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Edmund Edel

Der Skandal im Viktoria-Klub

Der Roman eines Spielers

Edmund Edel

Der Skandal im Viktoria-Klub

Der Roman eines Spielers

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962810-59-7

null-papier.de/479

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Inhaltsverzeichnis

Au­tor

1. Ka­pi­tel.

2. Ka­pi­tel.

3. Ka­pi­tel.

4. Ka­pi­tel.

5. Ka­pi­tel.

6. Ka­pi­tel

7. Ka­pi­tel.

8. Ka­pi­tel.

9. Ka­pi­tel.

10. Ka­pi­tel.

11. Ka­pi­tel.

12. Ka­pi­tel.

13. Ka­pi­tel.

14. Ka­pi­tel.

15. Ka­pi­tel.

16. Ka­pi­tel.

17. Ka­pi­tel

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Autor

Ed­mund Al­bert Edel (1863–1934) war ein deut­scher Ka­ri­ka­tu­rist, Il­lus­tra­tor, Schrift­stel­ler und Film­re­gis­seur. Er stamm­te aus ei­ner jü­di­schen Arzt­fa­mi­lie, die 1864 nach Char­lot­ten­burg ge­zo­gen war, das da­mals noch nicht zu Ber­lin ge­hör­te. Nach ei­ner kauf­män­ni­schen Aus­bil­dung ver­such­te er sich in Pa­ris und Mün­chen als Künst­ler. In Pa­ris freun­de­te er sich u. a. mit Tou­lou­se-Lautrec an. Aus des­sen Künst­ler­kreis schöpf­te er auch sei­ne In­spi­ra­tio­nen zur Pla­kat­ma­le­rei. Über frü­he Er­fol­ge als Il­lus­tra­tor und Ge­brauchs­gra­fi­ker ge­lang­te er An­fang des 20. Jahr­hun­derts auch zur Schrift­stel­le­rei und zum Film. Nach der Machter­grei­fung der Na­zis 1933 fand sich der bis da­hin be­kann­te und ge­schätz­te Künst­ler und Au­tor zu­neh­mend an­ti­se­mi­ti­schen An­fein­dung aus­ge­setzt. Er starb we­ni­ge Mo­na­te dar­auf.

1. Kapitel.

Der Ge­ne­ral­kon­sul früh­stück­te.

Mit der den al­ten Jung­ge­sel­len ei­gen­tüm­li­chen Sorg­falt schäl­te er das Ei, das in ei­nem brau­nen Fayence­be­cher steck­te, aus der Scha­le und löf­fel­te es be­däch­tig.

Dann trank er einen Schluck Tee, aß eine Schei­be blut­ro­ten Schin­ken und griff zur Mor­gen­zei­tung.

Die Zi­gar­re bil­de­te den Schluss­ak­kord die­ses klei­nen lu­kul­li­schen Auf­tak­tes zur Be­hag­lich­keit des Ta­ges. Ei­nes Ta­ges, wie es ein von den Un­bil­den der Zeit­läu­fe nicht zu arg be­rühr­ten Bür­gers dar­stell­te.

In die Stil­le die­ser Be­hag­lich­keit, die das son­ne­ner­hell­te Spei­se­zim­mer er­füll­te, trat Wer­ner.

Läs­sig, et­was im mü­den schlep­pen­den Ton, sag­te er:

»Gu­ten Mor­gen, On­kel!«

Der Ge­ne­ral­kon­sul blick­te un­ter dem gol­de­nen Ein­glas, das sei­nem al­ten Bon­vi­vant­ge­sicht eine ge­wis­se For­sche gab, er­staunt und zu­gleich neu­gie­rig auf den Ein­ge­tre­te­nen.

»Schon auf oder – noch auf?«

Der Ge­ne­ral­kon­sul lieb­te es, den Ernst des Le­bens durch einen an rich­ti­ger Stel­le an­ge­brach­ten Scherz zu mil­dern.

Wer­ner setz­te sich dem On­kel ge­gen­über. Der alte Die­ner Fritz, ein In­ven­tar des Hau­ses, so ab­ge­braucht wie die Tep­pi­che und Mö­bel hier in der Vil­la, aber eben­so ge­die­gen in der Qua­li­tät wie die­se Ge­gen­stän­de, leg­te laut­los ein Ge­deck auf und ser­vier­te dem jun­gen Herrn das Früh­stück.

»Wie Du willst, On­kel – schon auf – aber auch noch auf. Ich habe we­nig ge­schla­fen.«

Der Ge­ne­ral­kon­sul wuss­te so­fort, um was es sich han­del­te.

»Na­tür­lich wie­der die alte Ge­schich­te?«

Wer­ner hol­te die Tas­se zu sich her­an, rück­te mit dem Stuhl.

