Fritz Breithaupt
Der Ich-Effekt des Geldes
Zur Geschichte einer Legitimationsfigur
Sachbuch
Fischer e-books
Fritz Breithaupt ist Professor für Germanistisk an der Universität von Indiana in den USA. Neben seiner wissenschaftlichen Beschäftigung ist er regelmäßiger Beiträger der ZEIT.
© S. Fischer Verlag GmbH,
Frankfurt am Main 2008
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ISBN 978-3-10-400133-3
Die Anmerkungen stehen am Ende des Bandes ab Seite 251.
Dieser Ich-Zwang ist nicht identisch mit dem »Selbstzwang«, den Norbert Elias der westlichen Zivilisation attestiert. Elias argumentiert, dass die Bedingung der Zivilisation in Selbstkontrolle, Vorausplanung und Triebunterdrückung durch die »Selbstzwangapparatur« bestehe. Der Selbstzwang schreibt die Individuen fest und macht sie berechenbar; Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Frankfurt am Main 1997, Bd. 2, »Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation«, S.323–346: 330. Dagegen ist der Ich-Zwang, dem dieses Buch gewidmet ist, nicht funktional und dient nicht der geglätteten Kommunikation. Stattdessen setzt er jeden (und jede) unter Druck, selbst festzulegen, was sein Ich sein könnte.
Niklas Luhmann, »Individuum, Individualität, Individualismus«, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 3, Frankfurt am Main 1989, 158–159.
Vgl. zur Ökonomie der Leidenschaften Albert O. Hirschman, Leidenschaften und Interesse. Politische Begründungen des Kapitalismus, aus dem Amerik. von Sabine Offe, Frankfurt am Main 1980.
Siehe etwa J. H. G. von Justi, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten oder Ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, Königsberg und Leipzig 1760. Vgl. zudem Ernst Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland (1500–1870), Wiesbaden 1974.
Aus Gründen der Darstellung wird hier mit dem Begriff als erster Kraft begonnen; dass es sich in der Tat um einen Zirkel der wechselseitigen Evokation handelt, wird weiter unten erläutert.
Begriffe dieser Art entstehen auch heute noch, wenngleich in geringerem Umfange als etwa im achtzehnten Jahrhundert. In den letzten hundert Jahren entstand, rückgekoppelt mit Film, Literatur, Mode und Marketing, eine Gruppe von Begriffen rund um den Terminus ›Jugend‹, die etwa ›Coolness‹, ›Camp‹ und Avantgarde umfasst. Gemeinsam haben diese Begriffe einerseits die Festlegung auf narrative Vorbilder und andererseits den Auftrag, diese Vorbilder zu überschreiten. Zu dem möglichen Verschwinden der Begriffe siehe die Spekulationen des Ausblicks dieses Buches.
Die Vorstellung von Gott als erstem Begriff wird bereits von Hamann, Herder (Gott. Einige Gespräche), Kant und Kierkegaard entwickelt. Alle vier kommen, je verschieden, zu der Einsicht der Erhabenheit des Begriffs, das heißt seiner Uneinlösbarkeit im Denken und Vorstellen.
André Jolles stellt dar, wie die unnachahmbare Heiligkeit des Heiligen in der sprachlichen Form der Legende als Schritt für Schritt nachahmbar ausgelegt wird, siehe Ders., Einfache Formen, Darmstadt 1958, 2. Aufl., 34–38.
Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1997, 235. Im Unterschied allerdings zu den Riten, die Luhmann beobachtet, ist das Wissen als Kommunikationsvermeidungskommunikation nicht an ein moralisches Tabu gebunden, sondern eine schlichte Unmöglichkeit der Aussprache des Gesuchten.
Die Verschärfung, die Zuspitzung auf Paradoxa wird vor allem in der Romantik zum Metier von Literatur. In dem Maße, in dem die zu entschärfenden Begriffe nicht mehr schlicht vorgefunden werden, müssen sie selbst von der Literatur erzeugt oder zumindest wieder aktiviert werden, wie etwa die Popularität des Inzest-Tabus in der Literatur der Romantik zeigt. Vergleiche zu diesen Verschärfungsleistungen durch Literatur Michel Chaouli, »Irresistible Rape: The Lure of Closure in ›The Marquise of O … ‹«, in: The Yale Journal of Criticism 17.1 (2004), 51–81.
Vgl. Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism, überarbeitete Neuauflage London, New York 2006.
Zur hier relevanten Dynamik der Institutionen, vergleiche Cornelius Castoriadis, L’institution imaginaire de la société, Paris 1975.
Du culte des dieux fétiches ou Parallèle de l’ancienne religion de l’Egypte avec la religion actuelle de Nigritie (1760), deutsche Übersetzung von Pistorius 1785.
Auch Luhmann hält diese Entstehung dessen, was hier Begriff genannt wird, aus den Praktiken für plausibel: Die kommunikative Praxis beziehungsweise der Diskurs selbst erzeugt erst den Begriff. Für Luhmann entsteht das Wissen, also etwa das Wissen von Gott, erst dadurch, dass es die kommunikative Praxis seines Versteckens und Verbots gibt: »Das Wissen muß, mit anderen Worten, gegen Kommunikation geschützt werden, weil es durch diesen Schutz überhaupt erst erzeugt wird«; Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1997, 234.
Zu dem zweischneidigen Verhältnis von Satz und Kontext und der Figur der Wiederholbarkeit vergleiche Jacques Derrida, »Signatur, Ereignis, Kontext«, in: Ders., Randgänge der Philosophie, Wien 1988.
Man denke hier an die berühmte Lektüre, die Paul Celan in seiner Büchnerpreis-Rede dem Ausruf von Lucile »Es lebe der König« gewidmet hat.
Dazu ausführlich Fritz Breithaupt, »Anonymous Forces of History: The Case of Infanticide in the Sturm-und-Drang«, in: New German Critique 79 (Winter 2000), 157–176.
Siehe etwa Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt am Main 1970.
Siehe Michel Foucault, Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt am Main 1977, Bd 1.
Vergleiche vor allem die Studie von Eva Kormann, Ich, Welt und Gott: Autobiographik im 17. Jahrhundert, Köln 2004. Die dort entwickelte Konzeption von »Heterologie«, entlehnt von Verena Olejniczak, fungiert als Gegenstück zur »Autonomie«. Während Kormann die Wörter Ich, Selbst und Subjektivität weitgehend als Synonyme verwendet, wäre keine der von ihr diskutierten Konzeptionen ein Ich in dem spezifischen Sinne dieser Studie.
Auch der Selbst-Zwang, den Norbert Elias feststellt, zwingt den Einzelnen nicht zur differenziellen Identität, sondern nur zur funktionalen Konstanz; Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation.
Vgl. die grundlegende Studie von Charles Taylor, Sources of the Self. The Making of the Modern Identity, Cambridge (Mass.) 1989.
