Toni der Hüttenwirt – 160 – Du warst meine erste Liebe

Toni der Hüttenwirt
– 160–

Du warst meine erste Liebe

Flackern die Gefühle wieder auf?

Friederike von Buchner

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-119-4

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Es war früher Morgen. Bürgermeister Fellbacher saß an seinem Schreibtisch und las die Zeitung. Gina, die Gemeindesekretärin, kam herein und schloss die Tür.

»Was gibt es?«, fragte Fellbacher.

Gina senkte die Stimme.

»Die Chris steht draußen und möchte Sie sprechen. Sie ist in Uniform. Was sie will, wollte sie mir nicht sagen.«

Bürgermeister Fellbacher stand die Freude ins Gesicht geschrieben.

»Gina, das hat alles seine Ordnung. Bringe die Chris herein! Dann machst du uns Kaffee und setzt dich zu uns. Häng draußen an die Tür ein Schild, dass vorübergehend geschlossen ist.«

Gina zog die Augenbrauen hoch, stellte aber keine weitere Frage.

Kurze Zeit später saß der Bürgermeister mit der jungen Polizistin am Besprechungstisch. Gina brachte Kaffee und Gebäck, dann setzte sie sich dazu.

»Wir sind gespannt, was du uns zu erzählen hast, Chris. Deinen Andeutungen am Telefon nach hat dein Kollege etwas herausgefunden.«

»So ist es!«

Chris öffnete den dicken braunen Umschlag, den sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Sie holte einen Packen Ausdrucke heraus und legte sie nebeneinander auf den Tisch. Bürgermeister Fellbacher und Gina betrachteten interessiert die Farbfotos.

»Da staunt ihr?«, lachte Chris. »Das berühmt-berüchtigte Foto vom Waldkogeler Wolf ist eine Fälschung. Schaut euch die einzelnen Aufnahmen genauer an, dann seht ihr es genau. Das erste Foto wurde in einem Wald aufgenommen, vielleicht sogar in der Nähe von Waldkogel. Das zweite Foto zeigt einen Hund, einen Mischling, um genau zu sein. Er ist keiner Rasse eindeutig zuzuordnen. Wie ihr seht, fehlt auf den Fotos mit dem Hund der Hintergrund. Wahrscheinlich zeigt die ursprüngliche Aufnahme den Hund beim Spielen, zum Beispiel auf einem Hundeplatz, beim Training. Der Hund wurde ›freigestellt‹, wie es im Fachjargon heißt. Das heißt, der Hintergrund wurde entfernt, sodass nur noch das Tier übrig blieb. Danach veränderte man die Schärfe, das kann heute jedes bessere Bildbearbeitungsprogramm. Die Aufnahme war danach so verschwommen, dass man nun behaupten konnte, dies sei ein Wolf. Dieses Tier, ohne Hintergrund, wurde nun in das Foto mit dem Wald hineinkopiert. Jetzt hatte man ein neues Foto, das ein Tier im Wald zeigte. Das nennt man eine Fotomontage. Wenn man es zu einem unlauteren Zweck verwendet, ist es eine Fälschung. Wie gesagt, so etwas kann heute jeder, der sich etwas mit Computern auskennt. Ein Experte aber sieht sofort, dass die Konturen des Tieres unsauber sind und dass noch Reste des ursprünglichen Hintergrunds zu erkennen sind.«

Bürgermeister Fellbacher grinste und strahlte über das ganze Gesicht. Er schlug vor Vergnügen mit der Hand auf die Tischplatte.

»Mei, dann ist das Ganze Lug und Betrug. So eine Sauerei! Aber irgendwie hatte ich gleich ein komisches Gefühl. Lorenz ging es ebenso und der Beate auch. Beide hielten es für eine Zeitungsente, die das Sommerloch stopfen sollte.«

Chris, die junge Polizistin, trank einen Schluck Kaffee.

»Chris, ich danke dir und deinem Kollegen auch. Sag ihm, dass die Gemeinde Waldkogel ihn einlädt. Er kann einige Tage Urlaub in Waldkogel machen, zum Beispiel auf der Berghütte. Was meinst du, würde ihm das gefallen?«

Chris lachte.

