und unterlass das Fluchen! Die Fastenzeit ist gottgegeben.«

»Seid, gegrüßt«, flötete Ava. »Und bitte verzeiht mein schmutziges Gewand, aber ich war noch im Stall und habe dem Knecht bei den Pferden geholfen.«

Ottilia, die gerade etwas hatte sagen wollen, blieb der Mund offen stehen. »Stall?«, fragte sie ungläubig.

»Ihr müsst ihr ungebührliches Benehmen verzeihen, werte Ottilia, aber glaubt mir, ich werde sie noch zu einer folgsamen Braut erziehen.« Luitgard warf ihrer Tochter einen warnenden Blick zu. »Aber nun erzählt doch einmal von den Feierlichkeiten, die zu Ehren Eurer Schwertleite stattfanden«, ergänzte sie säuselnd und wandte sich voller Aufmerksamkeit an Kasimir.

Der räusperte sich verlegen und berichtete nach einigem Zögern von dem rauschenden Fest, das sein Oheim für ihn und seinen Vetter Rutger auf Burg Donaustauf ausgerichtet hatte.

Ava bekam allein vom Zuhören glänzende Augen. Wie prachtvoll es wohl auf den Burgen der reichen Herren zuging? Auf Burg Falkenberg wurde stets an allem gespart. Manchmal argwöhnte Ava, dass der Reichtum der Herren von Hoheneich ein entscheidender Grund dafür war, dass sie unbedingt und rasch Kasimir heiraten sollte.

»Und die Burgfräulein dort? Sind sie so schön, wie man es sich erzählt?«, fragte Ava neugierig.

Täuschte sich Ava, oder überzogen sich Kasimirs Wangen bei dieser Frage mit einem verräterischen roten Schimmer?

»Ich hatte wenig Zeit, sie mit meinen Blicken zu messen. War ich doch zu sehr beschäftigt mit Pferden und Falken, Jagen und Tischmanieren, dem Unterricht im Bogenschießen und der Handhabung ritterlicher Waffen«, erwiderte er ausweichend, doch Ava ließ sich nicht täuschen. Sie brannte darauf zu erfahren, was es mit den Damen auf sich hatte. Doch wie sollte sie ihn unauffällig aus dem Saal locken? Noch während sie eifrig darüber nachgrübelte, hatte sie einen Einfall.

»Lieber Kasimir, nach dem üppigen Mal möchte ich mich gern ein wenig ergehen. Würdest du mich wohl in den Burghof begleiten?« Ava sah ihn mit großen Augen an und hoffte, ihre Mutter hatte den spöttischen Unterton in ihrer Stimme nicht herausgehört. Luitgard aber strahlte über das ganze Gesicht und nickte hoheitsvoll. »Geht nur!«

Kasimir aber blieb einen Augenblick lang unschlüssig sitzen, bis seine Mutter ihn nachdrücklich aufforderte, Ava nach draußen zu begleiten. Er wirkte nicht eben begeistert, aber er tat, was seine Mutter verlangte, und reichte Ava seinen Arm.

So verließen sie unter den wohlwollenden Blicken ihrer Mütter den Saal. Kaum hatte sich die schwere Tür hinter ihnen geschlossen, entzog Ava ihm den Arm und stöhnte laut auf. »Das ist ja nicht zum Aushalten.«

Kasimir schwieg und legte die Stirn grüblerisch in Falten. Ava erschrak. Er hatte sich doch hoffentlich nicht bereits mit ihrem Vater über einen Preis geeinigt!

»Kasimir? Du willst mich doch nicht etwa zu deiner Frau nehmen?«, entfuhr es ihr ungewollt.

Er sah sie gequält an und bat sie mit einer stummen Geste, ihm ins Freie zu folgen. Im Burghof begegneten sie Konrad, was Ava ganz und gar nicht passte. Vor allem als sie Zeugin wurde, wie überschwänglich ihr Vater Kasimir begrüßte. Wie einen alten Freund oder einen zukünftigen Schwiegersohn, schoss es ihr erschrocken durch den Kopf. Diese offen zur Schau gestellte Vertrautheit der beiden Männer bestärkte Ava in ihrem Verdacht, dass bereits um sie gefeilscht wurde. Hastig hakte sie sich bei Kasimir unter und zog ihn mit sich fort. Sie hielt erst inne, als sie die Burganlage verlassen hatten.

