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Der große Menschenaffe verteidigt das ihm Liebste gegen eine Welt von Teufeln. Wer und was aber ist dieses offenbar undomestizierbare Tier? Liegt es vielleicht in uns selbst? Öffnet sich hier ein Boden, auf dem wir uns zu selbstsicher bewegen? Für Alexander Kluge stellt sich damit erneut die Frage nach erschließbaren Räumen in uns Menschen und in unserer Millionen Jahre alten Vergangenheit. Diesen Raum durchmisst er in zwölf Stationen unter wechselnden Perspektiven, doch immer in konkreten Geschichten. So geht es um »Reparaturerfahrung« als essenzielle Lebenspraxis ebenso wie um die genealogische Erinnerung an Vater und Mutter. Zu einer Chronik des Zusammenhangs gehören aber nicht nur Personen, sondern auch Dinge mitsamt der in ihnen aufbewahrten menschlichen Arbeit. Sind solche Dinge nicht selbst oft »verzauberte Menschen« und bergen Romane? Oder nehmen wir die Kunst als »große Oper« im Leben und auf der Bühne. Sie bietet die direkteste Darstellung von Leidenschaft mit ihren elementaren Wurzeln in der Realität: im Terror, im Glück und in stillgestellten Bürgerkriegen des Gefühls aus ältester Zeit.

 

Gute Theorie in konkrete Geschichten aufzulösen, das ist Alexander Kluges lebenslänglicher Ansatz. In der Konsistenz von Gedanken liegt für ihn Musik, und so setzt er mit diesem Buch gegen die vor fünfzehn Jahren erschienene Chronik der Gefühle nun den Kontrapunkt einer Chronik des Zusammenhangs.

 

 

Alexander Kluge, geboren 1932 in Halberstadt, ist Jurist und Filmemacher; als sein wichtigstes Werk aber sieht er seine Bücher. »Wenn ich im Jahre 2015 schreibe, liegen die kommenden fünfzehn Jahre unseres Jahrhunderts schon vor meinen Augen. Insgesamt ergibt sich damit, da ich 1932 geboren wurde, eine Chronik über rund hundert Jahre.« Für sein Werk erhielt er viele Preise, darunter den Georg-Büchner-Preis, den Theodor-W.-Adorno-Preis und zuletzt, 2014, den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf.

 

 

Zuletzt erschienen

Nachricht von ruhigen Momenten. Mit 60 Bildern von Gerhard Richter, 2013

»Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«. 48 Geschichten für Fritz Bauer, 2013

30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann, 2014

 

 

Alexander Kluge

Kongs große Stunde

Chronik des Zusammenhangs

Suhrkamp

 

 

Mitarbeit

Thomas Combrink

 

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2015.

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2015

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Der Verlag weist darauf hin, daß dieses Buch farbige Abbildungen enthält, deren Lesbarkeit auf Geräten, die keine Farbwiedergabe erlauben, eingeschränkt ist.

Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

Umschlagabbildung: Archiv Kairos Film

 

eISBN 978-3-518-74248-8

www.suhrkamp.de

Inhaltsübersicht

 1 Es geht nichts über Reparaturerfahrung

 

 2 Wilde Verläßlichkeit

 

 3 »Stimme der Liebsten, widerhallt mir im Herzen«

 

 4 Totenbuch für etwas, das ich liebe

 

 5 Arztgeschichten

 

 6 Falten auf Kongs Nase, unverwechselbar wie Fingerabdrücke

 

 7 Unverwüstlichkeit des Politischen

 

 8 »Hochöfen der Seele«. Ein Opernführer

 

 9 Die Brüder Mann und der bürgerliche Charakter.
Schiffbrüche und Bankrotte.
Ein Mensch, aus Trümmern gegossen

 

10 Schwester Vernunft. Brüderchen Freundschaft.
Arno Schmidt und das Zwerchfell der Krokodile

 

11 »Ich«

 

12 Chronik von Pangäa bis heute

 

 

    Bildnachweise

    Texthinweis des Autors

    Danksagung

    Inhaltsverzeichnis

Wieder einmal hatte sich die Menschheit übernommen. Sie hatten den Großaffen in das Schiffsinnere verpackt, in der Hoffnung, sie könnten ihn nach New York überführen, wo sie ihn im Zirkus oder auf einem Großgelände ausstellen wollten. Sobald es in der Lichterstadt ankäme, wäre das Tier ein Vermögen wert, noch aber lag Wasser dazwischen. Der Kapitän fürchtete sich. Noch war alles ruhig. Die zwei Bordkapellen spielten. Der Mann hatte ein schlechtes Gewissen. Eisberge zogen an den Salons des Dampfers vorüber. Es schien kalt dort unter den Eisstümpfen. Als hätten sie Wurzeln, haben die Eisberge Eisränder, die in die Tiefe ragen – und wenn der Kapitän sein Schiff nicht hütet, schlitzen diese Unterwassermesser aus Eis den Blechkasten auf, der dann bitterlich zum Meeresgrund hinabsinkt. Wie kann der Kapitän seiner Angst Herr werden? Eine scheußliche Lage, und die Nacht kommt erst noch …!

Das war die Stunde von Kongs großer Macht. Wie einfach, dieses Schiff zu zerdeppern. Für eine Naturgewalt wie diese war das Schiff nicht gebaut. Draußen Blitze und Sturm. Im Schiffsrumpf in dieser Stunde die riesenhafte Natur. Im Heck zerspringen die Gläser.

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Abb. ‌1: Berggorillakind.