Cover

Marina Bohlmann-Modersohn

LONDON

Eine Stadt in Biographien

TRAVEL HOUSE MEDIA GmbH

Herausgegeben von Norbert Lewandowski

INHALTSVERZEICHNIS

ÜBER DIESES BUCH

Wo stand Shakespeares eigenes Theater? In welchem Club hatten die Rolling Stones ihren ersten Auftritt? Wie wird man zur Gartenparty der Queen eingeladen? Die Identität einer Stadt entsteht mit den Lebensgeschichten ihrer Bewohner.

 

Zwanzig ausgewählte Biographien geben einen facettenreichen Einblick in Vergangenheit und Gegenwart, Kultur und Lebensgefühl der Stadt:

 

Henry VIII

Er löste England vom Papst los – und befreite sich von seinen Frauen

 

Elizabeth I

Die einzige Leidenschaft der ledigen Königin war England

 

William Shakespeare

Der größte Dichter der Welt war ein Multitalent

 

Oliver Cromwell

Für seine puritanische Revolution ließ er einen König köpfen

 

Daniel Defoe

Kaufmann, Journalist und der Erfinder von »Robinson Crusoe«

 

Georg Friedrich Händel

Ein Barockgenie aus Deutschland erobert London

 

Horatio Nelson & Emma Hamilton

Der Seeheld und die Lady – Protokoll einer großen Liebe

 

William Turner

Er war der große Meister des Diffusen und Schemenhaften

 

George Gordon Noel Byron

Schön, edel, hochbegabt – ein Liebling der Götter

 

Charles Dickens

Der unbestechliche Chronist des Elends im 19. Jahrhundert

 

Karl Marx

Ein deutscher Philosoph propagiert die kommunistische Revolution

 

Queen Victoria

Sie herrschte 63 Jahre und gab dem Zeitalter ihren Namen

 

Oscar Wilde

Der unerschrockene Dandy musste für seinen Mut büßen

 

Winston Churchill

Ein Schulversager wurde der größte Staatsmann des 20. Jahrhunderts

 

Virginia Woolf

Liebe, Depressionen, Selbstmordversuche – und ein unglaubliches Talent

 

Agatha Christie

Die ungekrönte Königin des englischen Kriminalromans

 

Alec Guinness

Das Gesicht der englischen Schauspielkunst

 

Elizabeth II

Seit 1952 ist sie Oberhaupt von England und ihrer turbulenten Familie

 

Mick Jagger

1962 glaubte er, die »Stones« seien die ersten und einzigen Rocker – ein Irrtum

 

Alexander McQueen

Ein genialer Modemacher zerbrach an Business und Ruhm

IMPRESSUM

Liebe Leserinnen und Leser,

vielen Dank, dass Sie sich für einen Titel aus unserer Reihe MERIAN porträts entschieden haben. Wir freuen uns, Ihre Meinung zu diesem Buch zu erfahren. Bitte schreiben Sie uns an merian-portraets@travel-house-media.de.

 

© 2013 TRAVEL HOUSE MEDIA GmbH, München

MERIAN ist eine eingetragene Marke der GANSKE VERLAGSGRUPPE.

 

ISBN 978-3-8342-1537-6

1. Auflage

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeglicher Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

 

TRAVEL HOUSE MEDIA

Postfach 86 03 66

81630 München

www.merian.de

 

PROGRAMMLEITUNG

Dr. Stefan Rieß

PROJEKTLEITUNG

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REDAKTION

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REDAKTIONSASSISTENZ

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BILDREDAKTION

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SCHLUSSREDAKTION

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REIHENGESTALTUNG

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SATZ

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REDAKTION E-BOOK

Juliane Helf, Gloria Schlayer

PRODUKTION E-BOOK

pagina GmbH, Tübingen

 

ABBILDUNGSNACHWEIS

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THM 8-1537 04_2017_02

ISBN 978-3-8342-1537-6

DIE AUTORIN

Marina Bohlmann-Modersohn studierte Literaturgeschichte in Hamburg, Paris und London. Während ihres mehrjährigen Aufenthalts in der britischen Metropole recherchierte und schrieb sie als freie Journalistin für verschiedene deutsche Magazine; ihre Liebe zu London hält bis heute.

