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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print: ISBN 978-3-7910-4533-7 Bestell-Nr. 12006-0001
ePub: ISBN 978-3-7910-4534-4 Bestell-Nr. 12006-0100
ePDF: ISBN 978-3-7910-4535-1 Bestell-Nr. 12006-0150

Martin Bösch

Globalisierung und Internationales Finanzmanagement

1. Auflage, August 2019

© 2019 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

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[5]Vorwort

Im Jahr 2018 exportierten deutsche Unternehmen Waren und Dienstleistungen im Wert von 1.316 Mrd. Euro, fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands. Darüber hinaus waren über sieben Millionen Menschen in mehr als 35.000 ausländischen Tochtergesellschaften von deutschen Firmen beschäftigt. Die hohe weltwirtschaftliche Verflechtung deutscher Unternehmen verleiht betriebswirtschaftlichen Fragestellungen mit internationalem Bezug eine hohe praktische Relevanz. Deshalb ist das weite Angebot deutschsprachiger Literatur zu den verschiedenen Aspekten der internationalen Betriebswirtschaft nicht überraschend, sei es im Marketing, im Personalmanagement, beim Organisationsmanagement, im Steuermanagement oder bei strategischen Fragestellungen. Eine erstaunliche Ausnahme bildet jedoch die Finanzwirtschaft. Während es im englischsprachigen Raum viele Lehrbücher zur internationalen Finanzwirtschaft gibt, sind deutsche Lehrbücher hierzu die Ausnahme. Das vorliegende Buch will helfen, diese Lücke zu verkleinern.

Der Untertitel des Buchs gibt das Programm vor:

Umfeld

Die grundsätzlichen finanzwirtschaftlichen Fragestellungen sind unabhängig vom Internationalisierungsgrad eines Unternehmens, doch die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln ändern sich stark mit ihrer internationalen Ausrichtung. Abschnitt I hat diese veränderten Rahmenbedingungen und die sich daraus ergebenden strategischen und operativen Herausforderungen zum Thema. Dieser skizziert darüber hinaus die Entwicklung und das Ausmaß der Globalisierung sowie die Faktoren, die die Globalisierung immer weiter vorantreiben.

Abschnitt II beschreibt die aktuellen Währungssysteme und analysiert den Zusammenhang zwischen Zahlungsbilanzungleichgewichten und Devisenmarktreaktionen. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Vorgänge im Euroraum gelegt.

Ein weiteres Thema ist der Zusammenhang zwischen Zins, Inflation und Wechselkursentwicklung, weil gerade bei grenzüberschreitenden Investitionen der Erfolg maßgeblich von der Entwicklung dieser Größen abhängt und die richtige Beurteilung einer Auslandsinvestition das Wissen um diese zentralen Zusammenhänge voraussetzt.

Mehrere Kapitel in Abschnitt II stellen den Devisenmarkt dar, beginnend von den Teilnehmern, den »Spielregeln« bis hin zu den Devisenmarktprodukten. Klassische Kassamarktprodukte finden sich dort ebenso wie alle Varianten von Terminprodukten, seien es Forwards, Währungsoptionen oder Währungsswaps. Mit den Instrumenten werden bereits erste Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt, wie sich Unternehmen gegen Währungsrisiken absichern können.

[6]Investition und Finanzierung

Bei grenzüberschreitenden Investitions- und Finanzierungsentscheidungen sind stets mindestens zwei Länder involviert, die sich in ihrem Steuersystem unterscheiden. Da aus Unternehmersicht nur die Nachsteuerrendite einer Investition und die Finanzierungskosten nach Steuern entscheidungsrelevant sind, beginnt Abschnitt III mit einem Kapitel zum internationalen Steuerrecht. Dabei werden nicht nur Grundbegriffe und Grundkonzepte erläutert, sondern auch Ansatzpunkte aufgezeigt, mit welchen Maßnahmen und mit welchen Tricks sich internationale Unternehmen einer gerechten Besteuerung entziehen.

