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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Der PERRY RHODAN-Wegweiser

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2701

 

Unter der Technokruste

 

Perry Rhodan auf dem entstellten Mond – er flieht vor den neuen Herren

 

Christian Montillon

 

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine aufregende, wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – haben nicht nur seit Jahrtausenden die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen – und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das nach alter Zeitrechnung dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen.

Doch ausgerechnet der Mond, der nächste Himmelskörper, ist den Terranern fremd geworden. Seit einigen Jahren hat er sich in ein abweisendes Feld gehüllt, seine Oberfläche ist merkwürdig verunstaltet. Wer zu ihm vordringen möchte, riskiert sein Leben.

Perry Rhodan weiß, dass der Mond eine Bedrohung für die Erde ist. Um seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen, gibt es nur einen Ort: UNTER DER TECHNOKRUSTE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner sieht das wasserlose Meer.

Toufec – Der Meister Pazuzus erweist sich als wertvoller Begleiter.

Shanda Sarmotte – Die Mutantin lauscht nach den Geheimnissen des Mondes.

Fionn Kemeny – Der Wissenschaftler sucht seinen Platz im Team.

Quinta Weienater – Eine Saboteurin wird gestellt.

»Ihre Herrlichkeit durchdringt das Welten-All,

ein Nichts vor ihr ist selbst der Sonnen Zahl.«

Lied der Onryonen über die Atopie

 

 

Prolog

 

»Gerüchte schwirren durch das All, Pri.«

»Dabei vergisst du eins: Es gibt kein All mehr.«

»Entschuldige, wenn ich dir widerspreche. Natürlich gibt es das All, genau wie seit jeher! Wir sehen es nur nicht mehr.«

»Schon so lange. Länger als mein Leben. Woher soll ich also wissen, dass es noch existiert?«

»Es muss einfach.«

»Das genügt mir nicht. Eines Tages will ich es sehen.«

»Das wirst du, Pri. Das wirst du.«

»Ich liebe dich, Papa.«

»Nun schlaf, meine Kleine. Soll ich dir noch etwas singen?«

»H-hm.«

»Hush, little baby, don't say a word – Mama's gonna buy you a mockingbird. If that mockingbird don't sing – Mama's gonna buy you a diamond ring ...«

1.

Wucherungen

19. Juni 1514 NGZ

 

Perry Rhodan schaute auf ein Meer ohne Wasser.

Es hatte an diesem Ort niemals Wasser gegeben, im Mare Imbrium auf Luna; auf dem Mond, dem einzigen, den er und alle anderen Menschen je von so Nahem gesehen hatten, als er noch ein Kind gewesen war. Vor seinem Aufbruch ins All. Ehe er in einer halsbrecherischen Mission ebendiesen Mond in der STARDUST erreicht und eine neue Zeit eingeläutet hatte.

Nun war er erneut dort, auf Luna. Genau wie unzählige Male dazwischen. Aber diesmal war es schwierig gewesen, diesen Ort anzusteuern. Schwieriger als für all die Generationen seit Rhodans erstem Flug dorthin.

Die Strecke von der Erde zum Mond war eigentlich nur ein Katzensprung für die moderne Technik. Oder weniger als das. Man legte sie durch einen Transmitterdurchgang zurück oder in einem Beiboot, ganz bequem oder ...

Oder auch nicht, dachte Perry Rhodan. Denn niemand hatte den Mond mehr erreichen können, seit er wieder aufgetaucht war. Zwei Jahre war das nun her ...

Er bückte sich, brach einen Dorn aus der ewigen Metallfläche ab, die den gesamten Mond rundum umgab. Wohin er schaute, nichts als kalte, metallene Weite. Keiner der hochdekorierten Wissenschaftler in der gesamten Galaxis wusste, wie es zu dieser bizarren Veränderung des Mondes gekommen war und was auf Luna vor sich ging.

Von der Erde und dem Weltraum aus beobachteten die Menschen schon lange den Mond, aber seit seiner Veränderung war ihm niemand so nah gekommen wie nun Perry Rhodan und seine drei Begleiter. Sie standen mitten auf dem gigantischen, fahlgrün leuchtenden Geflecht. Es umhüllte den Mond nicht glatt, sondern war von einer Unzahl aus Wucherungen und Aufbauten verbaut.