John Locke, Über die Regierung, aus dem Engl. von Dorothee Tidow, Stuttgart 1974, 22; Hervorhebung von mir.
John Locke, Two Treatises of Government, New York 1978, 130, § 127; Hervorhebung von mir, F. B.
Locke, § 42, § 36.
Daraus folgt direkt, was nicht angeeignet, nicht Eigentum sein kann: Geld. Geld kennt anders als die Früchte des Bodens nicht das Maß der Zeit. Geld, Gold, altert und vergeht nicht: »money – some lasting thing that men might keep without spoiling« (§ 47). In seiner Permanenz ist Geld maßlos und setzt die natürliche Ordnung außer Maß. Weil es Dauer hat, wurde Gold zum konventionellen Tauschmittel und ermöglicht als solches die Appropriation ohne unmittelbar körperlichen Kontakt, ohne direkte Arbeit. Dies führt zu Disproportionen: »It is plain that men have agreed to a disproportionate and unequal possession of the earth, they having … found out a way how man may farily possess more land than he himself can use the product of, by receiving in exchange for the overplus gold and silver which may be hoarded up without injury to any one, these metals not spoiling or decaying in the hands of the possessor« (§ 50). Geld apropriiert, vereigentlicht unter Ausschluss des Garanten der Eigentlichkeit, dem Körper. Geld schafft eine, zumindest simulierte, Eigentlichkeit. Und damit bedroht es das Primat der Person.
Vgl. §§ 123–133; in § 133 spricht Locke auch explizit von dem Namen »Commonwealth«, den er, »properly«, für die richtige Übersetzung von »civitas« hält.
Zur Konstellation von Geld, Person und Identität bei Locke vgl. die Studie von Constantine George Caffentzis, Clipped Coins, Abused Words, and Civil Government. John Locke’s Philosophy of Money, New York 1989, 45–76. Caffentzis summiert Lockes Thesen dort als »cogito ergo habo« (52).
Vergleiche die Diskussion von Erinnerung und Vergessen in Essay Concerning Human Understanding, Buch 2, Kap. 27, sowie Constantine Caffentzis, Clipped Coins, 51–55. Auch diese Beständigkeit erhebt das Geld zum direkten Konkurrenten der Person.
Jean-Jacques Rousseau, Emile ou de L’Education, in: Oeuvres Completes, Paris 1969. Bd. 4, 330. Ich zitiere deutsch nach: Jean-Jacques Rousseau, Emil oder Über die Erziehung, aus dem Franz. von Ludwig Schmidts, Paderborn u.a. 1971, 78.
Rousseau, Emil oder Über die Erziehung, 78.
Soweit folge ich der Lektüre und Kommentierung dieser Szene durch Frances Ferguson, »Reading Morals. Locke and Rousseau on Education and Inequality«, in: Representations 6 (1984), 66–84. Anders als Ferguson scheint mir das Gewicht der Episode allerdings nicht auf Emils abschließendem »Vertrag« mit dem Gärtner zu liegen, sondern auf der Einsicht in die »Fiktionalität« eines verfehlten Selbstbildes (siehe die folgenden Ausführungen). Ein Hinweis, dass der Vertrag in der Gärtner-Szene (der Emil das Bebauen einer kleinen Parzelle erlaubt) nicht zentral ist, liegt unter anderem darin, dass die drei Parallelgeschichten zur Gärtner-Epsiode (also die Enten-Geschichte, die Geschichte des wilden Jungen, der Scheiben einwirft, und des verwöhnten Jungen, der in die weite Welt ziehen will), jeweils ohne Vertrag gelöst wird, aber ebenfalls je in die Einsicht der Fiktionalität eines Selbst mündet.
Rousseau, Emil oder Über die Erziehung, 81.
Rousseau, Emile ou de L’Education, 334.
Es ist insofern kein Zufall, dass Jacques Derridas Analyse der Supplementierung sich einer genauen Lektüre von Rousseaus Haltung zu Fiktion und Fiktionalität verdankt; Jacques Derrida, Grammatologie, aus dem Franz. von Hans-Jörg Rheinberger und Hanns Zischler, Frankfurt am Main 1974.
Rousseau, Emile ou de L’Education, 534.
Es kann an dieser Stelle erwähnt werden, dass Rousseaus Gärtner-Episode ein berühmtes Echo in Goethes Wahlverwandtschaften gefunden hat. Der Gärtner Eduard erscheint dort bereits auf den ersten Seiten als derjenige, der die Erkenntnis Emils gezielt verweigert und seine überzogenen Selbstbilder keiner Schockerfahrung zugänglich macht, und das heißt, Selbstbewusstsein verweigert.
Hierzu gehören also vor allem die Enten-Episode mit dem bezahlten Zauberer und die Geschichte mit dem aufmüpfigen Jungen, der allein in die Welt ziehen will und dieses zu seinem Schrecken schließlich tun soll (Buch I). Auch die innerhalb der Gärtner-Episode eingeschobene Geschichte von dem Jungen, der die Scheiben einwirft und daher in einen dunklen Raum ohne Fenster eingesperrt wird, gehört in diese Serie. Dem Jungen wird dort erklärt, dass er sich quasi selbst sein dunkles Gefängnis gebaut habe (wie Emil in der Gärtner-Szene), indem er alle Scheiben einwarf, da niemand mehr bereit sei, ihm ein Zimmer mit Fenstern einzuräumen.
In seiner Analyse der Aesop-Fabel in Emile kommt Marc Shell zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er den Missbrauch der Fabel in der Schmeichelei, dem Erzeugen eines fiktiven Selbstbilds bestimmt. Shell verbindet dies mit einer Diskussion der linguistischen und ökonomischen Zeichen bei Rousseau; vgl. Marc Shell, The Economy of Literature, Baltimore 1978, 113–128.
August Hermann Francke, Kurzer und einfältiger Unterricht wie die Kinder zur wahren Gottseligkeit und christlichen Klugheit anzuführen sind (1702), in: Ders., Pädagogische Schriften, hg. von Hermann Lorenzen, Paderborn 1964, 2. Aufl., Kap. XXVI, 59.
Vgl. zur Maskierung: »Es verstellt sich aber diese menschliche Klugheit auch wohl gar in ein Gespenst der christlichen Klugheit, davor man sich am allermeisten zu hüten hat, daß man nicht dieselbe für die wahre göttliche Weisheit und christliche Klugheit halte und annehme«, Francke, Kap. XX, 46.
Dieses Selbst-Misstrauen gilt auch für Hamann: »Mein Gehirn sah einen Nebel von Begriffen um sich … nichts als Misstrauen gegen mich selbst und andere, nichts als eine Qual wie ich mich ihnen nähern oder entdecken sollte«, Johann Georg Hamann, Gedanken über meinen Lebenslauf, in: Sämtliche Werke, hg. von Josef Nadler, Wuppertal 1949–1957, Bd. 2, 27.