Auslandsinvestitionen werden generell mit demselben methodischen Ansatz beurteilt wie inländische Investitionsprojekte. Grenzüberschreitende Investitionen weisen aber eine Reihe von Besonderheiten auf, die zwingend in der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, um eine richtige Entscheidung treffen zu können. Am Beispiel eines Investitionsprojekts in Brasilien wird das Vorgehen ausführlich illustriert und die vorgestellten theoretischen Beurteilungskonzepte numerisch dargestellt und interpretiert.

Kapitel 19 zeigt, dass die Finanzierungsstruktur der Tochtergesellschaft irrelevant für den angestrebten Verschuldungsgrad innerhalb eines Gesamtkonzerns ist. Die Muttergesellschaft kann daher die Kapitalstruktur ihrer Tochtergesellschaften im Rahmen der lokalen rechtlichen Vorschriften nach Belieben festlegen und sich dabei ausschließlich an wirtschaftlichen Kriterien orientieren. Dabei stehen die Reduktion von Länder- und Währungsrisiken und die Vermeidung von Steuerzahlungen auf Konzernebene an oberster Stelle. Ergänzt wird das Kapitel mit Überlegungen, ob und inwieweit die Internationalisierung Einfluss auf die Finanzierungskosten eines Konzerns hat.

Risiko- und Steuerungsmanagement

Das Risikomanagement und die finanzwirtschaftliche Steuerung von internationalen Konzernen werden themenbezogen einzelnen Kapiteln im Buch zugeordnet. Den Schwerpunkt bildet dabei Abschnitt III, der das Management von Währungsrisiken und politischen Risiken zum Inhalt hat. Zunächst werden die verschiedenen Ausprägungen und Erscheinungsformen von Währungsrisiken dargestellt. Währungsrisiken, die sich aus einzelnen Fremdwährungstransaktionen ergeben, haben einen völlig anderen Charakter wie Änderungen der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit als Folge von Wechselkursverschiebungen. Das Währungsrisikomanagement eines Betriebs muss daher die Quellen und Ursachen ihres Währungsrisikos genau verstehen und quantifizieren, bevor sie passende Instrumente zur Absicherung einsetzen kann.

Unternehmen, die im Ausland mit Niederlassungen oder Tochtergesellschaften vertreten sind, unterliegen politischen Risiken, da sie sich im Rechtsraum des Gastlands bewegen. Da wirtschaftliches Handeln nur im vorgegebenen Rechts- und Politikrahmen souveräner Staaten stattfinden kann, spielt die Beurteilung dieses Rahmens eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung, wo investiert wird und wie die Marktbearbeitung erfolgt. Unternehmen [7]verfügen dabei über ein breites Handlungsspektrum, um firmenspezifische politische Risiken und Länderrisiken zu managen.

Abschnitt IV greift Fragen des Finanz- und Außenhandelsmanagements auf. Neben den klassischen Fragen der Finanz- und Liquiditätssteuerung werden dort auch die Besonderheiten im Cash-Management von internationalen Konzernen aufgegriffen, sei es das konzerninterne Netting oder auch ein länder- und währungsübergreifendes zentrales Cash-Management.

Gerade für deutsche Unternehmen spielen Fragen des Außenhandels und der Außenhandelsfinanzierung eine besondere Rolle, werden doch über 40 % aller in Deutschland produzierten Waren und Dienstleistungen exportiert. Das Buch greift dieses wichtige Thema in einem eigenen Kapitel auf und stellt die gängigen Instrumente des dokumentären Zahlungsverkehrs sowie die kurz- und langfristigen Instrumente in der Außenhandelsfinanzierung vor. Darüber hinaus werden auch die privaten und staatlichen Organisationen vorgestellt, die hierbei Unterstützung anbieten.

Das Buchprojekt hatte viele Helfer. Ich möchte mich bei meinen Kollegen Helmut Assfalg, Notger Carl, Helmut Geyer, Hans Klaus und Matthias Stoetzer für ihre Unterstützung und Diskussionsfreude bedanken. Wertvolle Aspekte steuerten die Studenten in meinen Kursen bei. Bei der Durchsicht des Manuskripts standen mir Laura Yunussov und Marten Schwinge hilfreich zur Seite. Last but not least, geht mein besonderer Dank an Frank Katzenmayer und Adelheid Fleischer für die professionelle Unterstützung.