»Kasimir, nun rede schon!«

»Ava, ich mag dich von Herzen, aber ich ...«

Erleichtert atmete Ava auf. »... und ich befürchtete schon, ihr würdet über mich verhandeln.«

Wieder verfiel der junge Ritter in langes Schweigen.

»Wenn es nach meinen Eltern ginge, dann wären dein Vater und ich uns längst einig ...« Er stockte.

»Nun sprich schon weiter! Wirst du es tun oder nicht?«

»Ich weiß es nicht.«

»Was heißt, du weißt es nicht?«, fauchte Ava. »Auch wenn mich keiner fragen wird, sage ich es dir trotzdem offen ins Gesicht: Ich möchte nicht deine Frau werden! Ich liebe dich wie einen Bruder, aber ...«

»... das geht mir doch ähnlich«, unterbrach er sie stöhnend. Dann blickte er sie gequält an. »Ich ... ich möchte am liebsten eine andere heiraten«, presste er schließlich hervor.

Wieder einmal siegte Avas Neugier über ihre Zurückhaltung.

»Wer ist sie? Sprich! Ich wusste doch, dass du ein Geheimnis hast. Deine Wangen leuchteten verräterisch, als du von den jungen Frauen auf Burg Donaustauf sprachst. Wie heißt sie? Wie sieht sie aus?«

»Ihr Name ist Violante. Sie hat helles Haar wie wogende Getreidefelder, einen roten Mund, der zum Küssen einlädt und ...« Verzückt hielt er inne und blickte sehnsüchtig in die Ferne.

»Kasimir, das ist doch wunderbar. Wenngleich ich mir gerade vorstelle, wie das Haar wohl aussehen mag, wenn es Getreidefeldern ähnelt«, lachte sie verschmitzt und sprach dann aufgeregt weiter. »Dann sag deinem Vater nur schnell, wie es um dich bestellt ist und dass du mit ihrem Vater sprechen wirst. Vielleicht ist er froh, dass du nicht mich heiraten willst, sondern ein Geschöpf von solcher Anmut. Und deine Mutter erst recht. Die wird froh sein, wenn ich ihr nicht ins Haus komme ...« Beim Anpreisen der jungen Frau bekam Ava vor Aufregung rote Wangen. So erleichtert war sie, dass ihr noch einmal Zeit bis zur Verheiratung blieb, wenn Kasimir sich eine andere zur Frau nahm. Schließlich musste dann erst einmal ein neuer Ehemann für sie gefunden werden. Und das konnte noch länger dauern.

Sie lächelte in sich hinein.

»Das ist gar nicht ganz so einfach, wie du es dir vorstellst.« Kasimirs Stimme klang gedrückt.

»Aber warum denn nicht? Wir sind doch nicht einmal verlobt. Du bist frei!«

»Sie hat keine Eltern mehr, sondern ist das mittellose Mündel meines Oheims. Außerdem ist sie keine Edelfreie, und meine Mutter hat sich nun einmal in den Kopf gesetzt, dass meine Frau von uraltem Geschlecht sein muss. So wie du. Und die Tochter eines Ministerialen? Nein, das ließe sie nicht zu.«

»Aber bist du mittlerweile ein gestandener Ritter, oder etwa nicht? Geh zu deinem Oheim, und regle das mit ihm. Ihr Männer könnt doch alles untereinander ausmachen. Ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt.« Sie verkniff sich hinzuzufügen: Im Gegensatz zu uns Frauen.

Er hob die Schultern. »Ich kann zurzeit nicht fort, und außerdem weiß ich nicht, ob sie nicht schon einem anderen versprochen ist. Ich befürchte, mein Vetter Rutger hat ebenfalls ein Auge auf sie geworfen.«

Unwirsch stampfte Ava mit dem Fuß auf. »Willst du lieber greinen wie ein altes Weib, statt um deine Liebe kämpfen?«

»Mein Vater wird niemals dulden, dass ich ein armes Mädchen heirate.«

Ava lachte laut auf. »Aber wir haben doch auch kaum Vermögen. Vater verdient längst nicht mehr so viel wie früher, als er auf keinem Burgfest fehlte.«

»Aber er besitzt eine Burg, auf die mein Vater seit Langem ein Auge geworfen hat.«

Ava stieß einen tiefen Seufzer aus.

