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Inhaltsverzeichnis


Es ist doch merkwürdig, wie jedes

Verhältnis des Lebens ein anderes Gesicht bekommt, sobald eine neue Person hinzutritt.

Wir haben herrliche Tage zusammen verlebt, wir besuchten die Berge, die Seen, wir lasen zusammen und ich vollendete Wandas Bild. Und wie liebten wir uns, wie lächelnd war ihr reizendes Antlitz.

Da kommt eine Freundin, eine geschiedene Frau, etwas älter, etwas erfahrener und etwas weniger gewissenhaft als Wanda, und schon macht sich ihr Einfluß in jeder Richtung geltend.

Wanda runzelte die Stirne und zeigt mir gegenüber eine gewisse Ungeduld.

Liebt sie mich nicht mehr?

Seit beinahe vierzehn Tagen dieser unerträgliche Zwang. Die Freundin wohnt bei ihr, wir sind nie allein. Ein Kreis von Herren umgibt die beiden jungen Frauen. Ich spiele als Liebender mit meinem Ernste, meiner Schwermut eine alberne Rolle.

Wanda behandelt mich wie einen Fremden.

Heute, bei einem Spaziergange, blieb sie mit mir zurück. Ich sah, daß es mit Absicht geschah und jubelte. Was sagte sie mir aber.

»Meine Freundin begreift nicht, wie ich Sie lieben kann, sie findet Sie weder schön noch sonst besonders anziehend, und dazu unterhält sie mich vom Morgen bis in die Nacht hinein mit dem glänzenden frivolen Leben in der Hauptstadt, mit den Ansprüchen, welche ich machen kannte, den großen Partien, welche ich finden, den vornehmen, schönen Anbetern, welche ich fesseln müßte. Aber was hilft dies alles, ich liebe Sie einmal.«

Mir verging einen Augenblick der Atem, dann sagte ich: »Ich wünsche bei Gott nicht, Ihrem Glück im Wege zu sein, Wanda. Nehmen Sie auf mich keine Rücksicht mehr.« Dabei zog ich meinen Hut ab und ließ sie vorangehen. Sie sah mich erstaunt an, erwiderte jedoch keine Silbe.

Als ich aber auf dem Rückwege wieder zufällig in ihre Näht kam, drückte sie mir verstohlen die Hand und ihr Blick traf mich so warm, so glückverheißend, daß alle Qualen dieser Tage im Augenblick vergessen, alle Wunden geheilt waren.

Jetzt weiß ich wieder so recht, wie ich sie liebe.

»Meine Freundin hat sich über dich beklagt«, sagte mir Wanda heute.

»Sie mag fühlen, daß ich sie verachte.«

»Weshalb verachtest du sie denn, kleiner Narr« rief Wanda und nahm mich mit beiden Händen bei den Ohren.

»Weil sie heuchelt«, sagte ich, »ich achte nur eine Frau, die tugendhaft ist, oder offen dem Genusse lebt.«

»So wie ich«, entgegnete Wanda scherzend, »aber siehst du, mein Kind, die Frau kann das nur in den seltensten Fällen. Sie kann weder so heiter sinnlich, noch so geistig frei sein, wie der Mann, ihre Liebe ist stets ein aus Sinnlichkeit und geistiger Neigung gemischter Zustand. Ihr Herz verlangt darnach, den Mann dauernd zu fesseln, während sie selbst dem Wechsel unterworfen ist, so kommt ein Zwiespalt, kommt Lüge und Trug, meist gegen ihren Willen, in ihr Handeln, in ihr Wesen und verdirbt ihren Charakter.«

»Gewiß ist es so«, sagte ich, »der transzendentale Charakter, welchen die Frau der Liebe aufdrücken will, führt sie zum Betrug.«

»Aber die Welt verlangt ihn auch«, fiel mir Wanda in das Wort, »sieh diese Frau an, sie hat in Lemberg ihren Mann und ihren Liebhaber und hier hat sie einen neuen Anbeter gefunden, und sie betrügt sie alle und ist doch von allen verehrt und von der Welt geachtet.«

»Meinetwegen«, rief ich, »sie soll dich nur aus dem Spiele lassen, aber sie behandelt dich ja wie eine Ware.«

