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Über dieses Buch

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Eine kluge Devise, nach der auch Habsburgs Kaiserinnen gelebt zu haben scheinen. Sie waren nämlich viel mehr als die Mütter des kaiserlichen Nachwuchses oder eleganter Mittelpunkt der höfischen Gesellschaft. Als Beraterinnen ihrer Gatten mischten sie in der Politik mit und nahmen Einfluss in kulturellen oder religiösen Fragen.

Die Habsburg-Expertin Sigrid-Maria Größing lässt die heimlichen Herrscherinnen Habsburgs aus dem Schatten ihrer Ehemänner treten. Dabei lüftet sie manch Geheimnis und schildert das Schicksal dieser großen Frauen, deren Leben oft kurz und tragisch endete. Ein informatives wie berührendes Standardwerk.

INHALT

DIE KAISERINNEN IN CHRONOLOGISCHER FOLGE

VORWORT

ELEONORE VON PORTUGAL

Entzückende kleine Kaiserin

BIANCA MARIA SFORZA VON MAILAND

Arme reiche Kaiserin

ISABELLA VON PORTUGAL

Sie wollte den Kaiser oder nichts

MARIA VON SPANIEN

Die streng katholische Gemahlin Maximilians II.

ANNA VON TIROL

Fast eine Heilige auf dem Kaiserthron

ELEONORA ANNA MARIA GONZAGA

Friedensstifterin und Förderin der Künste

MARIA ANNA VON SPANIEN

Geliebte Ehefrau und Mitregentin Ferdinands III.

MARIA LEOPOLDINA

Die mädchenhafte Kaiserin

ELEONORA MAGDALENA GONZAGA

Eine schöngeistige Kaiserin

MARGARITA MARIA TERESA

Die spanische Infantin auf dem Kaiserthron

CLAUDIA FELICITAS VON TIROL

Ein kurzes Leben für den Kaiser und die Musen

ELEONORE MAGDALENA VON DER PFALZ

Beste Ratgeberin des Kaisers

WILHELMINE AMALIE VON BRAUNSCHWEIG-LÜNEBURG

Die Kaiserin aus dem Norden

ELISABETH CHRISTINE VON BRAUNSCHWEIG-WOLFENBÜTTEL

Bezaubernde „Weiße Liesl“

MARIA AMALIE

Überraschungskaiserin auf dem bayerischen Thron

MARIA THERESIA

Die „ungekrönte“ Kaiserin und Mutter Österreichs

MARIA JOSEPHA

Die ungeliebte Kaiserin

MARIA LUDOVICA

Kaiserliches Glück von kurzer Dauer

MARIE THERESE VON NEAPEL-SIZILIEN

Die fröhliche Gemahlin des „guten“ Kaisers Franz

MARIA LUDOVIKA

Der Hass auf Napoleon richtete sie zugrunde

KAROLINE AUGUSTE VON BAYERN

Von Württemberg verschmäht, von Habsburg geliebt

MARIE LOUISE

Die habsburgische Kaiserin der Franzosen

LEOPOLDINE VON BRASILIEN

Sie bezahlte die Krone mit ihrem Leben

MARIA ANNA

Die vergessene Kaiserin auf dem Hradschin

ELISABETH

Eine Märchenkaiserin war sie nur im Film

ZITA

Die heimatlose Kaiserin

STEPHANIE VON BELGIEN UND SOPHIE CHOTEK

Der Tod stahl ihnen die Kaiserkrone

DANKSAGUNG

AUSWAHLLITERATUR

DIE KAISERINNEN IN
CHRONOLOGISCHER FOLGE

Eleonore von Portugal: 8.9.1436 in Torres Vedras – 3.9.1467 in Wiener Neustadt, Gemahlin von Friedrich III.

Bianca Maria Sforza von Mailand: 5.4.1472 in Mailand – 31.12.1510 in Innsbruck, 2. Gemahlin von Kaiser Maximilian I.

Isabella von Portugal: 24.10.1503 in Lissabon – 1.5.1539 in Toledo, Gemahlin von Karl V.

Maria von Spanien: 21.6.1528 in Madrid – 26.2.1603 in Villamante, Gemahlin von Maximilian II.

Anna von Tirol: 4.10.1585 in Innsbruck – 14./15. Dezember 1618 in Wien, Gemahlin von Matthias

Eleonora Anna Maria Gonzaga: 23.9.1598 in Mantua – 27.6.1655 in Wien, 2. Gemahlin von Ferdinand II.

