Über Luba Goldberg-Kuznetsova

Luba Goldberg-Kuznetsova ist 1982 in Leningrad geboren. Sie studierte in Düsseldorf und Kyoto Philosophie und Modernes Japan, außerdem Literarisches Schreiben in Hildesheim. Mit ihren YouTube-Interviews vom Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 sorgte sie im deutschsprachigen Literaturbetrieb für Aufsehen. Um diese drehen zu können, hat sie das Radfahren gelernt. »Lubotschka« ist ihr erster Roman. Sie lebt in Berlin.

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»Diese mal witzige, mal tieftraurige Flaneurin dabei zu begleiten, wie sie nach jedem Fünkchen Erfahrung sucht, ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst.« Alina Herbing.

Sankt Petersburg zu Beginn der Nullerjahre, mehr Jahrtausendwende geht nicht: mit einem Auge schielt die Stadt in die mondäne zaristische Vergangenheit, mit dem anderen ins turbokapitalisierte Europa und Amerika. Immer neue Designerboutiquen eröffnen auf dem Newski Prospekt, während die Märkte von chinesischen Billigkopien geflutet werden.

Auch Lubotschka steht an einem Wendepunkt: sie macht ihren Schulabschluss, sie wird 18 – und sie wird die geliebte Stadt mit ihrer Mutter gen Deutschland verlassen müssen. Aber nicht, ohne vorher ihr zartes Leben im großen Stil vor der anmutigen Stadtkulisse von Newa und Fontanka zu verschwenden.

»Lubotschka« ist ein Roman über das Abschweifen, die Jugend und die Heimat, erzählt in einem unnachahmlichen Sound zwischen Tradition und Moderne.

»Kraftvoll, sprachgewaltig, in die Haut schneidend – ein mitreißender Debütroman zwischen Abgrund und Aufbruch.« Kevin Kuhn

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Luba Goldberg-Kuznetsova

Lubotschka

Roman

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Für Angela

I like it when somebody digresses.

It’s more interesting and all.

J. D. Salinger, The Catcher in the Rye

»Wovon wollt ihr denn dort eigentlich leben?«

Olesja und ich liegen auf dem Gras des Marsfeldes1, nicht weit von der Eremitage.

Sie liegt auf dem Bauch und rupft wütend das Gras aus dem Boden. Ich liege auf dem Rücken. Die untergehende Sonne blendet mich noch durch die Augenlider, aber mir einen Schirm zu improvisieren wäre viel zu anstrengend. So leide ich, bis es nicht mehr auszuhalten ist oder bis sie endlich untergeht. Das dauert lange. Irgendwann hebe ich eine Hand und stecke sie in die Handtasche, auf der Suche nach dem Schal aus seidigem Gewebe, den ich eben für meinen Abschlussball gekauft habe. Er ist fliederfarben und hat ein Muster, das aus dem weißen Calvin-Klein-Logo besteht, das unzählige Male kreuz und quer darauf gedruckt ist.

Ich habe mit Olesja den ganzen Tag auf dem Troizki Rinok2 verbracht, auf der fast hoffnungslosen Suche nach einem Abschlussballkleid. Es wäre ein großes Glück, dort, zwischen den ganzen illegal importierten Made-in-China-Gummischlappen und Bergen billiger Polyesterunterwäsche, die eine bunte Landschaft unter dem freien Himmel bilden, ein anständiges Kleid zu finden. Da waren ganz süße Angora-Pullis in allen möglichen Farbschattierungen, aber ich habe mir überlegt, dass es bis zum Winter noch so lang ist.

Eine ganze Ausgabe der L’Officiel war der Tendenz gewidmet, Firmenlogos ganz groß zu tragen, überall, auf T-Shirts, Taschen, Kleidern und Schuhen. Groß gedruckt, unendlich oft wiederholt, als Schnallen, Knöpfe oder Buchstabenketten. Alle Modehäuser scheinen es gerade zu tun. Wie gut, dass die Tendenz schon von China aufgegriffen wurde und die Tschelnoki3 sich darum gekümmert haben, die logobedruckten Kleider, Tücher, Schuhe und Taschen herzubringen und auf den Rinoks zu verkaufen. Allerdings wäre es mir zu viel, ein logobedrucktes Kleid zum Abschlussball zu tragen. Beim Abschlussball sollte es schließlich um mich gehen und nicht um irgendwelche Modehäuser. Also habe ich mir erst mal diesen Schal gekauft. Den kann ich noch häufig tragen.

Die Mutter hatte mir hundert Dollar gegeben, die ich bei der Bank mit dem höchsten Währungskurs in der Stadt in Rubel gewechselt habe, am Sennaja-Platz. Den ganzen Weg dahin, mit der Metro durch die ganze Stadt, lag der Schein in der kleinen Tasche meiner Jeans, und ich prüfte alle paar Minuten, ob er noch da ist. Ich werde oft beklaut, sehr oft.

