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Über dieses Buch:

Milly kann ihr Glück kaum fassen: Endlich ist ihr Traum vom eigenen Cottage zum Greifen nahe! Doch die Sache hat einen Haken – den ebenso charmanten wie dreisten Besitzer Nolan, der das Häuschen lieber gewinnbringender verkaufen will. Allerdings schlägt er sich gerade mit einem lästigen Problem herum: Seine Familie in New York will ihn schon lange unter der Haube sehen, da käme eine Scheinfreundin für die Geburtstagsfeier seines Bruders also genau recht. Milly ist bereit, ihm auszuhelfen, natürlich ohne Küsse oder sonstige Verpflichtungen! Doch beide haben ihre Rechnung ohne die Liebe gemacht – und dass Gefühle immer alles viel komplizierter machen als geplant …

Über die Autorin:

Jennifer Wellen, Jahrgang 1974, studierte nach ihrem Abitur Biologie und arbeitet derzeit als Dozentin in der Erwachsenenbildung. Wenn sie neben ihrer Tochter, den drei Katzen und ihrem Hund noch Zeit findet, schreibt sie mit Begeisterung witzige Romane für Frauen, die wissen, wie das Leben spielt.

Bei dotbooks veröffentlichte Jennifer Wellen bereits ihre Liebesromane »Sternschnuppenwünsche« und »Liebe ist wie eine Goodie Bag«.

Weitere Romane sind in Arbeit.

Die Website der Autorin: www.jenniferwellen.com

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/jenniferwellenautorin

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Originalausgabe März 2019

Copyright © der Originalausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Susann Harring

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/mubus7, Peter Turner Photography und sumroeng chinnapan

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-446-1

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Jennifer Wellen

Drei Küsse für ein Cottage

Roman

dotbooks.

Home sweet Home, Milly

Bewundernd erkundet mein Blick jeden Vorsprung des alten Landhäuschens. Das Cottage wäre perfekt – absolut perfekt für mich und meine Orchideen!

Direkt neben dem Haupthaus gibt es ein großes Gewächshaus. Mit Oberlichtern, die mithilfe einer Kurbel geöffnet werden können. Zudem bietet der daran angrenzende Holzschuppen die Möglichkeit, Material wie Dünger, Blumentöpfe und Kultursubstrat zu lagern. Wie es wohl von innen aussieht?

Von Neugier getrieben trete ich noch ein Stück näher heran. Das metallene Gartentörchen ächzt in den Angeln, was mich unweigerlich zusammenzucken lässt. Eliza hat mir zwar gesagt, das Haus stünde seit dem Tod der alten Mrs Pambrooke leer, doch ich will ja niemanden verärgern, schließlich ist es immer noch Privatbesitz. Aber die Versuchung ist zu groß …

Also schleiche ich weiter. Der Kies knirscht unter meinen Sneakers. Während ich mich wie ein Einbrecher zum Fenster links neben der Haustür vorarbeite, huscht mein Blick umher. Den wilden Wein an der Fassade würde ich lassen, vielleicht ein wenig stutzen hier und da, aber nicht ganz abreißen. Er gibt dem Cottage genau den verträumten Touch, den ich so mag. Außerdem müssten die Rosen, die das Haus umsäumen, dringend mal zurückgeschnitten werden, ebenso die Hecke, die hinter dem schmiedeeisernen Zaun das Grundstück begrenzt und völlig aus der Form geraten ist.

Ein verhaltenes Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Herrgott, wäre das schön. Mein eigenes Haus, mein eigener Garten, wenn alles gut läuft, dann vielleicht auch endlich mein eigenes Geschäft, wenn ich das Häuschen kaufe. Um es mit anderen Worten auszudrücken: mein eigenes Leben.

In diesem Moment wird mir klar, das Cottage hier in Goldcliff muss ich unbedingt haben. Nicht nur, dass Wales weit genug von Walt und Haley weg ist und meine beste Freundin hier wohnt, nein, das Cottage liegt auch noch in der Nähe der Küste. Ich liebe das Meer sowie lange Strandspaziergänge. Vielleicht lege ich mir dann sogar einen Hund zu. Mein Herz schlägt vor Aufregung bei dem Gedanken, mit einem vierbeinigen Freund am Wasser entlangzulaufen, den salzigen Geruch des Meeres in der Nase, eine Spur schneller.

Gespannt drücke ich mir die Nase an der dreckigen Scheibe platt. Mein Blick fällt auf einen weiß lasierten Schrank neben der Zimmertür. Mehr kann ich leider nicht erkennen, da die tief stehende Sonne mich blendet.

Als ich eine Bewegung im Inneren bemerkte, schrecke ich zurück. Ist etwa doch jemand im Haus?

Fahrig reibe ich mir über die brennenden Lider. Vom ganzen Binden und Stecken der Tischdekoration für die Kellermann-Hochzeit sind sie überanstrengt, vielleicht haben sie mir nur einen Streich gespielt. Deshalb wage ich noch einen letzten kurzen Blick, entscheide mich dann aber dafür zu gehen. Sicher ist sicher. Außerdem wollte ich ja auch nur schauen, ob es mir grundsätzlich gefällt, nachdem Eliza mir erzählt hat, dass es seit letzter Woche endlich zum Verkauf steht.

Ich versuche mich genauso leise, wie ich gekommen bin, wieder vom Grundstück zu schleichen. Nur für den Fall, dass doch jemand im Haus ist und meine Augen mich nicht getrogen haben. Doch mein Vorhaben wird von höheren Mächten durchkreuzt. Das Gartentor quietscht beim Öffnen dermaßen laut, dass man es vermutlich glatt bis London hören könnte. Mist!

Hinter mir ertönt unvermittelt ein Quietschen und Knarren. »Sie da!«, höre ich jemanden ausrufen. Ertappt bleibe ich stehen.

»Können Sie mir bitte mal erklären, was Sie hier auf dem Grundstück machen?« Die tiefe Männerstimme klingt ziemlich aufgebracht, weshalb mein Herz noch einen Zahn zulegt.

Langsam drehe ich mich um und unterdrücke den Impuls, die Hände wie ein Schwerverbrecher über den Kopf zu heben. Mir schießt unvermittelt die Röte ins Gesicht.

Der Kerl, der im Türrahmen des Cottage steht und mich wütend anfunkelt, ist groß. Beeindruckend groß, um genau zu sein, denn er muss sich sogar etwas bücken, um in den Türrahmen zu passen. Er trägt einen grauen Anzug, der ebenso dunkel ist wie seine wütend funkelnden Augen. Mit einer Hand stützt er sich lässig am Türrahmen ab und taxiert mich mit einer dermaßen giftigen Miene, dass es mich wundert, dass ich nicht sofort tot umfalle.

Herrje, was nun? Einfach die Wahrheit sagen, beschließe ich. Leichter gesagt, als getan …

»Ich … ähm … also … ich«, setze ich an, verschlucke jedoch abrupt jegliches weitere Wort, als er skeptisch eine Augenbraue in die Höhe zieht. Herrgott. Ich habe lediglich einen Blick durch das Fenster geworfen und nicht gleich die Scheibe eingeschlagen.

