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STEFAN GOEBELS: „Käsablanca“

1. Auflage, Mai 2019, Periplaneta Berlin, Edition Drachenfliege
© 2019 Periplaneta - Verlag und Mediengruppe

Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin
www.periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Die Handlung und alle handelnden Personen sind erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Ereignissen wäre rein zufällig. In Fällen satirischem oder kabarettistischem Auftauchen von Wirklichkeit oder dem Anschein desselben, berufen sich Autor, Protagonisten allerlei Geschlechts und der Verlag ausdrücklich auf die Satirefreiheit.

Lektorat: Sarah Strehle
Cover, Satz & Layout: Thomas Manegold

print ISBN: 978-3-95996-126-4
epub ISBN: 978-3-95996-127-1

Stefan Goebels

Käsablanca


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Prolog

Ich träumte früher, das Herz der Welt bestünde aus brodelndem Fett. Ohne Schmerzen tauchte ich ein und aß von meinem eigenen Leib, sobald er mir knusprig genug erschien. Wachte ich während der Nächte, wünschte ich mir, eine Klappe wäre in die Wand meines Kinderzimmers montiert, ein Spender für Currywurst und Pommes, jederzeit auf Knopfdruck aktivierbar.

Im Nordsee-Urlaub mit meinen Eltern quälte ich mich durch stundenlanges Spazieren, bis wir abends endlich ins Restaurant gingen. Essen stand, seit ich ein Knirps war, an erster Stelle für mich, nicht Luft, Landschaft oder Liebe.

Die Verlockungen der Welt sind vielfältig; manch ein Bursche frönt fleischlichen Gelüsten, manch einer sucht Ausgleich im Sport. Auch schön.

Aber mich erregten weder körperliche Betätigung noch intimes Bezirzen jemals in der Art und Weise, wie es die Berührung der Zunge durch die Geschmacksträger dieser Welt zustande brachte.

Jedoch sind sie es, die Verderben über uns bringen, ein seelenstrangulierender Shake aus Desastrose und Vita-Ruin, der den Körper mit Fett und die Psyche mit Scham aufpolstert.

Erst die Begegnung mit dem Käse schuf mir eine Bestimmung. Ich trachtete fortan danach, etwas zu erschaffen, das der Welt nachhaltig zur Genesung verhilft. Der heiße Happen ohne gewichtiges Gewissen, keine Konsequenzen, kulante Kohlenhydrate, vom schnellen Imbiss zwischendurch bis hin zu mehr als einer Hauptmahlzeit ohne Reue - dem schwor ich mein Leben zu widmen.

Ohne die vielen Brüder und Schwestern, die Emulgatoren meines Willens, wäre mir das erreichen meines Zieles niemals gelungen. Sie verlängerten über Jahre hinweg mit Rat und Tat mein Durchhaltbarkeitsdatum. Ich danke Ihnen allen dafür.

Vorwort von »Kein Mampf« - Autobiografie von Friedrich Schnitzler, CEO von Cheezy Livin’ Inc.

Die Menge an Käse wird nur durch die Höhe des Ofens begrenzt.

Unbekannter Philosoph

Nun bist du da, wo ich dich haben will, und du hast keinen Schimmer, wo du dich befindest. Dein Atem geht schwach, aber es steckt noch Leben in dem jungen Körper, den du jedes Wochenende so verachtest, wenn du ihn mit billigem Studentenalkohol aus Studentenkneipen zuschüttest, obwohl du schon vor Jahren dein Studium abgebrochen hast.

Fett hat er dich freilich nicht gemacht. Du hast nie erlebt, wie es ist, zu viel Fleisch auf den Rippen zu haben, so viel Fleisch, dass es einem das innere Strahlen dimmt. Im Sinne deiner Individuality und Liberty wirst du über mein Handeln im wahrsten Sinne des Wortes pikiert sein.

Ich werde die Angst wie eine Nadel tief in dein Inneres treiben, deinen Charakter prüfen und ihm Reife angedeihen lassen. Mein Handeln wird frischen Wind in dein Leben bringen und dir gleichzeitig die Luft zum Atmen rauben. Schon jetzt höre ich die schalen Schichten brechen, aus denen sich dein von dir so wenig geschätztes Life zusammensetzt.

Ein guter Parmesan vereint viele Aromen: Bereits sein Duft ist ein Erlebnis, Rosinen, vielleicht auch Ananas, dann auf der Zunge die Salzkristalle, die im Mund zerknuspern. So ein Käse wahrt die Balance zwischen säuerlichen und pikanten Noten, zwischen Würze und Süße.

Auch für ein anständiges Leben gilt, dass es unterschiedliche Geschmacksnoten in Harmonie vereinen sollte. Doch du hast dich von den vielen faden Noten deiner sinnlosen Existenz überwältigen lassen und quälst deine Mitmenschen mit deiner wehleidigen Arroganz und Ignoranz.

Wie konntest du das dem Mädchen nur antun? Du hast jetzt genügend Zeit, darüber nachzudenken, was du angerichtet hast. Denn ab sofort stehst du allein im Mittelpunkt des Tastings - es ist allein an dir, zu checken, wie man überlebt.

Wie findest du dein neues Zuhause? Der Hartkäse, den ich für die Hülle ausgewählt habe, ist einer der besten auf der ganzen Welt. An seinem unverwechselbaren Aroma wirst du sogleich erkennen, in welch misslicher Lage du dich befindest. Wusstest du schon, dass bei altem Parmesan die würzigen, nussigen Aromen besonders ausgeprägt sind?

Eigentlich solltest du mir dankbar sein, dass ich deinem Leben etwas Würze verleihe. Ich bin mir meines Verbrechens bewusst, halte es aber für unbedingt notwendig und bin gespannt, wie du dich schlägst.

Nächtlicher Monolog eines Zerstreuten

1 – Der Mädelsabend

»Auf uns, Mädels!« Lava Rougette hob ihr Glas. »So hübsch kommen wir nicht mehr zusammen.« Der bunte Schein der LED-Lampe auf dem Tisch verlieh ihrem Gesicht Farbe, etwas, das ihm seit Wochen fehlte.

»Hoffentlich auch nicht so unglücklich«, sagte Marie.

»Er ist ein Arsch«, sagte Friederike.

Lava Rougette starrte zur Wand. Es war an der Zeit, ein paar Tränen zu vergießen. Marie rutschte zu ihr herüber und schlang einen Arm um sie.

»Was willst du jetzt tun?«, fragte Friederike.

»Ich weiß nicht«, sagte Lava Rougette. »Vielleicht Schluss machen. Vielleicht auch nicht.«

Andrea erschien in der Tür und schwenkte den »Freicksenett«, wie sie zu sagen pflegte. »Will noch jemand was?«, fragte sie. »Sonst mache ich den leer.«

Die Form ihres Körpers ähnelte dem der Flasche. Sie schwankte bereits wieder leicht, wie ein Schiff am Dock bei geringem Seegang. Die anderen verdrehten die Augen.

»Alkohol hilft auch nicht immer«, sagte Friederike in diplomatischem Tonfall. »Wir sind schließlich keine Kerle.«

»Na gut«, sagte Andrea und schenkte sich und Lava Rougette ein. »Rumheulen hat aber auch niemandem geholfen.«

»Und was schlägst du vor?«, fragte Marie.