»Es kann doch nicht angehen, dass ich dich heiraten muss, weil du zu feige bist, jene zur Frau zu nehmen, die du von ganzem Herzen willst. Bitte, lass dir etwas einfallen! Kämpf um sie!«

»Ich werde darüber nachdenken«, entgegnete er schwach.

»Du musst etwas tun! Reite zu ihr, sprich mit deinem Oheim, entführ sie, zück das Schwert und kämpfe!«

Sein finsteres Gesicht hellte sich auf. »An dir ist wirklich ein Kerl verloren gegangen. Du wärst ein großartiger Ritter geworden.«

»Ja, ich wäre ein würdiger Nachfolger meines Vaters, des großen Konrad, geworden. Man würde bei Hof meine Lieder kennen und mich zu den Turnieren laden ...« Ohne weiter darüber nachzudenken, stimmte sie ihr Lieblingslied an und schmetterte es ihm voller Inbrunst entgegen.

Kasimir lauschte ihrem Gesang mit offenem Mund. Als sie schließlich erschrocken innehielt, forderte er sie verzückt auf weiterzumachen. Das ließ sich Ava nicht zweimal sagen und fuhr flammend mit ihrem Vortrag fort.

Als sie das Lied beendet hatte, war alles still um sie herum. Sogar die Vögel hatten zu zwitschern aufgehört. Kasimir starrte sie fassungslos an.

»Du singst besser als jeder, den ich auf der Burg je singen hörte. Wenn du meiner Angebeteten in meinem Namen von meiner Liebe sängst, ihr Herz läge mir zu Füßen«, seufzte er sichtlich ergriffen.

»Aber ich bin nur ein Mädchen, wie mein Vater mir ständig vorhält«, erwiderte Ava zornig.

Kasimir nahm ihre Hand. »Vielleicht können wir beide einfach nicht das bekommen, was wir uns von Herzen wünschen. Und dann ist es doch besser, wenn wir wenigstens einander haben. Vielleicht werden wir uns eines Tages lieben und ...«

»Nein!«, erwiderte Ava schroff. »Meine Träume lassen sich vielleicht wirklich nicht erfüllen, aber du musst es wenigstens versuchen.«

Sie entzog ihm ihre Hand und kehrte, ohne sich noch einmal umzudrehen, wütend auf die Burg zurück. Es wurde allerhöchste Zeit für sie, sich wieder einmal im Hauptturm zu verkriechen und nachzudenken. Vielleicht hatte er ja nicht ganz unrecht, und es wäre besser, mit ihm unter einem Dach zu leben, als mit einem Mann, den sie möglicherweise nicht einmal leiden konnte. Ach, es war zum Verzweifeln. Wäre sie ein Ritter gewesen, nichts hätte sie davon abgebracht, um die junge Frau mit dem Haar wie wogende Getreidefelder zu kämpfen, wie diese auch immer aussehen mochten. Aber sie war nun einmal als Mädchen geboren und würde weder in die Fußstapfen ihres Vaters treten, noch sich einen Mann aussuchen dürfen, für den ihr Herz schlug. Außerdem war ihr ohnehin nur ein einziges Mal geschehen, dass ihr Herz höher geschlagen hatte. Und das auch nur im Traum. Dabei hatte sie ihn nicht einmal richtig gesehen, nur im Nebel ganz verschwommen, ohne Gesicht, aber seine lockende, tiefe Stimme, die würde sie niemals vergessen. »Ava, komm mit mir in die Ferne!« Mit klopfendem Herzen war sie aufgewacht. Mit dem sicheren Gefühl, dass sie die Burg eines Tages verlassen musste, um ihn zu finden. Ein Traum, schoss es Ava durch den Kopf, nichts als ein Traum!

Dann hörte sie nur noch das hässliche Geräusch von reißendem Stoff, als sie sich durch die Luke nach oben zwängte. Wieder eine unbrauchbar gewordene Cotte, die sie unauffällig verschwinden lassen musste.

Kapitel 2

Seit drei Tagen war Konrad nun schon an sein Lager gefesselt und hustete sich die Seele aus dem Leib. Am schlimmsten war der Umstand, dass er kaum mehr sprechen, geschweige denn singen konnte.

