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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

Impressum

Das diesem Buch zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 03FH092PX2 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:ISBN: 978-3-7910-3856-8Bestell-Nr.: 14109-0001
ePDF:ISBN: 978-3-7910-3857-5Bestell-Nr.: 14109-0150
ePub:ISBN: 978-3-7910-4502-3Bestell-Nr.: 14109-0101

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© 2019 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
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Lektorat: Dr. Sonja Hilzinger, Berlin
Umschlagentwurf: Goldener Westen, Berlin
Coverbild: Shutterstock.com
Umschlaggestaltung: Kienle gestaltet, Stuttgart
Satz: Claudia Wild, Konstanz

Januar 2019

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
Ein Unternehmen der Haufe Group

Vorwort

Das vorliegende Buch „Nachhaltiges HR-Management: Konzepte – Rollen – Handlungsempfehlungen“ hat eine Vorgeschichte, die bis ins Jahr 2010 zurückreicht. Damals entstand die Idee zu einem Forschungsantrag, der in ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Forschungsprojekt (2012–2016) an der Hochschule Pforzheim mündete: „Beyond Business Partner: die neue Rolle des HRM durch Nachhaltigkeit im Unternehmen – nHRM“ (Förderkennzeichen 03FH092PX2).[2]

Ausgangspunkt des Forschungsvorhabens war die Beobachtung bzw. Annahme, dass in der unternehmerischen Umwelt Nachhaltigkeit im Sinne von nicht nur ökonomischen, sondern auch ökologischen und sozialen Aspekten eine immer größere Rolle spielt: Gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise, die in den Jahren 2008/2009 eine große Zahl von Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen traf, komme es zu einem Überdenken der rein ökonomischen Maxime, wodurch weitere Aspekte von Nachhaltigkeit (verstärkt) Einzug in die strategische Ausrichtung der Unternehmen fänden. Aus dieser Entwicklung ergäben sich einerseits neue Anforderungen und Rollenerwartungen an das HR-Management/Human Resource Management (HRM) – andererseits aber auch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.

Das Forschungsprojekt nHRM umfasste zwei empirische Teilstudien: erstens eine qualitative Interviewstudie mit HR-Managerinnen und -Managern sowie HR-Kunden und zweitens eine quantitative Onlinebefragung von HR-Managerinnen und -Managern. Forschungsleitend für die empirische Untersuchung waren drei Ausgangsthesen: (1) Das HR-Management muss sich selbst – seine Strategie, Strukturen, Prozesse, Kultur und sein Personal – und seine Themen nachhaltiger ausrichten bzw. sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren. (2) Das HR-Management kann andere Unternehmensbereiche darin unterstützen, sich nachhaltiger auszurichten, und (3) das HR-Management kann über einen gemeinsamen Nachhaltigkeitsfokus zur Integration der verschiedenen Unternehmensbereiche beitragen.[3]

Wir, die Autorinnen und der Autor des vorliegenden Buches, waren ab unterschiedlichen Zeitpunkten in das Forschungsprojekt nHRM involviert:

Stephan Fischer war von Anfang an als Mastermind an der Entwicklung der Projektidee beteiligt und leitete das vom BMBF bewilligte Forschungsprojekt. Eingebunden war er insbesondere in die Konzeption der beiden Teilstudien, die Entwicklung der Erhebungsinstrumente und die inferenzstatistische Auswertung.

Cathrin Eireiner ist 2013 in das bereits angelaufene Forschungsprojekt und direkt in die qualitative Datenerhebung eingestiegen. Sie war zudem wesentlich an der Auswertung und Interpretation der qualitativen Daten beteiligt und hat umfassend am theoretischen Rahmen gearbeitet.

Schließlich stieß 2014 Sabrina Weber zum Forschungsprojekt dazu. Ihre Schwerpunkte lagen in der Integration bzw. Verbindung von qualitativer und quantitativer Teilstudie, der anschließenden Entwicklung und Umsetzung der Onlinebefragung sowie der deskriptiv-statistischen Auswertung.[4]

Den Projektbericht, der die wesentliche Basis für dieses Buch bildete, konzipierten und schrieben Sabrina Weber und Stephan Fischer unter Rückgriff auf Vorarbeiten von Cathrin Eireiner (theoretischer Rahmen) und Erika Czilli (Interviewstudie).

Wir haben die Kapitel des vorliegenden Buches vier größeren Teilen zugeordnet, bei denen jeweils eine Person federführend dafür Sorge getragen hat, dass der zugrunde liegende Projektbericht bzw. die während des Forschungsprojekts gewonnenen Erkenntnisse für die Buchpublikation, die insbesondere Interessierten an und aus der Praxis eine fundierte und informative Quelle zum Thema „nachhaltiges HR-Management“ sein soll, angepasst bzw. aufbereitet wurden:

Teil 1 (Kapitel 1 bis 3) befasst sich zunächst mit bestehenden Ansätzen und Konzepten in Wissenschaft und Praxis: Was ist nachhaltiges HR-Management? Die Federführung für diesen Teil hatte Cathrin Eireiner inne.