Maria Anna von Spanien: 18.8.1606 im Escorial bei Madrid – 13.5.1646 in Linz, 1. Gemahlin von Ferdinand III.

Maria Leopoldina: 6.4.1632 in Innsbruck – 7.8.1649 in Wien, 2. Gemahlin von Ferdinand III.

Eleonora Magdalena Gonzaga: 18.11.1630 in Mantua – 6.12.1686 in Wien, 3. Gemahlin von Ferdinand III.

Margarita Maria Teresa: 12.7.1651 in Madrid – 12.3.1673 in Wien, 1. Gemahlin von Leopold I.

Claudia Felicitas von Tirol: 30.5.1653 in Innsbruck – 8.4.1676 in Wien, 2. Gemahlin von Leopold I.

Eleonore Magdalena von der Pfalz: 16.1.1655 in Düsseldorf – 19.1.1720 in Wien, 3. Gemahlin von Leopold I.

Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg: 21.4.1673 in Lüneburg – 10.4.1742 in Wien, Gemahlin von Joseph I.

Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel: 28.8.1691 in Wolfenbüttel – 21.12.1750 in Wien, Gemahlin von Karl VI.

Maria Amalie: 22.10.1701 in Wien – 11.12.1756 in München, Gemahlin von Karl VII.

Maria Theresia: 13.5.1717 in Wien – 29.11.1780 in Wien, Gemahlin von Franz I. Stephan

Maria Josepha: 20.3.1739 in München – 28.5.1767 in Wien, 2. Gemahlin von Joseph II.

Maria Ludovica: 24.11.1745 in Portici – 15.5.1792 in Wien, Gemahlin von Leopold II.

Marie Therese von Neapel-Sizilien: 6.6.1772 in Neapel – 13.4.1807 in Wien, 2. Gemahlin von Franz II./I.

Maria Ludovika: 14.12.1787 in Monza – 7.4.1816 in Verona, 3. Gemahlin von Franz I.

Karoline Auguste von Bayern: 8.2.1792 in Mannheim – 9.2.1873 in Wien, 4. Gemahlin von Franz I.

Marie Louise: 12.12.1791 in Wien – 17.12.1847 in Parma, Gemahlin von Napoleon I. Bonaparte

Leopoldine von Brasilien: 22.1.1797 in Wien – 11.12.1826 in Rio de Janeiro, Gemahlin von Dom Pedro von Brasilien

Maria Anna: 19.9.1803 in Rom – 4.5.1884 in Prag, Gemahlin von Ferdinand I.

Elisabeth: 24.12.1837 in München – 10.9.1898 in Genf, Gemahlin von Franz Joseph I.

Zita von Bourbon-Parma: 9.5.1892 in Camaiore – 14.3.1989 in Zizers, Gemahlin von Karl I.

VORWORT

Warum Kaiserin Elisabeth und nicht Kaiserin Maria Theresia? Einfach nur „Maria Theresia“? Oder doch „Kaiserin Maria Theresia“? Weshalb lehnte die bedeutendste Frau in der österreichischen Geschichte es ab, sich offiziell in Frankfurt am Main zur Kaiserin krönen zu lassen? Weswegen trugen relativ bedeutungslose Gemahlinnen der Habsburger Kaiser den Kaiserinnentitel? Wer waren die Kaiserinnen, die neben ihren Männern auf dem Kaiserthron saßen und vielfach im Hintergrund Politik machten?

Dieses Buch soll Aufschluss über das Leben jener Frauen geben, die in der habsburgischen Geschichte eine Neben-, manchmal aber auch eine Hauptrolle an der Seite ihres Gemahls gespielt haben. Einige von ihnen wurden offiziell gekrönt, andere aber trugen den Titel gleichsam „als Gemahlin des Kaisers“ und wurden dennoch auch in offiziellen Urkunden als Kaiserinnen bezeichnet. Vielleicht hing es damit zusammen, dass viele Herrscher, obwohl sie schon in jungen Jahren von den Kurfürsten als Nachfolger ihres Vaters auserwählt wurden, erst später zu Kaisern des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gekrönt wurden, wobei man davon abkam, nach Rom zu ziehen, um sich vom Papst salben zu lassen. So verschob Maximilian I. den Zug nach Rom immer wieder, da Papst Julius II. eine dubiose Schaukelpolitik betrieb, wobei man erkennen konnte, dass der Heilige Vater, der eher als Kriegs-, nicht aber als Gottesmann in Erscheinung trat, keineswegs ein Freund des Habsburgers war. Dies führte dazu, dass sich Maximilian in Trient gleichsam selber krönte, indem er sich „Erwählter Römischer Kaiser“ nannte. Dass er sich nebenbei noch mit dem Gedanken trug, sich selbst um die Tiara zu bewerben, ist eine kleine Pikanterie in der Geschichte!