Ava betrachtete die Erkrankung des Vaters mit gemischten Gefühlen. Natürlich machte sie sich größte Sorgen um ihn, aber wegen seines Zustandes war nun auch jenes Treffen der Väter ausgefallen, bei dem sie über ihre Vermählung mit Kasimir hatten sprechen wollen. Ava schämte sich ein wenig ihrer klammheimlichen Freude darüber.

Und sie ärgerte sich maßlos über Kasimirs Feigheit. Seit dem Geständnis seiner Liebe zu Violante hatte Ava nicht geruht, ihn zu ermutigen, endlich nach Donaustauf zu reiten und mit seinem Oheim zu sprechen. Doch er zögerte noch immer. Manchmal fragte sie sich, wie er es bloß zum Ritter gebracht hatte. Sie war sich sicher, dass er das Herz der Schönen gewinnen würde, aber dazu musste er kämpfen. Stattdessen ließ er sich von seinen Eltern in eine Ehe mit ihr drängen. Ihr musste bald etwas einfallen, wenn sie die Hochzeit noch verhindern wollte. Auf ihren Freund konnte sie in dieser Angelegenheit offensichtlich nicht bauen.

»Ava?«, krächzte eine Stimme. Erschrocken wandte sie sich um. Sie hatte ihre Mutter gar nicht kommen hören.

»Mutter, Ihr hört Euch gar nicht gut an. Und Ihr seid ganz bleich im Gesicht.«

Ava war aufgesprungen und hatte ihrer Mutter die Stirn gefühlt. »Ihr glüht ja wie Feuer!«

Die Mutter wollte etwas erwidern, aber sie verdrehte nur die Augen und sank ihrer Tochter in die Arme. Ava schrie auf, doch dann trug sie ihre Mutter behutsam zu ihrer Kemenate. Ava keuchte nicht einmal, während sie die Treppen emporstieg, denn ihre Mutter war leicht wie eine Feder.

Kaum hatte Ava Luitgard auf das Bett gelegt und sie in eine Decke gehüllt, rief sie laut nach der Magd, sie möge den Kamin einheizen und einen Krug mit heißem Wein und Honig bringen. Dann betrachtete sie sorgenvoll das blasse schmale Gesicht ihrer Mutter. Ava war erleichtert, als Luitgard endlich die Augen aufschlug.

»Wo bin ich? Was ist geschehen?«

»Du hattest einen Schwächeanfall«, raunte Ava.

Mit einem Ruck setzte sich Luitgard auf und machte Anstalten aufzustehen. »Ich muss deinem Vater seine heißen Umschläge machen. Er wird sich schon fragen, wo ich bin ...« Ein übel klingender Husten unterbrach sie.

Ava drückte sie zärtlich zurück in das Federkissen. »Mutter, Ihr seid nicht wohl. Ich werde mich um ihn kümmern. Und jetzt trinkt!« Ava reichte ihr einen Becher von dem heißen Wein mit Honig, den Frascha, die Magd, soeben hereingebracht hatte. Mit zitternden Händen griff Luitgard nach dem heilenden Getränk.

Im gleichen Augenblick waren von nebenan, aus dem Zimmer des Vaters, ein bellender Husten und gleich darauf ein erstickter Ruf zu hören. »Luitgard, wo bist du?«

Ava hinderte ihre Mutter erneut am Aufstehen und bat die Magd, bei der Herrin zu wachen, während sie zum Vater hinübereilte.

Konrad stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, als er statt der geliebten Frau die Tochter an sein Bett treten sah.

»Wo ist deine Mutter?«, fragte er unwirsch.

Ava räusperte sich. »Vater, sie wird vorerst nicht an dein Lager eilen können. Sie fiebert selbst.«

»O weh, o weh!«, jammerte Konrad. »Wenn ihr etwas zustößt, werde ich mir das nie verzeihen. Und wer soll sich jetzt bloß um mich kümmern?«

Ava liebte ihren Vater wirklich über alles, aber gerade spürte sie eine unbändige Wut gegen ihn aufsteigen. Traute er ihr eigentlich gar nichts zu? Glaubte er, sie sei nicht in der Lage, sich um Kranke zu kümmern? Und überhaupt, was war er nur für ein Jammerlappen!

»Vater, macht Euch keine unnötigen Sorgen. Frascha und ich werden alles richten«, zischte sie mit unterdrücktem Zorn.