In Teil 2 (Kapitel 4 und 5) werden die Ergebnisse der qualitativen Interviewstudie vorgestellt: Welches Verständnis von Nachhaltigkeit und nachhaltigem HR-Management besteht in Unternehmen? Federführend für diesen Teil war Sabrina Weber.

Anschließend geht Teil 3 (Kapitel 6 bis 10) der Frage nach, wie HR nachhaltiges Verhalten im Unternehmen beeinflussen kann, und präsentiert die Ergebnisse der quantitativen Onlinebefragung. Für diesen Teil war Stephan Fischer federführend.

Teil 4 (Kapitel 11 und 12) schließlich fragt: Was bedeutet das konkret für die (Umsetzung in der) Praxis? Dieser Teil präsentiert auf Basis unserer Untersuchungsergebnisse nachvollziehbar und praxisbezogen Ableitungen und Empfehlungen für ein nachhaltiges HR-Management in Organisationen. Die Federführung für diesen Teil lag ebenfalls bei Stephan Fischer.[5]

Zum Gelingen des Forschungsprojekts, des zugehörigen Projektberichts und des daraus entwickelten und hier vorliegenden Buches haben neben uns viele Köpfe in der Hochschule Pforzheim beigetragen:

Ohne unsere ehemalige Kollegin Kirke Knepel wäre weder der Antrag für das dem vorliegenden Buch zugrunde liegende Forschungsprojekt formuliert noch erfolgreich gestaltet worden.

Unsere ehemalige Kollegin Erika Czilli hat während der Projektlaufzeit die Übersicht über die Datenmenge der Interviewstudie behalten. Sie war insbesondere in die qualitative Datenerhebung und -auswertung eingebunden.

Im Verlauf des Forschungsprojekts ist zudem unsere ehemalige Kollegin Annegret Zimmermann immer eingesprungen, wenn „Not am Mann oder an der Frau“ war.

Unsere Kollegin Ulrike Mosbach hat im Rahmen des Projektberichts bei der Konzeption der beiden entwickelten Qualifikationsprogramme dafür gesorgt, dass am Ende alle formalen Anforderungen erfüllt wurden.

Eine große Stütze waren uns die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte, die über die Jahre mitgewirkt haben. Stellvertretend dafür stehen Laura Weik (Korrektur und Layout des Projektberichts) und Sarah Karski (Literaturrecherche sowie Korrektur und Layout des Buchmanuskripts). Sie haben uns jeweils mit kritischem Blick auf Redundanzen, Inkohärenzen oder Unklarheiten aufmerksam gemacht, die Übersicht über Textteile und Versionen behalten und am Ende alles mit sorgfältigem Schliff zu einem Dokument in einheitlichem Layout verbunden.[6]

Empirische Forschung lebt von Beteiligung. Aus diesem Grund bedanken wir uns bei allen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern im Rahmen der Interviewstudie sowie bei den Teilnehmenden an der Onlinebefragung. Ohne Ihr Engagement und Ihre Unterstützung wären die diesem Buch zugrunde liegenden Erkenntnisse des Forschungsprojekts schlicht nicht möglich gewesen.

Schließlich haben wir auf dem Weg zum vorliegenden Buch professionelle Unterstützung und Begleitung erfahren. Ein herzliches Dankeschön an Sonja Hilzinger. Sie haben dieses Manuskript als Lektorin mit großer Umsicht und Sorgfalt betreut und standen uns mit Rat und Tat zur Seite. Vonseiten des Verlags haben uns Frank Baumgärtner, Martin Bergmann und Claudia Dreiseitel wohlwollend und geduldig Unterstützung im Entstehungs- und Finalisierungsprozess des Manuskripts zukommen lassen – vielen Dank Ihnen hierfür.

Etwaige verbliebene Fehler und Ungereimtheiten inhaltlicher und formaler Art gehen zu unseren Lasten.

Wir wünschen uns, dass unser Buch Inspiration und Begleitung sein kann, wenn es darum geht, über nachhaltiges HR-Management nachzudenken – und schließlich die Umsetzung zu wagen und das Thema in der Praxis konsequent voranzutreiben.

 

Karlsruhe/Pforzheim/Konstanz

Stephan Fischer      Cathrin Eireiner      Sabrina Weber[7]

Was ist nachhaltiges HR-Management? Ansätze und Konzepte in Wissenschaft und Praxis

1   Ausgangslage: Nachhaltigkeit und nachhaltiges HR-Management

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ findet sich seit einigen Jahren zunehmend im alltäglichen Sprachgebrauch und scheint sich dort fest zu etablieren. Allerdings existieren sowohl für den Begriff „Nachhaltigkeit“ als auch für den Ausdruck „nachhaltiges Personalmanagement“ bzw. „nachhaltiges HR-Management“ verschiedene Definitionen und zugrunde liegende Konzepte. So merken Wirtenberg et al. (2007: 11) an: „The term ‚sustainability’ means different things to different people.“ Publikationen und Studienergebnisse müssen daher immer vor dem Hintergrund der arbeitsleitenden Definition eingeordnet werden. In den beiden folgenden Abschnitten werden daher zunächst bestehende Konzepte und Ansätze bezüglich Nachhaltigkeit sowie Nachhaltigkeit und Human Resource Management (HRM) skizziert.