Nur noch einmal wurde ein Habsburger Herrscher vom Papst gekrönt: Clemens VII. setzte Karl V., dem Enkel Maximilians, im Jahre 1530 in Bologna die Kaiserkrone aufs Haupt, wodurch der Anspruch des gekrönten Kaisers auf die Universalmonarchie demonstriert wurde.

Im Jahre 1556 dankte Karl V. zugunsten seines Bruders Ferdinand ab, der zwar nicht gekrönt, aber von den Kurfürsten zum „Erwählten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches“ erklärt worden war. Man verzichtete bewusst auf die Salbung durch den Papst, in Hinkunft wollten die römisch-deutschen Kaiser nicht mehr von der Gunst der Päpste oder deren Launen abhängig sein.

Als Ort der Kaiserkrönung hatte sich zunächst die Stadt Aachen angeboten. Da aber der Erzbischof von Köln, der die Krönung Maximilians II. vornehmen sollte, plötzlich erkrankt war, kam man zu dem Schluss, die Krönungszeremonie nach Frankfurt am Main zu verlegen. Und dabei sollte es auch in Zukunft bleiben, obwohl die Reichskleinodien in Nürnberg und nach wie vor in Aachen deponiert waren.

Seit 1356 waren es die sieben Kurfürsten, die das Recht hatten, den nächsten König bzw. Kaiser zu wählen, wobei meist zu Lebzeiten des herrschenden Kaisers schon sein Nachfolger als König bestimmt wurde. Dabei hatte es sich eingebürgert, seit Kaiser Friedrich III. die Herrscher aus dem Hause Habsburg zu küren, wobei sich die Frage auftut, warum diese Tradition bei sichtbar unfähigen Herrschern bis auf eine Ausnahme nicht durchbrochen wurde.

Aber genau so, wie man dem zu Krönenden in Frankfurt die uralten, zerschlissenen Gewänder anzog, wich man nicht von den althergebrachten Bräuchen ab – nicht immer zum Wohle des Volkes!

Was immer die Beweggründe waren, dass einige Frauen der Kaiser in Frankfurt am Main zu Kaiserinnen gekrönt wurden, lässt sich schwer, aber oftmals aus der Zeitsituation heraus erklären, wobei so manche ungekrönte Kaiserin wesentlich mehr Einfluss auf ihren kaiserlichen Gemahl ausübte als die eine oder andere offiziell gekrönte.

Das Schicksal vieler Kaiserinnen war so wie das Los der Frauen in früheren Zeiten bedauernswert. Oft schon im Kindesalter verheiratet, erwartete sie durch die vielen Schwangerschaften der Tod meist im Kindbett. Und da man keine Ahnung von den Erbgesetzen hatte, wirkten sich die viel zu nahen Verwandtschaften, vor allem zwischen spanischen und österreichischen Habsburgern, verhängnisvoll aus. Daher grenzt es beinahe an ein Wunder, dass doch so viele Kaiserinnen in dem kurzen Leben, das ihnen beschieden war, vor allem auf kulturellem Gebiet Bahnbrechendes geleistet haben.

Die Zahl der Kaiserinnen in der habsburgischen Geschichte wäre größer gewesen, hätte der Tod nicht des Öfteren Schicksal gespielt. Denn Frauen wie Maria von Burgund, Anna von Böhmen und Ungarn, Maria von Bayern, Isabella von Parma oder Elisabeth von Württemberg hatten nicht die Chance, neben ihrem Gemahl auf dem Kaiserthron zu sitzen, da sie starben, bevor ihre Ehemänner zu Kaisern gekrönt wurden. Ihnen will ich in einem eigenen Buch Erinnerung und Raum schenken.