»Gehen wir Tanzen!«, sagte Andrea.

Drei Augenpaare sahen sie entsetzt an. Lava Rougette stützte die Arme auf den Glastisch und vergrub ihren Kopf in den Handflächen. »Sorry, darauf komme ich gerade echt nicht klar«, schluchzte sie. »Das ist gerade alles ein bisschen viel für mich.«

Am liebsten hätte sie Andrea auf der Stelle aus ihrer im Stil der schwedischen Moderne eingerichteten Zwei-Zimmer-Wohnung rausgeworfen. Das ging aber nicht so einfach, denn Andrea gehörte jetzt zur Clique, wie Marie immer sagte. Für Lava Rougette klang der Begriff Clique nach einer Gruppe krimineller Halbstarker.

»Vielleicht ist das gar nicht die schlechteste Idee«, sagte Marie. »Du musst mal begreifen, dass es auch noch andere Männer auf der Welt gibt.«

Lava Rougettes Schädel dröhnte. Der Abend lief nicht wie geplant. Es war nach Mitternacht, also schon spät zum Weggehen, zumindest für eine Fast-Dreißigerin, die nicht Andrea hieß und sich das ganze Wochenende über am frühen Freitagabend wähnte. Der Gedanke an eine schummrige Kellerdisco inklusive der Resterampe männlicher Singles erschien ihr alles andere als erquickend.

Inständig hoffte sie, die anderen beiden würden sie retten, doch sicher war das keineswegs. Als Single-Städterinnen befanden sie sich in einem Schwebezustand, wie diese Dinger in dem Quantencomputer, dessen Prinzip Floyd ihr fast täglich ungefragt erklärte. Hatte der Tag sie noch so gestresst, blieben Party und Pirsch permanent präsent und ihre Stimmung schlug oft von einem Moment auf den anderen dazu um, einen draufmachen zu wollen.

»Hast du dich eigentlich mal angemeldet?« Marie spielte auf die Bumsbörsen an, die sie ihr empfohlen hatte. Sie selbst besaß gleich auf mehreren ein Profil. Ihr niedliches Gesicht und die seidig-blonden Haare zogen eine ganze Menge meist glatzköpfiger, tätowierter Männer an. Sie ersparte sich jedoch Enttäuschungen, indem sie nie einem Mann antwortete. Laut eigener Aussage reichte ihr das Kopfkino, von einer Horde Asozialer begehrt zu werden.

»Nein, du darfst nicht einfach mit anderen Typen chatten«, sagte Friederike und zupfte an Blazer und braunem Bob herum. »Das wäre Betrug.« Sie nahm den Rang der Judikative innerhalb der Clique ein. Auch wenn es um männliches Fehlverhalten ging, diente sie stets der Gerechtigkeit. »Du bist noch mit ihm zusammen. Du musst mit ihm reden.« Eine halbe Minute Schweigen.

»Drei Single-Frauen und eine Unglückliche«, seufzte Marie schließlich.

»Wenn ihr schon nicht weggehen wollt, dann lasst uns wenigstens den Typen von letzter Woche stalken«, schlug Andrea vor.

Keine Proteste. Marie klappte den Laptop auf. Lava Rougette kapitulierte, trotz der Kopfschmerzen, die immer schlimmer wurden. Sie trank einen Schluck Sekt. Alles war besser, als allein zu sein.

»Wenn ihr wollt, meldet mich irgendwo an«, sagte sie. »Das macht doch eh alles keinen Sinn mehr.«

Andrea ließ sich nicht zweimal bitten. Ihre Finger flogen über die Tastatur. »Nehmen wir für den Anfang den Klassiker …«, murmelte sie.

»Da nicht«, schritt Lava Rougette ein. »Da bin ich schon angemeldet.« Drei überraschte Gesichter gafften sie an. »Floyd ist auch da«, erklärte sie. »Er nutzt das zum Schreiben mit seinen Kollegen. Die sind alle da.«

»Okay, dann nehmen wir was anderes.« Ein knatschgelber Werbebanner drängelte sich nach vorne und stellte den Rest der Seite in den Schatten. Marie gab ein genervtes Zischen von sich.

»Floyd sagt immer, ich soll einen Adblocker installieren«, sagte Lava Rougette. Warum hatte sie eigentlich immer das Gefühl, sich ständig für alles entschuldigen zu müssen?

»Du solltest mal einen Floyd-Blocker in deinem Kopf installieren«, sagte Andrea und lachte schrill auf. Der Rest der Runde lächelte müde.

»Was ist das denn für ein Unsinn?«, sagte Friederike und schob ihr Gesicht näher an die Flimmerscheibe heran.

»Das sind diese Parmesansticks«, erklärte Andrea. »Hab davon auch welche im Kühlschrank, traue mich aber nicht, die aufzumachen. Laut Hersteller wird man davon nicht fett.« Vermutlich entsprachen beide Behauptungen nicht der Wahrheit.

Friederike folgte mit ihrem Zeigefinger den bunten Buchstaben. »Schicke jemanden in die Leerdammnis«, zitierte sie. »Das klingt witzig. Geh mal da drauf!«

Klick. Das grelle Gelb füllte nun den gesamten Bildschirm. Auf der linken Seite der Homepage posierte eine muskelbepackte Comicfigur.

»Wer ist das denn?«, frage Marie und kicherte.

Friederike überflog den Text. »Das ist der Gratinator.«

Die Mädels krümmten sich vor Lachen. Selbst Lava Rougette kamen kurz die Tränen, wenn gleich sie überlegte, ob der alte Sack von oben aufgrund Andreas betonspaltenden Organs die Polizei rufen würde. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sich Lava Rougette über so etwas keine Gedanken gemacht. Die legendären Sit-ins waren nicht mal ein Jahrzehnt her.

Sie betrachtete den Supermann mit Elvis-Tolle im gelb-roten Kostüm mit wehendem grünem Umhang, der alle zehn Sekunden den Bizeps anspannte. Statt Händen hatte er zwei dampfende Auflaufformen und sein Lächeln blitzte wie das eines amerikanischen Präsidenten.

»Was stimmt nicht mit denen?«, sagte Marie. »Wie kommt man auf so was?«

»Die wichtigere Frage lautet: Was gibt es da zu gewinnen?«, sagte Andrea und klaute ihr die Maus. Sie klickte auf das Gewinnspiel, dass die Schaltfläche in Gestalt des Gratinators anteaserte, wie Floyd gesagt hätte.

Friederike überflog den Text und fasste den Inhalt zusammen: »Der Gratinator befindet sich auf einem Kreuzzug gegen das Fett. Wenn du ausgewählt wirst, kommt er dich persönlich besuchen.«

»Und dann?«, fragte Marie.

»Du bekommst ein Käsekostüm angezogen und darfst einen Tag lang Parmesanriegel an Kinder verteilen. Wenn du das machst, kriegst du einen Blu-Ray-Player.«

»Floyd hasst doch Kinder, nicht wahr?«, sagte Andrea. »Das wäre die gerechte Strafe für den Arsch.«

Lava Rougette ignorierte den Vorschlag und studierte die Webseite. Eine rot hinterlegte Warnmeldung im Fußbereich verkündete, dass die Firma Cheezy Livin’ keine Anmeldungen für das Parmagicula-Casting mehr annehme.

