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ISBN 978-3-492-96976-5

Dezember 2015

© Piper Verlag GmbH, München 2007

Covergestaltung: Dorkenwald Grafik-Design & Artwork, München

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

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Vorwort

Seit wir 2003 das Buch Physik für die Westentasche im Piper Verlag veröffentlicht haben, ist auch bei uns einiges geschehen. Dies gilt vor allem für die damaligen Studenten: Inzwischen sind alle mit dem Studium fertig, die meisten promovieren mittlerweile, andere haben sich neuen Beschäftigungen gewidmet. Wir alle waren jedoch vom Erfolg unseres Buches überrascht. Offenbar ist es um das Interesse der Menschen an der Physik besser bestellt, als wir zu hoffen gewagt hatten.

Gut die Hälfte von uns hat sich wieder zusammengesetzt, um über eine der wichtigsten physikalischen Theorien zu schreiben – die Quantenmechanik. Sie ist der Kern der modernen Physik, denn sie erklärt den Aufbau der Materie und die Natur des Lichts. Dabei ist sie gerade auch für Nichtwissenschaftler besonders interessant, weil die durch sie gewonnenen Erkenntnisse in modernste Technologie umgesetzt werden. Auf diese Weise trägt sie heute zu mehr als einem Drittel des Weltbruttosozialprodukts bei.

Doch nicht allein auf die Technik hat die Quantenmechanik einen fundamentalen Einfluss, auch die Natur ist von zahllosen Prozessen geprägt, die sich nur mit dieser Theorie beschreiben lassen. Es lohnt sich daher, zumindest ihre Grundzüge sowie ihre Bedeutung für unser Leben zu kennen.

In der Quantenmechanik gibt es einige grundlegende Tatsachen, die sich nicht einfach erklären oder begründen lassen. Hat man diese jedoch akzeptiert, lassen sich ihre Auswirkungen auf Umwelt und Technik verstehen.

An dieser Stelle soll nichts vorweggenommen werden, doch möchten wir betonen: Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Quantentheorie ist enorm komplex, wir wollen hier nur auf ihren physikalischen Kern eingehen und von ihren Auswirkungen auf unsere Welt erzählen.

Der Wissenschaftler beschäftigt sich nicht mit der Natur, weil sie nützlich ist; er beschäftigt sich mit ihr, weil es ihm Spaß macht, und es macht ihm Spaß, weil sie schön ist. Wäre die Natur nicht schön, wäre es nicht wert, sie zu kennen, und wenn es nicht wert wäre, die Natur zu kennen, wäre das Leben nicht lebenswert.

Henri Poincaré

Was ist Physik?

Für so manchen ist Physik mit schlechten Erinnerungen an die Schulzeit verbunden. Hat der Unterricht nicht deutlich gezeigt, dass Physik ein schwieriges Fach ist und sich mit unanschaulichen Problemen beschäftigt, die mit der Wirklichkeit des Schülers nichts zu tun haben? Nur wenigen Auserkorenen scheint sie überhaupt verständlich, denn sie besteht eigentlich nur aus Mathematik. Am besten vergisst man sie schnell wieder.

Für andere wiederum erklärt Physik die ganze Welt. Manche sehen in der Physik sogar eine Art Religion, weil sie in ihren Augen eine universelle Stellung unter den Wissenschaften einnimmt. Physik kann für diese Menschen alles erklären und liefert die relevanten Lösungen für alle wichtigen Probleme unseres Planeten und des ganzen Universums.

Beide Seiten unterliegen Missverständnissen. Der zweiten Gruppe ist entgegenzuhalten, dass Physik die Natur nicht abschließend erklärt und auch keine Weltanschauung oder Religion ist. Aber sie stellt das erfolgreichste Verfahren der Naturbeschreibung dar, das wir kennen. Der ersten Gruppe muss klar werden, dass Physik sich nicht mit unwichtigen oder unrealistischen Problemen beschäftigt, sondern die zentrale Grundlage unserer modernen, von Technik und Wissenschaft geprägten Welt bildet.