Weil ich noch keine achtzehn bin, musste ich Olesja bitten, mich dort mit ihrem Ausweis zu treffen. Ohne Ausweis machen die es nicht.

Sie fragte: »Wozu brauchst du so viel Geld?«

In Piter4 ist es cool, arm zu sein und so viele Dinge wie möglich umsonst zu haben: sich Essen und Getränke ausgeben zu lassen oder in Cafés zu gehen, wo es so gut wie nichts kostet, freier Eintritt zu Ausstellungen, wenn man zu Eröffnungen kommt, als Bonus, freier Wein, freie Theaterkarten, wenn man so tut, als wäre man von der Presse, Klamotten aus dem Secondhandladen, Bücher aus der Bibliothek oder von Freunden geliehen, Kassetten mit Piratenmusik von den Rinoks. Ist manchmal schön. Man fühlt sich lebendig, wenn es klappt. Manchmal fühlt es sich aber gut an, sich was Schönes zu kaufen. Und sich dabei vorzustellen, man kaufte sich schon immer tolle Dinge. Ich habe zehn Jahre lang im Internat gelebt, wo ich nur Geld gebraucht habe, wenn ich unerlaubterweise rausgegangen war, um einen Snickers, Mars, Bounty oder Kekse aus der Bäckerei, oder später auch Wein und Kosmetik zu kaufen, oder an den Wochenenden, die ich zuhause verbracht habe, allerdings unter Mutters Kontrolle, oder als ich die Schule geschwänzt habe, um durch die Stadt zu schlendern. Meistens hatte ich dabei kein Geld, oder wenig. Und wenn doch, dann fühlte ich mich endlich wie ein vollwertiger Teil dieser Welt, der tun und lassen kann, was er will. Je mehr ich zur Verfügung hatte, umso stärker war das Gefühl. Geld auszugeben fühlt sich vielleicht deshalb für mich immer noch wie Freiheit an. Olesja versteht das nicht, weil sie auf eine ganz normale Schule geht.

Ich wartete auf sie vor dem Währungswechselpunkt, während sie mein Geld für mich wechselte. Dann kam sie raus und gab mir einen dünnen Stapel Rubel, den ich schnell einsteckte. Sie zeigte mir das Foto in ihrem Pass. Sie sah darauf aus wie ein süßes kleines Tierchen, gleichzeitig sehr erwachsen, weil ich wusste, was sich dahinter versteckte.

Das Geld muss für alles reichen: für ein neues Kleid, vielleicht noch für irgendwas zum Überziehen, wie einen Cardigan, für eine gute Strumpfhose, neue Unterwäsche, den Friseur und vielleicht noch für ein Lipgloss oder sowas. Ich wollte auf jeden Fall noch in die teuren Geschäfte auf dem Newski5, um am Parfüm zu schnuppern und die echten Designerkleider zu sehen.

Die hundert Dollar hatte die Mutter noch von ihrer letzten Reise als Tschelnotschniza nach Polen. Dort hatte sie auf einem Markt einen Berg weißer fransiger Tischdecken aus Spitze verkauft, die sie hier in Piter in irgendeiner Fabrik massenweise eingekauft hatte. Dann hat sie vom Umsatz allerlei polnisches Zeug gekauft, das es hier nicht gibt, um das dann wiederum hier auf einem von den Rinoks wieder zu verkaufen. Das war bis vor Kurzem ihr kleines Business. Einen Teil des polnischen Zeugs hat sie nicht verkauft, es waren Geschenke für mich. Ungewöhnliche Lebensmittel in hübschen Verpackungen, wunderschöne Schreibutensilien für die Schule und vor allem Klamotten. Sie wollte nicht, dass ich neben denjenigen in meiner Klasse schlecht aussah, deren Eltern eigene Firmen hatten. Und Berge von polnischen Süßigkeiten brachte sie auch mit; und früher irgendwelches Spielzeug, aber ich weiß nicht mehr, welches. Allerdings ist ihr die Sache in letzter Zeit viel zu anstrengend geworden, wegen des Zolls und ihrer Nerven, also macht sie es jetzt nicht mehr.

Jetzt verkauft sie, wenn sie nicht in der Schule sein muss, vor dem Baltischen Bahnhof Kwas6 aus einem von diesen gelben Fässern. Das im Sommer. Und im Winter, wenn keiner Bock hat auf Kwas, zapft sie Milch aus den weißen Fässern. Sie zapft und zapft und zapft. Die Leute kommen mit ihren Flaschen oder emaillierten Eimern und stehen im Schnee Schlange, um Milch zu kaufen. Ein bisschen seltsam. Sie könnten ja eigentlich auch welche in einem Parmalat-Kiosk kaufen. Sie ist dort wenigstens abgepackt, und man weiß genau, wie der Fettgehalt und die Kalorienmenge sind. Aber es fühlt sich wohl besser für sie an, wenn für sie die Milch in der Kälte aus dem Fass abgezapft wird, so als wäre sie von heute Morgen, fast direkt von der Kuh.