»Also wie viel?« frag­te der On­kel.

Wer­ner lä­chel­te ver­le­gen. Nann­te eine Sum­me. Eine star­ke, kräf­ti­ge vier­stel­li­ge Zahl. Der Ge­ne­ral­kon­sul blick­te ihn über­rascht an.

»Ver­spielt? – – Ehren­schul­den?«

Wer­ner nick­te.

Der Ge­ne­ral­kon­sul er­hob sich brüsk. Trat zu sei­nem Nef­fen, leg­te ihm die Hand auf die Schul­tern.

»Das geht so nicht wei­ter, Wer­ner!«

Wer­ner zuck­te mit den Schul­tern.

Der Ge­ne­ral­kon­sul stieß den Rauch in ei­ner mäch­ti­gen Wol­ke ge­gen die De­cke des Zim­mers.

»Ich ver­ste­he Dich nicht – man muss in Dei­nen Jah­ren wis­sen, was man tut – – wenn man über­haupt et­was tut …?«

Die­ses Lot­ter­le­ben dul­de er nicht mehr. Er wäre, das wüss­te der Nef­fe, selbst in sei­nem Le­ben kein Freund von Trau­rig­keit ge­we­sen, er hät­te alle Dumm­hei­ten mit­ge­macht, die auf der Welt nur mög­lich wa­ren. Aber schließ­lich hät­te er ge­ar­bei­tet. Und wäre zu et­was ge­kom­men. Wenn der Mensch an die Drei­ßig rückt, muss er dar­an den­ken, fes­ten Fuß zu fas­sen. Das Schul­den ma­chen wäre kein Be­ruf für einen Kerl, der Be­ga­bung und In­tel­li­genz zeigt. Beim Teu­fel: das gin­ge so nicht wei­ter, wie­der­hol­te der Ge­ne­ral­kon­sul.

Es war eine rich­ti­ge Moral­pre­digt. Da­bei durch­maß der alte Herr das Zim­mer von ei­nem Ende zum an­dern, saug­te an der di­cken Zi­gar­re und er­füll­te den Raum mit graublau­en Rauch­wol­ken.

Wer­ner saß schwei­gend am Tisch, auf sei­ne Tee­tas­se ge­bückt.

»Du wirst Dich mit Lid­di Leit­ner ver­lo­ben – schleu­nigst, mein Jun­ge! Der alte Kom­mer­zi­en­rat hat neu­lich in ei­nem Brief an mich wie­der an­ge­tippt!«

Wer­ner schob die Tee­tas­se mit ei­ner plötz­li­chen Be­we­gung zu­rück und lehn­te sich an den Rücken des Ses­sels. Schau­te zu sei­nem On­kel hin­über, der sich wie­der an den Tisch ge­setzt. Wer­ner sag­te kein Wort.

»Na, das Schlimms­te ist das auch nicht, mein Sohn! Das Mä­del ist wie eine Pup­pe, al­ler­hand Hochach­tung!«

Der alte Le­be­mann schnalz­te mit der Zun­ge.

Wer­ner muss­te un­ge­wollt lä­cheln.

Der On­kel blitz­te ihn un­ter dem Mo­no­kel wie ein lüs­ter­nes Teu­fel­chen an.

»… und ein gol­de­nes Püpp­chen dazu, mein Jun­ge!«

Der alte Leit­ner wol­le sei­nen Schwie­ger­sohn in den Be­trieb mit hin­ein­neh­men. Mit­di­rek­tor der großen Leit­ner­schen Wer­ke zu wer­den, wäre im­mer­hin wert, in den sau­ren Ap­fel der Ehe zu bei­ßen – und die­ser sau­re Ap­fel sei au­ßer­dem zucker­süß …

Der Ge­ne­ral­kon­sul lach­te in lau­ten Wir­beln über die­sen Witz und schlug sich mit der Hand auf den Schen­kel, dass es klatsch­te.

Als Wer­ner kei­ne An­stal­ten mach­te, sich zu äu­ßern, son­dern viel­mehr wei­ter wie eine Pa­go­de stumm vor ihm saß, sprang der On­kel auf, blieb ste­hen. Sei­ne Züge ver­lo­ren den Aus­druck der Mil­de und über­le­ge­nen Welt­weis­heit, sie wur­den hart und ent­schlos­sen.