Im Grunde betreiben Menschen Physik, seit sie versuchen, die Natur zu verstehen, um sich von den Gefahren und Widrigkeiten in ihrer natürlichen Umwelt zu schützen. Die Natur ist derjenige Teil der Welt, dessen Zustandekommen, Erscheinungsformen und Wirken unabhängig von Eingriffen des Menschen sind beziehungsweise gedacht werden können. Das Verständnis der Natur war und ist überlebenswichtig für uns Menschen. Regelmäßige natürliche Abläufe wie Ebbe und Flut, Sonnenauf- und -untergang oder die wiederkehrenden Jahreszeiten veranlassten die Menschen schon vor vielen tausend Jahren zu ersten Modellvorstellungen. Aus diesen Modellen entwickelte sich die Physik als die Lehre von der Natur. Zwar waren einige physikalische Gesetze schon im Altertum bekannt, aber niemand konnte vorausahnen, dass sich die Physik zu einem so geschlossenen und weitreichenden Denk- und Erklärungssystem entwickeln lassen würde, wie dies in den letzten dreihundert Jahren geschehen ist.

Als Beispiel für ein erstes physikalisches Gesetz sei hier die Auftriebskraft von Wasser genannt. Ein 100 Kilogramm schwerer Stein, in einen See geworfen, sinkt sofort zum Grund des Sees. Ein 100 Kilogramm schweres Holzboot schwimmt dagegen. Nicht das Gewicht entscheidet also, sondern das Volumen, in dem das Gewicht verteilt ist. Der griechische Gelehrte Archimedes entdeckte dieses Gesetz vor 2200 Jahren.

Physik stellt sich die Aufgabe, durch wissenschaftliche Methoden zum Verstehen der Natur zu gelangen. Erfasst werden Vorgänge in Raum und Zeit, die objektiver Beobachtung und Messung zugänglich sind. Ein Ziel der Physik besteht darin, die Vielzahl der Prozesse und die Vielfalt der Eigenschaften der Natur auf der Basis einiger weniger, möglichst allgemeiner, in mathematischer Sprache formulierter Grundgesetze qualitativ und quantitativ zu beschreiben.

Einerseits zeigen die Erkenntnisse der Physik die unüberwindlichen Grenzen der menschlichen Einflussnahme auf, denn die Naturgesetze kann kein Mensch außer Kraft setzen. Auf der anderen Seite zeigt die Erforschung der Naturgesetze, was in ihrem Rahmen möglich ist, und so wird die Physik zu einem mächtigen Werkzeug der Lebensgestaltung, insbesondere zur Basis der modernen Technik in allen Facetten. Unser Leben im 21. Jahrhundert ist geprägt von physikalischen Erkenntnissen, die durch die Ingenieurwissenschaften in Technologie »gegossen« wurden. Die globale Mobilität (Flugzeuge, Fahrzeuge, Schiffe) und die Kommunikationsfähigkeit (Computer, Mobiltelefone, Internet) moderner Gesellschaften basieren letztlich auf grundlegenden physikalischen Erkenntnissen über die Struktur der Materie und ihre Wechselwirkung mit Licht.

Wie vollzieht sich nun die Physik als Wissenschaft? Hier folgen wir zunächst den Vorstellungen des Philosophen Karl R. Popper. Nach Popper erfolgt ein Erkenntnisgewinn nach folgendem Schema: Ein physikalisches Problem wird durch eine vorläufige Theorie oder Hypothese erklärt; berühmte physikalische Theorien sind die Relativitätstheorie oder die Theorie vom Aufbau der Atome. Nun wird die Gültigkeit solcher wissenschaftlichen Theorien überprüft, indem man empirisch nachprüfbare Vorhersagen aus der Theorie ableitet und mit den Ergebnissen von entsprechenden Beobachtungen, Messungen und Experimenten vergleicht. Wenn die Vorhersagen mit den Versuchsergebnissen übereinstimmen, ist die Theorie zwar nicht verifiziert – das ist grundsätzlich nie möglich –, aber sie darf vorläufig als bestätigt gelten. Im anderen Fall ist die Theorie falsifiziert und muss gegebenenfalls durch eine neue Theorie ersetzt werden.