Descartes erkennt, dass das Denken sich nicht auf dem »ungesicherten Boden der bloßen Vorstellungsinhalte« stellen kann (so Werner Hamacher in einer prägnanten Skizzierung von Descartes’ Discours de la Méthode, Entferntes Verstehen, Frankfurt am Main 1998, 238), zugleich aber ohne eine solche Reflexion zur Begründung des Denkens oder reinen Ich nicht auskommt. Für die Pietisten dagegen ist der Vorstellungsinhalt ohnehin kein möglicher Grund. Jeder Vorstellungsinhalt ist ihnen nur die Maske eines Motivationsgrundes, also das Verdecken einer Bewegung, die allem Grund zugrunde liegt. Francke öffnet unter jedem Willens- und Sprechakt den doppelten Boden einer anderen Kausalität. »Einen großen Vorteil, die Kinder zur wahren Klugheit wohl anzuführen, mag man auch daraus nehmen, wenn man den Kindern nicht gestattet, daß sie dieses oder jenes vornehmen mögen, da sie selbst nicht wissen, warum sie es tun, sondern sie vielmehr anhält, daß sie allezeit ihre rationes und Gründe bringen, welche sie bewegen, eine Sache vorzunehmen«, Francke, Kap. XXVI, 59. Solche Motivationen, Beweggründe, aber sind nicht zu einem reinen Denken, zu einem ›reinen Ich‹ zu reinigen, sondern bleiben, bewegt bewegend, an jedem Denken haften, spalten es je bodenlos zwischen Vorstellungsinhalt und Motivation auf.
Hamann formuliert dies so: »Wie ist es möglich, daß man mich hat für einen klugen, geschweige brauchbaren Menschen halten können, wo es mir niemals möglich gewesen was ich bin und seyn kann, zu entdecken. Dies ist ein Geheimnis, das ich niemals habe verstehn noch aufklären können. Ich habe als Ursache alle diese Dinge theils als Ahnungen anzusehn, theils als Wirkungen der Hand Gottes, die über mir schwer gewesen, daß ich mich unter allem dem Guten, was mir von Menschen geschah, nicht zu erkennen sollte. … Ich bin eine unzeitige Frucht in allem meinem Thun und Handlungen, in allen meinen Unternehmungen und Anschlägen gewesen, weil sie ohne Gott gewagt, angefangen und ein Loch bekommen anstatt ein Ende zu nehmen«; Hamann, Lebenslauf, 27.
Der Übergang der Trias menschlicher Fakultäten zur dualen Struktur von »Ich« und »allem anderen« kennt viele Zwischenstufen, die ich hier nicht adäquat darstellen kann. Das Problem des homo duplex wurde in den deutschen Kontext von Sulzer und Herder eingeführt. Zur homoduplex -Debatte siehe Gerald Hartung, »Über den Selbstmord. Eine Grenzbestimmung des anthropologischen Diskurses im 18. Jahrhundert«, in: Hans Jürgen Schings (Hg.), Der ganze Mensch: Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert, Stuttgart und Weimar 1994, 33–53; Michael Hagner, »Aufklärung über das Menschenhirn. Neue Wege der Neuroanatomie im späten 18. Jahrhundert«, in: Schings, Der ganze Mensch … , 145–161, und Wolfgang Riedel, »Erkennen und Empfinden. Anthropologische Achsendrehung und Wende zur Ästhetik bei Johann Georg Sulzer«, in: Schings, Der ganze Mensch … , 410–439.
Albrecht Koschorke analysiert diese Übergänge und spricht in Anlehnung an Luhmann von »Medien«, die die Konsolidierung des »Subjekts« ermöglichen. Als Medien definiert er »Rückkopplungssysteme … die beide Komponenten der Zeichenproduktion, ihre Materialität und ihre Bedeutungspotenz, wechselseitig aufeinander wirken lassen«; Albrecht Koschorke, Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts, München 1999, 11.
Vergleiche ausführlicher Rüdiger Campe und Manfred Schneider (Hg.), Geschichte der Physiognomik: Text, Bild, Wissen, Freiburg i.Br. 1996.
Vergleiche Manfred Frank, Selbstgefühl: Eine historisch-theoretische Erkundung, Frankfurt am Main 2002.
Friedrich von Blanckenburg, Versuch über den Roman, fotomechanische Reproduktion der Ausgabe 1774, Stuttgart 1966, 392–402.
Niklas Luhmann hebt vielfach hervor, wie im achtzehnten Jahrhundert stratifikatorische Determinationen von Individualität funktionaler Differenzierung weichen; siehe etwa Niklas Luhmann, »Individuum, Individualität, Individualismus«, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft 3, Frankfurt am Main 1989, 149–258.
Man könnte versucht sein, in diesem neuen Ich um 1770 ein »paradigm shift« im Sinne von Thomas Kuhn zu erblicken. Weitere Evidenz für eine solche Behauptung lässt sich etwa in der Erfindung der empirischen Psychologie finden, der neuen Pädagogik Pestalozzis, der Einführung des »subjektiven Tatbestands« in der juristischen Praxis, der Anerkennung der Privatsphäre, der Umstellung nicht nur der Medizin von Flüssigkeitszirkulation auf mediale Kommunikation (siehe Albrecht Koschorke, Körperströme und Schriftverkehr) und so fort. Dennoch sollten zwei prinzipielle Kontinuitäten nicht übersehen werden. Zum Ersten ist die Idee einer individuellen Verantwortung des Einzelnen für sein Heil und Seelenheil eine spezifisch europäische Idee, die mindestens bis zur Reformation zurückdatiert und dort zu einer Buchführung der Seele führt (siehe Max Webers Studien). Zum Zweiten erlaubt die Bestimmung des Ich als Ursprung und Grundlage von Menschlichkeit den Anschluss an ein Axiom bereits des Barock, dass nämlich die Ursache eines Dinges seine Wahrheit sei. Das Ich besetzt nun die Position der Wahrheit des Einzelnen (beziehungsweise soll dieses tun), nachdem dieser Ort von der Seele geräumt worden war. Zur möglichen Kontinuität des Ich siehe Richard van Dülmen (Hg.), Die Entdeckung des Ich. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln 2001.
Johann Gottfried Herder, Werke (Frankfurter Ausgabe), hg. Günter Arnold et al., Frankfurt am Main 1997, Bd. 1, 11. Im Folgenden kurz als FA.
Johann Wolfgang von Goethe, »Zum Shakespeare-Tag«, Hamburger Ausgabe, XII, 224. Der Text wurde vermutlich September/Oktober 1771 verfasst.
Ebd.