Großgmain, im Sommer 2017

Sigrid-Maria Größing

ELEONORE VON PORTUGAL

Entzückende kleine Kaiserin

Als die Kurfürsten sich entschlossen, den habsburgischen Erzherzog Friedrich zum deutschen König zu wählen, hatten sie keineswegs die Absicht, einem starken Mann den Thron anzubieten. Ein schwacher Herrscher war das, was die Mächtigen im Reich suchten und in der Person Friedrichs fanden.

Von Anfang an galt Friedrich als ein ungewöhnlicher Herrscher. Er wirkte wie ein Hagestolz auf dem Königsthron, der für sein Leben einen eigenen Plan aufgestellt hatte, dessen Geheimnis in den seltsamen Buchstaben AEIOU steckte. Bis heute rätselt man, was der König und spätere Kaiser durch diesen Code ausdrücken wollte.

Im Reich bemerkte man nicht viel von Friedrichs Regentschaft. Die „Erzschlafmütze des Reiches“, wie er schon bald genannt wurde, war schon in die Jahre gekommen und noch immer unvermählt, was in der damaligen Zeit als absolut ungewöhnlich galt. Aber eine Frau passte kaum in sein Junggesellenleben, das er nach eigenem Gutdünken gestaltete: Er schlief bis in den hellen Tag hinein, stand nie vor Mittag auf, um sich dann die Nacht in seinen Alchimistenstuben um die Ohren zu schlagen. Hier in der Einsamkeit ließ er die kostbaren Edelsteine durch seine Finger gleiten, die er vor Jahren im Heiligen Land selbst erstanden hatte.

König Friedrich war ein begeisterter Einzelgänger. Was sollte er schon mit einer Frau anfangen? Und doch konnte er sich den Argumenten seiner Ratgeber nicht verschließen, die nicht lockerließen und den König an die Verpflichtung zu heiraten erinnerten, schließlich sollte er einen Sohn und Nachfolger zeugen, der das Reich künftig vor chaotischen Zuständen bewahren würde.

Erst allmählich war Friedrich bereit, sich mit dem Gedanken anzufreunden, sich nach einer Braut umzusehen. Dabei war man allgemein erstaunt, dass Friedrich plötzlich hohe Ansprüche an seine Zukünftige stellte. Wenn er schon eine Frau an seiner Seite dulden sollte, so musste sie zumindest schön sein!

Ein Zufall kam ihm zu Hilfe, denn die Gemahlin des Herzogs von Burgund hatte beiläufig von den Heiratsgerüchten, die sich um den deutschen König rankten, erfahren. Und da Isabella als praktisch denkende Frau auch politisch versiert war, kam sie auf die Idee, den deutschen König auf ihre schöne portugiesische Nichte Eleonore aufmerksam zu machen. Dabei hatte Isabella nicht nur das Wohl Friedrichs im Auge, denn die verwandtschaftlichen Verbindungen hätten dazu führen können, dass der deutsche König als Dank für die Braut das Herzogtum Burgund zum Königreich erhöbe.

Weil Friedrich wie in allen Lebenslagen auf Nummer sicher gehen wollte, was das Aussehen Eleonores betraf, wählte er persönlich einen Maler aus, der mit zwei Getreuen und einem Empfehlungsschreiben an den neapolitanischen Hof geschickt wurde, von wo sie nach Portugal weiterreisen sollten. Er gab seinen Beauftragten so wenig Geld mit, dass sie wie Straßenräuber wirkten, die man zunächst einmal ins Gefängnis steckte, bis sich herausstellte, in welcher Mission sie eigentlich unterwegs waren.

Die drei Boten des Königs kamen am portugiesischen Hof aus dem Staunen nicht heraus, denn Portugal war durch die Seefahrer zu einem überaus reichen Land geworden, in dem gleichsam Milch und Honig flossen. Da schien es von geringer Bedeutung zu sein, dass es innerhalb der Herrscherfamilie kurzfristig zu Unstimmigkeiten nach dem Tod von König Eduard I. gekommen war. Nach einem kämpferischen Zwischenspiel hatte sich der Bruder Eleonores als Regent durchgesetzt, der sich rührend um seine schönen Schwestern kümmerte.