Um im Winter Milch aus dem Fass zapfen zu können, muss die Mutter erst einmal den Zapfhahn abtauen. Weil er nämlich manchmal so zugefroren ist, dass da kein Tropfen rauskommt. Sie bringt von zuhause eine Thermoskanne mit heißem Wasser aus dem Kessel mit und gießt es langsam über den Hahn. Darunter steht eine Schale, die das Wasser auffängt. Wenn es einmal nicht reicht, muss sie aus dieser Schale nochmal das Wasser über den Hahn gießen und eine zweite Schale darunterstellen, während die Schlange wartet.

Andere Milchverkäuferinnen bringen Kerosinlampen mit, aber ich habe keine Ahnung, wie sie es damit machen. Die Mutter auch nicht, aber sie erzählt, dass sie es tun.

Manchmal friert die Milch während des Tages im Hahn ein, dann bohrt Mamascha einen Stift in den Hahn, um den Milcheispfropfen rauszukratzen.

Ihr ist so kalt, weil sie dort ständig auf einem Hocker sitzen muss. Sie besorgte sich extra für diese Arbeit ein Paar Walenki. Man trägt sie eigentlich nicht ständig und überall in Russland, wie es von manchen angenommen wird. Sondern nur in solchen Extremfällen, wenn es einem egal ist, wie man aussieht. Es sei denn, es sind Designermodelle. Ich habe kleine Mini-Walenki getragen, als ich im Kindergarten war. Die Mutter trägt sie am Milchfass, weil ihre Füße in allen anderen Schuhen frieren würden. Manchmal legt sie noch kleine Gel-Heizkissen hinein. Die, in denen kleine Metallteilchen liegen, die man erst brechen muss, damit das Kissen warm wird.

Eine Tschelnotschniza in Polen, die auf dem Markt neben der Mutter ihr Zeug verkauft hat, hat immer Nacht-Maxi-Damenbinden in ihre Walenki gelegt. In Polen kann es auch so kalt werden, wenn man sich nicht bewegt. Die Nacht-Maxi-Binden halten die Feuchtigkeit von den Füßen weg und die Füße warm. Diese Tschelnotschniza unterrichtete sonst Physik an der Uni. Sie wusste Bescheid über solche Sachen. Sie teilte dort dann die Nacht-Maxi-Binden auch mit den anderen Tschelnoki, auch mit den Männern, die sie dann gleich auch in ihre Schuhe reingelegt haben.

Einmal, als ich übers Wochenende aus dem Internat zurückkam, hat sich die Mutter beschwert, dass sie am Tag zuvor nicht gerade stehen konnte. Ihr Rücken krümmte sich, wie sie erzählte. Ich konnte ihr das gar nicht glauben, weil sie ja noch gar nicht so alt war. Jedenfalls hatte sie dann angeblich einen Kehrbesen genommen, um damit zum Milchfass zu kommen. Als sie aus der Wohnung raus war, hatte sie einen Mann, der vorbeiging, gebeten, den Besen vom Besenstiel abzubrechen. Das tat er. So ging sie eingekrümmt, mit einem Besenstiel in der Hand, zur Arbeit. Ich konnte ihr das echt nicht glauben, weil sie ganz normal aussah, als sie das erzählte. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn sie mir von ihrem Job erzählt.

Ich habe immer Angst, dass jemand aus meiner Schule sie dabei erkennt, wie sie aus einem Fass auf der Straße Kwas oder Milch verkauft. Und sie hat Angst, dass jemand aus ihrer Schule sie dabei erkennt. Sie ist eine Grundschullehrerin an einer Schule für Kinder mit Entwicklungsrückständen.

Zur Tarnung trägt Mamascha bei der Schwarzarbeit am Kwasfass immer einen überdimensional großen salatgrünen Mützenschirm. Dieser Schirm ist sehr praktisch, er schützt sie nicht nur vor der Sonne, sondern auch vor dem Augenkontakt mit den Kwastrinkern.

»Ich sehe sie nicht, sie sehen mich nicht.«

Sie fände es, glaube ich, erniedrigend, die Käufer anlächeln zu müssen. Schließlich hat sie einen Abschluss in Pädagogik. Unter dem Schirm kann sie, anstatt zu lächeln, Grimassen schneiden, wenn sie sie nerven.