»Und diese Riegel machen wirklich nicht dick?«, fragte sie zaghaft in die Runde.

»Das glaubst du doch wohl selbst nicht!« Friederike lachte. »Was nicht dick macht, schmeckt auch nach nix.«

»Hört mir hier eigentlich überhaupt jemand zu?«, maulte Andrea.

»Entschuldige«, antwortete Lava Rougette, »was hattest du gesagt?«

»Erstens habe ich euch eben schon gesagt, dass der Hersteller selbst dafür geradesteht, dass die nicht dick machen, und bei mir hats funktioniert, wie man sieht.« Das war Ansichtssache. Zumindest hatte Andrea im letzten Monat nicht weiter zugelegt, was kurz für Beunruhigung unter den Mädels gesorgt hatte. »Und zweitens finde ich, du solltest dem Mistkerl eins auswischen.«

Zum Verzweifeln. Was half eigentlich zuverlässig dagegen, echte Nervensägen loszuwerden, abgesehen davon, aus beruflichen Gründen anderswo zu settlen, einem plötzlichen Tod oder einem heftigen Streit über Belanglosigkeiten, nachdem jeder zu stolz war, den anderen anzurufen. Was ihre Clique anging, befand sich Andrea noch in der Probezeit. Gab es die Möglichkeit, ihr einfach so zu kündigen?

Eine dunkle Bedrohung schwebte im Raum, wie Floyds Sternenzerstörer aus Lego, der, seit ihrer intensiven Proteste, nicht mehr von der Decke ihres Schlafzimmers baumelte. Das durch die mitfühlenden Worte ihrer Freundinnen katalysierte Selbstmitleid würde sich jeden Moment in einer peinlichen Aktion auflösen, wenn sie nicht auf der Stelle etwas unternahm.

»Andrea, echt, ich kann das gerade nicht …« Sie fing wieder an zu heulen. Das half immer. Sekundenbruchteile später spürte sie Maries Umklammerung.

»Du hast echt überhaupt kein Taktgefühl!«, wurde Andrea von Friederike gerüffelt.

»Ach, ihr seid so boring!« Andrea trank ihren Sekt in einem Zug aus und drehte den Laptop zu sich. »Wir müssen ja deinen Namen nicht angeben.«

Keine erhob die Stimme gegen den Alpha-Panzer. Schlimmer konnte es eh nicht mehr kommen. Und solange sie beschäftigt war, kam Andrea hoffentlich nicht mehr auf die Idee, Tanzen gehen zu wollen.

»Wie heißt Floyds Firma? Und weißt du die Adresse?«

Lava Rougette glaubte, sie habe sich verhört. »Wie bitte?«

»Der Gratinator soll ihn auf der Arbeit besuchen kommen. So ist es am peinlichsten für ihn.«

»Das geht nicht. Er ist doch nicht dumm und du weißt, in was für einer Firma Floyd arbeitet. Der kriegt raus, wer ihn da angemeldet hat.«

»Ach, papperlapapp!«, sagte Andrea. »Dafür hat der feine Herr viel zu viel mit seinen schmutzigen Geschäften zu tun.«

Lava Rougette hatte keinen Beweis dafür, dass er ihr fremd ging. Für ihre Freundinnen stellte dies bereits eine Tatsache dar.

»Außerdem wechselt deine IP-Nummer dynamisch und er kann gar nicht rauskriegen, wer das war«, sagte Marie.

Lava Rougettes Blick wanderte zu Friederike.

»Nun mach schon!«, sagte die. Friederike konnte stundenlang über Andrea lästern, ließ sich aber von der fetten Kuh nicht sagen, sie sei boring.

Widerwillig rückte Lava Rougette die Infos raus. Andrea tippte sie flott in die Eingabefelder des Gewinnspielformulars. Beim letzten großen Textfeld hielt sie inne und kaute auf den Spitzen ihres splissigen, rotgefärbten Haares herum, in dessen Ansatz das originale Blond bereits wieder mit aller Macht in den Vordergrund drängte. Ihr Kopf sah aus wie Nudeln mit Tomatensauce.

»Wir brauchen noch einen Grund, warum ausgerechnet Floyd-Arschloch unangemeldeten Besuch bekommen soll.« Sie drehte sich zur Runde. »Mädels! Zeit für Kreativität!«

Lava Rougette ließ sich nicht lange bitten. Bühne frei für ihre Tragödie: »Er ist nicht für mich da. Er wohnt mit mir in diesen vier Wänden, aber er ist nicht wirklich hier, so wie ein Geist. Er redet nicht mehr so viel mit mir, wie am Anfang, alles ist nur noch Routine, und er fasst mich nicht mehr an, wie am Anfang. Er sagt, ich solle mehr Sport machen. Neulich hat er mir vorgeschrieben, was ich nicht mehr anziehen soll. Ständig korrigiert er mich und er will nicht über Kinder reden, obwohl wir beide fast dreißig sind und die biologische Uhr tickt.« Weitere fünf Minuten lang manifestierte sich ihr Kummer in leisen Worten und die anderen hörten einfach nur zu.

»Soll ich das wirklich alles schreiben?«, fragte Andrea.

»Ja«, schluchzte Lava Rougette. »Es ist doch die Wahrheit. Vielleicht ist das so was wie ’ne Therapie.«

Andrea tippte in Lichtgeschwindigkeit und sah erst auf, nachdem sie geräuschvoll den letzten Buchstaben eingegeben hatte. »Ich habe es etwas schöner formuliert«, sagte sie stolz. »Was haltet ihr zum Beispiel hiervon: Mein Freund behauptet, ich sei fett und erinnert mich täglich daran, dass ich abnehmen muss. Er kneift mir täglich in die Speckröllchen, hält mir was zu essen hin und sagt, das wäre ein Häppchen für sein kleines Schweinchen. Außerdem geht er bestimmt mit einer anderen ins Bett, so oft, wie er nicht zu Hause ist.«

Lava Rougette schüttelte den Kopf. Plötzlich breitete sich die Angst in ihr aus, verklagt zu werden.

»Das hat sie doch so gar nicht gesagt!«, fuhr Marie Andrea an. »Lösch das wieder!«

»Ist doch scheißegal«, verteidigte die sich, »das liest doch eh keiner. Und wenn doch, sollen alle wissen, was Floyd Fischer für ein Mistkerl ist.«

»Ich dachte, wir wollten, dass wir gewinnen und Floyd ausgewählt wird?«, fragte Lava Rougette.

»Das passiert doch eh nicht«, sagte Andrea. »Das ist nur ein symbolischer Akt, für dich, um mal Dampf abzulassen. Soll ich es absenden?«

Alle gafften Lava Rougette an. Sie wussten, dass mit diesem Akt der Abend erst so richtig beginnen würde. Die Einzige, die sich noch daran erinnern konnte, wie es war, ein wenig Liebe im Sex zu haben, hatte sich für heute ausgeweint. Vielleicht gingen sie doch noch tanzen.

