Franz Grillparzer: König Ottokars Glück und Ende

 

 

Franz Grillparzer

König Ottokars

Glück und Ende

Trauerspiel in fünf Aufzügen

 

 

 

Franz Grillparzer: König Ottokars Glück und Ende. Trauerspiel in fünf Aufzügen

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Alfons Mucha, König Premysl Ottokar II. Der Bund der slawischen Dynastien, 1924

 

ISBN 978-3-8430-8067-5

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-7517-6 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-7518-3 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Entstanden 1823. Erstdruck: Wien (Wallishauser) 1825. Uraufführung am 19.2.1825 in Wien.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte. Herausgegeben von Peter Frank und Karl Pörnbacher, München: Hanser, [1960–1965].

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Primislaus Ottokar, König von Böhmen

 

Margarethe von Österreich, Witwe Heinrichs von Hohenstaufen, seine Gemahlin

 

Benesch von Diedicz,

Milota,

Zawisch, die Rosenberge

 

Bertha, Beneschs Tochter

 

Braun von Olmütz, des Königs Kanzler

 

Bela, König von Ungarn

 

Kunigunde von Massovien, seine Enkelin

 

Rudolf von Habsburg

 

Albrecht,

 

Rudolf, seine Söhne

 

Friedrich Zollern, Burggraf von Nürnberg

 

Heinrich von Lichtenstein,

Berthold Schenk von Emerberg, östreichische Ritter

 

De alte Merenberg,

Seyfried Merenberg,

Friedrich Pettauer, steirische Ritter

 

Herbott von Füllenstein

 

Ortolf von Windischgrätz

 

Ottokar von Hornek

 

Merenbergs Frau

 

Paltram Vatzo, Bürgermeister von Wien

 

Der Bürgermeister von Prag

 

Ein kaiserlicher Herold

 

Der Küster von Götzendorf

 

Der Kanzler des Erzbischofs von Mainz

 

Elisabeth, Margarethens Kammerfrau

 

Ein Kammerfräulein Kunigundens

 

Abgeordnete der deutschen Wahlversammlung

 

Böhmische, östreichische, steirische, kärntnerische Landesherrn und Kriegsleute[974]

 

Erster Aufzug

Im Schlosse zu Prag. Vorzimmer der Königin. Rechts und links Seitentüren, deren erstere zu den innern Gemächern führt. Vor derselben, Wache haltend, Seyfried von Merenberg, auf seine Partisane gestützt.

Frau Elisabeth mit einer andern Kammerfrau tritt aus den Zimmern der Königin.

 

ELISABETH.

Lauf, Barbara! lauf schnell nach Meister Niklas!

Die Königin scheint wohl, doch trau ich nicht.

 

Ein Diener ist gekommen.

 

ELISABETH.

Hast du den Balsam? Gut, gib her, mein Freund!

O unglückselger Tag! O arme Frau!

 

Der alte Merenberg kommt.

 

MERENBERG.

Wie gehts der Königin?

ELISABETH.

Verwunderlich!

Doch tut sie sich Gewalt, das sieht man wohl.

MERENBERG.

Wer ist bei ihr?

ELISABETH.

Der Graf von Habsburg, Herr!

O, daß ich das erleben müssen!

 

Ab ins Zimmer der Königin.

 

MERENBERG.

Sohn!

SEYFRIED der gedankenvoll, auf seine Hallbarte gestützt, dagestanden hat.

Ihr, Vater?

MERENBERG.

Hast du schon gehört?

SEYFRIED.

Ja wohl!

MERENBERG.

Und sagst dazu?

SEYFRIED.

Ich glaubs nicht, Vater!

MERENBERG.

Wie?

SEYFRIED.

Nein, Vater! und bin so ergrimmt darob,

Daß ich den Lügnern mit der Hallbart hier

Den Kopf einschlagen möchte, allgesamt.

MERENBERG zurücktretend.

O weh, mein Sohn! schlag deinen Vater nicht!

Denn ich glaubs auch.

SEYFRIED.

Ihr auch?

MERENBERG.

Ich weiß, mein Sohn.

SEYFRIED.

Wie? so ein Herr, ein Ritter, so ein König,

Und täte schlimm an seinem eignen Wort,[975]

Die Frau verlassend, die ihm angetraut?

Hab ich nicht knabenweis bei ihm gedient,

Und war er mir ein Muster, Vorbild nicht

Von jedem hohen Tun?

MERENBERG.

's wird keiner bös,

Der nicht, bevor ers ward, erst gut gewesen.

SEYFRIED.