Sie tut sonst nur das Nötigste: nimmt das Geld, gibt Wechselgeld raus und zapft, in Flaschen, Becher, Plastiktüten, Eimer. Sie muss nicht freundlich zu den Leuten sein. Wenn sie Durst haben, kaufen sie ihren Kwas ja so oder so.

Im Winter, am Milchfass, kann sie keinen Mützenschirm tragen. Da hofft sie einfach, dass keiner vorbeikommt, den sie kennt.

Mutter hat kastanienbraune, glänzende Haare und ein schönes, rundes Gesicht, das auch ohne Mützenschirm zur Hälfte hinter einer dicken Brille versteckt ist. Sie hat sehr schlechte Augen, schon seit sie drei war. Dafür sind sie sehr groß und mandelförmig, mit wunderschönen vollen dunklen Brauen. Leider habe ich sie nicht von ihr geerbt. Ich komme mehr nach meinem blonden, blauäugigen Vater. Mit einem Auge schielt sie ein bisschen, aber die meisten finden das sehr charmant. Sie kriegt jedenfalls immer noch Post von ihren Verehrern von früher.

Zum Kwasverkauf trägt sie Turnschuhe russischen Fabrikats. Keiner hätte gedacht, dass die überhaupt für irgendwas gut sind, aber zum Kwasverkauf reicht es. Wenn man sie lang genug trägt, gewöhnt man sich an den Anblick und merkt fast keinen Unterschied zu den importierten. Irgendwie ist es ihr aber sowieso egal. Sie will nur, dass ich gut aussehe.

Sie erklärt mir hin und wieder, dass am schönsten die weißen und blassgelben Lidschatten aussehen, wie bei Catherine Deneuve. Mutters Lidschattenpalette hat ihr jemand illegal verkauft, »von unter dem Tisch«, sie ist natürlich importiert, handtellergroß, rund und weiß und sieht aus wie die Palette eines Malers. Zwischen den kreisförmig angeordneten runden Förmchen mit pastellfarbenen Lidschatten liegt ein kleiner Applikator, und in dem Deckel ist ein runder Spiegel. Der ist allerdings schon sehr zerkratzt und sowieso ohne Vergrößerung. Dabei braucht sie bei ihren Augen mindestens eine zehnfache Vergrößerung. Die hat sie in ihrem Tischspiegel, der aussieht wie eine Sonnenblume.

Die feste Wimperntusche der Marke »Leningrad«, die, die man mit Spucke anrührt, kostete früher vierzig Kopeken und war die einzige, die man schnell und legal kriegen konnte. Die Mutter sagt, man kann die schönsten Wimpern bekommen, indem man davon eine Schicht nach der anderen aufträgt. Leider brennt diese Spucke-Wimperntusche in den Augen wie Seife. Vermutlich, weil Seife ihr Hauptbestandteil ist. Schwarz ist sie von der Aktivkohle, und das macht die Sache auch nicht besser.

Inzwischen kann man jederzeit in der Metro, in den Kiosks oder auf den Rinoks flüssige Tusche kaufen. In den teuren Parfümerien auf dem Newski sowieso. Also, wenn man Geld hat. Die Mutter bringt ihre Tusche von ihren Handelsreisen mit. Trotzdem wirft sie die alte Spucke-Tusche nicht weg. Die neuen Tuschen haben eben nicht die gleiche Wirkung.

Flüssigen Lidstrich gab es früher auch nicht, deshalb musste die Mutter, wie die meisten anderen, ihre Lider mit der Spucke-Tusche nachziehen. Dafür spitzte sie mit dem Rasiermesser ein Streichholz an, nahm damit die angerührte Farbe auf und führte es zum Lid. Trotz der zehnfachen Vergrößerung war das ganz schön gefährlich bei ihren Augen.

Der Lidstrich muss so dünn wie möglich sein und so nah wie möglich am Wimpernansatz aufgetragen werden. So kann man die Wimpern optisch verdichten und dem Blick mehr Ausdruck verleihen. Am unteren Lid trägt man keinen Lidstrich, weder flüssig noch einen mit Stift gezogenen. Das machen nur Schlampen. Daran erkennt man sie.

Mutters Augen sind grau, und wenn sie die Brille abnimmt und dir in deine Augen sieht, berührt dieser Blick etwas in dir. Es tut sogar ein bisschen weh, aber auf eine schöne Weise. Allein mit Make-up kriegt man das nicht hin.

Wenn sie die Brille abnimmt und mich direkt ansieht, sehe ich – sie ist schön. Ihrer Schönheit kann man sich einfach nicht entziehen, so offensichtlich ist sie. Noch schöner allerdings ist sie auf ihren alten Fotos. Das letzte Foto, auf dem sie schöner ist als jetzt, ist das Hochzeitsfoto mit dem Vater.