Die geschlechtliche Kodierung des Begriffs des Ich im späten achtzehnten Jahrhundert ist dabei weder schlicht geschlechtsneutral noch rein männlich besetzt. Dies hängt zunächst mit den variierenden inhaltlichen Füllungen des »Ich« zusammen. Die Autonomie ist etwa entsprechend der juristisch-ökonomischen Realität der Epoche, die nicht-adeligen Frauen die Mündigkeit verwehrte, männlich konnotiert. Andere verbreitete Konnotationen des »Ich« im späten achtzehnten Jahrhundert erweisen sich aber durchaus als offen für beide Geschlechter. Dazu gehören Singularität, die Fähigkeit der Erinnerung und Erzählung des eigenen Lebens, die Empfänglichkeit für das Sinnliche und Ästhetische, die aktive Teilnahme am geselligen Leben, sensibility und der romantische Esprit. Auch das reflexive Selbstbewusstsein ist nicht notwendig rein männlich besetzt, wie die Werke der weiblichen Romantiker zeigen. Die Epoche um 1771 ist reich an neuen Begriffszwängen, zu denen auch geschlechtsspezifische gehören wie die Institutionalisierung der Mutter-Rolle, siehe etwa Fritz Breithaupt, »Anonymous Forces of History«.
Jakob Michael Reinhold Lenz, »Über die Natur unseres Geistes« (1771–73), in: Werke und Briefe in drei Bänden, hg. v. Sigrid Damm, Leipzig 1987, Bd. 2, 619.
So Ernst Tugendhat, »Abstieg vom Ich zum ›ich‹«, in: Ders., Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung, Frankfurt am Main 1979, 68–90.
Die Zeitschwelle um 1770 gilt offenbar auch für den angelsächsischen Raum, vgl. Deidre Shauna Lynch, The Economy of Character. Novels, Market Culture, and the Business of Inner Meaning, Chicago 1998; und Dror Wahrman, The Making of the Modern Self, New Haven, London 2004; sowie den französischen Raum, siehe Jan Goldstein, »Mutations of the Self in the Old Regime and Postrevolutionary France: From Ame to Moi to Le Moi«, in: Lorraine Daston (Hg.), Biographies of Scientific Objects, Chicago, London 2000, 86–117.
Ein weiterer Text, der zur Apotheose des Ich beigetragen haben dürfte, ist De la Plaisir (1770) von Hemsterhuis. In der durch Herder inspirierten Übersetzung wird »mon essence« schlicht als »das Ich« übersetzt, was anzeigt, in welchem Grade das neue Ich für deutsche Leser bereits die Essenz des Menschen geworden ist; siehe »Ueber das Verlangen«, in: Der Teutsche Merkur, November 1781, 97–122, hier: 102.
Johann Gottfried Herder, Journal meiner Reise im Jahr 1769, in: FA, Band 9.2, hg. v. Rainer Wisbert, 15.
Johann Gottfried Herder, »Vom Sinn des Gefühls«, in: Sämtliche Werke, hg. v. Bernhard Suphan, Hildesheim 1967, Vol. VIII, 96.
Johann Gottfried Herder, Briefe, Bd. IX, bearbeitet von Günter Arnold, Weimar 1988, 183. Vergleiche auch Tino Markworth, »Das ›Ich‹ und die Geschichte: Zum Zusammenhang von Selbstthematisierung und Geschichtsphilosophie bei J. G. Herder«, in: Wulf Koepke (Hg.), Johann Gottfried Herder: Academic Disciplines and the Pursuit of Knowledge Columbia 1996, 152–167.
Vergleiche zu Schillers und Goethes späterer skeptischen Haltung zum Ich das wichtige Buch von Stefan Keppler, Grenzen des Ich. Die Verfassung des Subjekts in Goethes Romanen und Erzählungen, Berlin, New York 2006; Benjamin Bennett, »The Irrelevance of Aesthetics and the De-Theorizing of the Self in ›Classical‹ Weimar«, in: Simon Richter (Hg.), The Literature of Weimar Classicism, Camden House History of German Literature, Vol. 7, Rochester, 295–321; Ulrich Füllehorn, Besitzen als besäße man nicht. Besitzdenken und seine Alternativen in der Literatur, Frankfurt am Main 1995, 114–150; und Fritz Breithaupt, »Goethe and the Ego«, in: Goethe Yearbook XI (2001), 77–102.
Johann Peter Kraft, »Was ich wil, das kan ich. Ist mehr als Spekulazion«, in: Deutsches Museum, 1. Bd, 1779, 141–146.
Gemäß Jochen Schmidt kommt es um 1770 zu einer entscheidenden Wandlung des Genie-Gedanken, wenn die Vorstellung eines ahistorischen, universalen Genies umschlägt in Partikularität. »Das Genie verwandelt sich in reine Subjektivität«, siehe Jochen Schmidt, Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750–1945, Darmstadt 1988, 2. Aufl., Bd. 1, 174.
Vgl. Philippe Lacoue-Labarthe, L’imitation des modernes. Typographies II, Paris 1986, 39–68.
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, »Philosophischer Brief über Dogmatismus und Kriticismus« (1795–1796), in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Augsburg 1856, I. Abteilung, 1. Band, 336–7.
»Das Wesen des Ichs ist Freiheit«; Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, »Vom Ich als Princip der Philosophie« (1795), in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Augsburg 1856, I. Abteilung, 1. Band, 59.
So Philippe Lacoue-Labarthe, L’imitation des modernes.
Siehe das vierte Kapitel dieser Arbeit.
Man denke nur an Goethes Figurationen der Sammlung in »Der Sammler und die Seinen« sowie in Wilhelm Meisters Lehrjahre und Wilhelm Meisters Wanderjahre.
Niklas Luhmann, »Individuum, Individualität, Individualismus«, 199–200.
Das Paradox der Identifikation besteht darin, dass einerseits gerade das Individuum an sich, in seiner Singularität, gesucht wird, dieses aber zugleich durch den Akt der Identifikation getilgt wird, da es sich ja als zugänglich und verstehbar erweist. Das Individuum der Identifikation ist – aus der Sicht des Ich-Zwangs – ein Ersatz-Ich; vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Hamburgische Dramaturgie, in: Lessing Werke und Briefe in zwölf Bänden, hg. v. Klaus Bohnen, Bd. 6, Frankfurt am Main 1985, 565–575 [Stücke 77–78].
Dazu Jochen Schmidt, Genie-Gedanke, 78–95.
Aufbauend u.a. auf Herder wird Kritik von den Schlegel-Brüdern zur Grundkonstellation frühromantischen Denkens ausgebaut. Siehe dazu Philippe Lacoue-Labarthe und Jean-Luc Nancy, Literary Absolute: The Theory of Literature in German Romanticism, Albany 1988.
Tatsächlich scheint im England des späten siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts den Eigentumsrechten ein Primat gegenüber den Persönlichkeitsrechten eingeräumt worden zu sein, siehe Lewis Namier, England in the Age of the American Revolution, London 1963, 2. Aufl., 32, und David Ogg, England in the Reign of James II and William III, London 1969, 70–105.
Diese Charakteristika stehen in deutlicher Nähe zu dem Modell von Charakter, welches Deidre Lynch als das Modell vor 1770 ausmacht, siehe Deidre Lynch, Economy of Character.