Da ich trotz aller Helfer und Sorgfalt davon ausgehen muss, dass der ein oder andere Fehler unentdeckt geblieben ist, möchte ich mich schon im Voraus bei den Lesern bedanken, die sich die Mühe machen, mir ihren Fund an meine E-Mail-Adresse martin.boesch@eah-jena.de zu melden.

Hinweis zum Arbeiten mit dem Buch

Die Abschnitte I bis V können unabhängig voneinander gelesen und bearbeitet werden. Sie bauen nicht aufeinander auf. Dies gilt grundsätzlich auch für alle 21 Kapitel des Buchs. Die einzige Ausnahme bilden die umfangreichen Kapitel 18 (Investition) und 19 (Finanzierung). Hier wird empfohlen, zumindest das Kapitel 17.1 zur internationalen Gewinnbesteuerung als Vorbereitung zu lesen, da dieses Thema bei grenzüberschreitenden Investitionen eine Rolle spielt.

Martin Bösch

Jena, Juli 2019

[13]Abkürzungsverzeichnis

AFA Abschreibungen
AG Aktiengesellschaft
AktG Aktiengesetz
c.p. Ceteris paribus (unter sonst gleichen Umständen)
EBIT Earnings before Interest and Taxes
EBIT(1-t) Operatives Ergebnis nach Steuern (NOPAT)
EK Buchwert des Eigenkapitals
EKM Marktwert des Eigenkapitals
FK Buchwert des Fremdkapitals
FKM Marktwert des Fremdkapitals
FMH Finanzmittelherkunft
FMV Finanzmittelverwendung
g Wachstumsrate
GK Gesamtkapital
GmbHG GmbH-Gesetz
HGB Handelsgesetzbuch
i Fremdkapitalzinsen
IAS International Accounting Standards
Gewinn im Sinne des Jahresüberschusses
k(VG) Eigenkapitalkosten bei Mischfinanzierung
k0 Eigenkapitalkosten bei reiner EK-Finanzierung
KSt Körperschaftsteuern
L Liquidität
LuL Lieferungen und Leistungen
NCFI Netto-Cashflow einer Investition
NOPAT Net Operating Profit after Taxes
OCF Operativer Cashflow
OCF* OCF inklusive Zinsaufwand Preisänderung in
[14]r Nominalzinssatz
RST Rückstellungen
SA Standardabweichung
ß Beta eines Unternehmens
t Steuersatz
U.S. GAAP U.S. Generally Accepted Accounting Principles
UV Umlaufvermögen
VG Verschuldungsgrad
Wechselkursänderung in Prozent
W(Euro) Wechselkurs mit Basiswährung Euro
WC Nicht monetäres Working Capital
Z Regelmäßige Zahlung, Annuität
Zt Ein- oder Auszahlung zum Zeitpunkt t
Δx Veränderung einer Größe x (x1 – x0)
ZCM Zentrales Cash-Management

[15]I Globales finanzwirtschaftliches Umfeld

LERNZIELE

[17]1 Das Bühnenbild des internationalen Finanzmanagements

1.1 Identische Grundfragen

Fast alle Entscheidungen von Unternehmen haben finanzielle Auswirkungen, egal, ob neue Investitionsprojekte geplant werden, ob das Unternehmen seinen Marktanteil erhöhen will oder ob ein neues Marketingkonzept umgesetzt werden soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein börsennotiertes Unternehmen mit Hunderttausenden von Aktionären und Mitarbeitern handelt, wie etwa die Siemens AG, um einen kleinen oder mittelständischen Betrieb oder um ein öffentlich-rechtliches Unternehmen. Die dabei zu lösenden klassischen finanzwirtschaftlichen Fragen unterscheiden sich zunächst nicht zwischen rein national ausgerichteten Unternehmen oder international tätigen Konzernen.