»Warum nicht« unterbrach mich das schöne Weib lebhaft. »Jede Frau hat den Instinkt, die Neigung, aus ihren Reizen Nutzen zu ziehen, und es hat viel für sich, sich ohne Liebe, ohne Genuß hinzugeben, man bleibt hübsch kaltblütig dabei und kann seinen Vorteil wahrnehmen.«

»Wanda, du sagst das?«

»Warum nichtig, sprach sie, »merk’ dir überhaupt, was ich dir jetzt sage: fühle dich nie sicher bei dem Weibe, das du liebst, denn die Natur des Weibes birgt mehr Gefahren, als du glaubst. Die Frauen sind weder so gut, wie ihre Verehrer und Verteidiger, noch so schlecht, wie ihre Feinde sie machen. Der Charakter der Frau ist die Charakterlosigkeit. Die beste Frau sinkt momentan in den Schmutz, die schlechteste erhebt sich unerwartet zu großen, guten Handlungen und beschämt ihre Verächter. Kein Weib ist so gut oder so böse, daß es nicht jeden Augenblick sowohl der teuflischsten, als der göttlichsten, der schmutzigsten, wie der reinsten Gedanken, Gefühle, Handlungen fähig wäre. Das Weib ist eben, trotz allen Fortschritten der Zivilisation, so geblieben, wie es aus der Rand der Natur hervorgegangen ist, es hat den Charakter des Wilden, welcher sich treu und treulos, großmütig und grausam zeigt, je nach der Regung, die ihn gerade beherrscht. Zu allen Zeiten hat nur ernste, tiefe Bildung den sittlichen Charakter geschaffen; so folgt der Mann, auch wenn er selbstsüchtig, wenn er böswillig ist, stets Prinzipien, das Weib aber folgt immer nur Regungen. Vergiß das nie und fühle dich nie sicher bei dem Weibe, das du liebst.«

Die Freundin ist fort. Endlich ein Abend mit ihr allein. Es ist, als hätte Wanda alle Liebe, welche sie mir entzogen hat, für diesen einen seligen Abend aufgespart, so gütig, so innig, so voll der Gnaden ist sie.

Welche Seligkeit, an ihren Lippen zu hängen, in ihren Armen hinzusterben und dann, wie sie so ganz aufgelöst, so ganz mir hingegeben an meiner Brust ruht und unsere Augen wonnetrunken ineinander tauchen.

Ich kann es noch nicht glauben, nicht fassen, daß dieses Weib mein ist, ganz mein.

»In einem Punkte hat sie doch recht«, begann Wanda, ohne sich zu regen, ohne nur die Augen zu öffnen, wie im Schlaf.

»Wer?«

Sie schwieg.

»Deine Freundin?«

Sie nickte. »Ja, sie hat recht, du bist kein Mann, du bist ein Phantast, ein reizender Anbeter, und wärst gewiß ein unbezahlbarer Sklave, aber als Gatten kann ich dich mir nicht denken.«

Ich erschrak.

»Was hast du? du zitterst?«

»Ich bebe bei dem Gedanken, wie leicht ich dich verlieren kann«, erwiderte ich.

»Nun, bist du deshalb jetzt weniger glücklich?« entgegnete sie, »raubt es dir etwas von deinen Freuden, daß ich vor dir anderen gehört habe, daß mich andere nach dir besitzen werden, und würdest du weniger genießen, wenn ein anderer mit dir zugleich glücklich wäre?«

»Wanda!«

»Siehst du«, fuhr sie fort, »das wäre ein Ausweg. Du willst mich nie verlieren, mir bist du lieb und sagst mir geistig so zu, daß ich immer mit dir leben möchte, wenn ich neben dir —«

»Welch ein Gedanke!« schrie ich auf, »ich empfinde eine Art Grauen vor dir.«

»Und liebst du mich weniger?«

»Im Gegenteil.«

Wanda hatte sich auf ihren linken Arm aufgerichtet. »Ich glaube«, sprach sie,

»daß man, um einen Mann für immer zu fesseln, ihm vor allem nicht treu sein darf.