Siehe Patrick Brantlinger, Fictions of State: Culture and Credit in Britain, 1694–1994, Ithaca 1996.
Die für diese Studie maßgeblichen Arbeiten zu Moritz sind Jonathan M. Hess, Reconstituting the Body Politic. Enlightenment, Public Culture and the Invention of Aesthetic Autonomy, Detroit 1999, besonders 155–179; Erich Meuthen, Selbstüberredung. Rhetorik und Roman im 18. Jahrhundert, Freiburg 1994; und Elliott E. Schreiber, »Pressing Matters. Karl Philipp Moritz’s Models of the Self in the Magazin zur Erfahrungsseelenkunde«, in: Goethe Yearbook XI (2002). Hess diskutiert, wie Moritz die Idee der Autonomie des Kunstwerks als Gegenprojekt zu der politischen Institution des Staates entwickelt; Meuthen analysiert die Politik der Fiktionalität bei Moritz; und Schreiber entwickelt den Zusammenhang zwischen verschiedenen Konzeptionen des Selbst und des Ich für Moritz. Ziel meiner Skizze ist es, die Entwicklungslinien von politischer Institution, Kunst, Fiktion und Ich aufeinander zu beziehen.
Wo nicht anders angegeben, wird hier und im Folgenden zitiert aus der verbreiteten, allerdings nicht fehlerfreien Insel-Ausgabe von Horst Günther, die, anders als etwa die Frankfurter Ausgabe, alle hier diskutierten Texte komplett abdruckt, Karl Philipp Moritz, Werke, hg. von Horst Günther, Frankfurt am Main 1981, Bd. 3, 460. Ich beziehe mich ausschließlich auf Texte der Zeit von 1785–1790, Texte also, die dem Erscheinen von Anton Reiser parallel gehen.
Moritz, Bd. 3, 188.
Moritz, Bd. 3, 187.
Siehe dazu die methodische Einleitung, Paragraph 16.
Zu Moritz’ Konzeption dieser Institutionen und kulturellen Räume vergleiche ausführlich die noch unveröffentlichte Arbeit von Elliott E. Schreiber, Spielraum: Karl Philipp Moritz’s Topography of Modernity.
Vgl. Moritz, Bd. 3, 460.
Moritz, Bd. 3, 188.
Moritz, Bd. 3, 186.
Kants Postulat, dass der Mensch nie zum Mittel werden dürfe, findet in Deutschland sofort großes Echo. Eine lange Liste der Rezeption von Kants Postulat zwischen 1795 und 1820, etwa bei Hufebach, Feuerbach, Jakob, Hoffbauer, Bauer, Gros, Krug und Marezoll, findet sich bei Christoph Ulmschneider, Eigentum und Naturrecht im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts, Berlin 2003, 35, Anm. 107.
Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft, in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1956, Bd. 4, 60.
Hier lässt sich denn auch die Differenz der Thesen der scharfsinnigen Studie von Jonathan M. Hess und der hier vorliegenden Arbeit darstellen. Hess bestimmt die Erfindung der Autonomie des Kunstwerks durch Moritz als Gegenprojekt zu der totalisierenden Staatsinstitution (à la Hobbes). Im Kunstwerk aber komme es zu einem Selbstverlust des Betrachters. Daher wiederum entstehe, unheimlicherweise (»uncannily«, Hess, 174, 175, 178), eine Nähe zwischen Staatsinstitution und Kunstwerk, die Moritzs Projekt eines Gegenprojekts zur Politik zum Scheitern bringe, ja, ins Gegenteil umschlagen lasse. Wie Hess sehe ich, dass Moritz eine Antwort auf Institutionen und auch die Staatsinstitution sucht. Diese Antwort ist aber von Beginn an keine radikale Opposition zur Institution, sondern ein bewusst an der Institution orientiertes Modell einer anderen Institution. Gefunden wird diese andere Institution, in der Tat, in der Autonomie bzw. Als-ob-Autonomie des Kunstwerks. In der Kunst-Kontemplation kommt es dabei durchaus auch zu einem Selbstverlust, doch eines Verlusts, der einhergeht mit der Kreation der Ich-Institution. Kurz, zu der von Hess vorbildlich diskutierten Konfrontation von Politik und Kunst scheint es mir notwendig, die Institution und speziell die Ich-Institution als dritte Instanz zu ergänzen.
»Unterschieben« ist das Kernwort, welches Moritz in Kinderlogik benutzt, um das Wirken von Institutionen zu kennzeichnen. Institutionen könnten den Menschen nicht vereinnahmen, »wenn den einzelnen Menschen nicht ein Zweck untergeschoben würde, weswegen er eine Zeitlang das Band zwischen Geist und Körper gleichsam zerreißt … «, Moritz, Bd. 3, 461; und: »Der Zweck, der seiner Denkkraft listiger Weise untergeschoben wird, ist, als müsse er dies tun, weil er sonst seine körperlichen Bedürfnisse nicht würde befriedigen … können« (ebd.). Das Entscheidende an dem ›Unterschieben‹, der Kantschen Subreption, ist, dass der Mensch also wie das Opfer des Kuckucks durchaus glaubt, dass er seinem Zweck folgt, sein Ei ausbrütet. Damit wird auch die von Moritz dort stark gemachte Differenz zwischen »unterschieben« und »verpflanzen« untergraben. Die Differenz besteht vielleicht nur darin, dass der Mensch gemäß Moritz Freude am Selbst-Denken hat, sodass der Spross der eigenen Gedanken gedeihen kann. Damit ist auch die Differenz zwischen Monarchie und Demokratie, die Moritz hier verhandelt, weniger prinzipiell als es zunächst scheinen könnte, vgl. Moritz, Bd. 3, 461–62.
Heinrich Heine, Reisebilder. Die Nordsee (1826), in: Sämtliche Schriften, hg. v. Klaus Briegleb, München 1969, Bd. 2, 218.
Siehe Moritz, »Über Selbsttäuschung«.