  1. Investitionsfrage:
    Welche Investitionen sollen nach welchen Kriterien vorgenommen werden, um in Zukunft weiterhin erfolgreich zu sein? Wie soll ein Unternehmen zwischen alternativen Investitionsprojekten eine Wahl treffen? Wie wirkt sich die Umsetzung eines Investitionsprojekts auf den Wert des Unternehmens aus?
  2. Finanzierungsfrage:
    Wie können und wie sollen diese Investitionen finanziert werden? Mit Eigenkapital, über den betrieblichen Umsatzprozess oder durch Fremdkapital? Soll die Finanzierung über Banken oder über den Kapitalmarkt erfolgen? Wie hoch sind die Finanzierungskosten, die Vor- und Nachteile der verfügbaren Finanzierungsquellen?
  3. Eigenkapital- und Wertfrage:
    Was soll mit dem erwirtschafteten Gewinn erfolgen? In welcher Form kann und soll er an die Eigentümer ausgeschüttet werden? Wie viel Eigenkapital benötigt ein Unternehmen? Wie hoch sind die Eigenkapitalkosten und welche Faktoren bestimmen ihre Höhe?
  4. Planung und Steuerungsfrage:
    Wie kann man das Unternehmen unter finanzwirtschaftlichen Aspekten am besten steuern? Wie erfolgen die Finanzplanung und das Liquiditätsmanagement?

Diese vier Kernfragen der Finanzwirtschaft sind für national ausgerichtete Unternehmen genauso zu beantworten wie für jeden multinationalen Konzern. Der zentrale Unterschied besteht allerdings darin, dass sich die Rahmenbedingungen für das unternehmerische Handeln ändern, sich erhöhte Chancen und Risiken ergeben und zusätzliche strategische Fragestellungen entstehen. Beginnen wir mit den veränderten Stakeholderstrukturen.

1.2 Veränderte Stakeholderstrukturen

Unternehmen können auf vielfältige Weise mit dem Ausland verbunden sein. Betrachten wir hierzu Abbildung 1.1. Im unteren Bereich zeigt sie die nationalen Interessengruppen [18](Stakeholder) eines Unternehmens. Sofern keine Stakeholder aus dem Ausland existieren, handelt es sich um ein rein national ausgerichtetes Unternehmen. Dieser Fall ist allerdings sehr selten. Viele Unternehmen beliefern nämlich von ihrem Heimatmarkt aus über Exporte auch ausländische Kunden oder sie beziehen Vorprodukte und Vorleistungen aus dem Ausland.

Das inländische Unternehmen kann auch ausländische Anteilseigner haben oder es hat einen Kredit im Ausland aufgenommen. Üblicherweise tritt dieser Fall aber erst dann ein, wenn ein Unternehmen über seine Kunden und Zulieferer im Ausland bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Im Folgenden werden wir immer dann von einem internationalen Unternehmen sprechen, wenn ein signifikanter Teil der Zulieferer oder Kunden aus dem Ausland stammt. Das konstituierende Merkmal »Zulieferer und Kunde« wird in der Abbildung 1.1 deshalb grau unterlegt. Wie hoch der prozentuale Auslandsanteil mindestens sein sollte, um von einem internationalen Unternehmen sprechen zu können, ist akademischer Natur und ohne weitere praktische Relevanz.

Abbildung

Abb. 1.1: Stakeholder eines internationalen Unternehmens (Quelle: Eigene Darstellung)

Unternehmen können nicht nur über Exporte ausländische Märkte bedienen, sondern auch durch die Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland.

Info

Eine Tochtergesellschaft ist ein rechtlich eigenständiges, aber wirtschaftlich unselbstständiges Unternehmen, das von der Muttergesellschaft kontrolliert wird. Eine Niederlassung hingegen ist lediglich ein Standort eines Unternehmens, von dem aus wirtschaftliches Handeln erfolgt, der allerdings keine eigene juristische Einheit darstellt.

Die Tochtergesellschaft bedient vor Ort Kunden und greift auf lokale Zulieferer zurück. Sie hat Mitarbeiter und ein Management, das die Tochtergesellschaft vor Ort leitet. Da die Tochtergesellschaft ihren Sitz im Ausland hat, sind nun auch staatliche Organisationen, Steuerbehörden und gesellschaftliche Gruppen Bestandteil der Stakeholder. Die Finanzierung der Tochtergesellschaft kann über das Mutterunternehmen erfolgen, doch häufig wird die Tochtergesellschaft [19]zumindest teilweise über den Banken- und Kapitalmarkt im Ausland mit Fremdkapital ausgestattet. Das Mutterunternehmen ist Eigentümer der Tochtergesellschaft, doch finden sich auch Konstellationen, bei denen sich ausländische Eigenkapitalgeber an der Tochter beteiligen.