»Du musst es selbst tun, Süße«, sagte Friederike. »Das ist dein erster Schritt, um von ihm loszukommen.«

Alle sahen sie an. Lava Rougette fühlte sich wie in einer Selbsthilfegruppe, doch genau das hatte sie mit diesem Abend bezweckt. Schließlich besaß sie diese Woche die Lizenz zum Jammern. Das letzte Mal war bereits einen Monat her. Seitdem hatte sie sich tagtäglich von einer der anderen anhören müssen, wie schlecht doch alle Männer waren.

Der Laptop surrte leise und signalisierte keinen Argwohn. Lava Rougette beugte sich vor und drückte auf den Senden-Button.

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2 – Reine Chefsache

Friedrich Schnitzler fand keinen Schlaf. Inmitten tausender leuchtender Zahlen und Buchstaben schwebte er auf seinem ergonomisch optimierten Bürostuhl wie ein Satellit draußen im kalten Universum. Aufmerksam studierte er die Datenströme, die auf den Monitoren um ihn herum eintrafen, das digitale Blut eines ganzen Unternehmens - seines Unternehmens.

Sein Büro war klein. Er vertrat die Überzeugung, dass ein Mann nicht viel Platz benötigte, um seine Gedanken zu ordnen. Stille hingegen war unverzichtbar. Zur Förderung der Kreativität und um die richtigen Entscheidungen zu treffen, brauchte er sie wie eine Pflanze das Wasser und die Sonne. Erst vor kurzem hatte er den IT-Berater feuern müssen, da die verdammte Kiste in seinem Büro trotz Nachbesserungen immer noch Laute von sich gegeben hatte.

Er begegnete seinem Spiegelbild in einem momentan ausgeschalteten Monitor. Die Bildschirme warfen geisterhaftes Licht auf seine auch mit fortschreitendem Alter nicht markanter werdenden Gesichtszüge - schmale Lippen, mittelgroße, glanzlose Augen und Wangenknochen, die sich in dem Oval aus ebenmäßiger, blasser Haut versteckten. Vor kurzem hatte sich Friedrich Schnitzler einen Dreitagebart zugelegt. Niemand hatte ihn bisher darauf angesprochen.

Schnell hakte er alles ab, was mit Zahlen zu tun hatte. Solange es nicht wie auf der Achterbahn zuging, überließ er Kurse und Kurven den Experten. Spätestens seit die Firma zum börsennotierten Unternehmen transzendiert war, beschäftigte er sich hauptsächlich mit Schöpferischem sowie der Wahrnehmung der Früchte seiner Arbeit, nicht mehr mit Algorithmen.

Zuvor hatte er stets das Gefühl gehabt, den Aufstieg seines Unternehmens aufgrund nächtelanger Kopfarbeit zu verschlafen. Die Zeit raste und Friedrich Schnitzler empfand kaum etwas beunruhigender als Vergänglichkeit.

Diese Nacht bildete eine Ausnahme, die dritte in dieser Woche, wenn er ehrlich zu sich war.

Zunächst wartete ein Gewinner darauf, ermittelt zu werden. Schnitzler behielt es sich vor, den Glückspilz selbst auszusuchen, auf den eine Begegnung mit dem Gratinator wartete.

Dabei bewerte er in erster Linie die Kreativität und den Enthusiasmus, der aus den Einsendungen sprach. Einfache Rätsel für Deppen mit Lösungen, die im besten Falle noch schwarz auf weiß unter der Frage standen, gab es bei Cheezy Livin’ nicht.

Schnell fand er seinen Favoriten. Er lehnte sich zurück und las. Eine junge Frau wünschte ihren Partner zum Teufel. Offensichtlich hatte der junge Mann so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Und da steckte noch mehr dahinter: Offenbar handelte es sich nicht um einen Streich. Niemand auf der Welt besaß ein solch filigranes Gespür für Verbitterung wie Friedrich Schnitzler.

»Speckröllchen …«, las er laut.

Das Schwein hatte ihr Essen hingehalten wie einem Tier. Schnitzler ballte eine Hand zur Faust und schüttelte angewidert das Haupt. Sein eigener Aufstieg war durch solch eine Demütigung in Gang gesetzt worden. Alles hatte mit einem Stück Käse und einem T zu viel angefangen …

An einem Wintermorgen auf dem Schulhof hielt ihm einer der Jungs etwas unter die Nase. »Willste was?«

»Was ist das denn?«, fragte Friedrich und erinnerte sich, dass der Junge Christoph Ring hieß.

»Ein Bonbon.« Er grinste. »Aus Käse.«

Friedrich zögerte. Es roch nach nichts, doch das schob er auf die Erkältung. Außerdem musste ihm nicht jeder gleich etwas Böses wollen, der ihm etwas anbot, nicht gleich der Erste, der seit seinem ersten Schultag vor wenigen Tagen überhaupt ein Wort mit ihm wechselte.

Er griff zu. »Ich liebe Käse«, sagte Fritz, wie ihn seine Großeltern nannten.

Der Käse schmeckte seltsam. Was es war, auf dem er herumkaute, fand er niemals heraus. Wahrscheinlich hatten die Jungs was aus dem Müll gefischt oder es handelte sich um Vogelkacke.

Christoph Ring verzog angeekelt das Gesicht und nahm Abstand von Fritz, den Zeigefinger auf ihn gerichtet. Die anderen Jungs folgten dem Beispiel des Alpha-Blags.

»Ich liebe Käse!«, äffte er Fritz nach.

Ein Choral grellen Gelächters durchschnitt die Luft und die Seele des Sechsjährigen. Für einen kurzen Moment sahen die Lehrer von ihren Thermoskannen auf.

»Frittz mit Doppel-T, deine Dummheit, die tut weh!«

Er hatte seinen Namen an die Tafel schreiben müssen. Dem Druck von dreißig Augenpaaren war er nicht gewachsen gewesen. Ein Verschreiber hatte ihn zur Nummer eins unter den Mobbingopfern gemacht.

»Frittz mit Doppel-T, stinkt vom Kopf bis zum dicken Zeh!«

Sie bildeten einen Kreis um ihn. Er kannte das bereits vom Kindergarten, warf in seinem Kopf die Software zum Ausblenden an, für die noch viel zu viele offene Tickets existierten, um ordentlich zu funktionieren.

Die Minuten bis zum Klingeln zogen sich wie Kaugummi. Schon damals war die Zeit der Feind.

»Frittz mit Doppel-T, fett wie tausend Cordon Bleu!«

Eigentlich war er kein richtig dickes Kind. Seinem leicht plumpen Körper mangelte es nur an Muskelkraft und motorischer Begabung. Seine Eltern hatten ihm die Unsportlichkeit in die Wiege gelegt. Zeit ihres Lebens hatten sie es vorzüglich verstanden, sich selbst zu bescheißen: Ob elektronisch angetriebene Fahrräder, Standfußball oder Gymnastik-Videos auf VHS-Kassetten - mit echtem Schweiß hatten sie Fritz nicht bekannt gemacht.