Rhodan wog den Dorn in der Hand. Er fühlte sich nicht anders an als ein gewöhnliches Stück Eisen. Nachdenklich drehte er ihn zwischen den Fingern. Was war mit dem Mond geschehen? Was hatte ihn so bizarr verändert?

Das gesamte Sonnensystem war vor einigen Jahren entführt und mit unbegreiflicher Technologie in ein undefinierbares Raumgebiet versetzt worden. Letztlich war es an seinen angestammten Platz zurückgekehrt. Das ganze Solsystem – außer Luna.

Genau da lag das Problem.

Der irdische Mond war später an seinem eigentlichen Standort angekommen, als Trabant und treuer Begleiter der Erde. Oder eben nicht mehr treu. Stattdessen war der Mond unzugänglich, von einer rätselhaften Zone im All abgeschottet und von einem kalten, technischen Geflecht überwuchert. Er leuchtete fahlgrün; wie ein unheimliches, fremdes, böses Auge, das vom Himmel herab die Menschen beobachtete.

Und exakt zu diesem Auge war Perry Rhodan nun vorgestoßen. In einem kleinen, unscheinbaren Raumschiff. Es war nicht wieder die STARDUST gewesen wie damals, vor so langer Zeit, als der Aufbruch der Menschheit zu den Sternen seinen Anfang genommen hatte, sondern ein Schiff namens STARDIVER.

Kein Zufall, dass sich die Namen so sehr glichen.

Kein Zufall, dass ausgerechnet er das Schiff gesteuert hatte.

Kein Zufall, dass es exakt wie damals eine tödlich gefährliche Mission war.

Die erste Gefahr lag bereits hinter ihm und seinen Begleitern. Er hatte sie überlebt, aber einen hohen Preis bezahlt.

Zu hoch?

Verschollen, dachte Rhodan. Wir sind mitten in der Heimat verschollen.

 

 

Kurz zuvor

 

Die STARDIVER hatte es geschafft. Das Spezialschiff war zum Mond vorgedrungen. Es war fast keine Zeit vergangen seit dem Aufbruch von Terra, auch wenn Perry Rhodan das anders empfunden hatte. Das Schiff und mit ihm die gesamte Besatzung hatten einen abenteuerlichen Flug hinter sich.

Ihm blieb keine Gelegenheit, darüber nachzudenken. Momentan zählte nur, was vor ihm lag. Unter ihm.

Der Mond!

Die STARDIVER hatte die undurchdringliche Zone um den Mond dank des neuartigen Triebwerks tatsächlich überwunden; seit Lunas verspätetem Auftauchen war das nichts und niemandem gelungen. Für das, was Rhodan in diesem Moment zum ersten Mal aus unmittelbarer Nähe sah, fand er nur ein Wort:

Bizarr.

Es war bizarr.

So weit er schauen kannte, blickte er auf ein Meer aus Metall, das aussah wie eine gewachsene Landschaft. Über die gesamte Mondoberfläche zog sich eine Schicht aus unbekannter Technologie, teils dünn, teils hoch aufragend. Alles war davon überdeckt; Berge, Krater und alle Städte und Werften.

Rhodan und seine Begleiter hatten es noch nicht näher untersuchen können. Der Anblick bedrückte ihn ebenso, wie er ihn verwirrte. Ja, mehr sogar. Es ängstigte ihn, obwohl er das niemals öffentlich zugegeben hätte. Es tat weh, ein Stück der unmittelbaren Heimat derart verändert zu sehen. Und verloren.

Was war aus den vielen Menschen geworden, die in den großen Städten des Mondes gelebt hatten? Waren sie tot? Erstickt unter der kalten Technologie?

Eine entsetzliche Vorstellung!

Irgendein Sensations-Medienbericht hatte dieses Phänomen technisches Geschwür oder noch pointierter Metallkrebs genannt. Eine unsinnige Bezeichnung, wie ein Heer von Wissenschaftlern seitdem betonte. Sie diene nur dazu, den Menschen Angst einzujagen, schüre die Furcht vor dem Unbegreiflichen, Unerklärbaren.