1.1   Nachhaltigkeit: Ansätze und Geschäftsmodelle

Nachhaltigkeit kann als das herausforderndste Thema des 21. Jahrhunderts gelten. Dabei wird im heutigen Sprachgebrauch der Begriff nachhaltig vielfach als Synonym für „langfristig“, „strategisch“ oder auch „erfolgreich“ verwendet.1 Diese drei Betrachtungsfacetten bilden das Nachhaltigkeitsverständnis und die dazugehörige Vision basierend auf der bedeutsamen Brundtland-Kommissionserklärung nur in Teilen ab.

Hintergrund
Von Brundtland bis heute

1987 definierte die sogenannte Brundtland-Kommission im Rahmen des von ihr erarbeiteten Leitbilds einer nachhaltigen Entwicklung für Staaten: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (WCED 1987: 43).[8]

Im Jahr 1992 wurde die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro einberufen, auf der die Agenda 21 (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1992) sowie die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (vgl. United Nations 1992) verabschiedet wurden. Diese Konferenz schuf eine breite Akzeptanz in der Politik, bei Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen dafür, dass ökonomische, ökologische und soziale Ziele untrennbar zusammenhängen (vgl. Keating 1993).

Auch drei Dekaden nach der Formulierung dieser herausfordernden Vision und des Leitbildes ist dieses bedauerlicherweise noch nicht Realität geworden. Klar ist inzwischen, dass es zur Verwirklichung und Umsetzung der Vision mehr braucht als staatliche Regulierungen bezüglich beispielsweise Klimawandel in Form des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahre 2016, Wasserreinhaltung oder Arbeitnehmerschutzrechten.

Vor allem die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass viele Ansätze zur Erreichung der Vision in der Innovationskraft und dem Verhalten von Unternehmen liegen. Proaktives Handeln des privaten Wirtschaftssektors wird inzwischen als fundamentale Notwendigkeit angesehen, gesellschaftliche Nachhaltigkeit zu verwirklichen. Dabei scheinen insbesondere nachhaltige Unternehmens- und personale Führung entscheidend zu sein (MIT 2017).[9]

Der Zusammenhang zwischen Unternehmen auf der einen Seite und Nachhaltigkeit auf der anderen Seite ist jedoch komplexer. Zum einen scheint der Erfolg gesellschaftlicher Nachhaltigkeit von Unternehmen abhängig – zum anderen gefährden der fortschreitende Rückgang natürlicher Ressourcen sowie Gefahren für die Umwelt die Stabilität unternehmerischer Wertschöpfungsketten.

Auch gesellschaftliche Dynamiken, aus denen Werteveränderung vieler Menschen erwachsen, führen zu neu definierten Erwartungen an die Unternehmen. Es steigen die Erwartungen der internen und externen Anspruchsgruppen wie Kunden, Behörden, Investoren und Mitarbeitende. In Zeiten zunehmender Transparenz und globaler Vernetzung hinterfragen sowohl „Stakeholder“ der Unternehmen als auch Mitarbeitende vermehrt den „Sinn“ der Arbeit und die mittel- bis langfristige Rolle des Unternehmens in der Gesellschaft. Eine reine „Profitorientierung“ als Selbstzweck überzeugt viele nicht mehr (Bungard 2017). Mit einer solchen Haltung definieren diese Stakeholder-Gruppen die Marktnachfrage und Marktregulierungsmechanismen neu.

Um mit den veränderten Anforderungen umgehen zu können, müssen Unternehmen in einer Anpassungsreaktion wiederum ihre Art der Wertschöpfung neu gestalten. Lüdeke-Freund (2018) betont, dass das Ausmaß der Nachhaltigkeit eines Unternehmens untrennbar damit zusammenhängt, auf welche Art und Weise das Unternehmen Wert schafft (engl. „value creation“). Infolgedessen versuchen immer mehr Unternehmen, Nachhaltigkeit in ihre Geschäfts-DNA (vgl. MIT 2011, 2012, 2013, 2017) zu integrieren.[10]

Checkliste
Welche Aspekte tragen dazu bei, Nachhaltigkeit in die Geschäfts-DNA zu integrieren?
  1. Formulieren einer Nachhaltigkeitsstrategie

  2. Fokus der Aktivitäten auf Material und Ressourcen

  3. Aufbau einer zur Strategie passenden Organisation(sstruktur)

  4. Etablierung eines neuen oder Weiterentwicklung des Businessmodells

  5. Entwicklung eines Nachhaltigkeits-Business-Cases

  6. Etablierung des oberen Managements als Thementreiber

  7. Entwicklung einer überzeugenden Business Story für Investoren

  8. Zusammenarbeit mit verschiedenen Stakeholdern

Basierend auf den Erkenntnissen von MIT 2017.