Es ist schwarz-weiß, aber ich weiß, dass ihr Kleid einen gebrochenen Rotton hat. Es hat einen langen, spitzen Kragen aus handgeklöppelter weißer Wologda-Spitze, auf den sie immer noch stolz ist. Dieses Kleid ist aber keins, das ich zu meinem Ball anziehen würde. Ich glaube außerdem, dass sie daraus inzwischen einen Rock genäht hat. Vielleicht sogar für meinen Auftritt im Schultheater. Und den Spitzenkragen hat sie hin und wieder an meine braune Schuluniform genäht, als wir noch Uniform-Pflicht hatten, also bis zur dritten Klasse. Und sie hatte damals sogar noch mehr Wologda-Spitze besorgt, um mir passende Spitzenmanschetten zu nähen. Das war viel zu auffällig, weil die anderen kleine bescheidene weiße Bubi-Kragen hatten. Ich fand es früher furchtbar, aufzufallen.

Parfüm darf Mutters Meinung nach auf keinen Fall Rosenduft beinhalten oder aus Bulgarien stammen. Sie hasst den Duft von Rosen und besonders die »Bulgarische Rose«. Ihr Parfüm muss ein echtes Parfüm sein. Nicht EdP, nicht EdT, sondern reines Parfüm. In einem Glasfläschchen, das man mit einem Glaspfropfen verschließt, mit dem man sich auch das Parfüm hinter den Ohren auftragen kann. Sie hatte früher so ein Fläschchen mit echtem französischen Parfüm. Ich fand, dass es nach Glas roch. Und sie sagte: »Nach echtem französischen Parfüm.« Es ist natürlich längst alle. Jetzt hat sie von einer ihrer Reisen ein festes arabisches Parfüm mitgebracht, in einem schwarzen Porzellandöschen. Man trägt es mit dem Finger auf. Es duftet sehr warm und gemütlich, nach Gewürzen und zerbrochenen Keksen oder sowas in der Art. Es erinnert mich an ihre Lippenstifte, die sie in den Achtzigern in ihrer roten Handtasche verwahrt und aufgetragen hat, wenn wir ins Theater gingen. Sie zerrte mich damals ständig ins Theater.

Sie möchte, dass ich alles habe, was auch die anderen haben, und am liebsten noch mehr. Sie weiß gar nicht, was ich möchte, und ich kriege jeden Tag neue Wünsche. Und ich möchte nicht, dass sie ständig über ihre Arbeit redet. Ich hasse es. Ich habe es ihr schon tausendmal gesagt. Aber sie hört nicht damit auf.

Beim Kwasverkauf verdient sie dreimal so viel wie in der Schule. Und sogar das Fünffache, wenn sie die benutzten Plastikbecher zuhause spült, trocknet und am nächsten Tag wieder verwendet. Wenn das jemand erfährt, bringe ich mich um.

Kwas kostet fünfzig Rubel. Für den Becher muss man hundertfünfzig Rubel dazuzahlen. Dreihundert für einen großen, plus hundert für den Kwas. Du trinkst aus und wirfst den Becher in die Mülltonne, die von der Kwasverkäuferin neben dem Fass aufgestellt wurde. Die Tonne ist mit einem Plastikbeutel ausgelegt. Wenn der voll ist, bindet die Mutter ihn zusammen und setzt einen neuen ein. Die Beutel sammeln sich neben dem Kwasfass. Wenn keiner hinsieht, öffnet sie die Beutel und legt die Becher alle ineinander, um Platz zu sparen. Um acht macht sie Schluss: dreht den Hahn zu, schickt den Rest der Schlange nach Hause, klappt über dem Hahn den Deckel runter und hängt ein Schloss dran, versteckt den Klapphocker und die Plastiktonne bei der zahnlosen Swetlana im Zeitungskiosk nebenan, steckt die Becher aus dem Beutel ineinander, packt sie in eine große Sporttasche und nimmt den Bus nach Hause.

Unsere Badewanne ist jeden Abend voll von diesen Bechern. Die weißen kleinen, zweihundert Milliliter. Die farblosen transparenten von einem halben Liter. Manche sind beschmiert mit Lippenstift. In manchen liegt noch was drin, ein kleines Souvenir, wie ein Kaugummi, ein Steinchen aus einer Kirsche, Pflaume oder einem Pfirsich, ein Zigarettenstummel oder auch mal eine tote Biene oder Wespe. Die Insekten fliegen auf den süßlichen Kwasgeruch, unwissend um ihr bitteres Ende in unserer Badewanne. Dort schwimmen sie irgendwann auf der Oberfläche. Wenn ich mich nicht zu sehr ekele, lese ich sie manchmal mit den Fingerspitzen an ihren Flügeln auf und werfe sie in den Müll. Meistens widern sie mich aber an.