So unsinnig dieses Wort sein mochte, Rhodans Meinung nach traf es auf der Gefühlsebene durchaus zu; trotz der sehr negativen Assoziationen, die wohl jeder Terraner unwillkürlich dabei empfand. Trotzdem war es aussagekräftiger als alle ausgefeilten Fachbegriffe für das Metallgeflecht, das den ganzen Mond überwucherte.

Die STARDIVER flog wenige Meter darüber. Über dem Techno-Rhizom. Der Kruste. Dem metallischen Etwas von unfassbaren Ausmaßen, düster und bedrückend und ...

»Siehst du das?«, fragte Shanda Sarmotte hektisch. Ihr halblanges Haar fiel über das Gesicht, als sie sich ruckartig umdrehte; ein Auge verschwand unter einer Strähne. Sie schob sie beiseite, blinzelte kurz. Ihr Atem ging schwer, ihre Züge wirkten noch schmaler als sonst, geradezu zerbrechlich.

Rhodan hatte seine Begleiter fast vergessen, war zu gebannt von den wirren Eindrücken des Fluges und dem Anblick des Technogeschwürs.

»Das Geflecht ist nicht starr«, sagte Shanda. »Hier bewegt sich etwas. Und dort. Es formt sich um wie eine Welle, die sofort wieder erstarrt.« Shandas Finger wanderten in dem Holo umher, das ihre Umgebung zeigte. »Wir sind ...«

»Mittendrin!« Das war Fionn Kemeny. Sein Oberlippen- und Kinnbärtchen trug er akkurat gestutzt. Die schlohweißen Augenbrauen waren wie ein geisterhafter Hauch über dem Gesicht. »Ist es nicht faszinierend? Wie ein Traum!«

Es klang keineswegs ängstlich. Vielmehr fasziniert. Aus ihm sprach der Wissenschaftler. Der Professor für Hyperphysik, der keinen Gedanken daran verschwendete, dass er sterben könnte. Für ihn zählte nur die gigantische Fremdtechnologie. Er staunte darüber und sah aus, als wäre er völlig glücklich.

Fragte sich nur, ob das von großem Mut zeugte oder von übergroßer Torheit.

Shanda zog die Hand aus dem Holo zurück. Die Finger zitterten. »Ein Albtraum«, präzisierte sie. »Deine Begeisterung in allen Ehren, Fionn.«

»Keineswegs, wir ...«

Toufec fiel ihm ins Wort: »Still!«

Das eine Wort klang schneidend und angespannt. Im Unterschied zu Kemeny wuchs Toufecs Bart wild, und die zu den Schläfen nach oben gebogenen Augenbrauen verliehen ihm etwas Raubvogelhaftes. Als müsse er sich jeden Moment auf einen stürzen.

Seltsam, dachte Rhodan, dass mir das nie zuvor aufgefallen ist.

Er verscheuchte den Gedanken. Es spielte keine Rolle. Er wusste, warum Toufec zur Ruhe gemahnt hatte. Rhodan hatte es ebenfalls bemerkt, eine Sekunde vor ihm. Dem Letzten der Crew, die waghalsig den Weg zum Mond angetreten hatte.

Einen Augenblick später gab die Schiffssensorik Annäherungsalarm.

»Wir müssen fliehen!«, rief Toufec. »Bring uns sofort weg von hier, Perry!« Nur Rhodan war momentan in der Lage, die STARDIVER zu steuern.

Drei kleine Raumschiffe rasten auf sie zu, vielleicht nur Beiboote, dahinter eine riesige, kugelförmige Einheit. Leuchtete sie rot? Rhodan konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Womöglich war es nur eine Reflexion auf einer seltsamen Beschichtung. Auch das Technogeflecht glitzerte da und dort unter irgendwelchen Lichtquellen, die ...

In diesem Moment stockten seine Gedanken.

Wo er eben noch die fremden Schiffe auf dem Ortungsschirm gesehen hatte, explodierte nun die Welt.