»Also ich … ich wollte nur wissen, wie es von innen aussieht. Ich habe gehört, es steht zum Verkauf«, bringe ich mühsam heraus und ärgere mich beinahe über mich selbst. Immerhin habe ich nichts Unrechtes getan.

Trotz der warmen Sonnenstrahlen läuft mir bei seiner misstrauischen Miene ein kalter Schauer über den Rücken, der mich frösteln lässt. Er neigt den Kopf und sieht mich stirnrunzelnd an.

»Haben Sie etwa Interesse?«

Ich löse mich aus meiner Schockstarre und gehe einen Schritt auf ihn zu. »Kommt darauf an. Meine Freundin hat gemeint, der Enkel der alten Mrs Pambrooke hätte keine Verwendung mehr dafür.«

Plötzlich lacht er trocken auf. »Ach ja, hat Ihre Freundin das? Und woher weiß sie das so genau? Vielleicht will der Enkel ja auch selbst darin wohnen.«

Ich zucke mit den Schultern und verziehe das Gesicht. »Keine Ahnung, woher sie das weiß. Sie wohnt immerhin hier in Goldcliff und bekommt viel mit.«

Elizas O-Ton am Telefon gestern war: »Der Besitzer ist so ein stinkreicher Banker aus London. Er hat das alte Häuschen von seiner Oma geerbt. Wenn der in das Mini-Cottage am Rande von Nirgendwo zieht, fresse ich einen Besen. Der verkauft es sicher nur gewinnbringend, um das Geld dann in Aktien zu investieren. Also deine Chance, meine Süße.« Aber das sage ich dem Kerl im Türrahmen so natürlich nicht.

Er mustert mich nun abschätzend von Kopf bis Fuß, was mir ziemlich unangenehm ist. Checkt der mich etwa ab? Wie Männer das mit Frauen so tun – ganz das Klischee: Bauch – Beine – Po, scharfe Katze oder doch eher graue Maus …? Mit meinem Jeans-Turnschuh-Sweatshirt-Mix und dem Pferdeschwanz, der meine braunen Haare zusammenhält, wird er mich sicherlich irgendwo dazwischen ablegen.

Unwillkürlich ziehe ich die Schultern ein und verschränke die Arme vor der Brust.

Nun tritt er ganz aus dem Haus und stellt sich aufrecht hin. Ich schätze ihn auf gut einen Meter neunzig, womit er mich einen Kopf überragt, da ich auch nicht gerade klein gewachsen bin.

Sein Blick huscht erneut über meinen Körper und bleibt letztlich an meinen Augen hängen. »Wollen Sie sich vielleicht innen mal umschauen?«

Ich zögere. Das Cottage liegt etwas abseits der Ortschaft, und der Kerl hier ist mir völlig unbekannt. Aber einen Blick hineinzuwerfen wäre schon toll. Damit könnte ich mir einen Besichtigungstermin ersparen.

»Keine Sorge«, sagt er ernst und steckt nun beide Hände lässig in die Hosentaschen. »Ich habe heute Morgen gut gefrühstückt.«

»Oh … das ist schön für Sie«, gebe ich verwirrt zurück. Was bitte meint er denn damit?

Unvermittelt beginnt er zu schmunzeln, und an seinen Wangen tauchen die Ansätze zweier Grübchen auf, was ihn gleich nahbarer wirken lässt. Seltsamerweise zieht es in meiner Magengrube. Das muss wohl die Skepsis ihm gegenüber sein.

»Ich meine nur, Sie gucken so entgeistert, als wäre ich die Knusperhexe persönlich.«

Jetzt dämmert mir, was er hat andeuten wollen. »Na ja, ein bisschen Vorsicht hat noch niemandem geschadet, oder? Oder gehen Sie einfach mit fremden Männern mit?«, pariere ich.

Er schmunzelt verhalten. »Vielleicht nicht mit fremden Männern, aber gern schon mal mit fremden Frauen.«

Aha. Daher weht der Wind. Der Typ scheint ziemlich überzeugt von sich zu sein. Nun ja, er sieht überdurchschnittlich gut aus, das gebe ich zu, und ist wohl auch vermögend – sein Anzug sowie die klobige Uhr an seinem Handgelenk sprechen für sich. Sicher ist er ein Frauenmagnet und Höschenkiller. Pech für ihn, dass er bei mir nicht landen kann. Nach der Trennung von Sven im letzten Herbst habe ich mir geschworen, mich endlich mal auf mich und mein Leben zu konzentrieren. Außerdem ist der geschniegelte Kerl nun wirklich nicht mein Typ.

Für einen Moment betrachtet er mich scheinbar nachdenklich. Dann dreht er sich unvermittelt um und läuft zurück ins Haus. »Wenn Sie schnell mal gucken wollen, dann jetzt. Sonst müssen Sie sich einen offiziellen Besichtigungstermin besorgen«, ruft er über die Schulter zurück.

Verdammt. Das ist die Gelegenheit. So bräuchte ich nicht noch einmal zweieinhalb Stunden Autofahrt in Kauf zu nehmen und mir extra einen Wagen zu leihen. Mal abgesehen davon, dass ein Besichtigungstermin sicher unter der Woche stattfinden würde, wofür ich mir auch noch Urlaub nehmen müsste. Dann sollte ich mir die Chance jetzt doch nicht entgehen lassen, oder?

Hastig stolpere ich ihm hinterher und höre mich rufen:

»Warten Sie. Wissen Sie auch, für wie viel das Haus verkauft wird?«

Mein Blick streift liebevoll die alten Landhausschränke sowie den gusseisernen Gasherd, auf dem noch ein alter Teekessel wie zu Großmutters Zeiten steht. Mit den Fingern fahre ich zärtlich über die blau-weißen Kacheln mit Windmühlenmuster an der Wand. Ich war mir vorher ja schon sicher, das Haus unbedingt haben zu wollen. Doch jetzt, nach der Besichtigung des Innenlebens, ist mir klar: Ich kann mir nicht mehr vorstellen, irgendwo anders zu wohnen. Ich muss das Cottage haben!

»Wollen Sie die Küche behalten?«

Ich seufze auf. »An sich gerne, aber ich muss erst mal sehen, was der Kaufpreis sagt. Ich habe zwar einiges gespart, doch den Rest werde ich wohl oder übel finanzieren müssen.«

Der Kerl, von dem ich vermute, dass es sich um den Immobilienmakler handelt, hat mich in den letzten Minuten durch das ganze Haus geführt und dabei alles kommentiert. Dabei musste ich zwangsläufig eines feststellen: Die Sprache Sarkasmus beherrscht er – und zwar perfekt.