Voller Bewunderung berichteten die Abgesandten von König Friedrich nach Österreich, dass die 14-jährige Eleonore ein geradezu vollkommenes Geschöpf wäre mit den schwarzen großen Augen, dem brünetten Haar, der blendend weißen Haut sowie der zierlichen Gestalt. Zum Liebreiz ihres Äußeren gesellten sich noch ihr unwiderstehlicher Charme, ihre Liebenswürdigkeit Fremden gegenüber und ihre exzellente Bildung. Eine bessere Braut hätte sich der deutsche König nicht aussuchen können!

Aber trotz der überaus positiven Berichte zögerte Friedrich noch lang – fast zu lang. Denn plötzlich tauchte der attraktive Sohn des Königs von Frankreich als Brautwerber auf. Seltsamerweise jedoch erklärte Eleonore, dass sie dem deutschen König den Vorzug geben wolle, der große Altersunterschied von 21 Jahren schien die kleine Prinzessin nicht zu stören, sicherlich reizte sie die Aussicht auf die Kaiserkrone. Zumindest berichtete dies ein Freund der Familie, Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II.

Eleonore bedauerte wahrscheinlich ihr späteres kurzes Leben lang die Wahl, die sie als unwissendes junges Mädchen getroffen hatte. Denn aufgrund ihres völlig verschiedenen Wesens und ihrer ganz unterschiedlichen Lebensauffassungen konnten die beiden Menschen keinen gemeinsamen Weg finden. Friedrich heiratete zwar, führte aber letztlich das Leben eines Junggesellen fort, ohne auch nur im Geringsten auf seine Gemahlin Rücksicht zu nehmen.

Aber all dies konnte Eleonore nicht ahnen, als sie sich mit ihrem Gefolge und einer großen Anzahl von Schiffen auf die Reise über das Mittelmeer begab, um im toskanischen Talamone ihren zukünftigen Ehemann zu treffen. Der November war an sich keine gute Zeit für eine Seefahrt. Nur dem Gottvertrauen der kleinen Prinzessin war es zu verdanken, dass sie alles ohne Panik überstand und endlich nicht im vorgesehenen Hafen, aber doch auf der Apenninhalbinsel eintraf, wo man schon ihren Tod in den Wellen betrauert hatte.

In Siena standen sich die Brautleute zum ersten Mal gegenüber: Es war ein Zusammentreffen der besonderen Art, denn Friedrich überfiel ein Zittern am ganzen Körper, als er das schöne Mädchen sah. Eleonore jedoch ging auf den Bräutigam zu und sprach ihn auf Deutsch an, denn sie hatte auf der Überfahrt schon begonnen, die Sprache ihres zukünftigen Landes zu erlernen. Dadurch entspannte sich die Situation, wenngleich Friedrich lange nach Fassung rang und sich möglichst bald allein in seine Gemächer begab.

Getrennt zog man nach Rom weiter. Die Hochzeitsfeierlichkeiten sollten in der Ewigen Stadt stattfinden, wo am 16. März 1452 Papst Nikolaus V. die wenig spektakuläre Trauung vornahm, welcher der Bräutigam mit gemischten Gefühlen entgegengesehen hatte. So schnell es ging, zog sich Friedrich zurück, da er bei seiner Krönung zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, die unmittelbar bevorstand, ausgeruht sein wollte. Nur drei Tage später fand in Rom das Fest aller Feste statt. Mit großem Pomp krönte der Papst nach altem Ritus Friedrich zum Kaiser und salbte anschließend auch Eleonore, der Nikolaus V. den Ehrennamen „Helena“ verlieh.

Wahrscheinlich war es Geldmangel, der den frisch gekrönten Kaiser zwang, die Einladung von Eleonores Onkel Alfons nach Neapel anzunehmen. Wenngleich Eleonore 60 000 Gulden mit in die Ehe brachte, so war der knauserige Ehemann nicht gewillt, dieses Geld anlässlich der Hochzeit auszugeben. Immerhin hatte er sich im Gegenzug verpflichtet, Ländereien im gleichen Wert Eleonore zu überlassen, die ihr als Alterssitz dienen sollten.

Der Onkel Eleonores war nicht nur ein reicher, sondern vor allem auch ein lebenslustiger Mann. Daher verwundert es nicht, dass König Alfons alles aufbot, um das frisch verheiratete Paar mit Lustbarkeiten zu verwöhnen. Aber so sehr die Feste auch nach dem Geschmack der kleinen Ehefrau waren, so ablehnend verhielt sich Friedrich dem König gegenüber. Nicht geringes Erstaunen erregte er allerdings dadurch, dass er der entzückenden Eleonore auf Schritt und Tritt auswich, ganz abgesehen davon, dass er jeden näheren Kontakt vermied. Wie immer das Gerücht ans Licht kam, ist nicht bekannt, aber eines Tages hieß es, Friedrich scheue sich davor, die Ehe auf italienischem Boden zu vollziehen, da er keinen welschen Bastard zeugen wollte!