Die Pausenglocke erbarmte sich. Christoph Ring und seine Entourage stürmten auf das Treppenhaus zu. Fritz sah ihnen nach. Er schlich sich immer als Letzter ins Klassenzimmer, kurz bevor die Lehrerin kam.

Von der Glastür aus warf ihm sein Peiniger einen fiesen Blick zu. Friedrich Schnitzler fasste den Entschluss, sich eines Tages an ihm zu rächen. Als habe er ein Gespenst gesehen, löste sich das fiese Grinsen auf und Ring hetzte nach drinnen.

In den folgenden Monaten wurden die Nachstellungen weniger, auch weil nicht alle Pädagogen Besorgnis und Aufmerksamkeit unter den Tisch kehrten. Fritz’ Eltern indes zeigten wenig Interesse am täglichen Spießrutenlauf ihres Sohnes. Die Problematik, wie sein Vater die Demütigungen seines Sohnes bezeichnete, lösten sich von selbst, indem mal wieder umgezogen wurde. Bis dahin hatte die einzige Empfehlung an ihren Sohn daraus bestanden, sich nicht alles gefallen zu lassen.

So platt die Phrase auch war, Schnitzler hatte den Rat seiner Erzeuger innig befolgt. Dabei war er stolz, dass er nicht ein einziges Mal in seinem Leben Gewalt ausgeübt hatte, auch nicht gegenüber den vielen Wettbewerbern, die ihm bei seinem Aufstieg im Weg gestanden hatten. Zumindest hatte er es nicht selbst getan.

Sein Blick wanderte zur Tür. Draußen wartete Tränkel, sein ständiger Schatten.

Schnitzler lauschte, um sich davon zu überzeugen, dass der Leibwächter nicht just in diesem Moment Anstalten machte, einzutreten. Dann öffnete er rasch den Safe unter dem Schreibtisch.

Unter einem Stapel aus Wertpapieren und Katalogen von Büromöbelherstellern versteckte sich eine grüne Tupperdose. Sie enthielt einen Teelöffel, ein Spritzbesteck, Filter und Schlinge zum Abbinden des Arms sowie ein Fläschchen Ascorbinsäure und ein halbes Dutzend Cheezy-Livin’-Parmesanriegel.

Schnitzler nahm einen der Riegel, riss die Verpackung auf und drückte den Inhalt ein Stück heraus. Kein schmutziger Stoff, wie damals auf dem Schulhof. Diese Kostbarkeit war ein Kunstwerk, das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit.

Er brach ein Stück ab und gab es zusammen mit der Säure auf den Löffel. Aus der Tasche seiner dunklen Designerjeans förderte er ein goldenes Sturmfeuerzeug zu Tage. Es war ein Geschenk der Clubmitglieder zum Beitritt gewesen. Für einen Moment erinnerte sich Schnitzler schmerzlich daran, dass er ihnen immer noch viel Geld schuldete.

Die Flamme erhitzte das Metall, der Käse darauf schmolz zusammen. Verbrannt und pikant vermischten sich zu einem Duft, der seine Vorfreude nährte. Schnitzler zog die Spritze auf, legte sie auf den Tisch und krempelte den Ärmel seines schwarzen Rollkragenpullovers hoch.

Jetzt kam das Blödeste, anschließend das Schönste. Er presste die Lippen zusammen und ächzte leise, als die Nadel in die Vene eindrang. Jede Art von Schmerz war ihm zuwider. Schmerz war für die anderen.

Wohlige Wärme breitete sich in seinem Oberkörper aus. Er wurde nicht im klassischen Sinne high von der intravenösen Käsung - kein Lallen, kein Gekicher, kein eskapistisches Entschlafen. In geringem Maße empfand er Euphorie, vor allem aber wurde seine Sicht auf die Dinge und unbeantwortete Fragen elegant: Der Käse in seinen Adern verhalf ihm zum klaren Denken.

Friedrich Schnitzler traf eine Entscheidung. Keine Stimme auf der Welt vermochte es jetzt noch, ihn umzustimmen. Der Junge, der sich wie Abschaum benommen hatte, nein, noch viel schlimmer, der sich wie Christian Ring benommen hatte, benötigte eine Lektion. Er packte die Fixer-Utensilien wieder in den Safe und befahl Tränkel über das Headset einzutreten.

Diskret wie ein Bestatter glitt der Bodyguard in den Raum. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«

Schnitzler deutete auf den Monitor. »Kriegen Sie raus, wer der Freund dieser Dame ist. Bringen Sie ihn her und warten Sie dann auf meine Anweisungen.«

»Als offiziellen Gast?«

»Nein.«

Schnitzler starrte verbissen auf den Monitor. Zur Dunkelheit gesellte sich Schweigen. Tränkel räusperte sich.

»Niemand darf wissen, dass er hierhergebracht wird«, erklärte Schnitzler. »Er selbst darf nicht erfahren, wo er sich befindet.«

»Sir, bei allem Respekt, ich muss Sie daran erinnern, dass wir uns unter Beobachtung durch die Behörden befinden. Vielleicht sollten wir für die nächsten Wochen von Vorgängen solcher Art absehen.«

»Ich zähle auf Ihr Know-how und Ihre Diskretion«, sagte Schnitzler. »Schließlich verdienen Sie gutes Geld.«

Tränkel nickte und verschwand. Schnitzler war zufrieden. Auch mit nachlassendem Rausch verschwand die Hitze nicht in ihm. Äußerlich regungslos wie eine Statue, kochte Schnitzler innerlich vor Wut, so sehr, dass er eine Antwort an das Mädchen formulierte. Er kannte die damit verbundene Gefahr. Seine Rettungsanker hießen Anwalt, Reputation und politischer Einfluss.

Schnitzlers Finger flogen über die Tastatur. Er verlieh dem Mitgefühl Ausdruck, das ihn beim Lesen des Hilferufs erfasst hatte. Zum Schluss drückte er die linke Maustaste lange nach unten, ließ los und atmete dabei erleichtert aus.

Sein Plan stand fest. Eigentlich verdiente der Junge keine Sonderbehandlung. Andere mächtige Männer erschossen unliebsame Zeitgenossen auf der Stelle und verscharrten sie in einer Kiesgrube. Das Bürschchen hingegen würde Schnitzlers neuestes labgewordenes Meisterwerk leibhaftig betreten und es mit seiner Anwesenheit besudeln. Die irren Fans von Cheezy Livin’ hätten den Jungen beneidet. Er würde dem Heiligen Gral so nahekommen wie niemand vor ihm …

Friedrich Schnitzler gestand sich selbst, dass der Junge ihm eigentlich nichts getan hatte. Er ordnete sein Handeln als Notwehr ein, als Quarantäne für einen Virus, den die Menschen von Geburt an in sich trugen und der sich nicht auslöschen ließ, derjenige, der sie dazu brachte, ihre Artgenossen zu unterdrücken und mit Spott zu überziehen.

Er wählte die Nummer des Bauleiters, der für die Außenkonstruktion zuständig war. Randgruppe nannte er sie. Das traf in zweierlei Hinsicht zu.