Und was ich Löblichs tat und Gutes dachte,

An ihn hielt ichs und an sein adlich Walten,

Gar tief beschämt ob des zu großen Abstands.

Er hat die letzte Zeit mich schwer gekränkt,

Ich durft nicht mit ihm in die Ungarschlacht!

Denn seht, er denkt wohl, daß ein alt Gefühl

Für Bertha noch von Rosenberg – ihr wißt ja! –

O, hätt ich das aus seinem Leben fort,

Den einzgen Fleck, im andern steht er rein!

Doch glaubt! sie haben ihn dazu verleitet,

Die Rosenberg! Der Vater – pfui des Kupplers!

MERENBERG.

Denk, was du willst, nur eines halt für wahr:

Die Königin muß fort, und sie und ihre Diener,

Das Ärgste haben sie, das Äußerste zu scheun.

Ich geh noch heute heim nach Merenberg,

Auf meiner Väter Schloß, auch du mußt fort!

SEYFRIED.

Wie, Vater?

MERENBERG.

Du! dies törichte Vertrauen

Soll dich nicht selber an das Messer liefern.

Du folgst mir nach, zum Schein; allein in Bruck

Harrt dein ein treuer Knecht mit frischen Pferden,

Und während man dich bei dem Vater glaubt,

Eilst du nach Deutschland auf verborgnen Pfaden.

Die Königin will sich ans Reich nicht wenden

Mit ihrer Not; ich aber wills, hilft Gott!

Ich will nicht sehn die Tochter meines Herrn

Von Haus und Land vertrieben, ohne Schutz.

Du gehst nach Frankfurt und dies Schreiben gibst du

 

Er öffnet das Koller, in dem der Brief steckt.

 

Dem Erzbischof von Mainz. Allein, man kömmt,

Wir sind bewacht,

 

Indem er sich von ihm entfernt.[976]

 

Verschwiegenheit und Eile!

Ein Tag zuviel ist dreißig Jahr zu wenig!

 

Benesch von Diedicz und Milota kommen.

 

BENESCH.

War nicht Herr Zawisch hier?

SEYFRIED indem er sich abwendet.

Ich sah ihn nicht!

BENESCH.

Er ritt doch nur ins Schloß!

MILOTA.

Sei ruhig, Bruder!

BENESCH.

Was ruhig? Sieh, ich bins! Der König wagts nicht!

Heiß ich nicht Rosenberg? Ist unser Haus

Im ganzen Lande nicht das mächtigste?

Und er sollts wagen? Solchen Schimpf? Ha, Possen!

Doch solls heraus, wer das Gerücht ersann;

Ich will ihn treffen, so – und so! – und so!

Bis in das vierte Glied!

 

Bertha von Diedicz kommt.

 

BENESCH.

Ha, Närrin, du?

Was willst du hier? Geh fort, auf dein Gemach!

BERTHA.

Ich kann nicht bleiben, rastlos treibts mich um.

Sie eilen durch das Schloß und flüstern sich

Entsetzliches mit scheuen Blicken zu.

Sagt, Vater, ist es wahr?

BENESCH.

Das fragst du mich?

Geh fort! Von hier!

BERTHA.

O Gott! wo find ich Menschen?

 

Indem sie auf Seyfried losgeht, zurückfahrend.

 

Ihr, Merenberg? Euch sollt ich eher meiden,

Vor allen euch; und doch, ihr seid ein Mensch!

Ich hab euch schwer beleidigt, Merenberg,

Doch rächt euch jetzt nicht, jetzt nicht! Seht mich knien

 

Sie kniet.

 

Sagt, ist es wahr?

SEYFRIED.

Was, Bertha?

BERTHA.

Ist es wahr?

Des Königs Eh getrennt!

SEYFRIED.

Der Vater sagts.

BERTHA.

Die andern sagens auch! – Und er vermählt –

Zu späte Scham, ist jetzo Zeit zu schämen?

Vermählt von neuem sich mit –[977]

SEYFRIED mitleidig.

Nicht mit Bertha

Von Rosenberg!

 

Sie drückt mit einem Ausruf ihr Gesicht an den Boden.

 

BENESCH zu Seyfried.

Wer sagts euch? – Her zu mir!

MILOTA auf sie zugehend.

Kommt, Nichte, kommt! hier ist kein Platz für euch!

BERTHA.

O Seyfried, schütze mich!

SEYFRIED.

Mit Gunst, Herr Milota!

Wenn ihr es wagt, die Hand an sie zu legen,

So stoß ich euch die Partisan in Leib.

 

Die Hallbarte gesenkt.

 

BENESCH.

Und wenn ich selbst – !

SEYFRIED.

Mir gleich!

BENESCH.