Mamascha nimmt einen Schwamm und etwas Spülmittel, und seift jeden Becher ein, auf dem sie Lippenstift sieht. Die anderen werden auch so sauber genug. Lippenstiftabdrücke gibt es in allen Formen und Schattierungen. Wunderlich, wie eine Frau violette oder orangefarbene Lippen tragen und nach dem Trinken ihre Kippe in den Becher werfen und gehen kann. Ich stelle sie mir vor. Sie ist eine Alkoholikerin, weigert sich aber, dies zuzugeben, trägt schwarze Netzstrumpfhosen und gigantischen »goldenen« Schmuck. Sicherlich trägt sie den Lidstrich am unteren Lid und riecht nach Rose. Und nach Wodka und Tabak aus dem Mund. Sie hat spitze Ellbogen und Knie und ein knöcheriges Dekolleté. Ähnlich wie meine Zahnärztin. Sie kann toll Geschichten erzählen.

Die Mutter spült die Becher einzeln unter dem Wasserhahn ab und stellt sie eng nebeneinander auf, mit dem Boden nach unten auf alle horizontalen Flächen in der Wohnung. Nur in meinem Zimmer nicht. Wenn ich meine weiße Tür hinter mir schließe, will ich nichts von Kwasverkauf oder Ähnlichem wissen.

Am nächsten Morgen dreht sie sie alle um, mit dem Boden nach oben. Sie müssen hundertprozentig trocken werden, damit keiner Verdacht schöpft. Manchmal helfe ich ihr beim Aufstellen und Umdrehen, aber das kommt nicht oft vor. Die weißen kommen zu den weißen, die transparenten zu den transparenten. Darüber noch eine Schicht, um Platz zu sparen. Und vielleicht noch eine. Fast wie ein Champagnerturm.

In der Wohnung riecht es säuerlich nach Kwasresten, in die menschliche Spucke reinkam und deren Bakterien sich mit Bakterien von Kwasresten gekreuzt und vermehrt haben: tote Wespenreste, Malz, Hefe, Zucker, Milchsäure.

Auf dem Küchentisch – die einzige Fläche, auf der noch keine Plastikbecherarmee steht – liegt ein Berg Münzen. Sie müssen noch sortiert und gezählt werden. Die Scheine sind in der Gürteltasche, die die Mutter für die meisten Handelsunternehmungen benutzt. Da sind sie gut aufgehoben, während sie am Spülen ist.

Wenn sie mit Spülen fertig ist, setzt sie sich an den Tisch, sortiert die Münzen, zählt sie und schreibt auf, von welchen Münzen sie wie viele bekommen hat. Dann sortiert und zählt sie die Scheine. Und schreibt alles auf, in ein kariertes Heft. Sie addiert alle Beträge zu einer Summe, und das ist dann der Umsatz. Dann zählt sie die übriggebliebenen Becher, subtrahiert diese Zahl von der Anzahl der Becher, die sie mitgenommen hatte, und schon weiß sie, wie viele leere Becher sie verkauft hat. Dann schaut sie, wie viele davon neu waren. Diese Summe zieht sie vom Umsatz ab, dann weiß sie, wie viel Kwas sie verkauft hat. Sie nimmt ein leeres Blatt und erstellt einen Tagesumsatzbericht für ihren Chef.

Olesja und ich haben also den ganzen Tag auf dem Troizki verbracht, in der vergeblichen Hoffnung, zwischen den Unmengen des in China produzierten Krimskrams aus Polyester, Rüschen, Volants, Pailletten, Perlen und Schleifen an den unpassendsten Stellen irgendwas für den Abschlussball zu finden.

Sie wollte mir die ganze Zeit dieses türkise Kleid mit einem Volant am diagonalen Saum und mit Drapierungen und Pailletten am Oberteil aufzwängen, das ich so schrecklich vulgär fand. Ich weiß nicht, ob sie einfach schnell mit der Aufgabe fertig werden wollte oder ob sie vielleicht will, dass ich lächerlich aussehe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie selbst sowas trägt. Sie weiß bestimmt nicht viel von Mode, aber ihre Outfits sind meistens simpel und in gedeckten Farben, wenn auch kurz und eng.

Mein Ball ist schon morgen, und so bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als in ein Kaufhaus zu gehen. Normalerweise würde ich nur hingehen, weil ich die großen leeren Hallen mag, die an einem heißen Tag abkühlen. Kleidungsmäßig ist dort meistens nichts zu sehen: immer die gleichen grauen, braunen und schwarzen Säcke made in USSR, die keiner freiwillig tragen will. Die hängen da seit meiner Kindheit. Es ist aber möglich, dass sich was geändert hat. Es ist so viel passiert, warum soll sich da nicht inzwischen auch wenigstens ein anständiges Kleid finden!