Das Objekt meiner Begierde verfüge in der oberen Etage über vier quadratisch kleine Hucken und ein großzügig geschnittenes Bad im Herbergsstil, im Parterre über ein großes Wohnzimmer, das einen schönen Blick auf den Urwald hinter dem Haus böte; ein Arbeitszimmer ohne WLAN, stattdessen mit einer Vorrichtung für Rauchzeichen ausgestattet; die Uraltküche, an der die Erfindungen von Mikrowelle, Mixer und Crusher gänzlich vorbeigegangen waren; und das obligatorische Minigästeklo, bei dem die Türe aber nur geschlossen werden kann, wenn die Person bei der Verrichtung ihres Geschäftes die Knie ans Kinn zieht.

Zudem hat er mich darauf hingewiesen, dass die Fenster ausgetauscht werden müssten, da sie genauso viel Wärmeverlust aufweisen wie Fenster ohne Glas, dass das Dach getreu dem Motto Loch an Loch und hält doch funktioniert, die Wasserleitungen im Winter einfrieren und die altersschwachen Sicherungen der noch altersschwächeren Elektroleitungen bei Inbetriebnahme vermutlich gleich in Flammen aufgehen werden. Also wenn der Kerl von Beruf tatsächlich Immobilienmakler ist, kann der nicht wirklich viel verkaufen.

»An wen muss ich mich wenden, wenn ich das Cottage haben möchte? An Sie?«

Der Makler lehnt sich mit verschränkten Armen lässig an die Küchenanrichte und runzelt die Stirn. »Sie wollen die Ruine hier wirklich erwerben?«

Ich drehe mich ein paarmal um die eigene Achse, sehe mich in Gedanken bereits in einer möglichen neuen Zukunft und nicke heftig mit dem Kopf. »Ja, das will ich.« Genau – ich will den Bund fürs Leben eingehen. Mit dem Haus hier. Jawoll!

Er schmunzelt. »Sie stürzen sich also gern freiwillig in ihr Unglück?«

»Unglück? Das Haus ist perfekt für mich.« Und vermutlich auch annähernd bezahlbar. »Was will der Eigentümer für das Haus haben?«

Nun wird er wieder ernst. »Eigentlich zweihunderttausend Pfund.«

Mit einem Zischlaut entweicht die Luft aus meinen Lungen. »Oha. Mit Möbeln oder ohne?«

»Ohne«, gibt er zurück.

Ich presse enttäuscht die Lippen aufeinander.

Zweihunderttausend Pfund ist verdammt viel. Plus Geld für die Möbel, weil ich selbst keine habe. Walt wird mir sicher niemals erlauben, das Bett und den Schrank aus meinem Zimmer mitzunehmen. Ich kann nur hoffen, dass ich mit meinem mickrigen Floristinnengehalt überhaupt so viel Kredit bekomme.

»Aber Sie sollten ihn runterhandeln. Auf 150.000 Pfund. Mehr ist die Bude in meinen Augen nämlich nicht wert. Sicher stecken Sie mindestens noch mal dasselbe in die Sanierung.«

Sanierung? Der Kerl ist ja witzig. Ich werde das Haus so lassen, wie es ist. Vielleicht ein bisschen streichen, Möbel austauschen und nach und nach, wenn ich mal Geld übrig habe, natürlich auch was reparieren lassen. Aber wenn ich um dreihunderttausend Pfund bitte, wird die Bank mir ganz sicher einen Vogel zeigen.

»Gibt es denn noch weitere Interessenten?«

Der Kerl nickt. »Eine Autorin aus Deutschland, die das Haus als Ferienhaus nutzen möchte, und ein Unternehmer aus London, der es gern modernisieren lassen will.«

Mist. Hätte ich mir ja denken können. So ein süßes Cottage bleibt eben nicht allzu lange leer. »Modernisieren heißt aber abreißen und neu bauen, und die Autorin wird sich außerhalb der Ferien kaum drum kümmern. Deswegen finde ich, ich sollte das Cottage bekommen.«

Der Makler hebt überrascht die Augenbrauen. »Finden Sie, ja?«

Ich bemühe mich, ihm mein strahlendstes Lächeln zu schenken. Da kann doch keiner Nein sagen. Nicht einmal er.

Nun räuspert er sich. »Und was ist mit Ihnen, was haben Sie mit dem Haus überhaupt vor? Wollen Sie hier …«, er stockt kurz, »… mit Ihrem Freund einziehen?«

Ich straffe die Schultern. Wenn es Sven noch gäbe, dann vielleicht. Aber jetzt? »Nein, ich werde allein hier wohnen. Und im Gewächshaus will ich seltene Orchideen züchten«, gebe ich verhalten zurück. »Ich habe überlegt, mich mit einem Onlineshop selbstständig zu machen.« Wenn ich ehrlich bin, habe ich das zwar nicht – ich hatte eher über eine normale Gärtnerei nachgedacht –, aber Eliza hat mich letztlich mit ellenlangen Vorträgen bezüglich der Wirtschaftlichkeit rein analoger Unternehmen überzeugt. Sie ist der Meinung, auch Gärtnereien und Blumenläden müssten mit der Zeit gehen, und wenn ich wirklich Geld mit Orchideen verdienen will, sollte ich es mal übers World Wide Web versuchen.

»Außerdem würde ich den Charme des Cottages weitestgehend erhalten. Modernisieren kann ja schließlich jeder.«

Er nickt beiläufig und runzelt die Stirn. »Orchideen? Interessant. Haben Sie etwa beruflich mit Blumen zu tun?«

Ich nicke bestätigend. »Floristin!«

Er schmunzelt ein wenig, wodurch die Grübchen wieder auftauchen. Irgendwie finde ich sie süß. Plötzlich kribbelt es ganz leicht in meinem Bauch.

»Bekommen Sie denn allein überhaupt eine Finanzierung? Sie können doch unmöglich älter als Anfang zwanzig sein.«

Jetzt bin ich tatsächlich etwas pikiert. Himmel noch mal, ich habe sogar schon Krähenfüße.

»Ehrlich gesagt bin ich fast dreißig, habe eine abgeschlossene Berufsausbildung und neun Jahre Berufserfahrung«, echauffiere ich mich. »Da werde ich doch wohl noch eine Finanzierung auf die Beine gestellt bekommen, oder etwa nicht?«

Nun mustert er mich überrascht erneut von Kopf bis Fuß.

»Dreißig?« Seine Augenbrauen rutschen Richtung Stirn.

»Genau«, pflichte ich ihm bei. »Im August habe ich Geburtstag.« Und werde neunundzwanzig a, wie Eliza sagen würde. Sie kommt mit dem Altern wesentlich schlechter klar als ich. Neuerdings tickt angeblich sogar ihre biologische Uhr. Deshalb hat sie ihren Freund Bradley dazu überredet, im nächsten Jahr endlich zu heiraten.

»Wer hätte das gedacht. Da habe ich mich wohl von ihrem jugendlichen Zopf täuschen lassen.« Der Immobilienmakler schmunzelt schon wieder und heizt das Kribbeln in meinem Bauch an, was mich ärgert.

Ich recke das Kinn vor und kneife die Augen zusammen. »Tja, so kann der Schein trügen, was?«

Ein schelmisches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. In seinen Augen sehe ich etwas aufblitzen. Ich weiß nur nicht, was es ist. Verschlagenheit? Bewunderung? Ein Geistesblitz?