Aber natürlich war es nicht die Welt, nicht einmal Luna, sondern nur der hintere Teil der STARDIVER. Das war eine Katastrophe. Ein flirrendes Schutzfeld schirmte ihn und seine drei Begleiter ab.

Jemand schrie. Fionn Kemeny.

Eine blitzende Entladung zuckte durch den Raum – oder durch das, was davon übrig war. Durch stinkenden Qualm schauten ihn Shandas grünbraune Augen an.

Ein Alarm heulte. Als hätte jemand, der mitten im Weltuntergang steckte, es übersehen können.

Längst hatte der SERUN den Individualschutzschirm aufgebaut, schneller, als ein Mensch es hätte befehlen können. Warnsymbole blinkten. Die Außentemperatur stieg. Siebzig Grad Celsius. Neunzig. Dann, plötzlich, 694 Grad.

Ein seltsamer Wert, dachte Rhodan mit einem Teil seines Verstands, der so unbeteiligt kühl blieb, als schaue er nur einem Trivid-Spektakel zu. Wieso gerade diese Zahl?

Etwas prallte gegen Rhodan. Der Schutzschirm seines SERUNS flimmerte. Ein Überschlagsblitz zuckte, etwas wurde davongeschleudert.

Nein, nicht etwas. Es war Shanda.

Sie ruderte mit den Armen, schrie, und einen irrsinnigen Moment lang glaubte Rhodan, es nicht nur mit den Ohren zu hören, sondern mitten in seinem Kopf, als würde ihre telepathische Begabung verrückt spielen und ihre Gedanken genau in sein Gehirn projizieren.

Dann blieb das brennende, trudelnde Ding, das eben noch die STARDIVER gewesen war, unter ihm zurück. Von dem Schiff, das ihnen die Reise zum Mond ermöglicht hatte, an der alle andere Technologie gescheitert war, existierte nur noch ein rauchendes, flammendes Wrack, das sich überschlagend in die Tiefe sackte.

Donnernd schlug es auf der Technokruste auf und brach hindurch. Gleichzeitig hörte Rhodan ein Rauschen im Funkempfänger. Einer seiner Begleiter wollte Kontakt aufnehmen, aber es gelang nicht und endete in einem schrillen Fiepen.

Eine flirrende Wolke aus Qualm und Metallfetzen quoll über dem Absturzort in die Höhe. Ein Hagel aus glitzernden Splittern umtoste das Wrack.

Rhodan sah seine Begleiter wie energetische Kugeln inmitten des Chaos davontreiben. Zwischen Rauch und Flammen wirkten die kugelförmigen Schutzschirmblasen wie unwirkliche, irisierende Bälle.

Stabilisierung komplett, meldete sein Schutzanzug. Automatische Sicherheitsvorkehr...

Rhodan übernahm aktiv die Steuerung, raste zu dem Begleiter, der ihm an nächsten war. Um wen es sich handelte, konnte er nicht sagen. Da war nur der flirrende Schutzschirm.

»Ich habe Kemeny in Synchronsteuerung«, meldete Toufec. »Sein SERUN war über Funk nicht erreichbar, vielleicht beschädigt. Pazuzu hat ein Ankerseil gebildet und zieht ihn.«

»Lass Pazuzu einen Schutzballon für uns alle bilden!«, forderte Rhodan. »Wie lange braucht der Dschinn?«

Dschinn. So nannte Toufec das Wunderwerk aus mikroskopischen Nanorobotern hin und wieder, obwohl es mit einem echten Flaschengeist so wenig gemein hatte wie Rhodan mit dem Gott oder dem Teufel, zu dem die einen oder anderen ihn gern stilisieren wollten.

»Eine einfache Hülle ohne Triebwerk ist ...« Toufec zögerte kurz. »... fertig. Pazuzu zieht Kemeny heran.«

Perry Rhodan sah das, was Toufec beschrieb, irgendwo im Qualm und dem Feuer aus der Tiefe: zwei Kugeln, die sich einander annäherten. Also musste es sich bei der Person, die er in wenigen Sekunden erreichen würde, um Shanda Sarmotte handeln.