Die Vorstellung des Ich als »Feste« verbindet beide. Vergleiche etwa: »Daß sein eigentliches denkendes Ich dem Unglück keinen einzigen Berührungspunkt darbietet, daß dieses nur mit seiner Umgebung spiele, aber ihn selbst nicht erschüttern kann; daß es in jedem Augenblick seines Daseins in seiner Macht steht, sich in sich selbst zurückzuziehen, und alles was ihn umgibt, freiwillig dem Zufall preiszugeben – … Aus dieser sichern Feste, die ich um mich her gezogen habe, biete ich dem Zufall Trotz … « (Moritz, Bd. 3, S.214). Die Feste ist das, was das Ich bei seinem Rückzug von sich externalisiert, abwälzt, absondert. Es gibt hier also mindestens zwei Instanzen, in diesem »sich in sich selbst zurückzuziehen«: das innere Wesen und die äußere Feste. Das Ich sondert ein Sekret von sich ab, das hart wird wie das Haus der Schnecke und es nach außen hin schützt. Dieses Sekret, deutsch: Aus- oder Absonderung, ist dabei ebenfalls ein Ich. Das Ich ist ein Sekret. Durch dieses (äußere) Sekret-Ich kann das (innere) »eigentliche … Ich« diskret, heimlich, verborgen bleiben. Absonderung ist das Wesen des Ich. In der Absonderung (dem Sekret) verdoppelt sich das Ich, spaltet sich, zieht sich in das Ich zurück. So sagt Moritz auch anderswo, dass wir uns selbst kennenlernen, indem »wir uns gleichsam von uns selber absondern.« (Dort, nämlich in »Pronomina in psychologischer Hinsicht«, heißt es auch: » … und sage [ich] bloß mein Ich, so bekomme ich dadurch den deutlichsten Begriff von mir selber, indem ich mich nun, als etwas, das außer mir ist, betrachte, oder mich gleichsam aus meiner eignen Vorstellung herausdenke«, Moritz, Bd. 3, 140; zur Kommentierung dieser Passage vgl. Anthony Krupp, »Other Relations: the Pre-History of the I in Rousseau and Moritz«, in: Goethe Yearbook XI (2002), 111–132.
Zu den politischen Dimensionen von Architektur und »Haus« bei Moritz siehe die bisher unveröffentlichte Arbeit von Elliott E. Schreiber, Spielraum: Karl Philipp Moritz’s Topography of Modernity.
Moritz, Bd. 3, 422.
Moritz, Bd. 3, 416.
Moritz, Bd. 3, 417.
Moritz, Bd. 3, 422.
Die Betonung des Eigentums fällt denn auch in Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache (1794) ins Auge. Moritz (oder einer der Nachfolger von Moritz, die das Werk nach seinem Tod fortgesetzt haben) bemerkt hier, dass die Deklination des Personalpronomen »Ich« einen anderen Stamm einführt (nämlich »Mir, Mich … «) und leitet diesen Stamm vom Possessivpronomen »mein« ab und eben nicht umgekehrt, wie es naheläge: »Der Genitiv beider Zahlen [ich, wir] ist seiner Gestalt nach von den possessiven Pronominibus mein und unser hergenommen; Dativ und Akkusativ behalten doch einige Ähnlichkeit mit dem Genitiv.« Karl Philipp Moritz, Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 1794, Bd. 2, 268–69.
Moritz, Bd. 3, 423.
Zur Karriere dieser Aufwertung der kommunikativen Funktion des Geldes vgl. Thomas Wirtz, »›Vom Geiste der Speculation‹. Hermeneutik und ökonomischer Kredit in Weimar«, in: Athenäum 8 (1998), 9–32.
Moritz, Bd. 3, S.423.
Moritz denkt dabei in der Tat eine Temporalisierung des psychischen Geschehens (siehe dazu die Studie zur Fallstudie von Andreas Gailus, »A Case of Individuality. Karl Philipp Moritz and the Magazine for Empirical Psychology«, in: New German Critique 79 [Winter 2000], 67–105). Doch darüber hinaus stellt Moritz wiederholt dar, inwiefern das Entscheidende an der Temporalisierung nicht eine schlichte Entwicklung sei, sondern die aktive Aneignung eines früheren, verwundenden Ereignisses; eine Aneignung, die das früher erlittene Moment redupliziert und dabei dem inneren, erleidenden Selbst ein aktives Ich gegenüberstellt. Kurz, die Leistung des Psychischen liegt in der aktiven Selbstverdoppelung im Rückgriff auf das Erlittene; vgl. Fritz Breithaupt, »The Invention of Trauma in German Romanticism«, in: Critical Inquiry 32 (2005), 77–101.
Vgl. die Studie von Meuthen: »Das Trauma innerer Substanzlosigkeit, gegen das Moritz anschreibt, soll durch die ›Erinnerung‹, in der das ›Ich‹ Vergangenes vergegenwärtigt und sich zugleich ›selbst‹ in seiner ›Innerlichkeit‹ erlebt, verarbeitet und abgebaut werden«, Erich Meuthen, Selbsttäuschung, 235.
Moritz, Bd. 2, 543.
Diese Als-ob-Autonomie ist das Thema von Über die bildende Nachahmung des Schönen: »Zu dem Begriff des Schönen … gehört also noch, daß es nicht nur oder nicht sowohl, ein für sich bestehendes Ganze wirklich sey, als vielmehr nur wie ein für sich bestehendes Ganze, in unsere Sinne fallen, oder von unsrer Einbildungskraft umfaßt werden könne«, Moritz, Bd. 2, S.558. Zur Ästhetik von Moritz vgl. Jürgen Fohrmann, »Bildende Nachahmung: Über die Bedeutung von ›Bildung‹ und ›Ordnung‹ als Prinzipien der Moritzschen Ästhetik«, in: Martin Fontius und Anneliese Klingenberg (Hg.), Karl Philipp Moritz und das 18. Jahrhundert. Bestandsaufnahmen, Korrekturen, Neuansätze, Tübingen 1995, 177–186. Zur Analyse der Frage, wie Moritz das in sich selbst vollendete Kunstwerk in sich selbst vollendet, also die Autonomie schließt, vgl. die scharfsinnige Lektüre von Rüdiger Campe, »Zeugen und Fortzeugen in Karl Philipp Moritz’ ›Über die bildende Nachahmung des Schönen‹«, in: Christian Begemann und David E. Wellbery (Hg.), Kunst, Zeugung, Geburt: Theorien und Metaphern ästhetischer Produktion in der Neuzeit, Freiburg i. Br. 2002, 225–250.
»Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des ›in sich selbst Vollendeten‹, in: Moritz, Bd. 2, 544.
Man darf vermuten, dass hier der Begründungsakt der Institution überhaupt vollzogen wird: Einer externen Instanz wird die Fähigkeit der Selbstzweckhaftigkeit verliehen. Doch während sich der Begründungsakt der Institution in den klassischen Institutionen zu einer Norm verdichtet, die überpersönlich Anspruch auf Geltung erhebt, bleibt das Schöne gebunden an seine Aktualisierung in der jeweiligen Betrachtung. Das Kunstwerk existiert nur im Auge des einen Betrachters. Das Kunstwerk ist insofern eine subjektive Institution, eine Institution, deren Anspruch auf Geltung eben nur Anspruch auf »Beistimmung« bleibt, wie Kant in der Kritik der Urteilskraft (§§ 18–21) argumentiert.
Moritz, Bd. 3, 470.
Ich folge in dieser Unterscheidung von neuem und altem Naturrecht Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976.
Vgl. Christoph Ulmschneider, Eigentum und Naturrecht.