Welche brave Frau ist je so angebetet worden, wie eine Hetäre?«

»In der Tat liegt in der Treulosigkeit eines geliebten Weibes ein schmerzhafter Reiz, die höchste Wollust.«

»Auch für dich,« fragte Wanda rasch.

»Auch für mich.«

»Wenn ich dir also dies Vergnügen mache?« rief Wanda spöttisch.

»So werde ich entsetzlich leiden, dich aber um so mehr anbeten«, entgegnete ich,

»nur dürftest du mich nie betrügen, sondern müßtest die dämonische Größe haben, mir zu sagen: ich werde dich allein lieben, aber jeden glücklich machen, der mir gefällt.«

Wanda schüttelte den Kopf. »Mir widerstrebt der Betrug, ich bin ehrlich, aber welcher Mann erliegt nicht unter der Wucht der Wahrheit. Wenn ich dir sagen würde: dies sinnlich heitere Leben, dies Heidentum ist mein Ideal, würdest du die Kraft haben, es zu ertragen?«

»Gewiß. Ich will alles von dir ertragen, nur dich nicht verlieren. Ich fühle ja, wie wenig ich dir eigentlich bin.«

»Aber Severin —«

»Es ist doch so«, sprach ich, »und eben deshalb —«

»Deshalb möchtest du —« sie lächelte schelmisch — »hab’ ich es erraten?«

»Dein Sklave sein!« rief ich, »dein willenloses, unbeschränktes Eigentum, mit dem du nach Belieben schalten kannst, und das dir daher nie zur Last werden kann. Ich möchte, während du das Leben in vollen Zügen schlürfst, in üppigem Luxus gebettet das heitere Glück, die Liebe des Olymps genießest, dir dienen, dir die Schuhe an-und ausziehen.«

»Eigentlich hast du nicht so unrecht«, erwiderte Wanda, »denn nur als mein Sklave könntest du es ertragen, daß ich andere liebe, und dann, die Freiheit des Genusses der antiken Welt ist nicht denkbar ohne Sklaverei. Oh! es muß ein Gefühl von Gottähnlichkeit geben, wenn man Menschen vor sich knien, zittern sieht. Ich will Sklaven haben, hörst du, Severin?«

»Bin ich nicht dein Sklave?«

»Hör’ mich also«, sprach Wanda aufgeregt, meine Hand fassend, »ich will dein sein, solange ich dich liebe.

»Einen Monat?«

»Vielleicht auch zwei.«

»Und dann?«

»Dann bist du mein Sklave.«

»Und du?«

»Ich? was fragst du noch? ich bin eine Göttin und steige manchmal leise, ganz leise und heimlich aus meinem Olymp zu dir herab.«

»Aber was ist dies alles«, sprach Wanda, den Kopf in beide Hände gestützt, den Blick in die Weite verloren, »eine goldene Phantasie, welche nie wahr werden kann.« Eine unheimliche, brütende Schwermut war über ihr ganzes Wesen ausgegossen; so hatte ich sie noch nie gesehen.

»Und warum unausführbar?« begann ich.

»Weil es bei uns keine Sklaverei gibt.«

»So gehen wir in ein Land, wo sie noch besteht, in den Orient, in die Türkei«, sagte ich lebhaft.

»Du wolltest — Severin — im Ernste«, entgegnete Wanda. Ihre Augen brannten.

»Ja, ich will im Ernste dein Sklave sein«, fuhr ich fort, »ich will, daß deine Gewalt über mich durch das Gesetz geheiligt, daß mein Leben in deiner Hand ist, nichts auf dieser Welt mich vor dir schützen oder retten kann. Oh! welche Wollust, wenn ich mich ganz nur von deiner Willkür, deiner Laune, einem Winke deines Fingers abhängig fühle. Und dann — welche Seligkeit, — wenn du einmal gnädig bist, wenn der Sklave die Lippen küssen darf, an der für ihn Tod und Leben hängt!« Ich kniete nieder und lehnte meint heiße Stirne an ihre Knie.

»Du fieberst, Severin«, sprach Wanda erregt, »und du liebst mich wirklich so unendlich?« Sie schloß mich an ihre Brust und bedeckte mich mit Küssen.

»Willst du also?« begann sie zögernd.