Eine Stimme mit Akzent meldete sich. »Hallo?«

»Hier ist Schnitzler. Ich muss wissen, ob die Arbeiten im Hüllenbereich abgeschlossen sind.«

Auf der anderen Seite knackte und krachte es. Schnitzler stellte sich vor, wie der Mann in seinem Klappstuhl erschrocken Haltung annahm und seinen Kaffee verschüttete. Schnitzler fand die Vorstellung nicht lustig. Er hasste es, wenn Menschen zaghaft ans Telefon gingen.

»Sie können die betreten. Geht gut.«

»Ich ordne hiermit an, dass der gesamte Hüllenbereich geräumt wird. Nur der Sicherheitsdienst und ich haben Zutritt.«

Schnitzler legte auf. Er ging davon aus, dass ein Verstanden auf seine Anweisung in dem Moment gefolgt war, da er einhängte.

Er wähle eine weitere Nummer, eine, die nur er kannte. »Sind die Damen einsatzbereit?«, fragte er, ohne den Mann am anderen Ende der Leitung zu begrüßen.

»Was meinen Sie mit einsatzbereit?«, fragte ein Mann mit Reibeisenstimme.

»Ich meine, ob sie bereit sind für einen weiteren Test«, sagte Schnitzler ungeduldig. »Und gehorchen sie, wenn es ernst wird?«

Aus den Kopfhörern ertönte ein kehliges Kichern. »Darauf können Sie Gift nehmen - die Kätzchen sind so was von wild! Aber erst wenn wir sie aus den Käfigen lassen, wissen wir, was sie wirklich draufhaben.«

»Gut«, sagte Schnitzler, »bereiten Sie sie vor. Ich möchte sie noch heute auf die Jagd schicken.«

»Soll ich ihnen etwas verabreichen, damit sie keinen Unsinn machen?«

»Nein. Bringen Sie die Damen in den westlichen Hüllenbereich. Und lassen Sie die Ketten weg.«

3 – Im Glaspalast

Der Anruf kam kurz vor zehn. Floyd Fischer zappelte auf dem Zebrastreifen herum, als seine Hose brummte. Vollbremsung, Gehupe, Stinkefinger. Auf der anderen Straßenseite ragte der Glaspalast auf, ein Quader aus Spiegeln, die die Kälte einer ganzen Zivilisation reflektierten.

»Ich schaffe es nicht«, sagte der Vorfurzende. »Die Küche ist noch nicht da.« Den ganzen gestrigen Vormittag hatte sein Chef mit den Handwerkern telefoniert. Das neue Eigenheim ging selbstverständlich vor. »Du musst den Termin alleine machen.«

Die silberne Schale des iPhones klebte an Floyds Ohr. Seit Tagen plagte eine schwüle Hitze die Stadt, aber sie war nicht der Grund für den Stausee zwischen seinen Schulterblättern.

»Kann ich dann morgen dafür freimachen?«, fragte er den Vorfurzenden. »Ich brauche Ablenkung.«

»Ablenkung?«, sagte der Vorfurzende. »Ablenkung ist was für Tiere. Willst du jetzt krankmachen, jetzt, wo wir mal endlich richtig zu tun haben?«

Blödsinn. Wenn er im Büro saß, lud sich Floyd Musik runter und bewachte das Telefon. Seine einzige wirkliche Aufgabe bestand daraus, Kunden anzurufen, die nicht aus dem Quark kamen.

Er gab ein Knurren von sich, zu unverschämt für Zustimmung, zu zaghaft, um als Protest durchzugehen. Augenblicklich schämte er sich.

»Was ist eigentlich mit dir los?«, maulte der Boss. »Du kommst in letzter Zeit immer mit mieser Laune ins Büro.«

Es ging ihn einen feuchten Kehricht an. Aber er blieb der Vorfurzende. Verächtliches Schnauben am anderen Ende der Leitung presste die Antwort aus ihm heraus: »Ich habe Probleme mit Lava Rougette.«

Der Vorfurzende machte eine Höflichkeitspause. »Oh, das tut mir leid.« Das tat es nicht. »Du darfst dich nicht von so was blockieren lassen. Sieh zu, dass wir das von den Füßen kriegen. Ich will Ende des Monats die Rechnung schreiben.«

Utopisch. Der Kunde hatte noch nicht mal das Layout abgesegnet.

»Ja, das wäre gut.«

»Viel Glück.«

»Danke.«

»Und vergiss nicht, dem Otter mitzuteilen, dass wir jetzt schon deutlich mehr Stunden auf der Uhr haben.«

»Ja, mach ich.«

Noch fünfzehn Minuten bis zur Präsentation. Floyds Magen rebellierte. Der strahlend schöne Morgen war einer von der miesen Sorte.

Floyd klammerte sich an danach. Flure, Fenster und Fressen wirkten so viel freundlicher, wenn alles vorbei war. Die Angst besaß ein Gesicht, dass man sich nicht merken konnte.

Er stand vor der Drehtür, suchte nach Zigaretten, fand keine, suchte nach Kaugummis, fand keine und schlüpfte schließlich durch die zu einem schmalen Spalt schrumpfende Lücke ins Innere. Für einen kurzen Moment war er stolz auf sich. Vor einem halben Jahr wäre er bestimmt noch für eine Viertelstunde vor dem Betreten um das Gebäude herumgeschlichen.

Die Dame am Empfangstresen sah von ihren Papieren auf. »Kann ich Ihnen helfen?«

Sie war hübsch, die brünetten Haare glänzten wie in einer TV-Werbung. Floyd spekulierte, dass sie Tagebuch führte. Zudem stand sie seiner Einschätzung nach auf große Kerle mit gewichsten Bärten, die Gitarre spielten und mit den ewig selben vier Radio-Akkorden gleichermaßen Herzen brachen, wie Zehennägel aufrollten.

Floyd hatte auch einen Bart und sogar vor einem halben Jahrzehnt ein paar Griffe geübt, bis Lava Rougette ihn angezickt hatte, dass er sie mit dem Geklampfe beim Lernen störe.

»Ja, ja, genau, ja«, stotterte er die Rezeptionistin voll, »ich habe einen Termin bei der Firma Otter. Es geht um die neue Webseite.«

»Bei wem genau?«

»Bei Herrn Franke.«

»In Ordnung. Sie können sich da vorne setzen. Ich sage Bescheid und dann kommt Sie jemand abholen.«

Floyd nahm auf einem der bunten Plastikstühle im Foyer Platz. Er faltete die Hände und atmete tief durch. An der Wand gegenüber erstreckte sich ein breiter Spiegel. Als wenn es nicht gereicht hätte, dass die gesamte Haut dieses eleganten Kastens einem draußen bereits zeigte, dass man mit seinem beschissenen Äußeren optisch gegen nichts hier drin anstinken würde!

Floyd trug heute ein rot-weißes Karo-Hemd über einer dunkelblauen Röhrenjeans. Soweit, so unspektakulär, so gut. Doch wenn er ehrlich war, erinnerte ihn sein Spiegelbild mit dem knochigen Kinn, spitz wie eine umgedrehte Kirchturmspitze, den streichholzartigen, hellen Ärmchen und der gebückten Haltung an das eines Drogensüchtigen auf dem Weg zu einem Beratungstermin.