Eine holistische und erfolgreiche Integration stellt sicher, dass Nachhaltigkeit für ein Unternehmen nicht nur ein „geldfressendes Aktivitätenbündel“ (vgl. Kiron et al. 2013), sondern sogar äußerst profitabel sein kann, wie eine Untersuchung von Høgevold und Svensson (2012) zeigt. Ihre Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Kunden, v. a. größere Unternehmen, dazu tendieren, weniger preissensibel zu sein, wenn ein Produkt mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck zur Auswahl steht. Ähnliche Befunde von Kiron et al. (2012: 71 f.) zeigen, dass nachhaltige Unternehmensprozesse zu Wettbewerbsvorteilen führen, während sie gleichzeitig die Bedürfnisse der Stakeholder befriedigen. Blumberg und Lin-Hi (2015) weisen darauf hin, dass steigende Umsätze nachhaltig agierender Unternehmen dazu beitragen, die bestehende Trade-off-Ansicht2[11] in vielen Managementetagen durch die Einsicht zu ersetzen, dass die Verbindung von Profitorientierung und Nachhaltigkeit kein Widerspruch ist, sondern Nachhaltigkeit den Profit sogar fördert.

Auch laut Bungard (2017) schreiben immer mehr Unternehmen Erfolgsgeschichten aufgrund der Einführung eines Geschäftsmodells und Managementparadigmas, welches Nachhaltigkeit und Profitabilität nicht als Gegensatz versteht, sondern in Einklang miteinander bringt. Viele Autoren kommen zu dem Schluss, dass Unternehmen im Zuge einer Nachhaltigkeitsbemühung ihr Geschäftsmodell transformieren müssen (Bocken et al. 2014; Hart und Milstein 2003; Hawken et al. 1999; Lüdeke-Freund 2010; Schaltegger et al. 2012; Stubbs und Cocklin 2008; Wells 2008).

Und tatsächlich fanden Schaltegger und Lüdeke-Freund (2013) Belege dafür, dass in einer beträchtlichen Zahl von Branchen die Anzahl der Unternehmen, die nachhaltige Geschäftsmodelle etablieren, um einerseits betriebswirtschaftlich erfolgreich zu sein und andererseits einen großen potenziellen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen, steigt.

Nachhaltige Businessmodelle

Teece (2010) definierte die Wertschöpfungsfunktion eines Geschäftsmodells wie folgt:

„A business model describes the design or architecture of the value creation, delivery and capture mechanisms employed. The essence of a business model is that it crystallizes customer needs and ability to pay, defines the manner by which the business enterprise responds to and delivers value to customers, entices customers to pay for value, and converts those payments to profit through the proper design and operation of the various elements of the value chain.“ (p. 179)[12]

Mit dieser Definition wird klar, dass Geschäftsmodelle die Verbindung zwischen dem internen (Arbeits-)Verhalten in Unternehmen und den externen Größen wie dem Kunden und der Wertbestimmung darstellen.

Schaltegger et al. (2016) definieren auf der Basis der Arbeit von Teece und aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen ein nachhaltiges Geschäftsmodell wie folgt:

„A business model for sustainability helps describing, analyzing, managing, and communicating

(i) a company’s sustainable value proposition to its customers, and all other stakeholders,

(ii) how it creates and delivers this value

(iii) and how it captures economic value while maintaining or

regenerating natural, social, and economic capital beyond its organizational boundaries.” (p. 6)

Nachhaltige Geschäftsmodelle zeichnen sich nach Schneider und Schmidpeter (2015) dadurch aus, dass sie die drei Facetten der Nachhaltigkeit in einem Modell zusammenführen, unternehmerische Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts aufzeigen und dadurch profitabel sind.

Dabei wird der Inhalt des neuen oder modifizierten Geschäftsmodells durch die Inhalte Ökonomie, Ökologie und Soziales bestimmt. Die Umsetzungsmöglichkeiten dieser Modelle erhalten durch die raumgreifende Digitalisierung als simultan ablaufender Trend ein enormes Potenzial (Spieß und Fabisch 2017; Hildebrandt und Landhäußer 2017).[13]

Nach Lüdeke-Freund (2018) kann die Verknüpfung von ökologischen, sozialen und weiteren Gesellschaftsanliegen mit dem ökonomischen Kerngeschäft auf drei grundsätzliche Arten, sogenannten Pfaden, erfolgen (siehe Tabelle 1).

Pfad BeschreibungBewertung
Pfad 1BildelementDie Lösung ökologischer und/oder sozialer Probleme wird in das bestehende Kerngeschäft integriert.Kann dann als Business Case gelten, wenn der der bisherige Geschäftserfolg erhalten bleibt oder erweitert wird.
Pfad 2BildelementDie Lösung ökologischer und/oder sozialer Probleme erfordert die Entwicklung eines neuen Kerngeschäfts.Kann als Business Case gelten, wenn sich Geschäftserfolg einstellt.
Pfad 3BildelementDas bestehende Kerngeschäft wird um ökologischund sozial orientierte Bereiche erweitert. 