Konrad rümpfte die Nase. »Mein Kind, an dir mag zwar ein tollkühner Bursche verloren gegangen sein, aber ich glaube nicht, dass du ...« Ein entsetzlicher Husten hinderte Konrad am Weitersprechen. Ava konnte gar nichts dagegen tun. Dieses Mal tat er ihr kein bisschen leid. Merkte er gar nicht, wie grausam und ungerecht er war? Wieder einmal zeigte er ihr, was er von ihr hielt. Nämlich gar nichts.

Trotzig schwieg sie, während sich ihr Vater in Hustenkrämpfen wand. Soll er doch daran ersticken, dann sieht er schon, was er davon hat, mich so gemein zu behandeln, dachte sie erbost.

Als er schließlich nur noch erschöpft röchelte, betrachtete sie ihn prüfend. »Vater, wo bewahrt Mutter ihre Kräuter auf?«

»Sie, sie ...«, krächzte er. Dann versagte ihm die Stimme, und alles war still, bis auf ein Pfeifen, das sich bei jedem Atemzug seiner Kehle entrang.

Ava seufzte. Mittlerweile dauerte er sie wenigstens wieder ein klein wenig, zumindest so viel, dass sie bereit war, seine Qualen zu lindern.

»Vater, wo hat Mutter die Kräuter, um Euch einen Trank zuzubereiten? Gebt mir einfach nur ein Zeichen. Ich verstehe Euch auch ohne Worte.«

Konrad atmete tief durch. »Sie sind aus«, keuchte er heiser. »Deine Mutter wollte heute noch der alten Els einen Besuch abstatten.« Erschöpft hielt er inne.

Bei dem Gedanken, dass es nun wohl ihre Aufgabe war, die Kräuter zu besorgen, zuckte Ava unmerklich zusammen. Sie wollte zwar alles für die baldige Genesung ihrer Eltern tun, aber sie mochte das Kräuterweib nicht. Das lag weniger an dem abschreckenden Aussehen des Hutzelweibes, sondern an jenen Worten, die sie einst in der Kammer ihrer Mutter belauscht hatte. »Luitgard, du musst einem eigenen Sohn das Leben schenken. Dein Mann wird dich sonst verstoßen, wenn er dieses Kind nicht bekommt. Glaub mir!« Luitgard hatte den Worten der Alten zwar heftig widersprochen, aber die hatte nur hämisch gelacht und gekichert. »Er wird dich verstoßen, wenn du ihm dieses Kind nicht gebierst. Glaub mir, sein Stolz erlaubt es nicht, wenn du ihm keines schenkst.«

Ava schüttelte es noch immer, wenn sie daran dachte. Am liebsten wäre sie damals aus ihrem Versteck gesprungen und hätte gebrüllt: »Bin ich etwa kein Kind?« Stattdessen hatte sie zitternd unter dem Bett der Mutter ausgeharrt.

Trotzdem musste sie die Alte flugs aufsuchen. Ob sie es wollte oder nicht. Natürlich hätte sie den Knecht schicken können, aber ob sich die Els von ihm überreden ließ, ihm für ihren Pfennig, den Konrad Ava zur Geburt geschenkt hatte, die allerbesten Mittel zu verkaufen?

»Ich sage Frascha Bescheid, dass sie nach dir sehen soll. Ich reite derweil zur alten Els.«

»Hilf mir, dass ich gemeinsam mit deiner Mutter im Schlafgemach ruhen kann!«, krächzte Konrad heiser.

Entschieden schüttelte Ava den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Dann werdet Ihr nie gesund. Und nun versucht zu schlafen. Frascha bringt Euch gleich einen warmen Wein mit Honig. Und weitere Decken, damit Ihr noch mehr schwitzt.«

Im Vorbeigehen warf Ava noch einen flüchtigen Blick in die Kammer ihrer Mutter. Frascha machte ihr ein Zeichen, dass die Herrin schlief. Daraufhin eilte Ava weiter zum Stall.

Dort angekommen, zögerte sie. Sollte sie ihren Zelter nehmen oder das weiße Pferd des Vaters, das eine schnellere Gangart beherrschte? Allerdings hatte Konrad strengstens verboten, dass ein anderer außer ihm das Tier ritt.