Das rote Käppi auf dem Kopf sorgte für ein wenig Freshness, die den großen, grünbraunen Augen und dem Krater darum in der Regel abging. Hauptsache, er trug seine Brille - das Nasenfahrrad mache ihn intelligent, hatte Lava Rougette vor langer Zeit mal gesagt.

Fünf Minuten später holte ihn Franke persönlich ab, ein schmächtiger, etwas kurz geratener Typ, der nur wenig älter als Floyd war und eine Brille mit kleinen runden Gläsern auf der Nase trug. Ein Mittelscheitel trennte das kurze blonde Haar in zwei Hälften. Er trug eine blaue Jeans sowie ein kurzärmliges, hellgraues Hemd mit einer in dunklen Farbtönen gestreiften Krawatte. Franke erinnerte Floyd an seinen deutlich älteren Bruder, einen Computer-Nerd der ersten Stunde, der auf den Fotos aus den achtziger Jahren ein ähnlich peinliches Bild abgab.

Floyd musste wieder an den Vorfurzenden denken, der ihm eingebläut hatte, dass ein modebewusster Mann Krawatte nur zu langärmligen Hemden trug, es sei denn, man war ein Ami-Cop in einer Fernsehserie aus eben jenen Achtzigern oder ein Vollpfosten.

Die Begrüßung lief reibungslos. Anschließend marschierte Franke ohne weitere Worte los und nahm eine Treppe mit Glasgeländer in Angriff.

Floyd überlegte, ob er nach dem Aufstieg bis in die dritte Etage am Abend noch auf den Heimtrainer musste. Schlimmer jedoch als die körperliche Tortur quälte ihn das Schweigen. Er hasste Small Talk. In jeder Sekunde seines Lebens, die er sich in Gesellschaft anderer aufhielt, fühlte er sich verpflichtet, etwas sagen zu müssen. Dabei beherrschte ein inneres Kribbeln, wie eine elektrische Spannung, die nach Entladung suchte. In neunundneunzig von hundert Fällen brachte er keinen Ton heraus.

»Haben Sie gut hierher gefunden?«, rettete Franke ihn aus dem Dilemma.

»Ja, ich wohne in der Stadt, nicht mehr ganz mittendrin aber schon irgendwie dabei.«

Ein müdes Lächeln. Franke würde gewiss mit seinen Kollegen darüber lästern, was der Werbefuzzi für einen Unsinn geredet hatte.

Sie passierten einige Büros, bei denen Fenster und Türen weit geöffnet waren.

»Die Klimaanlage funktioniert nicht richtig«, erklärte Franke. »Unser Chef sagt, wir kriegen diesen Monat eine Neue. Sein Wort in Gottes Ohren.«

Floyd kannte das. Im Winter fehlte Heizöl, im Sommer versagte die Technik. Sie hatten sich beim Vorfurzenden den Mund fusselig geredet, doch der kümmerte sich in erster Linie um das Familien-Castle. Das geteilte Leid wäre der perfekte Moment für den Einstieg in ein längeres Gespräch gewesen - Floyd ließ ihn verstreichen.

»So, bitte hier rein. Bekommen Sie Kaffee?«

»Danke, nein.«

Kaffee machte Kaffee-Mundgeruch. Floyd hatte sich vorgenommen, Lava Rougette innig zu küssen, wenn er heute Nachmittag nach Hause kam.

»Wir kommen dann gleich rüber, sobald Herr Otter Zeit hat. Bauen Sie in Ruhe auf.«

Die Mischung aus Michael J. Fox und Harry Potter verließ den Raum. Mit zitternden Händen stellte Floyd seine Tasche auf den Tisch. Er holte den Laptop heraus und verband ihn mit dem Beamer. Das war immer ein kritischer Punkt. Floyd bediente die Fernbedienung, das Bild erschien an der Wand, so gestochen scharf, dass er kaum nachjustieren musste.

Hoffentlich galt das auch für seine Beziehung. Der Tag war schon jetzt durchtränkt von nervenraubenden Dialogen, erst der Termin hier und dann ein weiteres zähes Gespräch mit seiner Freundin, die noch launischer als sonst war.

Floyd setzte sich und wartete. Die Herren ließen sich Zeit. Kein Wunder: Der Vorfurzende hatte um den Termin gebettelt; Niemand hier im Haus hatte ihn gewollt. Floyd würde ihnen in Kürze eine Seite zum x-ten Mal vorstellen, um deren Pflege sich niemand kümmern würde - sollte sie denn jemals fertig werden.

Dass das Ganze zur Never Ending Story wurde, ließ ihn kalt, auch wenn er selbst das Design entworfen hatte. Bereits früh im Leben hatte er gelernt, dass Kunst sich auf dieser Welt nicht auszahlte. In der Regenpause auf der Grundschule hatte er Bilder von Autos gemalt, die einige Mitschüler hübsch fanden, aber niemand hatte eins haben wollen.

Seine Eltern hatten sich ebenfalls wenig dafür interessiert. Wie zwei gestrandete Wale hatten sie abends auf der Couch gelegen und sowohl ihn als auch das TV-Programm mit schnarchender Ignoranz bedacht.

Franke kehrte in den Raum zurück, nickte Floyd kurz zu und setzte sich. Eine Sekunde später betrat Herr Otter den Raum, ein plumper, sonnenbankgebräunter Mann mittleren Alters in einem dunkelblauen Nadelstreifenanzug. Der Auftritt bezog seine einschüchternde Imposanz weder aus dessen Köpergröße oder -haltung noch aus der teuren Kleidung - ein Blick aus den eisblauen Augen reichte aus, dass es Floyd vor Angst warm im Schritt wurde.

Otter lächelte nie. Aufstehen. Händeschütteln. »Guten Tag, Herr Fischer!« Eine Stimme wie ein Alphorn, der Händedruck wie ein Schraubstock. Floyd drückte zurück, so fest er konnte. Er hasste es, Menschen die Hand zu geben und ein Kumpel hatte ihm schon oft gesagt, beim Handschlag mit ihm habe er das Gefühl, als halte er einen toten Fisch in der Hand. Inoffiziell zog es Floyd vor, darauf zu scheißen, seine Männlichkeit zur Schau zu stellen.

Sie nahmen Platz.

»So, was haben wir denn?«, fragte Herr Otter.

Was für eine Frage - sie waren doch nicht beim Arzt! Bloß nicht komisch gucken, fortfahren. Schließlich war er einer der wenigen Kunden, die Geld hatten.

»Es geht um Ihre Website.«

Saublöder Einstieg. Natürlich ging es darum. Um was denn sonst? Ein plötzlich aufpoppendes Update-Fenster brachte Floyd aus dem Konzept. Es ließ sich nicht schließen. Wäre der Vorfurzende dabei gewesen, hätte er in einer Tour geredet und Floyd hätte sich aufs Klicken konzentrieren können. Multitasking war ebenso wenig sein Ding wie Small Talk.

Endlich verschwand das Fenster, die Startseite der neuen Homepage kam zum Vorschein. Floyd bewunderte sein eigenes Design. Den klaren Aufbau und die Kombination aus schlichtem Weiß und Otter-Blau fand er auch nach einem Dreivierteljahr noch sehr gelungen.