Ein Unternehmen mit ausländischen Tochtergesellschaften ist sicherlich ein internationales Unternehmen, weil es das konstituierende Merkmal Kunden und Zulieferer im Ausland ausweist. Doch ist das Spektrum der Internationalisierung nun offenkundig größer als Unternehmen, die »nur« über Kunden und Zulieferer international ausgerichtet sind. In der Literatur werden Unternehmen mit Tochtergesellschaften im Ausland »multinationale Unternehmen« genannt, wenngleich die Sprachregelung nicht einheitlich ist. Multinationale Unternehmen sind typischerweise in mehreren Ländern mit eigenen Niederlassungen und Tochtergesellschaften vertreten. Häufig handelt es sich um große börsennotierte Konzerne mit internationalen Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern. Das konstituierende Wesensmerkmal ist die Produktion von Gütern und Dienstleistungen in verschiedenen Ländern vor Ort. In Kutschker/ Schmid finden Sie eine ausführliche Darstellung der historischen Suche nach einer »richtigen« Definition (siehe Kutschker/Schmid, 2012, S. 244 ff.). Multinationale Unternehmen nutzen dabei die lokalen Vorteile wie niedrige Löhne und Steuersätze oder ein für sie vorteilhaftes regulatorisches Umfeld, um höhere Gewinne zu erzielen. Die Steuerung multinationaler Unternehmen erfolgt häufig aus globaler Perspektive und nicht primär aus nationaler Sicht.

1.3 Veränderte Rahmenbedingungen

Mit der Internationalisierung ändern sich für Unternehmen nicht nur die Stakeholderstrukturen, sondern auch die Rahmenbedingungen ihres wirtschaftlichen Handelns. Offensichtlich kann die Veränderung der verwendeten Sprache zu Verständigungsproblemen führen. Zwar wird in vielen Ländern Englisch gesprochen und Englisch wird oft als Arbeitssprache in ausländischen Tochtergesellschaften verwendet, doch zwei Menschen können sich in ihrer Muttersprache meist schneller und mit weniger Missverständnissen austauschen als in einer Fremdsprache.

Weniger offenkundig als Sprachunterschiede sind kulturelle Unterschiede zwischen Ländern. Da wirtschaftliches Handeln immer von Menschen ausgeht, die ihre kulturelle Prägung durch ihr Land und ihre Region erfahren haben, ist das Wissen um die Unterschiedlichkeit der Kulturen und das Verständnis für das Andere ein essenzieller Erfolgsfaktor für internationale Unternehmen. Wir haben deshalb diesem Punkt ein eigenes Kapitel (3.3) gewidmet.

Beim Überschreiten der Landesgrenze ändert sich stets auch das rechtliche und politische Umfeld für Unternehmen. Rechtsordnungen und die Rolle von Institutionen unterscheiden sich, Behörden haben in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Kompetenzen und Aufgaben. Der Wechsel des rechtlichen und politischen Umfelds ist dabei für Unternehmen mit einer eigenen Präsenz im Ausland noch bedeutsamer als für Unternehmen, deren Internationalisierung [20]sich auf Importe und Exporte beschränkt. Doch selbst in diesem Fall muss man die »Spielregeln« und Abläufe in den jeweiligen Ländern kennen. Wegen der großen Bedeutsamkeit wird dieses Thema innerhalb eines eigenen Kapitels behandelt (Kapitel 16), in dem auch das Management politischer Risiken beschrieben wird.