Verweigerst du dem Vater

Sein Kind?

SEYFRIED.

O, hättet ihr sie doch verweigert,

Sie läge jetzt nicht stöhnend vor uns da,

Daß mir das Herz im Innern um sich wendet!

BENESCH.

Wir hätten sie wohl dir vermählen sollen?

SEYFRIED.

's war besser, Herr, als jetzo solche Schmach!

BENESCH.

Mein Kind!

SEYFRIED.

Zurück! Mir hat sie sich vertraut,

Und ich weiß Anvertrautes zu bewahren!

BENESCH.

So soll mein Schwert!

SEYFRIED.

Laßt sein! Du aber fürcht dich nicht!

 

Zawisch tritt ein und bleibt beim Eingange laut lachend stehen.

 

ZAWISCH.

Ha, ha, ha, ha!

BENESCH der sich rasch umgewendet hat; da er Zawisch erblickt.

Bist dus? Dich sendet Gott!

ZAWISCH.

Was kämpft ihr denn, ihr hochgesinnten Jäger,

So wutentzündet um des Bären Fell?

Herr Petz trabt wohlgemut durch Berg und Tal

Und weist euch seiner Zeit wohl noch die Pranken.

Schön Mühmchen, grüß euch Gott!

 

Zu Seyfried.[978]

 

Und ihr, Herr Weidmann!

Hebt eure Feder und seht nicht so kraus;

Ich bin kein Wild für euch!

BENESCH.

Nun sag, erzähle!

MILOTA.

Ja, Neffe, sprich!

ZAWISCH.

»Erzähle!« ›Sprich‹! Ei, was denn?

BENESCH.

Der König –

ZAWISCH.

Hat die Ungarn derb geschlagen,

Bei Kroissenbrunn;

 

Gegen Milota.

 

ihr, Ohm, wart ja dabei!

BENESCH.

Wer fragt um das?

ZAWISCH.

Der Friede ist gemacht:

Auf Österreich –

BENESCH.

Nicht doch!

ZAWISCH.

Auf Steiermark –

BENESCH.

Willst du mein spotten?

ZAWISCH.

Nu, was wollt ihr denn?

BENESCH.

Des Königs Ehe –

ZAWISCH.

Ei, die ist getrennt!

BENESCH.

Die Handfest ausgefertigt?

ZAWISCH.

Und besiegelt.

Die Königin geht heute noch nach Wien.

Von da –

BENESCH.

Und spricht man nicht? – Verdammt! – Mit wem

 

Gegen Bertha hin.

 

Regst du dich noch? – Mit wem der König? –

ZAWISCH.

Ah!

Mit wem er sich zum zweitenmal vermählt?

Ei, mit wem anders denn, als dort mit jener,

Mit eurer Tochter! Ihr habts schlau gekartet!

Erst führtet ihr das Mädchen still ihm vor,

Geschmückt! man konnte kaum was Schöners sehn!

Dann halft der Armen Mangel ihr an Witz

Mit euerm eignen nach. Was sie da Reden führte!

Die Königin von Saba kann nicht besser!

Zuletzt – nu, was weiß ich, was alles noch!

Kurz, er ist ganz berückt, und gebt nur acht,[979]

Er kommt zur Stund und freit um ihre Hand.

BERTHA aufspringend.

Zu ihr, zu ihr! zu ihren Füßen sterben!

 

Ab in der Königin Gemach.

 

ZAWISCH.

Ha, ha, ha, ha!

MERENBERG.

Herr Zawisch!

ZAWISCH.

Lustig! lustig!

Wir wollen auf des Königs Hochzeit tanzen!

 

Zu Seyfried.

 

Ihr habt ja auch vordem um sie gefreit?

Weiß Gott! ich glaub, einmal zu Nacht, bei Wein,

Gefiel mir selbst ihr rot und weiß Gesicht!

Nu, gebt mir eure Hand, Herr Bundesbruder!

 

Seyfried wendet sich ab.

 

MILOTA.

Wozu das tolle Wesen! Grad und kurz:

Mit wem vermählt der König sich?

ZAWISCH.

So kurz

Als eure Frage soll die Antwort sein!

Mit Kunigunde von Massovien,

Des Ungarkönigs Nichte.

BENESCH.

Gift und Pest!

ZAWISCH.

Ihr wolltet selbst des Königs Eh getrennt,

Habt jahrelang euch weidlich drum bemüht;

Sie ist getrennt – und er freit Belas Nichte.

BENESCH mit der Hand vor der Stirn.

Verraten, hintergangen! Schändlich, schändlich!

ZAWISCH.