Etwa: »Das Zueignen (occupatio) ist die Handlung, durch welche einer erklärt, daß eine Sache, die keinem gehört, seine seyn soll, und sie dann in den Zustand bringt, daß sie seine seyn kann«, Christian Wolff, Grundsätze des Natur- und Völckerrechts worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem beständigen Zusammenhange hergeleitet werden, Halle 1754, Paragraph 210.
Vgl. Diethelm Kippel, »Persönlichkeit und Freiheit: Das ›Recht der Persönlichkeit‹ in der Entwicklung der Freiheitsrechte im 18. und 19. Jahrhundert«, in: Günter Birtsch (Hg.), Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1987, 269–290.
Johann Christian Friedrich Meister, Lehrbuch des Natur-Rechtes, Züllichau und Freystadt 1809, Para 191, 154, zitiert nach Ulmschneider, 31–32.
Johann August Schlettwein, Die wichtigsten Angelegenheiten für das ganze Publicum, oder die natürliche Ordnung in der Politik, 2. Teil, Karlsruhe 1773, 82–83. Zur Kommentierung dieser Passage vergleiche Diethelm Kippel, »Persönlichkeit und Freiheit … «, 284.
C. Meiner, »Ueber die Entstehung des Eigenthums«, in: Göttingisches historisches Magazin, 1789, Bd. 5, 461–474: 473.
So Franco Negro, Das Eigentum, München, Berlin 1963, 53–54.
Die Position Lockes wird in Deutschland, soweit ich sehe, zuerst von J. A. Pheifer, Ueber das allgemeine Eigenthumsrecht, Erfurt 1777, vertreten. Doch in den Rezensionen wird diese Position noch für obstrus erklärt (Anonym, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, 1778, 34. Bd., 2. Stück, 443–45). Um 1800 dagegen ist Lockes Argumentation gängig, wenngleich sie sich letztlich, so zumindest Ulmschneider, 40–55, und Kippel (1987), nicht allgemein durchzusetzen vermag.
Vegl. Günter Birtsch, »Freiheit und Eigentum. Zur Erörterung von Verfassungsfragen in der deutschen Publizistik im Zeichen der Französischen Revolution«, in: Rudolf Vierhaus (Hg.), Eigentum und Verfassung. Zur Eigentumsdiskussion im ausgehenden 18. Jahrhundert, Göttingen 1972, 179–192.
Ernst Ferdinand Klein, Freyheit und Eigenthum, abgehandelt in acht Gesprächen über die Beschlüsse der Französischen Nationalversammlung, Berlin und Stettin 1790, photomechanischer Nachdruck Kronberg Ts. 1977, 43. Diese Äußerung wird von dem Dialogpartner Kleon hervorgebracht, von dem Klein in der Vorrede schreibt, dass seine Meinungen ihm »am nächsten kommen«.
Deutsch nach Franco Negro, Das Eigentum, 57–79.
Vgl. zur Entstehung des Urheberrechts Heinrich Bosse, Autorschaft ist Werkherrschaft. Ueber die Entstehung des Urheberrechts aus dem Geist der Goethezeit, Paderborn u.a. 1981; Michael Bülow, Buchmarkt und Autoreneigentum. Die Entstehung des Urhebergedankens im 18. Jahrhundert, Wiebaden 1990; Thomas Wegmann, Tauschverhältnisse. Zur Ökonomie des Literarischen und zum Ökonomischen in der Literatur von Gellert bis Goethe, Würzburg 2002, 166–186.
Johann Gottlieb Fichte, »Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks: Ein Räsonement und eine Parabel«, in: Sämmtliche Werke, hg. v. J. H. Fichte, Bd. 8, Berlin 1846, 227.
G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, mit Hegels eigenhändigen Randbemerkungen in seinem Handexemplar der Rechtsphilosophie, hg. von Johannes Hoffmeister, Hamburg 1967, 4. Aufl., 55, §41.
Hegel, §59.
Hegel, § 44, Zusatz.
Vgl. zur Einführung Albert O. Hirschman, Leidenschaften und Interesse.
Darüber, dass zahlreiche Praktiken in dieser Epoche verzeitlicht werden, besteht in der Literatur weitgehend Einigkeit. Hartmut Rosa zufolge ist dies auch die Epoche, in der die tatsächliche und die so wahrgenommene Beschleunigung des modernen Lebens beginnt, siehe Hartmut Rosa, Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne, Frankfurt am Main 2005.
Joseph Vogl, Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen, München 2002, 54–82.
»THUS every Part was full of Vice,/ Yet the whole Mass a Paradise; / … / The worst of all the Multitude/ Did something for the Common Good./ THIS was the State’s Craft, that maintain’d/ The Whole of which each Part complain’d«, Bernhard Mandeville, The Fable of the Bees or Private Vice, Publick Benefits, hg. v. F. B. Kaye, Indianapolis 1988, photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Oxford 1924, Vol. I, 24. Das Bild der Waage erscheint auf der folgenden Seite auch explizit.
Vgl. zu weiteren Beispielen der Metaphorik der Ausgeglichenheit Albert O. Hirschman, Leidenschaften und Interesse.
Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Cause of the Wealth of Nations, in: Glasgow Edition of the Works and Correspondences of Adam Smith, hg. v. Roy Harold Campbell und Andrew S. Skinner, Oxford 1979, reprint Indianapolis 1981, Bd. 1, 311.
Adam Smith, Wealth of Nations, 308–10.
Marc Shell analysiert Kants Gebrauch von Geld-Metaphern und argumentiert, dass Kant das Konzept der Null von dem Ausgleich einer wechselseitigen Verschuldung ableitet. Shell sieht in dieser Null den Ursprung von Kants Begriff von Wahrheit als »Aufhebung«, Marc Shell, Money, Language, and Thought, Baltimore 1982, 133–37.
Goethe, Erster Entwurf einer allgemeinen Einteilung in der vergleichenden Anatomie, WA II. 8, 16.
Goethe, HA VI, 219–20.
Vgl. Hamacher, »Faust, Geld«, in: Athenäum. Jahrbuch für Romantik 4 (1994), 131–187. Zur Inflation von 1797 siehe auch Joseph Vogl, Kalkül und Leidenschaft, 270–279.
Siehe das zweite Kapitel dieser Arbeit.
Siehe den methodischen Abschnitt der Einleitung.
Peter Sloterdijk beschreibt diese Transformation des Geldes im Handel als die »Grundbewegung« der ökonomischen Globalisierung schlechthin. Noch durch die waghalsigste Überseeexpedition soll das Geld zurück zum »Ausgangskonto« kommen, sodass der »Expansionswahnsinn zur Profitvernunft« werde; Peter Sloterdijk, Im Weltinnenraum des Kapitals, Frankfurt am Main 2005, 134.
Siehe Winfried Menninghaus, Unendliche Verdopplung. Die frühromantische Grundlegung der Kunsttheorie im Begriff absoluter Selbstreflexion, Frankfurt am Main 1987.