Neben zahlreichen biographischen Essays veröffentlichte sie ein Buch über die Malerin Paula Modersohn-Becker. Außerdem ist sie Autorin der Bände »Paris« und »Hamburg« der Reihe MERIAN porträts.

Eine Stadt mit magischer Anziehungskraft. Begegnungsstätte der Kulturen. Tradition trifft auf Nonkonformismus, Neue Welt auf altes Europa, Königshäuser auf Finanzimperien, arm auf unermesslich reich.

Eine Welthauptstadt mit acht Millionen Menschen, tief verwurzelt in der Geschichte. Wie jede außergewöhnliche Stadt wird auch London in erster Linie von den Menschen geprägt, die in ihren Mauern geboren wurden, gestorben sind oder entscheidende Jahre verbracht haben. MERIAN porträts lässt diese Personen die Besucher in 20 Kapiteln wie individuelle Reiseleiter begleiten.

Wir stoßen auf die Skrupellosigkeit eines Henry VIII und die puritanische Rigorosität Oliver Cromwells, sind fasziniert vom Genie eines Shakespeares und der Erzählkunst von Charles Dickens, von der staatsmännischen Kraft Winston Churchills.

Natürlich ist es schwer, die »richtigen« 20 Personen auszuwählen; vermutlich ist es, objektiv betrachtet, sogar unmöglich, schließlich wurde London in seiner fast 2000-jährigen Geschichte von weit mehr als 20 Menschen geprägt. Doch in der Summe soll unsere subjektive Auswahl ein unverwechselbares Kaleidoskop ergeben.

Wir erleben den Sprachreichtum von Lord Byron und Oscar Wilde, die Beharrlichkeit der Windsors, wir fühlen mit bei der »amour fou« von Lord Nelson und Lady Hamilton, durchdringen den Nebel Londons, in dem eine Miss Marple die subtilen Mörder von Agatha Christie zur Strecke bringt. Wir leiden mit der Seelennot von Virginia Woolf, geben uns dem Rhythmus der Rolling Stones hin. Und sehen, wie ein mürrischer Karl Marx seinen Schatten in den Finanzdschungel der City wirft.

Alles zusammen ergibt das Faszinosum London. Eine zeitlose Stadt, die gleichzeitig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lebt.

AUF EINEN BLICK

Ohne ihre Bewohner wäre die Stadt eine andere. Ohne William Shakespeare, Winston Churchill und Elizabeth II … wäre London nicht London.

ORIENTIERUNG

Farbige Kästchen mit Ziffern 1 und farbige Buchstaben-Ziffern-Kombinationen ( D 3) verweisen auf die Orientierungskarte.

HENRY VIII

14911547

Wild entschlossen war er, dieser legendäre König, der die Macht so liebte. Er neigte zu radikalen Lösungen: bei seinem Streit mit dem Papst – und bei seinen Ehefrauen. Dabei floss stets sehr viel Blut.

Eigentlich hätten sich die Dinge ganz anders entwickeln sollen. Als im Juni 1491 Henry VII aus der Tudor-Dynastie die Geburt seines gleichnamigen zweiten Sohnes verkünden ließ, konnte niemand ahnen, dass der kleine Prinz einmal Englands König würde. Thronfolger war sein älterer Bruder, Prinz Arthur, aber der starb als 15-Jähriger kurz nach seiner Hochzeit mit der gleichaltrigen Prinzessin Katharina von Aragon im Jahr 1501. Und der jüngere Henry (Heinrich) wurde zum Thronerben ernannt.

In London gibt es eine kleine Kirche, St Margaret’s, die sich an die Nordseite der gewaltigen Westminster Abbey 45 ( F 5) schmiegt; die Pfarrkirche des britischen Parlaments besitzt im Osten ein spätgotisches Fenster aus flämischem Glas in vorwiegend leuchtendem Blau: Prinz Arthur und Katharina von Aragon bekamen es zu ihrer Verlobung.