Ein eiskalter Stich fuhr Rhodan durch die Brust. Warum meldete sie sich nicht? Wieso zeigte sie keinerlei Reaktion?

»Shanda! Wir fliegen zu Toufec!«, befahl Rhodan. »Wir müssen uns sammeln. Hast du eine Ortung?« Noch herrschte energetisches Chaos. Und Shanda meldete sich nicht. Rhodan fragte sich bang, ob er zu einer Toten sprach. »Wir verbergen uns. Stellen uns energetisch tot.«

Er bremste ab, weil er sonst mit Shanda kollidieren würde. Sie war neben ihm. Er glaubte, eine Bewegung hinter dem Schutzschirm zu sehen.

Mit einem Mal rauschte und sirrte es im Funk. Dann: ein Husten. »Alles in ... Ich bin ... nicht mehr ... Vorwärts!« Die Worte kamen abgehackt, unterbrochen von statischen Interferenzen.

»Shanda!«, brüllte Rhodan in den Funk, hoffte, dass sie ihn hören konnte. »Wir müssen zu Toufec! Hast du das verstanden?«

»... sind ... keine ...«

Aus den Worten wurde er nicht schlau, aber Shanda setzte sich in Bewegung – und das in die richtige Richtung. Ein gutes Zeichen. Offenbar verstand sie ihn und war in der Lage, zielgerichtet zu handeln.

Der Aktivatorträger sah auf die Uhr. Seit der Explosion der STARDIVER waren nicht einmal zwei Minuten vergangen, seit dem Absturz weniger als fünfzig Sekunden.

Alles ging rasend schnell. Dennoch mussten sie sich beeilen. Sosehr das energetische Chaos rundum sie und einen Großteil der Technologie beeinträchtigte, sosehr schützte es sie auch.

Nicht lange, und ihre Gegner würden sie entdecken, würden feststellen, dass sie noch lebten. Was so viel hieß wie, dass sie kurz darauf tot sein würden.

Keine Zeit, solche müßigen Gedanken zu verfolgen. Shanda und er rasten zu Toufec und damit zu Pazuzus Schutzwall. In nächsten Moment umgab sie eine dunkle Hülle und schloss sich.

Kein Rauch mehr, kein Lärm, kein Feuerflackern. Stattdessen herrschte völlig klare Sicht.

Toufec lächelte sie grimmig an. »Ich erledige das. Pazuzu erstellt gerade eine Deflektorhülle. Noch drei, zwei ... eins ... fertig. Wir sind energetisch tot und weg!«

Ein Holo zeigte sie von außen: Pazuzus Hülle trieb über dem flammenden Loch in der Technokruste. Wer immer ihre Gegner sein mochten, sie würden sie nicht entdecken.

Hoffentlich zumindest.

Kemeny saß zusammengekauert auf dem völlig schwarzen, lichtlosen Boden. Das Gesicht verschwand fast komplett hinter seiner Hand; er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Helmscheibe. Was nichts anderes hieß, als dass er lebte.

Sie hatten alle überlebt. Das war mehr, als Rhodan hatte hoffen können. Er atmete tief durch. Sehr gut. Nun hieß es, sich darauf zu konzentrieren, was als Nächstes kam.

Im Holo beobachtete er, wie das große, rot leuchtende Kugelschiff in die Höhe stieg und seinem Blickfeld entschwand. Die Beiboote hingegen blieben. Sie kreisten über der Absturzstelle, gingen näher heran und suchten. Rhodan verfolgte es mit den Sensoren des SERUNS, die keine anmessbare Streustrahlung abgaben.

Toufec verfolgte seinen Blick. »Sie werden uns nicht finden«, sagte er fast amüsiert. »Mach dir keine Sorgen.«

»Sicher?«, fragte Kemeny, der sich offenbar genau die Sorgen machte, die Toufec erwähnt hatte und die Rhodan für sich erst gar nicht zuließ. Auf andere mochte es vielleicht kühl und abgeklärt wirken, doch Rhodan sah es als Notwendigkeit, einen klaren Kopf zu behalten. Diese Haltung hatte er in tausend und mehr Gefahrensituationen antrainiert.