Pocht nicht so hart an der Gedanken Tor,

Wenns früher schloß, macht jetzo doch nicht auf!

BENESCH.

Jetzt spottest du, und hast es selbst gebilligt!

ZAWISCH.

Gebilligt, ich? den Unsinn, die Verrücktheit!

BENESCH.

Ja, du, und du!

MILOTA.

Weil du Gewißheit vorgabst! –

BENESCH.

Bringt mir sie her, das Mädchen bringt mir her!

Sie soll nicht leben! Sie und ich! Oh! – Oh!

SEYFRIED herüberrufend.

Schmäht ihr das Mädchen? Schmähet auf euch selbst!

Wer hieß euch glauben, daß für eure Tochter

Des Königs, ihres eignen Königs Hand –[980]

ZAWISCH.

Das ließ sich allenfalls noch glauben, Herr!

Ein Merenberg wär toll, dächt er an so was;

Doch wir, die aus der Weltstadt Roma stammen,

Von den Patriziern, die den Erdkreis beugten,

Und, als Ursini, noch dem Throne stehn zunächst,

Auf dem Sankt Peters Macht ob Herrschern herrschet;

Wir mögen wohl nach Fürstenkronen trachten,

Und eine Rosenberg mag kühn und frei

Dem Besten sich vermählen dieser Erde.

Auch – ha, ha, ha, ha, ha!

MILOTA der sich gesetzt hat.

Verdammt sein Lachen!

ZAWISCH.

Die Tochter rast, der Vater rauft sein Haar,

Und wir beweisen unsern alten Adel!

Und wär er älter als der Engel Fall,

Der König winkt, und knall! liegt er am Boden.

BENESCH.

Doch eh ich falle, Rache!

 

Milota anfassend.

 

Rache, Bruder!

MILOTA der aufsteht.

Ich sann soeben und gedenk zu handeln!

ZAWISCH.

Regst du dich auch, vierschrötger Milota?

Ei ja, da muß der König nun wohl zittern!

BENESCH.

Wenn du – wenn du dich unsrer Sach entziehst,

Bist du kein Rosenberg; ein Schurk! Nicht wahr?

MILOTA.

So ists!

ZAWISCH.

Ei ja! Wie führen wirs denn aus?

Beim nächsten Kirchgang drück dich an den König

Und tritt ihm auf den Fuß. Das schmerzt verzweifelt,

Und so bist du gerächt!

BENESCH.

Er spottet unser!

Mein Kopf! Mein Kopf! – Er ist kein Rosenberg!

MILOTA.

Komm, Bruder, laß uns gehn! Wer lachen kann

Bei seines Hauses Schmach, verdient –

ZAWISCH.

Halt, Freund!

Wer seid ihr denn, ihr beide, daß ihr schmäht?

Die ihr auf offner Straße Racheplane

Zu tauben Wänden schreit und – offnen Ohren!

Verschwört euch auf dem Markt und treibt im Zimmer Aufruhr.[981]

Herr Merenberg, nicht wahr, das nenn ich Leute?

Der Rausch des Zorns ist wie ein andrer Rausch:

Das beste Mittel ist die frische Luft.

Drum fort ins Freie, meine werten Herrn!

Brennt unser Haus und können wir nicht löschen,

So laßt uns wenigstens die Hände wärmen.

Der König ist mein Herr, und damit holla!

MILOTA ihm näher tretend.

Fast glaub ich, Freund, du denkst mehr, als du sprichst.

Sag, wofür hältst du uns?

ZAWISCH laut.

Für wackre Leute:

Was man verschweigt, erratet ihr auch nicht;

Errietet ihrs, ihr könntets nicht verschweigen!

Es öffnet sich die Tür der Königin,

Sie kommt, mit ihr der Großalmosenier,

Der Graf von Habsburg. Laßt uns gehn.

Wir wollen sie nicht in der Hora stören.

 

Ziehn sich zurück.

Die Königin tritt aus ihrem Zimmer mit Rudolf von Habsburg. Hinter ihr zwei Diener, die Berthan ohnmächtig in einem Lehnstuhl heraustragen. Daneben Frau Elisabeth, die sie unterstützt.

 

MARGARETHE im Auftreten gegen die zurückweichenden Rosenberge.

Da gehn sie hin; wie dunkle Wetterwolken,

Die, wenn sie sich entleert, nach Aufgang ziehn.

 

Gegen Bertha gewendet.

 

Bringt sie in ihr Gemach und sorgt für sie,

Nach wenig Augenblicken komm ich selbst.

RUDOLF.

Beinah zu viele Sorgfalt, gnädge Frau!