»Sieht so aus. Und jetzt?«, sagt er auffordernd.

Ich rolle verhalten die Augen und schüttele den Kopf. »Wäre es schön, wenn Sie mir endlich verraten könnten, was ich tun muss, um dieses bezaubernde Landhaus zu erwerben.«

Er stemmt sich von der Anrichte ab, steckt seine Hände in die Hosentaschen und schlendert Richtung Eingangstür. »Wenn Sie wollen, können Sie mich gern morgen früh im Büro anrufen. Dann lasse ich Ihnen ein Portfolio des Cottage zukommen.«

Ich laufe ihm hinterher. Mein Herz hüpft in freudiger Erwartung, meinem Traumhaus einen Schritt nähergekommen zu sein, auf und ab. An der Tür bleibt er stehen und dreht sich zu mir um.

Unsere Blicke treffen sich frontal. Seine Augen sind dunkelblau. So wie das Meer am Strand von Hastings an seiner tiefsten Stelle. Vorhin, als er an der Tür stand und auch während der Besichtigung, hatte ich die ganze Zeit über gedacht, sie seien dunkelbraun. Das Kribbeln in meinem Bauch wird noch stärker. »Dann bräuchte ich vielleicht eine Nummer oder so etwas!«

»Kein Problem, gebe ich Ihnen, Miss …?«, sagt er, und ich bilde mir ein, dass seine Stimme etwas rauer und tiefer klingt als vorher. Mein Atem beschleunigt sich und passt sich meinem aufgeregten Herzen an.

»… Hughes!«, gebe ich zurück. Meine Wangen beginnen unvermittelt zu brennen. Herrgott, was ist denn bloß los mit mir?

Der Geruch seines Rasierwassers dringt mir in die Nase, und ganz plötzlich habe ich das Gefühl, mein Gehirn ist wie eine große Kreuzung, an der die Ampeln ausgefallen sind. Alle Gedanken fahren wild durcheinander, und ich versuche krampfhaft, sie zu sortieren. Wo bitte ist ein Gedankenverkehrspolizist, wenn man ihn mal braucht?

»Miss Hughes, für einen Kuss würde ich sogar ein gutes Wort beim Eigentümer für Sie einlegen«, murmelt er mir zu.

Überrascht schnappe ich nach Luft. »Ist das etwa ein Scherz?«

Er schüttelt den Kopf und tritt noch einen Schritt näher. Zieht seine Hände hervor. Er ist mir nun so nahe, dass er eigentlich mein Herz in meiner Brust hämmern hören muss.

»Ich kenne den Besitzer ziemlich gut. Für einen Kuss würde ich ihn vielleicht fragen, ob er Ihnen das Vorkaufsrecht erteilt.«

Das Kribbeln in meinem Bauch breitet sich auch über den Rest meines Körpers aus. Ich bemühe mich, es zu ignorieren, und schüttele den Kopf. Erst langsam, dann etwas schneller. Ich muss den Bann lösen, mit dem sein hypnotischer Blick mich gefangen hält. Die angenehme Wärme, die von ihm abstrahlt, und den wohligen Geruch von Aftershave ignorieren.

»Ehrlich gesagt will ich das Cottage wirklich, aber nicht unbedingt um jeden Preis«, gebe ich selbstbewusst zurück. Meine Stimme klingt dennoch merkwürdig belegt, und auch meine Knie scheinen nicht mehr ganz so stabil zu sein.

Ein spitzbübisches Grinsen huscht über sein Gesicht. Und dann sind sie wieder da – diese Grübchen rechts und links von seinen vollen Lippen. Himmel. Hatte ich vorhin gedacht, der Kerl ist nicht mein Typ? Ich nehme alles zurück. Wenn er lächelt und nicht so ernst aus der Wäsche guckt, ist der Mann absolut zum Anbeißen.

Für einen Moment hält mich sein Blick fest. Fast bin ich geneigt, doch spontan auf sein Kussangebot einzugehen. Einfach meine Arme um seinen Hals zu schlingen und meine Lippen auf seine zu drücken. In seinen Augen kann ich die stumme Aufforderung lesen, es tatsächlich zu tun. Hin- und hergerissen stehe ich da, halte die Luft an und warte darauf, was nun passiert. Er kommt mir langsam näher, sein warmer Atem streift mein Gesicht, während mir das Herz aus der Brust zu springen droht. Und dann … ist draußen ein lautes Knacken zu hören, das den Bann zwischen uns bricht.

Er räuspert sich und tritt mit verwirrtem Blick einen Schritt zurück. Enttäuschung ergreift mich. »Gut, dann gilt für Sie das Gleiche wie für die anderen Interessenten. Rufen Sie die Immobilienfirma an, dann bekommen Sie das Portfolio und sind im Rennen um das Cottage.«

Die Enttäuschung verwandelt sich schlagartig in Verwirrung. »Immobilienfirma? Ich verstehe nicht ganz.«

Er nickt kurz. »Der Verkauf des Cottage wird über eine Firma abgewickelt.«

Mir wird klar, er ist alles, aber ganz sicher kein Immobilienmakler.

»Dann danke erst mal für die inoffizielle Führung«, haspele ich verwirrt, wende mich ab und öffne die Tür. Meine Gedanken fahren wild durcheinander. Wer, bitte, ist er? Der Eigentümer? Ich verwerfe den Gedanken aber gleich wieder – wenn er wirklich so ein reicher Schnösel ist, fährt er sicher nicht am Wochenende in dieses Nirgendwo und führt Fremde im Haus herum.

Ich will bereits durch die Tür nach draußen schlüpfen, als er mich am Arm zurückhält. Seine Finger umschließen mein Handgelenk. Sie sind warm, und es prickelt angenehm an der Stelle. In meinem Unterleib beginnt es augenblicklich, angenehm zu ziehen.

»Warten Sie!« Er runzelt die Stirn und sieht mich noch einmal ernst an. Hält meinen Blick fest, als wolle er ganz sichergehen, dass wir uns nicht vielleicht doch noch küssen. Doch dann greift er seufzend in seine Hosentasche, holt ein Visitenkärtchen daraus hervor und betrachtet es kurz. Laut aufatmend hält er es mir schließlich entgegen.

»Bitte! Der Kontakt. Schließlich müssen Sie wissen, wo Sie anrufen müssen.«

Zögernd greife ich danach, darauf bedacht, ihn nicht zu berühren. Als das Stückchen Pappe den Besitzer wechselt, berühren sich dennoch kurz unsere Fingerspitzen. Es ist, als würde ich einen kleinen Stromschlag bekommen. Erschrocken sehe ich zu dem Kerl, der mir ebenfalls einen überraschten Blick schenkt.

»Es … es ist der Linoleumboden«, stammelt er. »Wenn Ihre Schuhe Gummisohlen haben, laden die sich auf.«

»Ah … okay.« Ich straffe die Schultern und versuche, mir nichts von meiner Skepsis anmerken zu lassen. Leider weiß ich nicht, wie ich das alles hier deuten soll. Sein Verhalten, meine Reaktion, einfach alles. Verdammt merkwürdige Situation.