Zurück zu Henry, neunter Prinz of Wales, der bei seiner Ernennung zum Thronfolger, also 1501, zehn Jahre alt ist. Ein temperamentvoller Knabe, geistig wach und voller Lebenslust. Latein, Französisch, Geschichte – das Lernen fällt ihm nicht schwer. Musik und Literatur interessieren ihn besonders, später wird er sogar Gedichte schreiben. Schritt für Schritt macht König Heinrich VII. seinen Sohn mit den künftigen Aufgaben als Souverän vertraut, und mit wem sich der Prinz einmal vermählen soll, steht auch bald fest.

Was läge näher, als die jung verwitwete Katharina zu wählen. Die anmutige Renaissanceprinzessin mit dem hüftlangen rotgoldenen Haar und dem weißen Teint ist wohlerzogen und liebenswürdig, von humanistischer Bildung und ein frommes Mädchen. Schwager und Schwägerin kennen sich, die beiden jungen Menschen verbindet ein herzliches Verhältnis. Das Wichtigste jedoch: Katharina ist Spanierin. Dem englischen Hof geht es bei dieser Heirat vor allem um ein Bündnis mit Spanien.

Am 11. Juni 1509 führt der 18-jährige Bräutigam die fünf Jahre ältere Braut, nur sechs Wochen nach dem Tod des alten Königs, zum Traualtar; beide werden kurz darauf in Westminster Abbey 45 ( F 5) gekrönt. Mit Musik, Tanz, Maskenspielen und Turnieren feiert der Hof das neue Herrscherpaar. Henry sitzt zu Pferde und präsentiert den Massen die beiden verschlungenen Initialen H und K, die seine Rüstung zieren, als Symbol seiner Liebe zu Katharina.

Die gewaltigen Panzer aus geschmiedetem Stahl sind noch erhalten und Teil der reichen Sammlung von Rüstungen und Waffen aus verschiedenen Epochen, die im Tower 43 ( K 4) zu sehen ist, genauer im White Tower, dem ältesten Teil und Herzstück der Trutzburg am Themseufer. Hier stehen sie alle aufgereiht, die englischen Könige. Heinrich VIII. ist nur einer von ihnen. Hoch zu Ross, das Haupt erhoben – kaum zu glauben, dass aus dem einst so ranken Regenten ein schwergewichtiger Kahlkopf wurde, ein herrschsüchtiger Monarch, der sinnlose Kriege mit Frankreich und Schottland führte und Englands Klöster plündern ließ.

Man kennt das wenig schmeichelhafte Antlitz des wohlgenährten Herrschers mit dem roten Bart aus seinen späteren Jahren von zahlreichen Porträts, die Hans Holbein d.J. (14971543) von ihm gemacht hat. Der Renaissancemaler, Sohn einer Augsburger Künstlerfamilie, war während seines London-Aufenthaltes an den englischen Hof gekommen. Heinrich VIII. ernannte Holbein schließlich zu seinem Hofmaler.

EINE EHE UNTER EINEM SCHLECHTEN STERN

Doch 1509 ist Henry noch ein junger, schöner Mann, und ganz England jubelt, als der Hof verkündet, dass Königin Katharina schwanger ist. Niemand zweifelt daran: Es wird ein gesunder Junge sein, die Tudor-Thronfolge ist damit gesichert!

Das im Januar 1510 geborene Kind ist eine Tochter und kommt tot zur Welt. Zum Glück erfreut das Herrscherpaar sein Volk schon bald mit der Verkündung einer erneuten Schwangerschaft. Am Neujahrstag 1511 wird der ersehnte Prinz geboren. Wieder haben Hof und Untertanen Grund zum Jubeln, und wieder ist der Kummer groß, als sich nur wenige Wochen später die Nachricht vom Tod des neugeborenen Prinzen verbreitet. 1513 gebiert Katharina abermals ein Kind, auch dieses, es soll ein Junge gewesen sein, wird eine Totgeburt, 1516 dann noch ein Mädchen, Mary Tudor.