Noch während Ava an dieses Verbot dachte, war sie bereits damit beschäftigt, das weiße Pferd zu satteln. Es scharrte ungeduldig mit den Hufen und schnaubte wild. Ava vermutete, dass es länger nicht bewegt worden war und sich auf den Ausritt mit ihr freute.

Es war nicht das erste Mal, dass Ava sich den Weißen, wie Konrad sein Pferd nannte, heimlich für einen Ausritt holte. Was hätte ihr Vater dieses Mal auch dagegen vorzubringen gehabt? Schließlich wurden die Kräuter dringend benötigt. Und der Weiße war nun einmal schneller. Mit einem Satz war sie auf den Rücken des Pferdes gesprungen.

Zunächst ritt Ava noch gemäßigten Schrittes durch die Ansiedlung, die unterhalb der Burg lag. Aber kaum hatte sie die letzten Häuser hinter sich gelassen und sah die weiten Felder vor sich ausgebreitet, gab sie dem Pferd Befehl, zügiger zu laufen. Und schon flog sie dem Waldrand entgegen, an dem die ärmliche Hütte der Alten stand. Und da war sie auch schon, die Behausung der Els.

Ava band den Weißen an einem Baum fest und näherte sich zögernd der Hütte. Wohl war ihr immer noch nicht, aber das wollte sie sich auf keinen Fall anmerken lassen.

»Ist jemand zu Hause?«, rief sie laut, weil sie nicht ungebeten in das dunkle Innere der Hütte treten wollte.

»Wer da?«, erwiderte eine knarrende Stimme. Und schon steckte die bucklige Alte ihr faltiges Gesicht aus der Tür.

»Ich bin Ava von Lechtenberg. Luitgards und Konrads Tochter ...«, antwortete sie artig, doch da schnitt ihr die Alte bereits das Wort ab. »Ich weiß, wer Ihr seid!«

»Ihr kennt mich?« Erstaunt musterte Ava das Kräuterweib.

»Jeder weiß, wer Ava von Lechtenberg ist, aber auch jeder weiß, dass Ihr nicht ...« Sie stockte und bat Ava, ihr in die Hütte zu folgen, in die von außen kein einziger Lichtstrahl hereindrang. Allein ein in schweren Ketten von der Decke hängendes Feuerbecken spendete ein wenig schummeriges Licht.

»Was führt Euch zu mir, Ava von Lechtenberg?«, fragte die Alte nun.

»Meine Eltern liegen mit einem Fieber und schrecklichem Husten danieder, und meiner Mutter sind die Kräuter ausgegangen.«

»Ihr habt großes Glück, mein Kind. Ich bin gerade vom Sammeln zurück und habe wahre Schätze entdeckt. Wartet. Ich bringe Euch alles, was Ihr braucht.«

Die Alte entschwand aus dem schummrigen Schein des Feuers. Avas Augen hatten sich inzwischen an die Düsternis der Hütte gewöhnt, und sie blickte sich neugierig um. Wohin sie auch sah, überall standen Schalen voller Pflanzen. Vorsichtig trat sie einen Schritt auf eines der Gefäße zu. Ein angenehmer Geruch stieg ihr in die Nase. Mutig geworden, schnupperte sie am nächsten Tiegel, aber sie zuckte erschrocken zurück. Die weiße Masse darin stank bestialisch. Und so kräftig, dass Ava sich die Nase zuhielt.

»Davon sollt Ihr auch etwas mitnehmen. Ich habe es von den Schwestern aus dem Kloster. Sie bauen es dort an. Klioban. Es stinkt gen Himmel, vor allem aus dem Maul derer, die es zu sich genommen haben, aber es ist ein wahres Wundermittel gegen alles, was den kranken Körper quält«, kicherte die Alte.

Auf dem Tisch neben dem Feuerbecken breitete sie nun jede Menge unterschiedlicher Mittelchen aus.

»Für Luitgard und Konrad nur das Beste. Ihr mischt alles mit heißem Wein und Honig zu einer Tinktur und verabreicht ihnen reichlich davon.«

Els packte die Kräuter in einen Korb und wollte ihn Ava in die Hand drücken, doch die war mit ihren Gedanken weit weg.

»Kann ich noch etwas für Euch tun?«

»Ja. Hast du vielleicht auch ein Mittel für die Stimme meines Vaters? Sie hört sich gar schaurig an. Und er ist zum Turnier nach Landshut eingeladen.«