»Fellbacher, hör auf! Das will ich mir erst gar net vorstellen. Sicher würde es ihm gefallen. Er wäre schneller hier, als wir denken können. Aber dann würde ich genauso schnell das Weite suchen.«

»Dann hat er es immer noch auf dich abgesehen?«

»Sicher, deshalb hat er sich auch mächtig ins Zeug gelegt. Aber er ist nicht mein Typ. Nicht dass er nicht gut aussehen würde. Er ist auch tüchtig und alle schätzen ihn. Leider will er nicht einsehen, dass immer zwei dazu gehören. Ich bin nun mal net verliebt in ihn.«

»Wirst schon noch den richtigen finden, Chris, bist ein fesches Madl!«

»Danke, Fellbacher, noch besser wäre es, wenn der Kollege bald ein Madl finden würde.«

»Gut, dann werde ich mir etwas anderes einfallen lassen.«

Chris trank noch einen Schluck Kaffee. Sie rührte mit dem Löffel langsam den Rest Kaffee in ihrer Tasse hin und her.

»Bürgermeister, ich habe es bereits gesagt: Das Foto, was diese Zeitungstussi geschickt hat, ist eine Fälschung. Man will damit etwas erreichen, somit ist es eine Straftat.«

»Des habe ich mir auch gerade überlegt, Chris.«

»Sie sollten sich überlegen, ob Sie dagegen vorgehen und wann Sie es tun wollen.«

»Wie meinst des jetzt?«, fragte Fellbacher.

»Nun, wenn ich zum Beispiel sofort eine Anzeige schreibe, dann würde die verantwortliche Redakteurin der Zeitung vorgeladen und befragt werden. Doch an die Hintermänner kämen wir auf diese Weise nicht heran, denke ich. Wer waren die Männer im Wald und was wollten sie dort? Es ist klüger, sein Pulver nicht zu früh zu verschießen. Stimmt’s?«

Fritz Fellbacher rieb sich das Kinn.

»Recht hast du, Chris. Da steckt mehr dahinter. Darauf kommt es an. Mir als erfahrenem Politiker kommt es so vor, als sei die Sache mit dem Wolf nur ein Ablenkungsmanöver.«

»Ja, das ist durchaus möglich, Herr Bürgermeister. Gerüchte werden einerseits aus Dummheit in die Welt gesetzt und verbreiten sich wie schlechter Geruch. Meistens werden sie aber gezielt gestreut, und die Absicht dabei ist meist leicht zu erkennen. In unserem Fall kann man über die wahren Gründe nur mutmaßen, bis wir mehr Information über die Männer haben. Wissen wir, wer sie sind, was sie so treiben und tun im Leben, denn können wir uns vielleicht einen Reim darauf machen, was sie bei uns vorhaben. Außerdem interessiert mich doch sehr, wie diese Leute mit der Zeitung damit zusammenhängen. Daraus ergeben sich verschiedene Fragen. Erstens, ist die Zeitung darin verstrickt? Zweitens, lässt sie sich bewusst vor jemandes Karren spannen? Drittens, wenn ja, welchen Nutzen hätte sie davon, die Zeitung oder der Chefredakteur privat?« Chris nickte eifrig und fügte hinzu: »Entweder handelt die junge Redakteurin auf Weisung von oben oder sie denkt, sie ist auf einer heißen Spur, die sie auf der Karriereleiter nach oben bringt. Vielleicht steckt sie aber auch mit den Hintermännern unter einer Decke. Erst wenn wir wissen, wer diese Männer sind, kommen wir weiter. Bis dorthin üben wir uns in Geduld.«

Bürgermeister Fellbacher klopfte mit den Fingern auf die Tischplatte. Er dachte nach.