»Ich schwöre dir hier, bei Gott und meiner Ehre, ich bin dein Sklave, wo und wann du willst, sobald du es befiehlst«, rief ich, meiner kaum mehr mächtig.

»Und wenn ich dich beim Worte nehme?« rief Wanda.

»Tu’ es.«

»Es hat einen Reiz für mich«, sprach sie hierauf, »der kaum seinesgleichen hat, einen Mann, der mich anbetet und den ich von ganzer Seele liebe, mir so ganz hingegeben, von meinem Willen, meiner Laune abhängig zu wissen, diesen Mann als Sklaven zu besitzen, während ich —«

Sie sah mich seltsam an.

»Wenn ich recht frivol werde, so bist du schuld —« fuhr sie fort —

»ich glaube beinahe, du fürchtest dich jetzt schon vor mir, aber ich habe deinen Schwur.«

»Und ich werde ihn halten.«

»Dafür laß mich sorgen«, entgegnete sie. »Jetzt finde ich Genuß darin, jetzt soll es bei Gott nicht lange mehr beim Phantasieren bleiben. Du wirst mein Sklave, und ich — ich werde versuchen, ?Venus im Pelz? zu sein.«

Ich dachte diese Frau endlich zu kennen, zu verstehen, und ich sehe nun, daß ich wieder von vorne anfangen kann. Mit welchem Widerwillen nahm sie noch vor kurzem meine Phantasien auf und mit welchem Ernste betreibt sie jetzt die Ausführung derselben.

Sie hat einen Vertrag entworfen, durch den ich mich bei Ehrenwort und Eid verbinde, ihr Sklave zu sein, solange sie es will.

Den Arm um meinen Nacken geschlungen, liest sie mir das unerhörte, unglaubliche Dokument vor, nach jedem Satze macht ein Kuß den Schlußpunkt.

»Aber der Vertrag enthält nur Pflichten für mich«, sprach ich, sie neckend.

»Natürlich«, entgegnete sie mit großem Ernste, »du hörst auf, mein Geliebter zu sein, ich bin also aller Pflichten, aller Rücksichten gegen dich entbunden. Meine Gunst hast du dann als eine Gnade anzusehen, Recht hast du keines mehr und darfst daher auch keines geltend machen. Meine Macht über dich darf keine Grenzen haben. Bedenke, Mann, du bist ja dann nicht viel besser als ein Hund, ein lebloses Ding; du bist meine Sache, mein Spielzeug, das ich zerbrechen kann, sobald es mir eine Stunde Zeitvertreib verspricht. Du bist nichts und ich bin alles. Verstehst du?«

Sie lachte und küßte mich wieder und doch überlief mich eine Art Schauer.

»Erlaubst du mir nicht einige Bedingungen —« begann ich.

»Bedingungen?« sie runzelte die Stirne. »Ah! du hast bereits Furcht, oder bereust gar, doch das kommt alles zu spät, ich habe deinen Eid, dein Ehrenwort. Aber laß hören.«

»Zuerst möchte ich in unserem Vertrag aufgenommen wissen, daß du dich nie ganz von mir trennst, und dann, daß du mich nie der Roheit eines deiner Anbeter preisgibst —«

»Aber Severin«, rief Wanda mit bewegter Stimme, Tränen in den Augen, »du kannst glauben, daß ich dich, einen Mann, der mich so liebt, der sich so ganz in meine Hand gibt —« sie stockte.

»Nein! nein!« sprach ich, ihre Hände mit Küssen bedeckend, »ich fürchte nichts von dir, was mich entehren könnte, vergib mir den häßlichen Augenblick.«

Wanda lächelte selig, legte ihre Wange an die meine und schien nachzusinnen.

»Etwas hast du vergessene, flüsterte sie jetzt schelmisch, »das Wichtigste.«

»Eine Bedingung?«

»Ja, daß ich immer im Pelz erscheinen muß«, rief Wanda, »aber dies verspreche ich dir so, ich werde ihn schon deshalb tragen, weil er mir das Gefühl einer Despotin gibt, und ich will sehr grausam gegen dich sein, verstehst du?«

»Soll ich den Vertrag unterzeichnen?« fragte ich.