Auch der Onkel der jungen Frau machte sich natürlich so seine Gedanken zu der seltsam pikanten Situation. Und er kam zu dem Schluss, dass man Friedrich mit List ins Brautbett locken musste. Er beauftragte die Dienerinnen Eleonores, alles für ein amouröses Attentat, das die Sinne mit exotischen Düften und melodiöser Musik berauschte und dem auch Friedrich nicht widerstehen konnte, vorzubereiten.

Die Intimitäten in Neapel besagten für den Kaiser aber nicht, dass er gewillt war, in Hinkunft ein geregeltes Eheleben zu führen. Getrennt verließ man Neapel und begab sich nach Venedig, wo das Ehepaar in unterschiedlichen Palazzi Quartier bezog.

Die junge Frau genoss die schönen Wochen in der Lagunenstadt in vollen Zügen, die zu ihrem Leidwesen ein jähes Ende fanden, als die Ärzte vermuteten, dass Eleonore ein Kind erwartete. So rasch es ging, zog das kaiserliche Ehepaar nach Graz, wo Eleonore einen ersten Vorgeschmack auf die düsteren, kalten österreichischen Burgen bekam. In den dicken Mauern, die vor Feinden schützen sollten, erstarb jedes Lachen und jede Fröhlichkeit. Sie passten genau zu Eleonores misanthropischem Ehemann, der seiner jungen Frau nur Vorschriften machte. Vor allem, als sich herausstellte, dass Eleonore nicht in anderen Umständen war. Erst 1455 schenkte die Kaiserin nach einer langen und risikoreichen Entbindung einem Knaben das Leben, der auf den Namen Christoph getauft wurde, aber schon nach einem halben Jahr verstarb. Unsensibel wie er war, schob Friedrich die Schuld am Tod des Kindes seiner Gattin in die Schuhe. Wie sehr musste Eleonore unter der Lieblosigkeit ihres Mannes gelitten haben, der ihr alles, was ihr aus Portugal geschickt wurde, missgönnte, der kein liebes Wort für die tapfere Frau an seiner Seite hatte.

Glücklicherweise war das zweite Kind, das im März 1459 das Licht der Welt erblickte, wieder ein Knabe, den Friedrich unmittelbar nach der Geburt der Mutter wegnehmen wollte, um ihn nach althergebrachter österreichischer Sitte selber aufzuziehen. Feine Kost lehnte Friedrich ein Leben lang ab, genauso wie er Wein als Teufelsgetränk verabscheute. Um auch anderen Versuchungen zu entgehen, verschloss er die Augen vor tief dekolletierten Damen und prangerte bei jeder Gelegenheit die prächtigen Kleider an, die auch seiner eigenen Gemahlin gefielen.

Wahrlich gab es nichts, was die beiden unterschiedlichen Menschen verband, wobei es an Friedrich lag, wenigstens einen kleinen Schritt auf Eleonore zuzugehen. Sie wäre wahrscheinlich glücklich darüber gewesen. Selbst als Friedrich erkennen musste, welch großartige Frau er geheiratet hatte, war er nicht in der Lage, über seinen Schatten zu springen. Denn Eleonore hatte er es zu verdanken, dass die kaiserliche Familie die Belagerung durch den Wiener Bürgermeister Holzer und durch Friedrichs Bruder Albrecht, der selber auf den Thron gelangen wollte, in der Burg überstand. Eleonore sprach nicht nur allen Mut zu, sondern demonstrierte Durchhaltevermögen, weil sie in dieser prekären Lage nicht verzweifelte.