Ehe ich weiter nachfragen kann, dreht er sich abrupt um, zieht die Tür hinter sich zu und hastet ohne ein weiteres Wort den Kiesweg entlang. Ich sehe ihm verwirrt nach. Einige Meter weiter springt er in einen dunkelgrauen Jaguar, der am Straßenrand geparkt ist. Als er mit quietschenden Reifen an mir vorbeifährt, erkenne ich auf dem Nummernschild ein Londoner Kennzeichen.

Und da frage ich mich, ob das nicht vielleicht der reiche Unternehmer war, der das Cottage kaufen und modernisieren will.

Zurück am Mietwagen greife ich zuerst zu meinem Handy, um meine beste Freundin anzurufen und ihr mitzuteilen, dass ich nun auf dem Weg zu ihr bin. Während mein Telefon eine Verbindung herzustellen versucht, öffne ich die Tür und lasse mich seufzend auf den Fahrersitz sinken. Das Navi sagt mir, dass ich vom Cottage aus nur zehn Minuten bis zu ihr benötige.

Eliza war der Liebe wegen vor zwei Jahren selbst nach Goldcliff gezogen. Dies hatte mich schwer getroffen. Sie ist nämlich nicht nur meine beste Freundin, sondern auch die nette Schwester, die mir nie vergönnt war. Vor allem nach dem Tod meiner Mutter war sie zum wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden. Ich vermisse sie jeden Tag, trotz regelmäßiger Telefonate und Besuche. Diesmal war ich an der Reihe, denn sie hatte mir schon vor einer Weile von dem wunderschönen kleinen Cottage am Meer vorgeschwärmt. Und als sie berichtet hatte, dass es nun zum Verkauf stand, war es keine Frage mehr gewesen: Ich habe mir spontan einen Mietwagen geliehen und mich heute, am Samstagmorgen, auf den Weg nach Goldcliff gemacht.

»Und wie ist das Cottage der alten Pambrooke?«, will sie gleich wissen, nachdem ich mich gemeldet habe. Typisch Eliza. Keine Geduld und neugierig wie ein Privatschnüffler.

Den Hörer zwischen Schulter und Ohr gepresst, stecke ich den Schlüssel ins Zündschloss.

»Traumhaft, du hattest völlig recht«, gebe ich euphorisch zurück und fühle, wie ein strahlendes Lächeln über mein Gesicht huscht. »Sowohl von außen als auch von innen«, schwärme ich los. Ich erzähle ihr ausführlich, was ich bei meiner Besichtigung alles gesehen habe. Die tollen antiken Möbel, die kleinen, verwinkelten Räume, den verwilderten Garten mit der kleinen Steinterrasse …

»Und erst das Gewächshaus, Elli. Es macht die Sache wirklich perfekt. Danke dir für diesen Tipp!«

Trotz der ausführlichen Schilderung meines Traumhauses verschweige ich ihr das seltsame Kussangebot des vermeintlichen und recht attraktiven Unternehmers. Leider ist Eliza eine Tratschtante sondergleichen, sodass vermutlich morgen ganz Wales davon wüsste und mir sogar noch eine heiße Affäre mit dem Kerl aus London angedichtet würde. Was extrem unangenehm wäre, wenn ich das Cottage tatsächlich kaufen sollte.

Sie jauchzt am anderen Ende der Leitung auf. »Mann, wäre das toll, wenn du es kaufst, dann wären wir endlich wieder zusammen, und du wärst deine schnorrende, nichtsnutzige Familie los. Ich weiß sowieso nicht, wie du es so lange bei denen ausgehalten hast.«

»Weil der Gedanke, Geld zu sparen, mich irgendwie motiviert hat«, erkläre ich.

»Hättest du das nicht auch in einer billigen Mietwohnung tun können?«

»Klar, aber bei Walt habe ich trotz Kostgeld wesentlich mehr sparen können.« Obwohl ich Elizas Einwand durchaus verstehen kann. Manchmal frage ich mich ja selbst, warum ich mich so lange mit meiner Familie kasteie.

Eliza seufzt auf. »Weißt du was, Schätzchen? Ich glaube manchmal, dass du dich nie richtig gelöst hast.«

»Gelöst? Wovon?«

Eliza räuspert sich. »Von deiner Mutter.«

Ich stutze. »Was, bitte, hat meine Mutter damit zu tun?«

Die Stimme meiner Freundin klingt plötzlich um Nuancen sanfter. »Ich glaube, ihr Tod hat etwas in dir ausgelöst, dieses vermaledeite Verantwortungsgefühl, das du als Ballast seit Jahrzehnten mit dir herumträgst.«

Ihre Worte hallen bitter in mir nach. Vielleicht hat sie recht. Nachdem mein Vater uns verlassen hat, haben Mum und ich uns umso nähergestanden. Walt war mir ein Dorn im Auge gewesen. Aber als Mum noch Haley bekam, habe ich es einfach nicht fertiggebracht, meine Mutter mit all den Sorgen und Nöten allein zu lassen. Und nach ihrem Tod war es wohl eher das Pflichtgefühl der kleinen Haley gegenüber, das mich bei ihnen gehalten hat. Aber nun ist es genug – auf zu neuen Ufern!

»Okay, ist das Wetter nicht toll?«, wiegele ich ab und sehe durch die Windschutzscheibe nach draußen. Vielleicht mache ich gleich mit Eliza noch einen Abstecher zum Strand, wenn ich schon mal da bin.

Eliza lacht über mein offensichtliches Ablenkungsmanöver. »Von mir aus. Und denk dran, egal, was bis hierhin war. Wenn du das Cottage bekommst, wendet sich dein Leben zum Positiven: Du bekommst endlich dein eigenes Geschäft, ein wunderbares Cottage, das perfekt zu dir passt – und das Tollste: Du bist wieder in meiner Nähe! Das wird herrlich. Außerdem musst du dann nicht immer so weit bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.«

Eliza hat recht. Das Haus ist perfekt, mein Leben dann vielleicht auch.

Dennoch …

»Allerdings soll es hundertfünfzigtausend Pfund kosten, und da sind die Möbel noch nicht inbegriffen«, erzähle ich ihr. »Ich würde aber gern einige übernehmen. Du weißt, dass Walt meine Möbel ganz sicher nicht herausrücken wird. Meinst du, ich bekomme überhaupt so viel Kredit?«

Eliza räuspert sich. »Also, Bradley sagt, wenn du genügend Eigenkapital hast, ist das alles kein Problem. Vielleicht fragst du einfach mal bei deiner Bank nach und lässt es dir ausrechnen. Oder, Moment – ich frage Bradleys Kollegen Darren, der dort die Kredite bewilligt. Fragen kostet doch nichts, oder?«

Schnell lasse ich mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Vielleicht hat sie recht. Mehr als Nein sagen kann die Bank ja nicht. Aber kann ich ein Nein überhaupt hinnehmen?