Tab. 1: Integration sozialer und ökologischer Aspekte in das Kerngeschäft (Quelle: Eigene Darstellung nach Lüdeke-Freund (Bungard 2018: 34/35))

Dabei bedeutet das Verfolgen eines dieser drei Pfade regelmäßige größere Anpassungen, die über eine reine Prozessoptimierung oder neue Produktvarianten hinausgehen. Es bedarf vielmehr eines regelmäßigen Überdenkens der zugrunde liegenden Wertschöpfungslogik.

Wie in den Überlegungen zum Ressourcenerhalt von Müller-Christ (2014) müssen Unternehmen, um Nachhaltigkeit zu erreichen, nicht nur negatives Verhalten und damit Schaden reduzieren, sondern positive Auswirkungen ihres Handelns steigern (vgl. Schmidpeter 2017). Neben dem bisherigen Paradigma „avoiding negative impact“ braucht es ein zusätzliches Paradigma „creating positive impact“. Aus der gemeinsamen Betrachtung der beiden Paradigmen entwickeln Schmidpeter und Bungard (2018) eine Typologie von Geschäftsmodellen (siehe Abbildung 1).[14]

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Quelle: Eigene Darstellung nach Schmidpeter und Bungard (Bungard 2018)

Abb. 1: CSR-Typologie der Geschäftsmodelle

Die Typologie unterscheidet vier Arten von Geschäftsmodellen:

  1. solche, die darauf ausgerichtet sind, weder positive gesellschaftliche Wirkung zu entfalten noch negative Einflüsse zu vermeiden;

  2. die, die keine positive Wirkung entfalten sollen, möglichst aber nur geringe negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben;

  3. die, die zwar auf eine positive Wirkung fokussiert sind, die aber durch negative „Nebeneffekte“ neutralisiert werden;

  4. solche, die sowohl positive Wirkung entfalten, als auch darauf ausgerichtet sind, möglichst geringe negative Auswirkung zu haben.

Konzepte wie die „triple bottom line“, „enlightened self-interest“ oder „shared value creation“ (z. B. Carroll und Shabana 2010; Elkington 2004; Porter und Kramer 2011) spiegeln genau das Ziel wider, die unternehmerische Wertschöpfung direkt mit positiven ökologischen und sozialen Beiträgen zu verbinden. John Elkington entwickelte den Begriff Triple Bottom Line (TBL): „focusing on economic prosperity, environmental quality and – the element which business has tended to overlook – social justice“ (Elkington 1999: 2).

1.1.1   Ansatz „Triple Bottom Line“ (TBL)

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Im Gegensatz zur o. g. Brundtland-Definition, die sich an eine „broad audience of policy makers“ (Gallo und Christensen 2011: 318) richtete, wurde die TBL speziell für die unternehmerische Umwelt entwickelt – „best understood as a framework aimed at helping firms achieve economic value creation while improving or sustaining social and environmental welfare“ (Gallo und Christensen 2011: 318). Sowohl für große internationale Konzerne als auch für kleinere Lieferanten und Gewerbetreibende der Supply Chain gelte: „to refuse the challenge implied by the triple bottom line is to risk extinction“ (Elkington 1999: 2). Allerdings wurde die Idee der drei Subdimensionen der TBL als „somewhat artificial“ (Schneider und Meins 2012: 219) kritisiert, da sie Komplexität und Interdependenzen der drei Bereiche zu wenig berücksichtige.

Dieser Kritikpunkt zielt auf das Verhältnis der Dimensionen zueinander; dieses kann von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet werden. So wird unter der sogenannten schwachen Nachhaltigkeit angenommen, dass alle TBL-Aspekte in Beziehung zueinander stehen, jedoch grundsätzlich eigenständige Einheiten sind. Entscheidend ist die Balance von Abstrichen, welche man bei den einzelnen Aspekten hinnehmen muss, um die anderen Aspekte zu stärken. In Bezug auf das Geschäftsmodell bedeutet dies, dass Ökonomie gleich gewichtet wird wie Ökologie und Soziales. Nachhaltigkeit bedeutet hier die Erzielung von Win-win-Situationen zwischen den Aspekten – allerdings führt dieses Verständnis dazu, dass die erfolgreiche Ökonomie häufig auf Kosten der Ökologie und des Sozialen priorisiert wird (vgl. Harris und Tregidga 2012: 2). Bei der sogenannten starken Nachhaltigkeit werden die drei TBL-Aspekte hingegen nicht als eigenständig angesehen (für einen knappen Überblick zum Ansatz von Ott und Döring (2004) und ihrer Konzeption der „starken Nachhaltigkeit“ sowie den daraus abgeleiteten (normativen) Leitlinien Effizienz (Ökonomie), Suffizienz (Soziales) und Resilienz (Ökologie) vgl. Renn et al. 2007: 30 f.). Hier wird die Ökonomie als Teil der Ökologie und des Sozialen verstanden. Dies führt dazu, dass die Ökonomie nicht nur im Hinblick auf ihren Erfolg von den zwei anderen Aspekten abhängt, sondern vielmehr bereits im Hinblick auf ihre Existenz. Im Ergebnis werden bei dieser Betrachtungsweise der ökologische und soziale Aspekt in den Vordergrund gerückt und auch Grenzen der Erfolgssteigerung der Aspekte aufgezeigt (vgl. Harris und Tregidga 2012: 2).[16]