Königin Katharina, inzwischen fast 40, trägt die Entwicklungen mit Fassung, aber ihre Kräfte drohen zu schwinden. Dass sie England nach 20-jähriger Ehe nun noch den ersehnten legitimen Erben schenken könnte, daran glauben weder sie noch ihr Mann.

Auf einem Maskenball verliebt sich der 35-jährige König in die zehn Jahre jüngere Hofdame der Königin, Anne Boleyn. Hans Holbein hat die junge Diplomatentochter gemalt, ihr Porträt hängt in der National Portrait Gallery 25 ( F 4): eine aparte Frau, gebildet, schlagfertig und von der Mode bis zur Lebensart vom französischen Hof geprägt, an dem sie ihre frühe Jugend verbrachte. Der Regent hätte sie liebend gern zur Mätresse. Anne Boleyn reicht diese Rolle nicht, sie gibt dem verliebten König zu verstehen, dass sie nur unter einer Bedingung auf seine Bewerbung eingehen könne: Er müsse sich scheiden lassen und sie zu seiner Königin machen.

Wie ist die Situation zu lösen? Ganz einfach: Henry lässt die Ehe mit der Frau seines verstorbenen Bruders rückwirkend für ungültig erklären. Mit der Begründung, sie sei gegen das göttliche Gebot geschlossen worden, wendet er sich mit der Bitte an Papst Clemens VII. in Rom, ihm die Einwilligung zur Scheidung zu geben. Das Kirchenoberhaupt lehnt ab; dennoch heiratet Heinrich VIII. heimlich Anne Boleyn am 25. Januar 1533. Seine Ehe mit Katharina von Aragon wird vom Obersten Gerichtshof für ungültig erklärt, und am 7. September 1533 bringt Anne Boleyn ein Mädchen zur Welt, Elizabeth, die spätere Königin Elizabeth I.

Heinrich VIII. ist nun wild entschlossen, fortan auch in religiösen Fragen das letzte Wort zu haben: Im November 1534 lässt er sich mit dem »Act of Supremacy« durch das Parlament zum »höchsten Oberhaupt der Kirche von England auf Erden« machen. Die Trennung der englischen Kirche von Rom ist damit endgültig, die anglikanische oder »High Church« gegründet und der Weg frei für die protestantische Reformation in England.

Verfolgung und Todesstrafe drohen nun all denen, die dem König die Anerkennung als höchstes Kirchenoberhaupt verweigern. Heinrich sammelt für die Krone entschlossen alles, was sich an herrlichem Kirchengut raffen lässt, er schafft die Klöster ab, lässt Mönche enthaupten. Die Residenz der Erzbischöfe von York verwandelt er binnen Kurzem in seinen prächtigen Londoner Stadtpalast, den er Whitehall Palace ( F 4) nennt.

Whitehall fällt 200 Jahre später einem Feuer zum Opfer: »Whitehall restlos abgebrannt, nichts mehr übrig außer Mauern und Ruinen«, notiert Sir John Evelyn in seinem Tagebuch. Aber ein Gebäude ist stehen geblieben, das architektonisch bedeutende Bankettgebäude Banqueting House 6 ( F 4). Inigo Jones, der den venezianischen Baumeister Palladio bewunderte und die italienische Renaissance nach England brachte, hat es errichten lassen. Der 1622 vollendete Bau ist sein Meisterwerk. Sehenswert die lange Galerie im ersten Stock mit einem prachtvollen Deckengemälde des flämischen Malers Rubens. Bei dem Feuer in Whitehall muss auch das große Wandgemälde von Hans Holbein zerstört worden sein. Der Maler hatte darauf Heinrich VIII. in Lebensgröße dargestellt.

London, 19. Mai 1536: Im Innenhof des Tower 43 ( K 4) geht die 36-jährige Königin Anne die leicht ansteigende Rasenfläche, Tower Green, hoch zum Schafott. Wegen angeblichen Ehebruchs hat sich Heinrich VIII. von ihr getrennt und sie vor Gericht stellen lassen. Anne trägt einen Mantel aus Hermelin, darunter ein Gewand aus dunkelgrauem Damast und einen karmesinroten Unterrock. Eine Kappe aus weißem Leinen hält ihr Haar zusammen.