»Noch nicht«, sprach Wanda, »ich werde vorher deine Bedingungen hinzufügen, und überhaupt wirst du ihn erst an Ort und Stelle unterzeichnen.«

»In Konstantinopel?«

»Nein. Ich habe es mir überlegt. Welchen Wert hat es für mich, dort einen Sklaven zu haben, wo jeder Sklaven hat; ich will hier in unserer gebildeten, nüchternen, philisterhaften Welt, ich allein will einen Sklaven haben, und zwar einen Sklaven, den nicht das Gesetz, nicht mein Recht oder rohe Gewalt, sondern ganz allein die Macht meiner Schönheit und meines Wesens willenlos in meine Hand gibt. Das finde ich pikant. Jedenfalls gehen wir in ein Land, wo man uns nicht kennt, und wo du daher ohne Anstand vor der Welt als mein Diener auftreten kannst.

Vielleicht nach Italien, nach Rom oder Neapel.«

Wir saßen auf Wandas Ottomane, sie in der Hermelinjacke, das offene Haar wie eine Löwenmähne über den Rücken, und sie hing an meinen Lippen und sog mir die Seele aus dem Leibe. Mir wirbelte der Kopf, das Blut begann mir zu sieden, mein Herz pochte heftig gegen das ihre.

»Ich will ganz in deiner Hand sein, Wanda«, rief ich plötzlich, von jenem Taumel der Leidenschaft ergriffen, in dem ich kaum mehr klar denken oder frei beschließen kann,

»ohne jede Bedingung, ohne jede Beschränkung deiner Gewalt über mich, ich will mich auf Gnade und Ungnade deiner Willkür überliefern.« Während ich dies sprach, war ich von der Ottomane zu ihren Füßen herabgesunken und blickte trunken zu ihr empor.

»Wie schön du jetzt bist«, rief sie, »dein Auge wie in einer Verzückung halb gebrochen, entzückt mich, reißt mich hin, dein Blick müßte wunderbar sein, wenn du totgepeitscht würdest, im Verenden. Du hast das Auge eines Märtyrers.«

Manchmal wird mir doch etwas unheimlich, mich so ganz, so bedingungslos in die Hand eines Weibes zu geben. Wenn sie meine Leidenschaft, ihre Macht mißbraucht? Nun dann erlebe ich, was seit Kindesbeinen meine Phantasie beschäftigte, mich stets mit süßem Grauen erfüllte. Törichte Besorgnis! Es ist ein mutwilliges Spiel, das sie mit mir treibt, mehr nicht. Sie liebt mich ja, und sie ist so gut, eine noble Natur, jeder Treulosigkeit unfähig; aber es liegt dann in ihrer Hand — sie kann, wenn sie will — welcher Reiz in diesem Zweifel, dieser Furcht.

Jetzt verstehe ich die Manon l’Escault und den armen Chevalier, der sie auch noch als die Maitresse eines anderen, ja auf dem Pranger anbetet.

Die Liebe kennt keine Tugend, kein Verdienst, sie liebt und vergibt und duldet alles, weil sie muß; nicht unser Urteil leitet uns, nicht die Vorzüge oder Fehler, welche wir entdecken, reizen uns zur Hingebung oder schrecken uns zurück. Es ist eine süße, wehmütige, geheimnisvolle Gewalt, die uns treibt, und wir hören auf zu denken, zu empfinden, zu wollen, wir lassen uns von ihr treiben und fragen nicht wohin?

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Er hat sie verlassen, sie ruft ihn, er hört sie nicht, er will sie nicht hören.

Wanda nickt traurig mit dem Kopfe und setzt sich auf die nächste Steinbank; sie sitzt lange in Gedanken versunken. Ich sehe ihr mit einer Art boshafter Freude zu, endlich raffe ich mich gewaltsam auf und trete höhnisch vor sie hin. Sie fährt empor und zittert am ganzen Leibe.