In einem weiteren Ansatz basierend auf den drei Aspekten unterscheiden Fischer und Knepel (2011: 53) demgegenüber zwischen Nachhaltigkeit 1. Ordnung und 2. Ordnung. Demnach kann eine Maßnahme nur dann als nachhaltig erster Ordnung bezeichnet werden, wenn diese alle drei Aspekte der TBL (sozial, ökologisch, ökonomisch) berücksichtigt (vgl. Abbildung 2).

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Quelle: Fischer und Knepel 2011: 4

Abb. 2: Bereiche der Nachhaltigkeit

Adressiert eine Maßnahme zwei der drei Aspekte, so ist dies demnach eine Variante der Nachhaltigkeit zweiter Ordnung. Spricht eine Maßnahme nur einen der drei TBL-Aspekte an, so kann sie nicht als nachhaltig bezeichnet werden.[17]

Wechselt man jedoch die Betrachtungsebene der Nachhaltigkeitsanalyse von einer Einzelmaßnahme auf die Ebene eines bestimmten Organisationsteils, wie z. B. einer Abteilung, oder sogar auf die Gesamtorganisationsebene, so ergibt sich ein anderes Bild. Bei dieser Betrachtung ist es dann nicht mehr entscheidend, ob jede einzelne Maßnahme im Unternehmen alle Komponenten der Nachhaltigkeit umfasst (nachhaltig erster Ordnung). Ausschlaggebend ist hier vielmehr, dass die Summe der Maßnahmen die verschiedenen Aspekte des Nachhaltigkeitsbegriffs erfüllt und man von einer Art kumulativer Nachhaltigkeit ausgehen kann. Diese Betrachtung bietet sich in der betrieblichen Praxis an, da sonst das Risiko einer zu kleinteiligen Analyse der einzelnen Maßnahmen unter der Frage entsteht, welchen Beitrag sie für die drei Nachhaltigkeitsaspekte leistet. Nachhaltigkeit für ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil kann somit entstehen, indem alle Einzelmaßnahmen selbst nachhaltig (erster oder zweiter Ordnung) sind oder aber, indem die Summe der einzelnen Maßnahmen eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den drei Dimensionen der TBL beinhaltet. Dies variiert dabei je nach den konkreten Nachhaltigkeitsanforderungen an die betrachtete Organisation bzw. den betrachteten Organisationsteil und bedeutet daher weder, dass die drei Aspekte mathematisch zu 33,3 % vertreten sein müssen, noch, dass die Verteilung zwischen Organisationen oder Organisationsteilen innerhalb einer Organisation gleich sein muss. Aus den dargelegten Diskussionen leitet sich das für die vorliegende Untersuchung zugrunde liegende Verständnis von Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext ab.[18]

Dieser Arbeit liegt folgendes Verständnis von Nachhaltigkeit zugrunde:
  1. dass soziale, ökologische und ökonomische Aspekte (im Sinne der Nachhaltigkeit erster und zweiter Ordnung sowie der kumulativen Nachhaltigkeit) berücksichtigt werden und

  2. dass zukünftige Handlungsmöglichkeiten nicht durch heutiges Handeln eingeschränkt werden.

1.1.2   Ansatz „Ressourcenerhalt“

In Unternehmensumfragen werden insbesondere Ressourcenknappheit, Klimawandel und Naturkatastrophen als Treiber für Unternehmen identifiziert, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu intensivieren (vgl. Accenture 2010; MIT 2013; PWC 2013). Darüber hinaus scheint sich die Gruppe der Anleger zunehmend für Unternehmen zu interessieren, die Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsaktivitäten integrieren, da diese langfristig überlebensfähiger wirken und deren Nachhaltigkeitsbemühungen dazu beitragen, Unternehmensrisiken zu reduzieren (vgl. Chouinard et al. 2011). Überdies erzeugen Institutionen wie NGOs, Behörden, Medien, Gemeinden und Interessengruppen zunehmend Druck auf Unternehmen, indem sie deren Verantwortung in Bezug auf Sozial- und Umweltfragen einfordern (vgl. Chkanikova und Mont 2012; Lozano 2013).