»Chris, auf jeden Fall kannst du schon mal die Anzeige gegen Unbekannt schreiben. Dann bringst du sie mir her. Ich kann sie dann unterschreiben, muss sie aber nicht abgeben. Vielleicht findet Lorenz Hofer etwas heraus. Es muss einen Zusammenhang zwischen dem Wolfsgerücht und den seltsamen Heinis im Wald geben. Dann knüpfe ich mir sie vor und wedele ihnen mit deinem Schriftstück ein bisserl vor der Nase herum. Dazu drohe ich, ihre Machenschaften öffentlich zu machen und sie wegen Irreführung und Betrugs anzuzeigen. Wenn sie nicht klein beigeben, muss ich nur die Anzeige offiziell machen, und du kannst die Vorladungen rausschicken.«

»Gute Idee, Herr Bürgermeister! Doch passen Sie auf, dass Sie mit Ihrem Eifer nicht zu weit gehen. Sie wissen doch, Sie dürfen sie nicht bedrohen, erpressen oder nötigen.«

»Ich weiß es, Chris. Aber ich bin fähig, auch so den Lackaffen eine gehörige Portion Angst einzujagen. Mei, ich bin sauer. Nächtelang konnte ich net schlafen und habe mir Sorgen gemacht. Des müssen sie mir büßen. So leicht kommen sie nicht davon!«

Bürgermeister Fellbacher sammelte die vergrößerten Fotos ein und verschloss sie in seinem Schreibtisch.

»So, liebe Chris, hab vielen Dank, für deine Recherche«, sagte er. »Jetzt können wir alle der Sache gelassener entgegensehen. Ich werde mich sofort auf den Weg machen und den Lorenz und die Beate informieren. Anschließend besuche ich meinen Freund, den Pfarrer Zandler. Ein Gespräch mit ihm tut meinem Seelenfrieden gut.«

Gina und Chris schmunzelten.

Chris trank den Kaffee aus und verabschiedete sich. Fellbacher ging mit ihr hinaus und machte sich sofort auf den Weg, die Tierärztin Doktor Beate Brand und den Förster zu besuchen, um ihnen von den Bildfälschungen zu berichten.

Er war bester Laune. Endlich kam Bewegung in diese Angelegenheit.

*

Johanna Stiegelbaur, genannt Hanni, stand am Förderband der Gepäckausgabe des Münchener Flughafens und wartete auf ihr Gepäck. Sie arbeitete als Direktionsassistentin bei einer internationalen Luxushotelkette. Es gehörte zu ihren Aufgaben, die Hotels weltweit zu kontrollieren und das Management zu beaufsichtigen. Sie war etwas müde, der Jetlag machte ihr zu schaffen. Endlich kam ihr Koffer. Sie zog ihn hinter sich her und ging in die Lounge der Fluggesellschaft. Dort arbeitete ihre Freundin Jenny.

»Da bist du, ich freue mich!«, sagte Jenny.

»Ich freue mich auch!«

Die beiden jungen Frauen begrüßten sich herzlich.

»Gehen wir in ein Café hier am Flughafen oder fahren wir nach München rein?«

»Ich hätte Lust auf ein Bier in einem schönen Biergarten. Unter schönen alten Bäumen an Biertischen zu sitzen, das würde meiner armen geschundenen Seele guttun«, seufzte Johanna. »Ich bin so froh, dass ich Urlaub habe und dem Luxus entgehen kann. Sicher ist Luxus schön, aber wenn du diese Kunstwelt um dich hast, dann sehnst du dich nach dem einfachen und unkomplizierten Leben.«

Jenny lächelte. Sie wusste genau, von was die Freundin sprach.

Die beiden gingen zum Parkplatz und stiegen in Jennys Auto. Jenny fuhr zu einem Biergarten. Am Vormittag waren nur wenige Gäste da. Sie setzten sich weiter hinten unter eine schöne alte Kastanie. Die Bedienung kam. Sie bestellten und mussten nicht lange auf die Brotzeit warten. Es war eine herzhafte Wurst- und Käseplatte. Dazu gab es Bier vom Fass.

Johanna griff sofort zu und aß das Brot mit Wurst aus der Hand. Sie schloss die Augen.

»Himmel, schmeckt das gut!«

Sie prostete der Freundin zu und trank einen Schluck Bier.

»Das ist doch etwas anderes als Kaviar, Hummer, Langusten und Champus. Ich bin eben, genau wie du, ein Madl aus den Bergen. Ein solches Essen, das ist mehr als Nahrung, das ist …«, sie suchte nach Worten.