Sie kniet nieder und betet, ein Lächeln auf den Lippen, wie es ein Zeitzeuge beobachtet haben will, für den König, »den besten, edelsten und mildesten Fürsten, den es gibt« und wünscht ihrem Volk: »Und möge er lange über euch regieren.« Man nimmt ihr die Haube ab, ihre Augen werden verbunden. Dann holt der Henker mit dem Richtbeil aus.

DIE KÖNIGIN IST TOT, ES LEBE DIE KÖNIGIN

Kaum hat das Herz der Königin aufgehört zu schlagen, verspricht Heinrich VIII. seiner nächsten Frau die Ehe. Jane Seymour ist die Hofdame ihrer beiden Vorgängerinnen. Endlich ein Sohn! Edward VI kommt in Heinrichs großartigem Schloss Hampton Court zur Welt, aber, es ist wirklich schicksalhaft, die Mutter stirbt bei der Geburt, und Edward wird auch nicht älter als 16 Jahre.

Die Ehe mit der Deutschen Anna von Kleve hält nur wenige Monate. Angeblich soll Henry sich beklagt haben: »Ich habe sie vorher nicht geliebt und liebe sie jetzt noch weit weniger.« Er habe sich ihr, trotz großer Mühen, »fleischlich« nicht nähern können. Anna von Kleve hingegen vermisst nichts; sie scheint sexuell völlig desinteressiert zu sein. Ihren Hofdamen soll sie gesagt haben: »Wenn der König ins Bett geht, gibt er mir einen Kuss, nimmt meine Hand und wünscht mir eine gute Nacht. Am Morgen küsst er mich und sagt mir auf Wiedersehen. Ist das nicht genug?«

Heinrich lässt die Ehe wegen mangelnden Vollzugs auflösen. Es folgt 1540 die kaum 18-jährige Catherine Howard, die sich aber mit einem Kammerdiener vergnügt und ebenfalls wegen Ehebruchs geköpft wird.

Weder die Scheidung noch den Henker muss die sechste und letzte Frau des Monarchen fürchten, die bereits zweimal verwitwete Catherine Parr. Heinrich VIII. stirbt am 28. Januar 1547 mit 56 Jahren und wird in Windsor beerdigt.

Der englische Volksmund erinnert sich des königlichen Kraftkerls und seiner sechs Ehen mit einem makabren Abzählreim: »Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived – geschieden, geköpft, gestorben, geschieden, geköpft, überlebt.«

BANQUETING HOUSE 6 F 4

Whitehall, Westminster, SW1

www.hrp.org.uk

U-Bahn: Westminster

HAMPTON COURT

East Molesey, Surrey

www.hrp.org.uk

U-Bahn: Hampton Court

ST MARGARET’S CHURCH (WESTMINSTER ABBEY) 45 F 5

Broad Sanctuary, Westminster, SW1

U-Bahn: Westminster

TOWER OF LONDON 43 K 4

Tower Hill, EC3

www.hrp.org.uk

U-Bahn: Tower Hill

ELIZABETH I

15331603

Sie war eine kluge Frau und formte England zur Großmacht. Dafür entsagte sie der Liebe: »Ich wäre lieber eine Bettlerin und allein, als eine Königin und verheiratet. Der Ehering wäre für mich ein Joch.«

London wächst, zählt mehr als 200 000 Einwohner. Mit rasantem Tempo nähern sich entlang der Themse das Wirtschafts- und Handelszentrum City of London und der Sitz des Parlaments, die City of Westminster ( F 4/5). Auch zahllose Dörfer außerhalb des städtischen Kerns, einst im Besitz von Bischöfen und Abteien, wachsen zu Bezirken zusammen. Diese »boroughs« heißen Hampstead und Battersea, Chelsea und Kensington, Islington und St Pancras.