Auch Kunden bzw. Verbraucher erwarten immer mehr Produkte und Dienstleistungen, die keine ökologischen oder sozialen Schäden generieren. Zudem sind Verbraucher zunehmend kosten- und ressourcensensibel und verlangen ressourceneffiziente Produkte (vgl. McKinsey & Company 2012; World Economic Forum 2010). Allerdings hat Verbraucherstudien zufolge die Mehrzahl der Verbraucher bislang noch kein ausreichendes Vertrauen in die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen und bewertet Geschäftsprozesse als nicht hinreichend transparent (vgl. World Economic Forum 2013, 2010). So wird es insbesondere für die Außendarstellung der Unternehmen immer wichtiger, das Feld der Nachhaltigkeit zu bespielen und beispielsweise Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen, um so eine entsprechende Glaubwürdigkeit herzustellen (vgl. z. B. die Beiträge in Fifka 2014). Inzwischen existieren auch entsprechend normative Berichtspflichten für Unternehmen. Eine Unternehmensbefragung von IÖW und der Unternehmensinitiative Future zeigt aktuell, dass diese seit 2018 geltende CSR-Berichtspflicht erste Wirkungen nicht nur nach außen, sondern vor allem in die Unternehmen hat. 57 von 100 befragten Unternehmen dieser Studie gaben an, dass sie sich nun systematischer als zuvor mit den Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Geschäftstätigkeit auseinandersetzen.[19]

Eine explizite Perspektive des Ressourcenerhalts nimmt Georg Müller-Christ in seinen Arbeiten (2010, 2014) ein. Herkömmliche Managementansätze mit ihren Prämissen (Homo oeconomicus) und Zielfeldern (Gewinnmaximierung, Ertragssteigerung) geraten unter den Rahmenbedingungen von Klimawandel und knappen Ressourcen (vgl. Müller-Christ 2014: 41 ff.) zunehmend an ihre Grenzen: „Mithin sind es die Realitäten, die Unternehmen dazu zwingen werden, die Logik des Haushaltens wieder in ihr Entscheidungsverhalten aufzunehmen und Fragen des Ressourcennachschubs aktiv zu behandeln. Ein solcher Ansatz lässt sich als nachhaltiges Ressourcenmanagement[20] bezeichnen“ (Müller-Christ 2014: 196; Hervorhebung im Original). Müller-Christ (2010, 2014) weist ausdrücklich darauf hin, dass es im Rahmen des nachhaltigen Managements zu Zielkonflikten kommt, weswegen er von „widersprüchlichen Managementrationalitäten“ spricht.

Illustrieren lassen sich zwei wesentliche (ökonomische) Rationalitäten, wenn Haushaltsökonomie bzw. Daseinsvorsorge und Erwerbsökonomie gegenübergestellt werden. Die Rationalität des Haushaltens bzw. der Daseinsvorsorge besteht darin, Ressourcenzufluss und -verbrauch ausgeglichen zu halten. Bei der Erwerbsökonomie geht es hingegen um Wertschöpfung in dem Sinne, dass jede Einheit Wertschöpfung mehr rational ist (vgl. Müller-Christ 2014: 195).

Müller-Christ stellt so zwei ökonomische Rationalitäten gegenüber: die der Effizienz (Überleben durch Gewinn) und die der Nachhaltigkeit, bei der Selbstbeschränkung den Ressourcenzufluss sichert (vgl. Müller-Christ 2014: 230). Als Handlungsalternativen seien somit Effizienz oder Nachhaltigkeit gegeben. Hier besteht jedoch ein Dilemma: „Je mehr Effizienz als Instrument der Gewinnerzielung eingesetzt wird, desto mehr Nebenwirkungen auf die Ressourcenquellen werden erzeugt, desto mehr wird die Gewinnerzielung der Zukunft beeinträchtigt“ (Müller-Christ 2014: 225). Im Sinne einer ökonomischen Rationalität der Nachhaltigkeit müssen sich also Ressourcennachschub und Ressourcenverbrauch aufwiegen, damit von Nachhaltigkeit gesprochen werden kann (Müller-Christ 2014: 121; 190).[21]

Somit stellen sich für Unternehmen – zunehmend verknüpft mit dem Markterfolg – Herausforderungen, denen herkömmliche Managementansätze nicht gerecht werden können. Müller-Christ (2014) entwickelt daher das Leitbild eines nachhaltigen Managements, das über die bloße Ergänzung um Ressourceneffizienz hinausgeht und vielmehr den Ressourcenerhalt mit in den Blick nimmt. Nachhaltiges Management zeichnet sich demnach dadurch aus, dass herkömmliches Management ergänzt bzw. erweitert wird. Dabei unterscheidet der Autor drei „Ambitionsniveaus eines nachhaltigen Managements“ (Müller-Christ 2014: 30), die in Abbildung 3 dargestellt sind.