Vielleicht hatte Eleonore dieses schreckliche Beispiel gebraucht, um endlich ihrem Ehemann die Stirn zu bieten, denn nach ihrer Rückkehr nach Wiener Neustadt war man allgemein über die aktive Kaiserin erstaunt. Sie begann ein eigenes Leben zu führen, sehr zum Wohle aller. Mit ihrem Charme erreichte Eleonore bei manchen politischen Unterredungen für die kaiserliche Familie das Optimale. Man schätzte und verehrte die junge Kaiserin, die selbst nach Jahren der Einsamkeit nichts von ihrer Schönheit eingebüßt hatte. Sie war zu einer eigenständigen Persönlichkeit geworden, die das, was sie als Kind und junges Mädchen am portugiesischen Hof an diplomatischer Taktik erfahren und gelernt hatte, jetzt in Österreich umsetzte.

Eleonores ganze Liebe gehörte ihren beiden Kindern Maximilian und Kunigunde. Sie war es, die für den Sohn und die Tochter gebildete und pädagogisch versierte Lehrer ausgesucht hatte, die in spielerischer Weise ihren Schützlingen das Wissen über Gott und die Welt beibrachten. Gegen den Willen des Kaisers. Aber Eleonore berief sich auf die Aussagen des alten Freundes Enea Silvio Piccolomini, der mittlerweile Papst geworden war, dass sie mit den Lehrern die richtige Wahl getroffen hatte.

Jenes Leben freilich, das sich Eleonore gegen Friedrichs Willen eingerichtet hatte, war dem Kaiser ein Dorn im Auge, sodass es zu schweren Zerwürfnissen zwischen den Eheleuten kam. Innerhalb weniger Jahre erblickte kein Kind mehr das Licht der Welt.

Die Gesundheit seiner Gemahlin interessierte Friedrich wenig, auch dann nicht, als sie, die das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, plötzlich zu kränkeln begann. Die Kuren in den heißen Quellen von Baden besserten zwar den Gesundheitszustand der jungen Frau vorübergehend, aber an eine völlige Gesundung war trotzdem nicht zu denken.

Als die Totenglocken am 3. September 1467 läuteten, weinten nicht nur die kleinen Kinder um ihre geliebte Mutter, es trauerte auch der gesamte Hofstaat um die verehrte Kaiserin. Nur einer zeigte wenig Trauer, als er hinter der Bahre seiner Gemahlin schritt: ihr eigener Ehemann, der geradezu von einer Last befreit schien.

BIANCA MARIA SFORZA VON MAILAND

Arme reiche Kaiserin

Sein Geburtshoroskop hatte Kaiser Maximilian I. eine sehr junge Frau in seinem dritten Lebensabschnitt vorhergesagt, die guten und rechten Glaubens war, „dem Mann ergeben, anständig und rechtschaffen“, durch die er zu Gewinn und Wohlstand kommen würde. Diese zweite Gemahlin würde allerdings kränklich und wenig glücklich sein.

Nachdem Maximilian sich vergebens um die Erbin der Bretagne bemüht hatte, die ihm der französische König Karl VIII. weggeschnappt hatte, fand er Gefallen an dem Plan, sich mit der reichen Nichte des Mailänder Regenten Ludovico il Moro zu verehelichen, denn Bianca Maria Sforza galt als Goldmädchen unter jenen Damen, die gerne das Bett mit dem schönen Maximilian geteilt hätten. Ihr Aussehen und ihre Bildung waren für den Brautwerber einigermaßen bedeutungslos. Er sehnte sich nicht nach einer neuen Frau, ihm ging es lediglich um die blanken Dukaten.

Bianca Maria Sforza, am 5. April 1472 in Mailand geboren, war am Hofe ihres Onkels Ludovico il Moro trotz der komplizierten politischen Verhältnisse sorglos herangewachsen, obwohl ihr Vater einem Meuchelmord zum Opfer gefallen war und daher sein Bruder die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Sie verstand sich gut mit Ludovico Sforza, das Leben in seiner Residenz bot alle erdenklichen Annehmlichkeiten und Abwechslungen, denn der Onkel war nicht nur ein steinreicher Mann, sondern umgab sich auch mit den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit – zu seinen engsten Freunden zählte Leonardo da Vinci –, sodass der Mailänder Hof innerhalb kürzester Zeit zu einem der glanzvollsten Italiens wurde. Ludovico selbst benötigte nur noch eine gewisse Aufwertung durch den Herzogstitel. Und den sollte ihm der zukünftige Ehemann seiner jungen Nichte verleihen!