Olesja isst nicht, um älteren Männern zu gefallen. Sie ist ziemlich dünn, und das weckt deren Beschützerinstinkt noch stärker als ihre siebzehn Jahre. Leider guckt sie wegen des ständigen Hungerns wie ein getretener Hund, und ihre Haut ist ziemlich fahl, mit bläulich-violetten Malen im ganzen Gesicht, das so uneben ist wie die Mondoberfläche, weil ihre Pickel bei der ganzen Unterernährung so schlecht abheilen können. Ihre lockigen blonden Haare sind auch ziemlich dünn, deshalb trägt sie sie meistens in einem Pferdeschwanz – ein Rattenschwänzchen, würde Ada dazu sagen – und ihre Zähne wachsen in drei Reihen. Aber gerade dieser mitleiderregende Anblick scheint es zu bringen.

Ich finde allerdings, dass sie einen sehr wohlgeformten Schädel hat. Weil sie kaum Fett in der unteren Gesichtshälfte hat, fallen ihr besonders runder Hinter- und Oberkopf und ihre hohen Wangenknochen auf. Wenn sie ungeduldig herumzappelt und versucht, mir paillettenbesetzte türkisfarbene vulgäre Kleider mit Schleifen anzudrehen, damit sie schnell nach Hause gehen kann, fallen mir alle ihre Hässlichkeiten auf. In solchen Momenten stelle ich mir ihren Kopf im Glas konserviert und in der Kunstkammer ausgestellt vor. Ihre hervorstehenden Fangzähne und ihr Silberblick laden einen förmlich dazu ein. Vielleicht sind aber diese Hässlichkeiten gar keine Hässlichkeiten, sondern persönliche Besonderheiten, und vielleicht würde ich dort auch Olesjas Abnormitäten mit ebenso viel wohlwollendem Interesse betrachten wie ein in Alkohol konserviertes doppelköpfiges Baby. Ich sollte zum Abschied auf jeden Fall nochmal in die Kunstkammer gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen sowas haben.

Ich könnte ihr eigentlich auch sagen, dass sie frei ist und jederzeit gehen kann, aber das fällt mir nie im richtigen Moment ein. Und vielleicht wäre es auch gemein. Sie will ja vielleicht doch nur helfen, aber hat halt einfach einen schlechten Geschmack.

Sie hat beispielsweise auch ein wahnsinnig tiefsinniges Tattoo auf dem Rücken: das chinesische Schriftzeichen für »Liebe«. Warum es auf Chinesisch sein musste, weiß sie allein. Sie kann ja nicht mal Chinesisch. Leider ist es auch nicht in der Mitte, sondern rechts seitlich der Wirbelsäule. Es sieht so aus, als ob sie sich nicht für die richtige Stelle entscheiden konnte. Der Hobby-Tätowierer, der ihr das angetan hat, meinte, sie könne gelähmt werden, wenn er es in der Rückenmitte macht. So blieb die Liebe irgendwo links unterhalb ihres spitzen Schulterblatts hängen. Sie hat es mir auf einer Museumstoilette gezeigt. Es war so seltsam, ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

Zu ihrem Ball geht sie in einem rosa Satin-Minikleid mit einem runden Rückenausschnitt, um die Tätowierung zu demonstrieren. Ich habe sie schon darin gesehen, nur die halbe Sonne sieht man rechts aus dem Rückenloch rausscheinen. Hauptsache, ihr gefällt’s. Das Kleid hat sie selbst entworfen und eine Schulfreundin gezwungen, es für sie zu nähen, was sie tausend Anproben und Streitereien mit ihr gekostet hat. Dem Kleid sieht man das fast nicht an, nur ein paar Fäden hängen an den Nähten heraus.

Eigentlich braucht sie diese ganzen Verrenkungen für ihren Ball nicht, weil die Jungs aus der Schule sie eh nicht interessieren. Genauso wenig wie die Jungs aus der Journalistenschule, aus der ich sie kenne. Sie trifft sich mit einem verheirateten zweiundvierzigjährigen Zeitungsredakteur, den sie bei einem Presseempfang für irgendwas Politisches kennengelernt hat.

Sie redet ständig von ihm. Meistens tauche ich dann in meine Gedanken ab. Wenn ich manchmal doch zuhöre, bereue ich es. Sie sagt, dass er seine Frau für sie verlässt. Und dass er außer ihr ständig »irgendwelche linken Weiber« hat.

Ich finde in meiner Tasche ein angebrochenes Fläschchen Cola, angenehm warm und abgestanden.

»Als ich schwanger war, musste ich einmal Cola kotzen«, sagt Olesja. »Die Kotze sah aus wie fester brauner Quark. Ist doch der beste Beweis, dass Cola giftig ist!« Sie demonstriert mir sämtliche Zahnreihen. Nicht, dass es mir entgeht, dass ihr reproduktives System sehr wohl schon funktioniert.