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Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller-Christ 2014: 30

Abb. 3: Drei „Ambitionsniveaus eines nachhaltigen Managements“

1.1.3   Transformation hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen

Inzwischen finden sich neben der inhaltlichen Beschreibung nachhaltiger Geschäftsmodelle auch Überlegungen, wie Unternehmen die Transformation oder Organisationsentwicklung hin zu diesen Geschäftsmodellen bewerkstelligen können. Ein induktiver Ansatz nach Roome und Louche (2016) unterscheidet vier Phasen, die in dem Prozess zu finden sind (siehe Abbildung 4).[22]

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Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 4: Vier-Phasen-Modell nach Roome und Louche 2016

Neben der allgemeingültigen prozessualen Betrachtung während einer Geschäftsmodelltransformation unterscheiden Cavalcante et al. (2011) in ihrer Typologie vier Archetypen, welche die grundsätzliche Art der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle beschreiben und diese differenzieren:

  1. Geschäftsmodelle können neu entwickelt werden, wenn es zuvor kein anderes Modell gab.

  2. Modelle können erweitert werden, wenn Unternehmen ihr bisheriges Modell behalten möchten.

  3. Modelle können einer Revision unterzogen werden, um bisherige Modelle zu ersetzen.

  4. Modelle können radikal aufgegeben werden.

Cavalcante et al. (2011) führen aus, dass die Typen eins und zwei eher Organisationsentwicklungsprozesse nach sich ziehen und die Veränderung der Organisation eine eher evolutionäre ist. Die Typen drei und vier führen zu einer fundamentalen Transformation im Sinne eines disruptiven Wandels. Solche Transformationsprozesse sind nach ihren Angaben von Unsicherheit und zumeist dem Fehlen von Wissen und Fähigkeiten begleitet, mit denen die Organisation umgehen muss.

Die Archetypenklassifizierung nach Cavalcante et al. geht davon aus, dass die strategische Dimension in einer Organisation durch die Top-down-Vorgabe eines neuen Geschäftsmodells am Anfang des Veränderungsprozesses steht. Nach der Veränderung der Strategie und damit des Geschäftsmodells müssen Kultur und Struktur einer Organisation entsprechend verändert werden (vgl. magisches Dreieck der Organisation3[23]).

Empirisch konnten Roome und Louche (2016) nachweisen, dass in manchen Organisationen der erste Impuls zwar aus einer strategischen Diskussion erwächst, die Veränderungsbereitschaft jedoch durch die Bearbeitung des Themas auf der kulturellen Dimension entsteht. Aufgrund ihrer gewonnenen Erkenntnisse erweitern Roome und Louche das allgemeingültige induktive Vier-Phasen-Modell (Abbildung 5) um unterschiedliche Prozessebenen und Erfolgsfaktoren zu einem Transformationsmodell, welches zum einen den radikalen Veränderungen und zum anderen auch der empirisch gefundenen Dynamik zwischen den drei Dimensionen Strategie–Kultur–Struktur Rechnung trägt.

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Quelle: Roome und Louche 2016

Abb. 5: Transformationsprozess hin zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell

Businessmodell-Implementierungen, die eine eher evolutionäre Erweiterung (Archetyp 1 und 2) eines bestehenden Businessmodells darstellen, können durch ein Framework begleitet werden, um somit ihren Erfolg sicherzustellen. Svensson et al. (2016) entwickelten einen solchen Nachhaltigkeitsrahmen (Abbildung 6), der es Unternehmen erlauben soll, ihre Anstrengungen hinsichtlich nachhaltiger Unternehmenspraktiken und eines nachhaltigen Geschäftsmodells für sich und im Stakeholder-Netzwerk zu messen und zu überwachen.

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Quelle: Eigene Darstellung nach Svensson et al. 2016

Abb. 6: Framework für eine TBL-orientierte Nachhaltigkeit[24]

Bei der Darstellung der nachhaltigen Geschäftsmodelle und verschiedenen Ansätze zu deren Entwicklung wird deutlich, dass Aspekte wie Lernen, Organisationsentwicklung, aber auch personale Führung hohe Relevanz für die Transformation von Geschäftsmodellen besitzen. Diese Aspekte sind wiederum eng mit dem Aufgabenfeld von HR in Organisationen verbunden.

Welche Rolle in Unternehmen nun dem HRM im Rahmen einer Orientierung an Nachhaltigkeitserfordernissen – unter welcher der oben skizzierten Perspektiven auch immer – zukommen könnte, ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts.

1Ursprünglich soll der Begriff zuerst im Zusammenhang mit der unkontrollierten Abholzung von Wäldern im 18. Jahrhundert verwendet worden sein, als Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz aus Freiberg dafür plädierte, dass bei der Abholzung auf eine kontinuierliche und nachhaltige Nutzung geachtet werden solle, d. h. dass nur so viele Bäume gefällt werden, wie auch nachwachsen können (vgl. z. B. Pufé 2014: 34 ff.).

2Trade-off-Ansicht besagt, dass Nachhaltigkeit auf Kosten der Profitabilität geht und damit unvereinbar ist.

3Das magische Dreieck der Organisation besagt, dass die Ablauf- und Aufbauorganisation (Struktur) in einem Beziehungszusammenhang zu den strategischen Zielen sowie zur Kultur stehen. Andererseits werden jedoch auch Strategie und Kultur von der Struktur eines Systems mitbestimmt.