»Besser, ich rufe morgen erst mal bei der Immobilienfirma an. Immerhin gibt es noch andere Interessenten.« In diesem Moment muss ich an den Unternehmer denken. Es hörte sich zwar nicht so an, als hätte er großes Interesse an dem Haus, aber sicher wird der Enkel der alten Pambrooke es an denjenigen verkaufen, der das meiste bietet. Und an diesem Punkt bin ich ganz sicher raus.

Eliza unterbricht meine Gedanken. »Erkundige dich auch direkt mal im Internet, ob du für die Zucht und den Onlinevertrieb von Orchideen womöglich eine Sondergenehmigung brauchst oder so etwas. Immerhin wirst du ja auch einige Samen aus dem Ausland bestellen müssen, oder?«

Ich lache auf. »Herzchen, Orchideensamen kriegst du kaum im Handel. Ich werde selbst einige Pflanzen kaufen, sie bestäuben und dann hoffen, dass sie Samenkapseln bilden.«

»Nun gut, du bist der Fachmann … ähm, sorry, die Fachfrau. Aber das können wir ja auch gleich noch besprechen, wenn du kommst. Ich bin grad dabei, das Gästezimmer startklar zu machen.«

»Alles klar, bis gleich. «

Nachdem ich aufgelegt habe, steckt mich Elizas Art, so zu tun, als sei mit dem Cottage bereits alles in trockenen Tüchern, sogar etwas an. Bei der Bank nach einem Kredit zu fragen kostet doch tatsächlich nichts. Und wenn es nicht das Cottage ist, wird es eben ein anderes Häuschen hier werden. Mein Herz klopft wie wild los bei der Vorstellung, bald meine eigene kleine Gärtnerei zu besitzen. Mein eigenes Leben. Und endlich auch wieder meine beste Freundin in meiner Nähe zu wissen.

Voller Euphorie schalte ich das Autoradio an und zapple während des Fahrens zu den heißen Rhythmen von Enrique Iglesias mit. Neues Heim, neues Glück!

Wie du mir, so ich dir

Während ich die Einkäufe wegräume, die ich nach der Arbeit besorgt habe, poltert Haley die Treppe hinab. Manchmal glaube ich, meine Schwester kann Lebensmittel durch ihre geschlossene Zimmertür wie ein Hund wittern. Sobald ich den Kühlschrank öffne oder den Topf mit Wasser auf den Herd setze, kommt sie meist in die Küche geflitzt.

Allerdings muss ich auch sagen, dass Haley, obwohl sie so viel futtert, eine Topfigur hat.

»Oh, du bist zurück«, sagt sie beim Betreten der Küche. Ihr langes blondes Haar sowie ihr Gesicht sind mit einer gelben Creme bestrichen, von der ich weiß, dass es eine recht teure Avocadomaske von der Parfümerie am Ende der Straße ist. Wenn es um ihr Aussehen geht, ist Haley extrem eifrig. Wenn sie doch nur ebenso eifrig im Haushalt oder bei der Ausübung ihrer Jobs wäre.

»Hast du mir Erdnussbutter besorgt?«, fragt sie und lässt ihren prüfenden Blick über den Küchentisch huschen, auf dem die Zutaten für eine selbst gemachte Pizza liegen. Sie runzelt die Stirn. »Wo ist die Erdnussbutter?«

»Es gibt keine«, sage ich.

»Wieso nicht?«

Unmut braut sich in meinem Bauch zusammen. Leider bin ich die Einzige, die den Supermarkt regelmäßig frequentiert, um den Kühlschrank wieder aufzufüllen. So, wie ich auch die Einzige bin, die kocht, wäscht und putzt. Haley kauft nie ein und Walt nur selten etwas anderes als Flüssignahrung.

»Was hältst du davon, wenn du vielleicht selbst mal einkaufen gehst? Vielleicht von deinem Geld?«, erwidere ich schnippisch.

Haley zieht ihre perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe.

»Ich?« Sie gibt sich pikiert. »Du weißt doch, dass ich als Sekretärin kaum Geld verdiene.«

Ich lache laut auf. »Du verdienst genauso viel wie ich. Also tu nicht so, als ob du dir nicht mal ein Glas Erdnussbutter leisten könntest.« Etwas heftiger als sonst schlage ich die Backofentür zu, aus dem ich die Schüssel mit dem vorbereiteten Hefeteig von heute Morgen herausgeholt habe. Mit wenigen Handgriffen habe ich den Teig auf das Blech gelegt.

»Außerdem arbeitest du schon seit zwei Monaten bei diesem Nolan Statham und hast mir selbst gesagt, dass er um einiges besser bezahlt als andere.« Energisch bearbeite ich den Teig mit den Fäusten, um ihn platt zu drücken.

Urplötzlich huscht ein Schatten über Haleys Gesicht. Sie lächelt zwar, aber an der Falte zwischen den Augenbrauen, die immer nur dann auftaucht, wenn sie etwas belastet, erkenne ich, dass etwas nicht stimmt. Moment, was habe ich gerade gesagt? Ich glaube, ich habe Statham erwähnt, oder?

Oh nein!

Aufstöhnend schubse ich das Backblech ein Stück von mir weg.

»Was ist los? Hat er dir gekündigt?«

»Ach, das war alles nur ein Riesenmissverständnis«, wiegelt sie gleich ab.

Wer’s glaubt, wird selig. »Klar«, gebe ich lakonisch zurück. Es ist immer dasselbe. Warum auch immer ist meine Schwester nicht in der Lage, eine anständige Arbeit länger als ein paar Wochen zu verrichten.

Haley beginnt daraufhin, mir eine Geschichte zu ihrer Kündigung aufzutischen, bei der sich einem vor lauter Unglaubwürdigkeit die Haare sträuben. Angeblich habe die für die Post verantwortliche Kollegin vergessen, die Umschläge einzuwerfen, weshalb wichtige Dokumente nicht mehr fristgerecht angekommen seien. Um ihren Fehler zu vertuschen, habe ebendiese Kollegin sogar die Post in Haleys Schreibtisch deponiert, um ihr die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben . Daraufhin hat Statham sie noch in der Probezeit entlassen.

Kopfschüttelnd sehe ich zu, wie sie sich seufzend an den Küchentisch setzt. Ich vermute ja, dass Haley die Post einwerfen sollte, es aber schlichtweg vergessen hat.

»Und jetzt?«

Mit Tränen in den Augen zuckt sie mit den Schultern. »Such ich mir halt einen neuen Job.« Sie steht auf und wendet sich mir zu. »Und dann kaufe ich mir einfach selbst Erdnussbutter.«

Ich erwidere ihren Blick, seufze tief und sehe ihr hinterher, als sie die Küche verlässt. Fast erwarte ich, dass sie sich noch einmal zu mir umdreht, um mir die Zunge rauszustrecken, so wie früher, als wir noch Kinder waren. Doch sie läuft stillschweigend die Treppe hoch. Kurz darauf klappt die Badezimmertür zu, was bedeutet, dass ich für die nächste Stunde nicht darauf zu hoffen brauche, dort hineinzukönnen. Somit habe ich jetzt genügend Zeit, die Pizza vorzubereiten.