Das gelockte Haar rotblond, die Augen groß und braun, das Gesicht schmal geschnitten und von leuchtender Blässe. Lady Princess Elizabeth, die Tochter Henry VIII aus seiner zweiten Ehe mit Anne Boleyn, ist ein eigenwillig hübsches Mädchen. Weder der Hof noch das Reich hatten auf die Geburt der kleinen Elizabeth am 7. September 1533 in Greenwich mit Freude reagiert.

Schon wieder eine Prinzessin! Geboren von einer ehemaligen Hofdame, die den König nicht nur verführt und Königin Catherine verdrängt, sondern obendrein auch noch Ehebruch begangen hatte. »Ein Hurenbastard«, schimpfen Kirche und ganz England. Als ihre Mutter auf Befehl des Königs am 19. Mai 1536 durch das Henkerbeil starb, war Elizabeth kaum drei Jahre alt. Ein illegitimes Kind, wie der König anschließend offiziell verlauten ließ, um den Thron für den männlichen Erben zu sichern, den er mit seiner dritten Frau, Jane Seymour, ganz gewiss haben würde. 2000 Schüsse wurden vom Tower 43 ( K 4) abgefeuert, im ganzen Land läuteten minutenlang die Kirchenglocken, als 1537 schließlich Prinz Edward geboren wurde.

Seit dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter hatte Elizabeth in der Obhut einer Gouvernante meist auf Schloss Hatfield vor den Toren Londons gelebt und Französisch und Italienisch sprechen gelernt. Sie musizierte gern, las viel und konnte später die Texte griechischer Philosophen problemlos ins Englische übersetzen.

Mit zehn Jahren durfte das Mädchen wieder an den Hof nach London zurückkehren. An dieser Stelle muss auf einen besonders schönen Stadtpalast hingewiesen werden, das Somerset House 37 ( G 4) an der Straße Strand. Der im klassischen Stil errichtete Bau wurde 1547 vom Herzog von Somerset begonnen, und kurz bevor sie den Thron bestieg, lebte hier Prinzessin Elizabeth. Im mehrfach erweiterten Prachtgebäude sind heute die sehenswerten Kunstsammlungen der Courtauld Gallery und die Embankment Galleries ( G 4) zu Hause. Bestechend: der große Innenhof mit 55 tanzenden Wasserfontänen in seiner Mitte und die riesige Terrasse mit Restauration und Blick auf die Themse.

Nach dem Tod Heinrich VIII. geht es am englischen Hof chaotisch zu, es beginnt ein Spiel um Liebe und Macht, Intrigen und Verschwörungen reihen sich aneinander. Wild entschlossen, den Platz an Königin Katharinas Seite als König einzunehmen, umwirbt Großadmiral Thomas Seymour, ein Bruder des Lordprotektors Edward Seymour, die kinderlose Witwe und heiratet sie.

THOMAS SEYMOUR VERLIERT DEN KOPF

Nicht nur das. Es verlangt den attraktiven und ehrgeizigen Mann auch nach Prinzessin Elizabeth. Häufig stiehlt er sich am frühen Morgen in ihr Zimmer und versucht, sie zu verführen. Ohne Erfolg. Dennoch erdreistet sich Seymour unmittelbar nach dem Tod seiner Frau Katharina 1548 im Wochenbett, ganz offiziell um die Hand der Prinzessin anzuhalten. Jetzt reicht es dem Hof. Am 20. März 1549 wird Thomas Seymour hingerichtet: »Dem Herzog von Somerset wurde heute zwischen acht und neun Uhr morgens der Kopf abgeschlagen«, erklärt das Königshaus. Bis heute wird spekuliert, ob Seymours Aufdringlichkeiten dazu geführt haben könnten, dass Elizabeth während ihrer gesamten Regierungszeit alle Heiratsanträge ihrer zahlreichen Liebhaber ablehnte, sich als »jungfräuliche Königin« feiern ließ und am Ende auch noch die Chuzpe besaß, Sir Walter Raleighs erste englische Kolonie Virginia zu nennen.

Am 6. Juli 1553 stürzt eine erschütternde Nachricht ganz England in tiefe Trauer und sorgt erneut für große Probleme in der Thronnachfolge: Mit gerade 16 Jahren ist König Edward VIJane Grey2031553