Zum Fragment als »Projekt« vgl. Philippe Lacoue-Labarthe und Jean-Luc Nancy, The Literary Absolute: The Theory of Literature in German Romanticism, Albany 1988.
Friedrich Schlegel, Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe (= KA), hg. v. Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, München, Paderborn, Wien, Zürich 1958, Bd. XVI, 138, Nr. 634. Vgl. auch: »Kann man etwas anderes charakterisiren als Individuen?«, KA II, 205. (Athenaeum Fragment Nr. 242). Dieses Fragment weist auch darauf hin, dass Individualität nicht auf den Menschen beschränkt bleibt: »Sind nicht alle Systeme Individuen, wie alle Individuen auch wenigstens im Keime und der Tendenz nach Systeme?«
KA XVI, 142, Nr. 677. Die Austauschbarkeit von »charakterisiren«, »kritisiren«, und »potenziren« wird aus dem Kontext deutlich und findet sich explizit in: KA XVIII, 48, Nr. 298.
KA XVI, 163, Nr. 919. Das nächste Fragment lautet: »Jedes Indiv. [iduum] constituirt eine Masse.«
Diese Paradoxien im Denken der Frühromantiker sind in den letzten Dekaden Anlass einer Reihe von wichtigen Studien geworden. Genannt seien hier neben den Arbeiten von Menninghaus und Lacoue-Labarthe und Nancy vor allem: Paul de Man, The Rhetoric of Romanticism, New York 1984, und Werner Hamacher, Entferntes Verstehen, Frankfurt am Main 1998.
G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik I, in: Werke, Bd. 13, Frankfurt am Main 1986, 92–99.
Zur Simultaneität von Individualität und Universalität vgl. KA XVIII, 229, Nr. 418, und 258–59, Nr. 782.
Schlegel entfaltet diese strukturelle Identität von Individuum und Gemeinschaft etwa zu Beginn von Gespräch über die Poesie (1800): »[L]ehren soll ihn [den Menschen] die hohe Wissenschaft echter Kritik, wie er sich bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andre selbständige Gestalt der Poesie in ihrer klassischen Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüte und der Kern fremder Geister Nahrung und Same werde für seine eigne Fantasie« (KA II, 284). Das »eigenste Wesen« muss auch für das andere und die anderen offen sein, sodass es »auch jede andre selbständige Gestalt« beherbergen kann, da dieses Eigenste ja in seiner Bewegung in Richtung dessen, was es (noch) nicht ist, ›besteht‹, besteht freilich ohne je präsent zu sein. Hier liegt denn auch die fundamentale Differenz zu Fichtes Grundsatz, der das Ich schlicht als logisch inkompatibel von dem Nicht-Ich unterscheidet.
In Über die Unverständlichkeit schreibt Friedrich Schlegel: »Schon oft hatte ich die Objektivität des Goldes im stillen bewundert, ja darf wohl sagen angebetet. […] Kurz überall wo es nur einige Bildung und Aufklärung gibt, ist das Silber, das Gold verständlich und durch das Gold alles übrige.« Während es zunächst scheint, als liefere Gold das neutrale und abstrakte »Medium« der Kommunikation, das Schlegel zu suchen vorgab, wendet sich überraschend das Blatt, wenn er es jetzt dem Wesen des Goldes zuschreibt, die Unverständlichkeit zu verhüllen: »Wenn nun erst jeder Künstler diese Materien [Gold und Silber] in hinreichender Quantität besitzt, so darf er ja nur seine Werke in Basrelief schreiben, mit goldnen Lettern auf silbernen Tafeln. Wer würde eine so schön gedruckte Schrift, mit der groben Äußerung, sie sei unverständlich, zurückweisen wollen?« KA II, 365. Gold ist zwar allgemein verständlich, zugleich aber abstrakt. Eben deshalb kann es keine wirkliche Bedeutung überliefern, weshalb es zu Individualität oder Bildung nicht taugt.
August Wilhelm Schlegel, Kritische Schriften und Briefe, hg. v. Edgar Lohner, Stuttgart 1964, Bd. III, 60.
KAXIII, 104–41.
KA XIII, 115. Auch: »Bildung aber ist ohne Eigentum nicht möglich; sie ist der einzige sittliche Grund, der uns zum Besitze der äußern Dinge berechtigt«; Friedrich Schlegel, KA XIII, 128.
Siehe die Ausführungen am Ende des vorigen Kapitels.
In Nähe zu Locke argumentiert Schlegel: »Alles worauf ich meine Kraft angewandt habe, wird eben dadurch mein Eigentum – vor allem die Formation; habe ich den Stoff kultiviert, so ist er mein eigen; aber auch bei der Okkupation findet eine Kraftanwendung statt, und mithin ein Eigentumsrecht«, Friedrich Schlegel, KA XIII, 114. Schlegel ergänzt zu Locke die Betonung der Form und mithin der Grenze des Eigentums. Die Grenze ist weder schlicht im Eigentum enthalten, noch ist sie ihm fremd, sondern ist, gemäß der Logik, die Schlegel beschreibt, das Surplus der Definition, welches in keiner Definition aufgeht.
Friedrich Schlegel, KA XIII, 119.
Friedrich Schlegel, KA XIII, 119, 120.
Wie es das berühmte Athenaeum-Fragment 116 formuliert: »Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.« Dies Fragment beschreibt auch die Faszination der »romantischen Dichtart« für die Individualität: »Sie [romantische Poesie] kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr Eins und Alles«, KA II, 186.
Auf den Punkt gebracht bedeutet für Marx Kapital das Gleiche wie Individualität für Schlegel, nämlich ein sich selbst erweiterndes, nicht-identisches Vermögen: »Der Wert der Waren […] verwandelt sich so in ein automatisches Subjekt. […] In der Tat aber wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung«, Karl Marx, Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie, in: Karl Marx und Friedrich Engels, Werke, hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin 1989, 33. Auflage, Bd. 23, 168–69. Dies Subjekt ist ein selbstschöpferisches Subjekt, weil es nicht existierte, wenn es sich nicht selbst geschaffen hätte.
Friedrich Schlegel, K A XIII, 120.
Ernst Behler schlägt die Ersetzung von »diese« durch »jene« vor, weil er denkt, dass nur die Armen dem Staat zur Last fallen könnten. Aber könnte Schlegel nicht ebenso gut gemeint haben, dass die Reichen eine Belastung des Staates werden, sobald ihr Geld anstelle von ihnen die Arbeit verrichtet und ihnen damit verwehrt, sich zu individualisieren, sodass sie zu Nichtstuern verkommen? Vgl. KA XIII, 455, Fußnote 27.
Ähnlich wie Schlegel sieht Fichte im internationalen Handel eine Bedrohung. In Der geschlossene Handelsstaat. Ein philosophischer Entwurf als Anhang zur Rechtslehre und Probe einer künftig zu liefernden Politik (1800Sämmtliche Werke18451II4192