Ich belege einen Teil des Pizzateiges mit allem, was ich mag. Paprika, Oliven, Thunfisch, Pilze und Zwiebeln. Den Rest so, wie Walt und Haley es mögen: Salami mit doppelt Käse. Als ich den Backofen öffne und das Blech hineinschiebe, kommt mir warme Luft entgegen, die mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagt. Ich muss sofort an den gusseisernen Gasherd im Cottage denken. Wie es wohl wäre, damit zu kochen? Da fällt mir ein, dass ich es heute nicht geschafft habe, bei der Immobilienfirma anzurufen. Im Laden war die Hölle los, und ich hatte das Gefühl, halb Tunbridge Walls wollte Blumen kaufen. Aber ich sollte mich dringend um das Cottage bemühen, denn je eher ich hier rauskomme, desto besser.

»Können wir montags nicht mal was anderes zu essen machen?«, nörgelt Haley wenig später. Ihr blondes Haar glänzt dank der Avocadocreme wie flüssiges Gold. Bis die Pizza fertig und der Tisch gedeckt war, hat sie sich schön im Badezimmer rumgedrückt.

»Wir haben doch immer schon montags Pizza gemacht«, gebe ich zurück. »Du weißt, dass Mum sehr viel an Traditionen gelegen war.«

Walt verzieht das Gesicht. Seine Bierfahne ist selbst über den Esszimmertisch hinweg zu riechen. »Abba siisss toood, seeeidd fasssd zehn Jahrn schschon«, lallt er. »Isch glaube nisch, dassie was dagegen hätte.«

Seine Art, so unverblümt über ihren Tod zu reden, trifft einen empfindlichen Nerv bei mir. Bevor ich jedoch zu einem bissigen Kommentar ansetzen kann, klingelt das Telefon auf dem kleinen Schränkchen in der Diele. Haley springt abrupt auf und hastet hin. Da sie eigentlich immer einen tollen Typen am Start hat, ist sie auch diejenige, die am häufigsten das Festnetz blockiert.

Mit einem großen Schluck vernichtet Walt den Rest seines Bieres und schleicht sich in Richtung Fernsehsessel. Ich beginne den Tisch abzuräumen. Letzten Monat habe ich aus Protest mal ein paar Tage nicht gespült, um zu sehen, ob Walt oder Haley sich vielleicht doch rühren. Aber die beiden hat der Dreck nicht im Geringsten gestört. Weder die schimmeligen, stinkenden Lebensmittel auf den Tellern noch die Fliegen oder die Tatsache, dass irgendwann kein Geschirr mehr im Schrank war.

Mich hat es aber immens gestört, weshalb ich nach nur einer Woche den Arbeitsstreik niedergelegt habe. Mir ist klar, wenn ich ausziehe, werden die beiden nicht nur Hunger leiden und sich regelmäßig neues Geschirr kaufen müssen, sondern auch im Dreck versinken.

Haleys neuer Freund scheint allerdings nicht allzu gesprächig zu sein. Schon nach fünf Minuten kommt Haley mir in die Küche hinterher, um sich dort stillschweigend auf einen der Küchenstühle zu setzen.

Ich lasse Wasser ein, gebe etwas Spülmittel hinzu und werfe beiläufig einen Blick zu ihr. »Kannst du vielleicht abtrocknen?«

Wie immer erwarte ich eine Ausrede, warum das auf keinen Fall geht. So etwas wie Ich habe mir gerade die Nägel lackiert oder Davon bekomme ich Waschfrauenhände. Aber Haley sagt diesmal gar nichts. Starrt mit ihren tiefgrünen Augen nur ins Leere.

Sie beginnt, ihre Hände zu kneten und ihr Gesicht gequält zu verziehen. Die Falte zwischen ihren Brauen taucht auf – wird sogar noch tiefer als vorhin.

»Alles in Ordnung?«, hake ich nach, während ich das Geschirr ins Wasser gleiten lasse. Langsam mache ich mir Gedanken. Hat der Typ sie womöglich abserviert? Na, wenn schon. Morgen hat sie wahrscheinlich eh schon einen neuen, so hübsch, wie sie ist.

Manchmal finde ich es ungerecht, dass Haley mit beiden Händen in den Genpool gegriffen und sich nur die besten herausgepickt hat. Sie ist nicht nur hellblond, gertenschlank und hat doppelt so lange Wimpern wie ich, nein, ihre Nase ist dazu noch stupsig süß und mit charmanten Sommersprossen versehen.

Ich schaue erneut zu ihr hinüber. Sie gleicht einem angeschossenen Fuchs. Ihr Blick gleitet unruhig umher, als suche sie eine Versteckmöglichkeit vor den Hunden. »Ich weiß nicht«, flüstert sie heiser.

Mit dem Spülschwamm reinige ich den ersten Teller, stelle ihn zum Abtropfen auf das Plastikregal und greife zum nächsten. »Was heißt das, du weißt nicht?«

»Dass … äh … dass ich es eben nicht weiß.«

Genervt kneife ich die Augen zusammen. »Kannst du das vielleicht näher erläutern?«

Meine Schwester schließt seufzend die Augen. »Das war die Sekretärin von Statham.«

»Und?«, animiere ich sie weiterzureden. Sicher wollen die ihr kein Arbeitszeugnis ausstellen. Verständlich!

»Sie hat …«, Haley schluckt schwer, »… sie hat gesagt, dadurch, dass ich vergessen habe, die Post einzuwerfen, habe Statham eine wichtige Frist verpasst. Es ging da wohl um einen Einspruch bei einer Behörde, was ihn nun zehntausend Pfund Strafe gekostet hat.«

Als die Worte zehntausend Pfund endlich zu mir durchdringen, schwant mir Böses. Ich lasse den Spülschwamm zurück ins Wasser fallen, trockne mir rasch die Hände ab und setzte mich zu ihr an den Tisch. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, ahne ich schon, was Statham jetzt von ihr will. »Lass mich raten, er will das Geld wiederhaben!«

Meine Halbschwester nickt, und ich sehe, wie sich ihre Augen langsam mit Tränen füllen. Trotz allem Ärger in den letzten Monaten tut sie mir in diesem Moment leid. Natürlich hat sie keine zehntausend Pfund. Das weiß ich auch so. Bei ihrem Lebensstil und ihrer unseligen Angewohnheit, ihr Gehalt umgehend in Klamotten, Make-up und Schmuck zu stecken, konnte sie ja keine Rücklagen bilden. Und Walt ebenfalls nicht. Er lebt, seit ich denken kann, von staatlicher Stütze und trägt es meist gleich zu Beginn des Monats in die Kneipe.

»Aber ich dachte, es wäre die Schuld deiner Kollegin gewesen«, hake ich nach, obwohl mir klar ist, dass ihre Geschichte vorhin völlig frei erfunden war.

Haley presst die Lippen aufeinander und schweigt. Das bestätigt meine Vermutung.

»Dann wirst du deine Schulden abstottern müssen«, sage ich.