Bianca Maria war nicht ausgesprochen hübsch, aber auch nicht hässlich. Es lag um sie der Goldschimmer der Dukaten, die der Onkel in großen Truhen schon für den zukünftigen Freier bereithielt. Da war es nicht unbedingt notwendig, dass das junge Mädchen mit Gelehrsamkeit überhäuft wurde. Es konnte sich ganz seinen Neigungen hingeben und die bestanden fast ausschließlich im Anfertigen feinster Handarbeiten, wobei es ihr vor allem die Petit-Point-Stickerei angetan hatte.

Das Gerücht, dass Ludovico il Moro für seine reiche Nichte einen Ehemann suchte, war natürlich dem ewig sich in Geldnöten befindlichen Maximilian längst zu Ohren gekommen. Obwohl er immer noch um seine geliebte Gemahlin Maria von Burgund trauerte, entschloss er sich doch, um die Hand Bianca Marias in Mailand anhalten zu lassen. Seine Chancen standen hervorragend, denn er galt sicherlich als der attraktivste Bräutigam auf dem internationalen Heiratsmarkt.

Die prunkvolle Hochzeit Bianca Marias fand in Mailand statt, allerdings ohne den Bräutigam, der nur einen Vertreter geschickt hatte. Maximilian war keineswegs daran interessiert, möglichst bald seine neue Ehefrau kennenzulernen, er vergnügte sich während der Hochzeitsfeierlichkeiten lieber in Wien mit einer seiner Geliebten. Hätte er allerdings gewusst, wie grandios Leonardo da Vinci die Festlichkeiten in Mailand gestaltete, hätte er sich als kunstsinniger Mensch, der ein Leben lang ausschweifende Feste liebte, vielleicht auf den Weg nach Oberitalien gemacht. Denn Leonardo erwies sich als perfekter Verhüllungskünstler, der allein dem ehrwürdigen Mailänder Dom durch die Drapierung aus Samt und Seide zu einem völlig neuen Aussehen verhalf. Der Künstler war es auch, der die junge Braut am längsten auf ihrem Weg in die neue Heimat begleiten durfte, in Spiegelschrift verfasste er Aufzeichnungen über die Reise bis an den Comer See.

Maximilian hatte wahrscheinlich noch nicht einmal das übliche Medaillon mit dem Konterfei seiner neuen Gemahlin zu Gesicht bekommen, da rollten schon 25 000 Dukaten in seine gähnend leeren Geldtruhen, denen nach zwei Monaten weitere 75 000 folgen sollten. Damit aber war nur eine Anzahlung geleistet, denn bereits nach dem Jawort der Braut kassierte der abwesende Bräutigam nochmals 100 000 Goldstücke, die nächsten 100 000 aber sollten erst nach dem tatsächlichen Vollzug der Ehe folgen. Dass Ludovico nach seiner Belehnung zum Herzog von Mailand erneut 100 000 Dukaten für diese Ehre flüssig machen würde, war für Maximilian beinahe eine Selbstverständlichkeit. Der König wäre praktisch mit einem Schlag ein reicher Mann gewesen, hätte er dieses Geld, das ihm wie ein Geschenk des Himmels vorkommen musste, besser angelegt. Aber Maximilian rann auch dieses Vermögen gleichsam durch die Finger, allein der bisher angehäufte Schuldenberg, den er abzutragen hatte, verschlang Unsummen.

Obwohl Maximilian wusste, dass Ludovico Sforza ein großzügiger Mann war, konnte er nicht ahnen, dass die Aussteuer, die Bianca Maria über die Alpen mit in die Ehe brachte, noch einmal einen Wert von 400 000 Gulden hatte. Allein die Edelsteine, die man der Braut zum Geschenk gemacht hatte, bedeckten einen ganzen Tisch. Zur Freude der Mailänder Bevölkerung stellte man den kostbaren Trousseau öffentlich aus, wobei die einfachen Leute über die riesigen Ballen Samt und Seide staunten, die die junge Frau mitnehmen sollte. Unter- und Nachthemden aus feinstem Linnen, eines reizvoller als das andere, wurden den Gästen gezeigt, 72 Paar seidene Schuhe, Bettwäsche, die genauso mit Edelsteinen besetzt war wie die Tischwäsche, die Dutzende Truhen füllte, Tausende Handtücher, schwere Gold- und Silbergeräte, dazu auch sehr intime Dinge wie drei Nachttöpfe aus massivem Silber. Für alle Eventualitäten in der Zukunft sollte gesorgt sein.