»Ich komme, Ihnen nur Glück zu wünschen«, sage ich, mich verneigend,

»ich sehe, gnädige Frau, Sie haben Ihren Herrn gefunden.«

»Ja, Gott sei gedankt!« ruft sie, »keinen neuen Sklaven, ich habe deren genug gehabt: einen Herrn. Das Weib braucht einen Herrn und betet ihn an.«

»Du betest ihn also an, Wanda!« schrie ich auf, »diesen rohen Menschen —«

»Ich liebe ihn so, wie ich noch niemand geliebt habe.«

»Wanda!« — ich ballte die Fäuste, aber schon kamen mir die Tränen und der Taumel der Leidenschaft ergriff mich, ein süßer Wahnsinn. »Gut, so wähle ihn, nimm ihn zum Gatten, er soll dein Herr sein, ich aber will dein Sklave bleiben, solange ich lebe.«

»Du willst mein Sklave sein, auch dann?« sprach sie, »das wäre pikant, ich fürchte aber, er wird es nicht dulden.«

»Er?«

»Ja, er ist jetzt schon eifersüchtig auf dich«, rief sie, »er auf dich! er verlangte von mir, daß ich dich sofort entlasse, und als ich ihm sagte, wer du bist —«

»Du hast ihm gesagt —« wiederholte ich starr.

»Alles habe ich ihm gesagt«, erwiderte sie, »unsere ganze Geschichte erzählt, alle deine Seltsamkeiten, alles — und er — statt zu lachen — wurde zornig und stampfte mit dem Fuße.«

»Und drohte, dich zu schlagen?«

Wanda sah zu Boden und schwieg.

»Ja, ja«, sprach ich mit höhnischer Bitterkeit, »du fürchtest dich vor ihm, Wanda!« — ich warf mich ihr zu Füßen und umschlang erregt ihre Knie — »ich will ja nichts von dir, nichts, als immer in deiner Nähe sein, dein Sklave! — ich will dein Hund sein —«

»Weißt du, daß du mich langweilst?« sprach Wanda apathisch.

Ich sprang auf. Alles kochte in mir.

»Jetzt bist du nicht mehr grausam, jetzt bist du gemein!« sprach ich, jedes Wort scharf und herb betonend.

»Das steht bereits in Ihrem Briefe«, entgegnete Wanda mit einem stolzen Achselzucken,

»ein Mann von Geist soll sich nie wiederholen.«

»Wie handelst du an mir!« brach ich los, »wie nennst du das?«

»Ich könnte dich züchtigen«, entgegnete sie höhnisch, »aber ich ziehe vor, dir diesmal statt mit Peitschenhieben mit Gründen zu antworten. Du hast kein Recht, mich anzuklagen, war ich nicht jederzeit ehrlich gegen dich? Habe ich dich nicht mehr als einmal gewarnt? Habe ich dich nicht herzlich, ja leidenschaftlich geliebt und habe ich dir etwa verheimlicht, daß es gefährlich ist, sich mir hinzugeben, sich vor mir zu erniedrigen, daß ich beherrscht sein will? Du aber wolltest mein Spielzeug sein, mein Sklave! Du fandest den höchsten Genuß darin, den Fuß, die Peitsche eines übermütigen, grausamen Weibes zu fühlen. Was willst du also jetzt? In mir haben gefährliche Anlagen geschlummert, aber du erst hast sie geweckt; wenn ich jetzt Vergnügen daran finde, dich zu quälen, zu mißhandeln, bist nur du schuld, du hast aus mir gemacht, was ich jetzt bin, und nun bist du noch unmännlich, schwach und elend genug, mich anzuklagen.«

»Ja, ich bin schuldig«, sprach ich, »aber habe ich nicht gelitten dafür? Laß es jetzt genug sein, ende das grausame Spiel.«

»Das will ich auch«, entgegnete sie mit einem seltsamen, falschen Blick!

»Wanda!« rief ich heftig, »treibe mich nicht auf das Äußerste, du siehst, daß ich wieder Mann bin.«

»Strohfeuer«, erwiderte sie, »das einen Augenblick Lärm macht und ebenso schnell verlöscht, wie es aufgeflammt ist. Du glaubst mich einzuschüchtern und bist mir nur lächerlich. Wärst du der Mann gewesen, für den ich dich anfangs hielt, ernst, gedankenvoll, streng, ich hätte dich treu geliebt und wäre dein Weib geworden. Das Weib verlangt nach einem Manne, zu dem es aufblicken kann, einen — der so wie du — freiwillig seinen Nacken darbietet, damit es seine Füße darauf setzen kann, braucht es als willkommenes Spielzeug und wirft ihn weg, wenn es seiner müde ist.«

»Versuch’ es nur, mich wegzuwerfen«, sprach ich höhnisch, »es gibt Spielzeug, das gefährlich ist.«

»Fordere mich nicht heraus«, rief Wanda, ihre Augen begannen zu funkeln, ihre Wangen röteten sich.