 

Bertha, von ihren Verwandten umgeben, wird fortgebracht; auch beide Merenberge entfernen sich.

 

MARGARETHE.

Sie selbst ist kaum so schlimm, nur schwachen Geistes,

Und töricht eitel, das hat sie verführt.

Doch ihre Vettern, ihre Anverwandten,

Der starre Milota, der Geifrer Benesch,

Und Zawisch, jener Schlimmste wohl von allen,

Mit Reichtum, Macht, und Hoffnung auf den Thron –

Ja, so weit ging der Übermütgen Stolz –[982]

Verlockten sie das leichtbetörte Kind.

Seit lange sah ich sie, die bösen Engel

Des Königs, meines Herrn, verstohlen reißen

An den nur allzuschwachen Banden, die

Kaum Ottokarn noch fesselten an mich.

Ich hörte, wie sie seinen Wunsch nach Erben,

Nach angebornen Folgern seines Throns,

Mit heuchlerischem Mitleid listig nährten. –

Ein Wunsch, gar wohl verzeihlich einem König!

Doch was soll Erbrecht, das aus Unrecht stammt?

Sie waren es, die dieser Ehe Trennung

Mit unermüdlicher Geschäftigkeit

Und ohne Auftrag fast des Königs trieben;

Denn eine ihres Hauses hofften sie

Zu setzen auf der Böhmen Herrscherthron:

Die Arme, die jetzt mit dem Wahnsinn ringt!

Wie oft war sie an Festen mir genüber,

Mit Schmuck bedeckt, des Hofes Schwall um sie;

Indes ich einsam saß mit meinem Gram.

Der König Augen nur für ihren Reiz,

Und Ohr für ihren Wunsch, des Mundes Dräun

Zur Schmeichelei herabgestimmt für sie.

Sie aber froh und stolz und überselig,

Wohl gar verächtlich blickend hin auf mich.

Da fühlt ich Mitleid mit dem armen Opfer

Und nahm mir vor, am Tage ihres Falls

Ihr mild zu sein und hilfreich ihrem Unglück.

O Ottokar, wie viel nimmst du auf dich!

RUDOLF.

Vergeßt nicht ob der Unbild an der Fremden

Der eignen, größern Unbild, gnädge Frau!

MARGARETHE.

O glaubt nicht, daß den König ich entschuldge!

Fern sei von mir, daß ich je Böses lobe!

Er handelt unrecht, unerlaubt an mir,

Und sagen will ichs ihm, tret ich vor ihn.

Bin ich nicht jung; ich hab es nie verhehlt!

Hat Gram der Züge Reiz mir ausgelöscht;

Er sah mich ja, bevor er um mich warb!

Vermißt er Munterkeit an mir und Scherz;[983]

Wer hieß den Muntern denn zur Freite gehn

Bei der unselgen Königin der Tränen,

Zum Grab gebeugt durch all der Ihren Tod?

Seitdem mit diesen Augen ich gesehn,

Im grausen Kerker von Apulien,

Den römschen König Heinrich, meinen Gatten,

Des harten Friedrich allzuweichen Sohn,

Von nahverwandten Händen liegen tot,

Und tot die beiden hoffnungsvollen Kleinen,

Die ihm mein Schoß, seitdem verschlossen, trug;

War Lust ein Fremdling dieser öden Brust,

Und Lächeln floh entsetzt von meinen Lippen,

Die Gram und Schmerz mit seinem Siegel schloß.

Was gibt man an als unsrer Trennung Grund?

Den ersten weiß ich: ich bin kinderlos

Und ohne Hoffnung, je ein Kind zu säugen;

Weil ich nicht will, weit mehr noch, als nicht kann!

Das wußte Ottokar, als er mich freite,

Ich sagt ihms, und er nahm es für genehm;

Denn auf mein reiches Erb von Österreich

War da sein Sinn gestellt und seines Vaters,

Des ländersüchtgen König Wenzeslav.

Was will der König also? Kinder, Erben?

Ein Bettlerkind säß besser auf dem Thron,

Als Königssöhne, die das Unrecht zeugte!

Was gibt man weiter an, als fernern Grund?

RUDOLF.

Verwandt seid ihr in unerlaubtem Grad.

MARGARETHE.

Man hat in meiner Jugend mir erzählt

Von einem Bela wohl und einem Geysa,

Die Brüder waren, Töchter hatten, und

Nach Österreich und Böhmen sie vermählten

In Väter Väterszeit. Der König spottet!

Es sind die Fürstenhäuser alle sich verwandt,

Und solchen Grads Erlassung fällt nicht schwer.

Auch hat man anfangs dessen nicht erwähnt!

RUDOLF.