Eine physikalische Theorie besteht aus Grund-Sätzen, den sogenannten Axiomen. Sie stellen die grundlegenden Ideen, Begriffe, Konzepte und universellen Sätze dar, durch die eine mathematische Beschreibung der Naturvorgänge überhaupt erst ermöglicht wird. Axiome sind zwar meist aus intensiver Analyse von Naturbeobachtungen gewonnen worden, sie sind letztlich aber freie Setzungen der menschlichen Vernunft, die sich in unablässiger Prüfung an der Erfahrung bewähren müssen. Praktisch jeder Erkenntnis geht also zunächst eine Vermutung voraus, jede Bewertung einer Erfahrung ist deshalb »theoriegetränkt«.

Die Formulierung einer physikalischen Theorie erfolgt, indem aus den angenommenen Grund-Sätzen allein mittels der Regeln der Logik und der Mathematik Folge-Sätze abgeleitet werden, sogenannte Wenn-Dann-Aussagen. Solche Folgerungen sind Aussagen über Sachverhalte in der Wirklichkeit, die an der Erfahrung (experimentell) geprüft werden können. Wenn auch nur eine der Folgerungen im Widerspruch zu den Ergebnissen des Experiments steht, ist die Theorie widerlegt (falsifiziert), es muss dann mindestens ein Axiom falsch sein. Prinzipiell müssten die Physiker nun eine neue Theorie suchen. Wenn aber eine physikalische Theorie einen großen Erfahrungsbereich annähernd zutreffend beschreibt, werden auch prinzipiell widerlegte Theorien mit gutem Nutzen weiterverwendet, allerdings unter sorgsamer Beachtung der erkannten Mängel. So erweist es sich in vielen Fällen nicht als praktikabel, eine quantenmechanische Beschreibung in Fällen zu verwenden, wo die Physik des 19. Jahrhunderts, die auch als klassische Physik bezeichnet wird, Ergebnisse mit akzeptabler Genauigkeit deutlich einfacher und schneller erzielbar macht.

Physiker sind Realisten, denn sie glauben: Außerhalb unseres Bewusstseins gibt es etwas dauerhaft Existierendes. Diese physikalische Welt ist die physikalische Wirklichkeit. Sie ist unabhängig von unserem Bewusstsein und sie unterliegt Gesetzen. Die physikalische Wirklichkeit kann durch eine mit mathematischen Begriffen formulierte Theorie zutreffend beschrieben werden. Theorien sind begriffliche Abbilder der physikalischen Welt, deren Wahrheitsgehalt geprüft werden kann. Viele Zusammenhänge von Tatsachen finden auf diese Weise eine Erklärung.

Die Aufgabe des Naturforschers besteht nun darin, der Wahrheit beziehungsweise den zutreffenden Antworten so nahe wie möglich zu kommen. Die physikalischen Theorien werden zwar immer wieder durch neue Forschungsergebnisse falsifiziert, stellen sich also als Irrtümer heraus, sie sind aber großartige Irrtümer und haben der Menschheit einen Reichtum an Erkenntnissen gebracht.

Das mathematische Abbild der Wirklichkeit, das eine physikalische Theorie liefert, ist die physikalische Vorstellung der Wirklichkeit. Wir werden die Wahrheit zwar nie besitzen, weil die Verifikation einer Theorie – wie schon erwähnt – logisch unmöglich ist; wir erkennen die Wahrheit jedoch zunehmend besser, je mehr wir unsere Theorien vertiefen und erweitern. Alles Wissen ist demnach Vermutungswissen, alle Theorien sind Hypothesen. Erreicht wird nie die wahre Theorie, vielmehr kommen Theorien der Wahrheit immer nur näher. Dies gilt auch für die Quantenmechanik.

hl