»Wir hatten das Design ja bereits abgehakt«, fuhr er schwungvoll fort, »Daher stehen heute die inhaltlichen Themen im Vorder…«

»Das Logo muss da links hin«, fiel Otter ihm ins Wort. »Und die Bezeichnung ist falsch.«

»Welche … Bezeichnung?«, fragte Floyd mit Mäusestimme.

»Na da!« Otter beugte sich über den Tisch und drückte einen Wurstfinger auf das Display des Laptops. Wie viele Alphas duftete er nach Old Spice. »Da steht Herbert Otter Mobile-Devices-Schutztechnik GmbH. Da muss aber stehen Herbert Otter & Söhne Mobile-Devices-Schutztechnik und Waterproof-Tablet-Management GmbH.«

Floyd hatte Franke mit Otter in CC Anfang der Woche Screen­shots und Texte zur Durchsicht und Korrektur geschickt. Das war keinem aufgefallen, auch wenn das Logo groß wie ein Scheunentor auf der Seite prangte.

Er ballte die Hand zur Faust in der Hosentasche.

Du machst in Handyhüllen … Jeder Depp kann das. Du machst es nur in schönerem Ambiente und mit mehr Geld in der Hand …

»Okay …«, murmelte Floyd.

»Bei den Stellenangeboten muss jemand raus«, sagte Otter.

Floyd navigierte zu den Stellenangeboten. »Wer genau?«

»Der Kaiser.«

Floyd suchte Herrn Kaiser unter den vielen Gesichtern, die er erst vor wenigen Tagen in den neuen Bereich eingepflegt hatte, und fand ihn nicht.

»Na der, der aussieht wie ein Mongo!«, half ihm Otter weiter.

Franke lächelte. Floyd nicht.

»Kümmern wir uns drum.«

Zurück zur Startseite. Otter und Franke inspizierten jeden Pixel mit zusammengekniffenen Augen.

»Ist das wirklich unser Blau?«, fragte Otter.

»Das ist das, was sie mir geschickt haben.« Floyd nahm Franke ins Visier.

Mal jemand anderen am Zug sein lassen.

»Ist das der aus dem CI-Heft?«, fragte Franke.

»Selbstverständlich«, antwortete Floyd.

»Können wir das Blau und das Grau tauschen?«, fragte Otter.

Floyd bewegte die Maus hektisch hin und her. »Sie meinen, das da hin und das da hin?«

»Genau! Ich glaube, das sieht besser aus.«

Floyd hätte ihn erschlagen können. Im Verlaufe des Designprozesses hatten sie mindestens zwanzig Varianten der Verteilung der Farben auf Wunsch des Kunden ausprobiert. Er hätte seinen Arsch darauf verwettet, dass sie Otters Vorschlag bereits einmal vorgelegt hatten.

»Kümmern wir uns drum.«

»Sehr gut«, sagte Otter. »Franke, haben wie eigentlich keinen Kaffee für den Jungen?«

»Ich habe ihm einen angeboten.«

Die kleinen, glänzenden Punkte fixierten Floyd. »Wollen Sie wirklich keinen Kaffee?«

»Doch«, antwortete er artig, »sehr gerne!«

»Ich muss noch was erledigen«, sagte Otter und stand auf. »Wir sehen uns dann gleich hier wieder. Franke kann ihnen in der Zwischenzeit schon mal den Kaffee holen.«

Floyd ahnte, dass nur Angestellte zu ihm in den Besprechungsraum zurückkehren würde. Otters Job in dieser Firma bestand darin, aus dem Nichts aufzutauchen und die Leute mit seinem Gemecker einzuschüchtern, so dass jeder wusste, wer das Sagen hatte.

Hätte ihm die Firma nicht selbst gehört, wäre seine Stelle völlig überflüssig gewesen. Genau wie der Vorfurzende und alle anderen, an die berichtet wurde, die aber selbst nie was zu berichten hatten, weil sie schlichtweg nichts taten.

ihm

Just in diesem Moment kam eine überschminkte Praktikantin herein. Sie ließ das Tablett samt Kaffee fallen und gab einen hysterischen Schrei zum Besten. Das wirkte schon alles sehr echt …

Er bäumte sich auf. Keine Chance. Sie zerrten ihn auf die Beine und schleppten ihn zum Fenster. Alleine stehen oder gehen ging nicht mehr, denn seine Knie fühlten sich wie Watte an. Die Welt um ihn herum wurde weicher und weicher, der Tag heller und heller.

Sie legten ihn über das Fensterbrett, zwängten seine Beine durch einen Gurt und zogen diesen straff, so fest, dass Floyd befürchtete, seine Eier würden aus den Hoden ploppen wie Toffifee aus der Verpackung.

Als sie ihn hinaus stießen, erblickte Floyd tief unter sich auf dem Trottoir einen alten Mann mit Hund. Beide schüttelten vorwurfsvoll den Kopf. Da siehst du’s Bello - meine Rente hängt in der Luft!

Ein Ruck, dann ging es aufwärts, dem Himmel entgegen, dessen Farbe zu milchigem Weiß wechselte, bevor es urplötzlich Nacht wurde.

Floyd kehrte zu einem besonderen Tag zurück, dem Tag der Nasen. Dieser hatte nichts mit menschlichen Riechkolben zu tun, sieht man von dem Duft frischer Farbe ab, den Floyd heute noch als abstoßend empfand.

»Du musst aufpassen, dass es keine Nasen gibt«, zischte Lava Rougette.

Die Wand war orange. Die Farbe war ihre Wahl gewesen. Sie hatten sie gemeinsam im Baumarkt gekauft. Nie zuvor hatte Floyd etwas Langweiligeres erlebt.

»Ich passe doch auf«, sagte Floyd.

»Nein, tust du nicht«, sagt Lava Rougette. »Du streichst wie ein Behinderter. Du musst dich konzentrieren.«

Floyd schüttelt den Kopf. Sie hatte Recht und Unrecht zugleich. Er konzentrierte sich nicht. Aber er gab sein Bestes. Der Tag in der Agentur hatte ihn geschlaucht.

»Es ist doch egal«, sagt er, »Farbe bedeckt Wand. Das ist doch alles, was zählt.«

Sie wandte sich von ihm ab. »Du willst nicht mit mir zusammenziehen.«

Langsam hatte er die Nase voll. Das Problem war, dass er noch nie in seinem Leben jemanden gesagt hatte, dass er die Nase voll hatte.

»Doch«, sagte er, »natürlich will ich das. Ich weiß nur nicht, warum alles immer so perfekt sein muss. Hauptsache ist doch, wir haben uns, oder nicht?«

Ihr Gesicht strafte ihn mit Verachtung. »Du bist doch der Designer hier«, fuhr sie ihn an. »Du bist doch der selbsternannte Perfektionist, der so sein will wie Sören. Der würde das hier akkurat machen.«

Floyd verließ das Zimmer. Für den restlichen Tag clashte es nicht mehr, aber die Wunde, die sie ihm zufügte, indem sie seinen hochbegabten Kollegen ins Spiel brachte, hinterließ bleibenden Schaden. Der Tag der Nasen endete als Tag der Demütigung.