»Wenn ich dich nicht besitzen soll«, fuhr ich mit von Wut erstickter Stimme fort,

»so soll dich auch kein anderer besitzen.«

»Aus welchem Theaterstück ist diese Stelle?« höhnte sie, dann faßte sie mich bei der Brust; sie war in diesem Augenblicke ganz bleich vor Zorn, »fordere mich nicht heraus«, fuhr sie fort, »ich bin nicht grausam, aber ich weiß selbst nicht, wie weit ich noch kommen kann, und ob es dann noch eine Grenze gibt.«

»Was kannst du mir Ärgeres tun, als ihn zu deinem Geliebten, deinem Gatten machen?«

antwortete ich, immer mehr aufflammend.

»Ich kann dich zu seinem Sklaven machen«, entgegnete sie rasch, »bist du nicht in meiner Hand? habe ich nicht den Vertrag? Aber freilich, für dich wird es nur ein Genuß sein, wenn ich dich binden lasse und zu ihm sage: ?Machen Sie jetzt mit ihm, was Sie wollen.?«

»Weib, bist du toll!« schrie ich auf.

»Ich bin sehr vernünftig«, sagte sie ruhig, »ich warne dich zum letzten Male.

Leiste mir jetzt keinen Widerstand, jetzt, wo ich so weit gegangen bin, kann ich leicht noch weiter gehen. Ich fühle eine Art Haß auf dich, ich würde dich mit wahrer Lust von ihm totpeitschen sehen, aber noch bezähme ich mich, noch —«

Meiner kaum mehr mächtig, faßte ich sie beim Handgelenke und riß sie zu Boden, so daß sie vor mir auf den Knien lag.

»Severin!« rief sie, auf ihrem Gesichte malten sich Wut und Schrecken.

»Ich töte dich, wenn du sein Weib wirst«, drohte ich, die Töne kamen heiser und dumpf aus meiner Brust, »du bist mein, ich lasse dich nicht, ich habe dich zu lieb«, dabei umklammerte ich sie und drückte sie an mich und meine Rechte griff unwillkürlich nach dem Dolche, der noch in meinem Gürtel stak.

Wanda heftete einen großen, ruhigen, unbegreiflichen Blick auf mich.

»So gefällst du mir«, sprach sie gelassen, »jetzt bist du Mann, und ich weiß in diesem Augenblicke, daß ich dich noch liebe.«

»Wanda« — mir kamen vor Entzücken die Tränen, ich beugte mich über sie und bedeckte ihr reizendes Gesichtchen mit Küssen und sie — plötzlich in lautes, mutwilliges Lachen ausbrechend — rief: »Hast du jetzt genug von deinem Ideal, bist du mit mir zufrieden?«

»Wie?« — stammelte ich — »es ist nicht dein Ernst.«

»Es ist mein Ernst«, fuhr sie heiter fort, »daß ich dich lieb habe, dich allein, und du — du kleiner, guter Narr, hast nicht gemerkt, daß alles nur Scherz und Spiel war — und wie schwer es mir wurde, dir oft einen Peitschenhieb zu geben, wo ich dich eben gerne beim Kopfe genommen und abgeküßt hätte. Aber jetzt ist es genug, nicht wahr? Ich habe meine grausame Rolle besser durchgeführt, als du erwartet hast, nun wirst du wohl zufrieden sein, dein kleines, gutes, kluges und auch ein wenig hübsches Weibchen zu haben — nicht? — Wir wollen recht vernünftig leben und —«

»Du wirst mein Weib!« rief ich in überströmender Seligkeit.

»Ja — dein Weib — du lieber, teurer Mann«, flüsterte Wanda, indem sie meine Hände küßte.