»Ja, Fionn. Ich bin sicher.« Toufec klang während dieser knappen Antwort nicht ganz so überzeugt, wie ihm wohl lieb gewesen wäre. »Zumindest ist es sicherer als das, was der SERUN uns zu bieten hat.« Unvermittelt schaltete er den Individualschirm seines Schutzanzugs ab, wohl um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

Rhodan dachte kurz nach und handelte genauso. Es war gut, Vertrauen zu demonstrieren, und im Notfall würde sich der Schirm selbstständig wieder aktivieren.

Noch scheute sich der Aktivatorträger, den notwendigen Funkimpuls zum Wrack der STARDIVER auszusenden. Er zögerte, weil er es einfach nicht wollte. Es war so endgültig. Aber ebenso unvermeidlich, wie er genau wusste. Dennoch suchte er nach einem Ausweg.

»Kannst du irgendwelche Gedanken auffangen?«, fragte er Shanda.

Sie grinste matt oder versuchte es zumindest. »Von den Besatzungen der Schiffe, die uns abgeschossen haben?« Shanda verzog schmerzhaft das Gesicht. Ein Blutstropfen rann von den Lippen über das Kinn. Sonst sah sie völlig unversehrt aus.

»Du blutest«, sagte Rhodan.

Kurz huschte Shandas Zunge über die Lippen. Den Blutstropfen fand sie nicht. »Als uns das Schiff unter dem Hintern explodierte, hab ich mich gebissen«, sagte sie. »Vergiss es.«

Die Fremden kreisten derweil über den Trümmern der STARDIVER. Das vordere Teil des kleinen Schiffes, in dem sich auch die vier Besatzungsmitglieder aufgehalten hatten, lag halb in, halb auf dem dunklen Technogeflecht, das in alle Richtungen bis zum Horizont den Mond bedeckte. Es endete in einem glühenden, zerfransten, gigantischen Loch. Das kleine Schiff war etwa in der Mitte entzweigerissen worden, das hintere Ende ... verschwunden.

Wenn Rhodan den unvermeidlichen Funkimpuls absandte, den Befehl zur Selbstvernichtung, würde dieser mit großer Wahrscheinlichkeit in der Zentrale ankommen und die endgültige Zerstörung in Gang setzen. Die Technologie der STARDIVER durfte ihren Feinden nicht in die Hände fallen.

Tu es schnell!, dachte Rhodan. Ehe sie landen und einschleusen. Ehe du dort unten auch noch ein Massaker anrichten musst.

Perry Rhodan schaute die Telepathin an. »Kannst du etwas espern?«, fragte er noch einmal.

Shanda schüttelte den Kopf. »Keine Chance.«

Fionn Kemenys Mundwinkel zuckten. »Und was tun wir jetzt?«

Toufec sah geradeaus, doch er sah nicht aus, als würde er irgendetwas wahrnehmen. »Abwarten.« Er lächelte schmallippig. »Was sonst?«

»Ich wüsste da etwas«, widersprach Kemeny. »Und du genauso, Perry. Richtig?«

Rhodan nickte. »Wir zerstören die Reste der STARDIVER.«

Kemeny sah zugleich zufrieden und entsetzt aus. Zufrieden, weil er als Wissenschaftler natürlich die Notwendigkeit sah, ihren Feinden keine technologischen Informationen zukommen zu lassen; entsetzt, weil sie sich damit jede Rückkehrmöglichkeit abschnitten.

Perry Rhodan löste die Selbstvernichtung mit einem gerafften Impuls aus, sandte die Bestätigung durch seinen persönlichen Hochsicherheitskode hinterher. Eine Serie von Detonationen donnerte an der Absturzstelle.

Kurz schloss Rhodan die Augen. »Und jetzt setzen wir Toufecs Plan in die Tat um.«

»Ist mir da etwas entgangen?«, fragte Shanda.

Rhodan grinste schmallippig. »Wir warten.«

 

*

 

Und nun schaute Perry Rhodan auf das Meer ohne Wasser.