Ihre Unterlippe zittert verdächtig. Die erste Träne bahnt sich den Weg über ihre Wange. »Schulden?«

Ich nicke. »Klar. Du schuldest Statham jetzt zehntausend Pfund.«

Haleys tränenerfüllter Blick streift mich. Er scheint sogar ein klein wenig entrüstet. »Milly, ich bin doch nicht blöd. Ich weiß schon, was ich ihm jetzt schulde.«

»Warum bist du dann so perplex?«

»Weil ich nicht weiß, wie ich die Schulden abstottern soll. Wovon? Ich habe ja gerade nicht mal einen Job«, erklärt sie mir mit zitternder Stimme.

Ich lache trocken auf. »Dann musst du dir eben einen neuen suchen und ihn mal länger halten als nur für zwei Monate«, schlage ich vor. »Dann klappt’s vielleicht auch mit der Rückzahlung!«

Der ersten Träne folgen zahlreiche weitere. »Und was, wenn Statham sich nicht darauf einlässt?«

Ich erhebe mich und gehe zurück zur Spüle, um den Abwasch zu Ende zu bringen. »Das wird er schon tun. Immerhin will er sein Geld zurück. Wenn du ihm dann noch Zinsen anbietest, wäre er dumm, wenn er nicht darauf eingehen würde.«

Ein Keuchen ertönt hinter mir. »Zinsen? Aber kannst du nicht vielleicht …« Sie lässt den Satz unvollendet. »Du hast doch was gespart. Könntest du es mir vielleicht leihen?«

»Vergiss es«, sage ich und drehe mich zu ihr um. Allein die Tatsache, dass ich mal wieder die Kastanien für sie aus dem Feuer holen soll, ärgert mich. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, sollte ich ihr dieses Geld leihen, würde ich es nie wiedersehen. Und dann ist es das mit dem eigenen Leben gewesen. Nichts da!

»Was soll ich denn jetzt machen?« Haley klingt ungewohnt kleinlaut.

Ich seufze auf. »Als Erstes zu Statham gehen und ihn um Ratenzahlung bitten. Vielleicht kannst du die zehntausend Pfund ja auch irgendwie bei ihm abarbeiten.«

Sie schluchzt auf. »Vielleicht hast du recht. Dann rufe ich noch mal an und mache einen Termin mit ihm aus.«

»Genau, tu das«, sage ich und widme mich wieder dem Abwasch. Eigentlich glaube ich, dass sie es nicht tun wird.

»Milly?«

Ich zucke zusammen und drehe mich um. Haley hat sich unbemerkt hinter mich gestellt. Ihre Wimperntusche ist etwas verschmiert, wodurch sie wie ein Panda aussieht.

Sie greift zu meinem Arm und drückt ihn. »Kannst du mich vielleicht zu Statham begleiten?« Ihre Unterlippe bebt. So aufgelöst habe ich sie tatsächlich schon lange nicht mehr gesehen. Die Sache muss ihr ziemlich nahegehen. Die Situation ist verdammt unangenehm, und zehntausend Pfund sind nicht gerade wenig Geld. Dennoch …

»Haley, du bist 24 Jahre alt und müsstest eigentlich allein klarkommen«, sage ich und schüttele ihre Hand ab.

»Milly, bitte«, fleht sie. »Nur dieses eine Mal noch.«

Hin- und hergerissen seufze ich auf. Eigentlich will ich sie nicht hängen lassen, aber sie muss auch endlich mal lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Weitere Tränen steigen in ihren Augen auf und überschwemmen diese. » Außerdem hast du gesagt, du hast Mum auf dem Sterbebett versprochen, dich um mich zu kümmern. Weißt du noch?«

Wie ein Stromstoß durchzuckt es mich, und mein Herz setzt für einen Schlag aus.

Leider trifft meine Schwester damit genau den Nerv, der am empfindlichsten ist. Ich habe meine Mutter geliebt. In ihren letzten Stunden haben Haley und ich an ihrem Krankenbett gesessen und geweint, während Walt sich vermutlich irgendwo in einer Kneipe die Kante gegeben hat. Damit sie in Frieden gehen konnte, musste ich ihr damals in Haleys Beisein das Versprechen geben, mich um meine kleine Halbschwester zu kümmern, egal, was kommt. Für eine Neunzehnjährige eine ziemlich große Verantwortung.

»Danach werde ich dich auch nie wieder um etwas bitten. Ehrenwort.« Haley hebt drei Finger wie zum Indianerschwur in unserer Kindheit.

Plötzlich taucht ein Bild vor meinem inneren Auge auf. Ich komme von der Schule nach Hause und sehe Mum am Herd stehen. Ihr Bauch ist gewölbt. Sie breitet lachend ihre Arme aus. Freudestrahlend werfe ich mich ihr entgegen und lehne meinen Kopf gegen ihren Leib. Streichele mit der Hand sanft über die Rundung.

»Mum, in meiner Schule gibt es eine Haley, wusstest du das? Ich finde den Namen Haley soooo schön.«

Mum lacht leise auf. »Wenn es ein Mädchen wird, nennen wir sie so, okay?« Ihre Hand streicht mir einige Haarsträhnen hinters Ohr. »Denn Haley finde ich genauso schön wie Milly.«

Nolan Statham

Das Büro von Nolan Statham liegt wie zu erwarten in einem der Gebäude am Canary Wharf mitten im Londoner Stadtbezirk Tower Hamlets. Haley hat gestern Abend noch einen Termin für den nächsten Tag mit dem Unternehmer ausgemacht, zu dem ich sie nun begleite. Allerdings musste ich mir dafür extra freinehmen. Denn im Gegensatz zu Haley arbeite ich seit neun Jahren in ein und demselben Blumenladen, in dem ich auch schon meine Ausbildung gemacht habe.

Nachdem wir den Underground verlassen haben, laufen wird die restlichen Meter zu Fuß. Schon seit einer halben Stunde haben wir kein Wort mehr miteinander gewechselt, was hauptsächlich daran liegt, dass meine Schwester furchtbare Angst vor der Begegnung mit Statham hat.

Zugegeben, ich bin auch nicht so entspannt, wie ich vielleicht nach außen hin scheine, obwohl ich mir absolut nichts habe zuschulden kommen lassen. Die Frage, was passiert, wenn Statham der Ratenzahlung nicht zustimmt, beschäftigt mich. Einen Teil meines Ersparten zu opfern kommt für mich definitiv nicht infrage, auch wenn ich Mum damals versprochen habe, mich um Haley zu kümmern. Denn wenn ich die zehntausend Pfund erst bezahlt habe, rückt mein Traum vom eigenen Leben in weite Ferne, und das hätte meine Mutter so sicher auch nicht gewollt.

In diesem Moment erinnere ich mich siedend heiß daran, dass ich ja bei der Immobilienfirma hatte anrufen wollen. Verdammt! In der Aufregung um den bevorstehenden Termin mit Statham habe ich das glatt vergessen.

Hastig greife ich in die Tasche meines dunkelblauen Blazers.