Ich denke eigentlich gar nicht so gern an den Anblick ihrer quarkähnlichen braunen Kotze, aber sie muss unbedingt mit ihrer angeblichen Ex-Schwangerschaft prahlen und mir die Lust an Cola verderben. Wir kennen uns schon seit ein paar Jahren, aber sie weiß nichts über mich, weil sie nie was fragt. Ich erzähle meine Geschichten aber vorzugsweise einem interessierten Publikum.

Jetzt liegt sie also auf ihrem flachen Bauch, rupft die Grashalme aus dem Boden, streicht sich damit übers Gesicht, reibt sie zwischen den Fingern, riecht dran, zerreibt sie zwischen den Handflächen, und wenn die Halme ganz grau geworden sind, wirft sie sie weg. Dann rupft sie wieder eine Handvoll Gras raus und fängt von vorn an. Der Boden vor ihr ist schon ganz kahl.

»Wovon wollt ihr denn dort eigentlich leben?«, fragt sie gelangweilt und rupft eine weitere Handvoll Gras seitlich der kahlen Fläche aus, um es zwischen den Händen zu zerreiben, als wollte sie Feuer machen.

»Was?«

»Wovon ihr leben wollt.«

Ich schweige einen Moment, weil ich nicht daran denken will.

»Mama sagt, dass das eine Einladung ist. Also müssen wir für nichts zahlen.«

»Ja, sie haben eine ganz gute Sozialka«, sagt sie mit ihrer Quietschstimme und sieht sehr lange und missmutig auf die Newa. Sie kennt sich aus in Politik und Ökonomie und allem Ähnlichen. Ich schalte einfach ab, wenn jemand anfängt, mir darüber Vorträge zu halten. Ich habe keine Ahnung, was sie meint. Es ärgert mich kaum. Bald werde ich viel mehr wissen.

Die Sonne ist fast untergegangen, und es ist trotzdem hell. Anders als tagsüber. Die weißen Nächte fühlen sich so an, als sei man ein Kind, das eigentlich längst im Bett sein müsste, aber an Erwachsenen, die in der Küche rauchen und reden, heimlich vorbei rausgegangen ist, um sich anzusehen, was auf den Straßen um diese Zeit so los ist. Es fühlt sich so an, als könnte jetzt einfach alles passieren.

Olesja arbeitet bei einer richtigen Stadtzeitung. Die Redaktion befindet sich in einem »architektonischen Meisterwerk« (ich hasse ja solche Ausdrücke, aber wegen der ganzen Exkursionen, denen man in Piter von Geburt an ausgesetzt ist, kann ich sie nicht loswerden) in der Nähe vom Dworzowaja-Platz7. Sie ist ständig unterwegs wegen irgendwelchen Redaktionsaufträgen und ziemlich stolz drauf.

Einmal war sie so beeindruckt von dem Text über Maria Callas, den ich für unsere Journalismus-Stunde irgendwo abgeschrieben hatte, dass sie versucht hat, auch mich bei ihrer Zeitung unterzubringen. Da wusste sie noch nicht, dass ich weggehe. Und ich war neugierig, es auszuprobieren.

»Natürlich! Mein Redakteur will ja auch, dass bei uns normale Leute arbeiten!«, sagte sie, als wir nach der Stunde unsere Taschen packten.

Damit könnte sie nicht falscher liegen.

Obwohl, ich weiß ja gar nicht, was sie unter »Normalität« versteht. Vielleicht meinte sie ja »entsprechend cool« oder sowas. Ich war jedenfalls geschmeichelt.

Ihr Redakteur hatte mich dann als Erstes zu einem PowerPoint-Vortrag über Satelliten und Mobilfunk von Nokia geschickt, wo ich leider gar nichts verstand.

Wie immer bei technischen Vorträgen, genau wie bei politischen und ökonomischen, konnte ich mich einfach nicht konzentrieren. Ich war schon am Anfang abgeschweift und stattdessen im Geiste die ganze Zeit an einer bestimmten Stelle auf der Fontanka8 gewesen, an der ich irgendwann, vielleicht schon ganz bald, einen romantischen Moment haben würde, in einer weißen Nacht, bevor ich aus der Stadt verschwinde. Und wenn es noch in einer weißen Nacht sein soll, muss es also innerhalb der nächsten vier Wochen passieren, dachte ich.

Das Schema an der Leinwand inspirierte mich: irgend so eine Kugel in einer Ecke, und eine kleinere in der anderen, und die Punktlinien, die so schöne Windungen um alles drum herum machten. Und die Stimme, sie war einfach nur ein Hintergrund für meine Gedanken.

So flog ich während des gesamten Vortrags über der Fontanka durch eine weiße Nacht.

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