Sprache und Kultur (Kapitel 3.3) Jedes Land ist »einzigartig«
Rechtliches und politisches Umfeld (Kapitel 16) Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln ändern sich durch veränderte Rechtsordnungen, Wertevorstellungen und beteiligte Institutionen
Währungsfragen (Kapitel 8–15) Währungssystem, Devisenmarkt, Währungsinstrumente
Investition und Finanzierung (Kapitel 17–19) Grenzüberschreitende Investitionen, deren Gewinnbesteuerung und Finanzierung
Erweiterte Chancen (Kapitel 2) Nutzung von Marktunvollkommenheiten
Erweitere Strategiefelder (Kapitel 3) Internationaler Marktauftritt, Zielmarktstrategien, Organisationsstruktur usw.

Tab. 1.1: Veränderte Rahmenbedingungen

Im Außenhandel und bei Investitionen im Ausland werden Fremdwährungen benötigt. Dies wirft bedeutsame Fragen auf: Wer legt die Austauschrelationen zwischen zwei Währungen (d. h. den Wechselkurs) fest? Welche Rolle spielen dabei staatliche Institutionen und das freie Spiel der Marktkräfte? Kann man Wechselkurse prognostizieren? Welches Währungsrisiko entsteht für ein Unternehmen im Außenhandel und bei Auslandsinvestitionen und mit welchen Instrumenten kann man Währungsrisiken messen und vermeiden? Wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung für finanzwirtschaftliche Fragestellungen werden diesen Themen die Kapitel 8–15 gewidmet.

Bei grenzüberschreitenden Investitionsprojekten sind stets zwei Länder involviert, die sich in wichtigen Investitionsparametern unterscheiden können, etwa der Inflationsrate, den Zinssätzen, den politischen Risiken, den Wechselkursen oder der Steuergesetzgebung. Auch Leistungsbeziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft im Rahmen des Projekts sind entscheidungsrelevant, etwa die Lieferung von Vorprodukten oder die Finanzierung durch einen konzerninternen Kredit. Die Ermittlung der Vorteilhaftigkeit einer Investition sowie die Besonderheiten seiner Finanzierung und Besteuerung sind bei grenzüberschreitenden Investitionen deutlich komplexer als bei inländischen Investitionen (Kapitel 17–19).

International tätige Unternehmen sind Risiken ausgesetzt, die national ausgerichtete Firmen nicht kennen. Diese Risiken nehmen sie nur deshalb in Kauf, weil die Internationalisierung ihnen offenkundig auch entsprechende Chancen bietet. Die Quelle aller Chancen liegt in der Unvollkommenheit der Märkte, die profitabel genutzt werden können. Diese »Unvollkommenheit« kann auf Faktormärkten vorliegen, etwa, weil Arbeitskosten in Vietnam deutlich billiger sind als in Deutschland oder bestimmte Rohstoffe nur im Ausland gefördert und gekauft [21]werden können. Auch Gütermärkte sind unvollkommen, man denke nur an die Ungleichverteilung der Kaufkraft oder die unterschiedliche Bevölkerungszahl in den einzelnen Ländern. Die Unvollkommenheit kann im politisch-rechtlichen System begründet sein, etwa, wenn Gewinne im Ausland nicht oder viel geringer besteuert werden als im Inland oder einzelne Länder Unternehmen über hohe Subventionszahlungen ins Land locken. Selbst Finanzmärkte sind nicht vollkommen. In manchen Ländern und in manchen Währungen lassen sich Finanzmittel leichter und günstiger beschaffen als in anderen. All diese Unvollkommenheiten können durch eine passende Internationalisierungsstrategie genutzt werden, um den betrieblichen Umsatz zu steigern, die Produktionskosten zu reduzieren oder Ressourcen zu nutzen, die im Inland nicht verfügbar sind.

Internationale Unternehmen und insbesondere multinationale Unternehmen stehen vor erweiterten strategischen Fragestellungen. Von herausragender Bedeutung ist die Entscheidung über den richtigen Marktauftritt im Ausland. Sollen ausländische Kunden über Exporte bedient werden oder durch eine Produktion vor Ort in einer eigenen Tochtergesellschaft? Soll man den Marktauftritt allein oder mit einem Partner durchführen? Wir werden diesen Fragen detailliert in Kapitel 2 nachgehen. Alle weiteren strategischen Fragestellungen werden in Kapitel 3 skizziert.