Jenny schmunzelte und ergänzte:

»Das ist Heimat.«

»Genau, das ist es. Es gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit.«

Sie aßen.

»Wie lange hast du Urlaub?«

»Drei Wochen sind es. Aber wenn ich will, kann ich noch einige Tage dranhängen, ich habe viele Überstunden angesammelt, aber das ist noch nicht entschieden. Ich muss erst mal sehen, wie es läuft.«

»Verstehe!«, lächelte Jenny. »Ich erinnere mich an deinen letzten Urlaub daheim. Sosehr du dich auch gefreut hattest, so unerträglich wurde es dir schon nach einer Woche.«

»Das stimmt. Ich bin dir immer noch dankbar, dass du mich mit dem fingierten Anruf aus dem Urlaub geholt hast.« Johanna seufzte tief. »Es ist ein Konflikt, Jenny. Meine Eltern sind reizende Leute, und sie sind sehr stolz auf mich. Aber mein Leben ist für sie ziemlich ungewöhnlich, um nicht zu sagen exotisch. Es beschäftigt sie immer mehr, da ich ja nicht jünger werde, ob es ewig so weitergehen wird, mit meiner Karriere. Eine Frau sollte irgendwann sesshaft werden, so mit Mann, Kindern, Haus, Garten, Hund und Katze.«

Jenny lachte.

»Diese Litanei kenne ich nur zu gut, Hanni. Meine Eltern fragen ständig, ob es bei der Fluggesellschaft keine feschen, ledigen Burschen gäbe. Ich erzähle ihnen nichts. Das ist besser so. Sie würden sich sonst sofort einmischen.«

»Das kenne ich. Ich habe mir schon überlegt, ob ich ihnen dieses Mal eine Geschichte erzähle – ich gebe es zu – sie einfach belüge, um Ruhe zu haben. Es war im letzten Urlaub unerträglich. Jeden Abend war Besuch da, alles Leute mit ledigen Söhnen. Ich dachte mir, diesmal erzähle ich ihnen, ich hätte mich bei meinem letzten Besuch in Australien verliebt. Er wäre Farmer und hätte eine Gästelounge am Rand des Outbacks. Dann habe ich vielleicht Ruhe, was meinst du?«

Jenny dachte einen Augenblick nach.

»Warum nicht? Australien ist weit weg und deine Eltern sprechen kein Englisch.«

»Ich habe ein sehr schlechtes Gewissen. Aber sie mischen sich in mein Leben ein. Ich liebe meine Eltern, aber der Druck, mich endlich zu binden, ist sehr groß.«

»Sie gehören einer anderen Generation an. Da gab es für ein Madl nur die Mutterrolle.«

»Das stimmt, Jenny. Aber es ist unlogisch. Ich bin zur Schule gegangen, habe das Abitur gemacht und studiert. Dagegen hatten sie keine Einwände, im Gegenteil, sie wollten es. Jetzt kommt es mir vor, als sollte ich in der Zeit zurückreisen. Vielleicht wollten sie nur, dass ich eine gute Ausbildung mache, um mir in den sogenannten höheren Kreisen ein Mann zu angeln. So kommt es mir vor.« Johanna seufzte tief. »Dieser Druck trübt meine Urlaubsvorfreude erheblich.«

»Lass dich davon nicht herunterziehen, Hanni! Wenn es nicht anders geht, greifst du eben zur Notlüge. Damit verschaffst du dir erst einmal eine Atempause. Wenn du es geschickt anstellst, dann hält das für länger, vielleicht sogar über Jahre.« Jenny grinste. »Ich kann dich anrufen und so tun, als wäre ich dein Bursche aus Australien. Du darfst dich beim Nennen des Vornamens nur nicht versprechen. Hast du dir schon einen Namen ausgedacht?«

Johanna lachte.

»Sicher, ich darf mich doch nicht verhaspeln. Auf dem Flug hierher habe ich an nichts anderes gedacht. Ich habe eine Biographie für ihn entworfen.«

»Erzähle!«