»Ent­we­der oder: Du hei­ra­test und wirst ein an­stän­di­ges Mit­glied der Ge­sell­schaft –!«

Wer­ner wuss­te, dass das letz­te ge­kom­men war. Er kann­te sei­nen On­kel und sei­ne kal­te Rück­sichts­lo­sig­keit in Ge­schäfts­an­ge­le­gen­hei­ten. Wenn er ein­mal einen Ent­schluss ge­fasst, eine Sa­che bis zu ei­nem ge­wis­sen Punkt ge­führt, gab es für ihn kein Zu­rück mehr. Bie­gen oder Bre­chen, das war das Leit­mo­tiv al­ler Hand­lun­gen des Ge­ne­ral­kon­sul Kunz­mann ge­we­sen, der trotz al­ler Bon­ho­mie und äu­ße­ren glat­ten Um­gangs­form mit ei­ser­ner Wil­lens­kraft sein Le­bens­werk be­sorgt hat­te.

Wer­ner dach­te an die blon­de jun­ge Dame, die er im Vor­jah­re im Ho­tel Ste­pha­nie in Ba­den-Ba­den ken­nen ge­lernt. Mit der er einen Tanz­preis er­strit­ten, den sil­ber­nen Po­kal im Ten­nis­tur­nier er­kämpft, im Golf­klub in Oos auf den ent­zücken­den Nach­mit­tags­tees ge­flir­tet hat­te. Ein Flirt, wie so vie­le an­de­re. Wei­ter nichts!

Man be­nei­de­te ihn um die hüb­sche Blon­di­ne und um den Gold­fisch, denn die Düs­sel­dor­fer Leit­ners wa­ren »schwer«, wie sie im »In­ter­na­tio­na­len« er­zähl­ten. Aber Wer­ner dach­te über die Af­fä­re nicht wei­ter nach. Der In­ter­na­tio­na­le Klub und die If­fez­hei­mer Ren­nen nah­men ihn zu sehr in An­spruch, als dass er die­sem Flirt mehr als nö­tig Rech­nung trug. Auch hat­te er ver­teu­fel­tes Pech wäh­rend der gan­zen Zeit und er ver­wünsch­te die­se Lie­be­lei, die dem Spiel­glück schon, um das Sprich­wort nicht zu ent­kräf­ten, nicht zum Heil die­nen konn­te.

Schon vor kur­z­em hat­te der On­kel ihm an­ge­deu­tet, dass der Kom­mer­zi­en­rat, Lid­dis Va­ter und des Ge­ne­ral­kon­suls al­ter Ju­gend­freund, ge­schrie­ben hät­te, sei­ne Toch­ter schie­ne eine erns­te Nei­gung zu Wer­ner ge­fasst zu ha­ben.

Die arme jun­ge Dame, dach­te Wer­ner. Sie über­schätzt mich. Sie hält mich ei­ner Lie­be für wert, zu der ich mich in kei­ner Wei­se ver­pflich­tet füh­le.

Er hat­te nie­mals ge­liebt. Er pflück­te die Frau­en, schnell, im Sturm, vor­über­ge­hend. Ließ sie wie aus­ge­rupf­te Blu­men, an de­ren Far­be und Duft man sich er­götzt, am Bo­den lie­gen, schritt über sie hin­weg.

Er emp­fand kei­ne Lei­den­schaft für die Frau­en, kann­te die Grund­tie­fen der Lie­be nicht, nipp­te an der Lie­be nur, wie am Sekt, des­sen auf­stei­gen­de Per­len ihn in flüch­ti­gen Rausch ver­setz­ten.

Sei­ne Lei­den­schaft war das Spiel, Kar­ten und Pfer­de – – –

Der Ge­ne­ral­kon­sul hielt sei­nen Nef­fen mit fes­tem Blick in Bann. Wie mit ei­ner ei­ser­nen Klam­mer drück­te er ihm die Not­wen­dig­keit des Ent­schlus­ses aus.

Wer­ner sah kei­nen Aus­weg.

Ner­vös lä­chel­te sr.

»Die blon­de Lid­di liebt mich noch im­mer?« sag­te er end­lich, wie­der mit die­sem nach­läs­sig mü­den Ton­fall, der ihm zur Ge­wohn­heit ge­wor­den.

»Dann wird mir wohl nicht an­de­res üb­rig blei­ben«, fuhr er fort.

Über des Ge­ne­ral­kon­suls Ge­sicht streif­te ein Son­nen­strahl. Tauch­te es in gol­de­nes Flim­mern. Fing sich zu ei­nem Blitz­licht in dem run­den Ein­glas.

»Bra­vo, mein Jun­ge, das ist ver­nünf­tig. Ich wer­de gleich an den al­ten Leit­ner te­le­gra­fie­ren – – – Und den Scheck kannst Du Dir nach­her im Büro ab­ho­len – – Ich hof­fe be­stimmt, dass es der letz­te Scheck sein wird, mit dem Du Spiel­schul­den be­zah­len wirst – zu­künf­ti­ger jun­ger Ehe­mann und Di­rek­tor der Leit­ner­wer­ke!!«

Wer­ner stand auf, um sei­ne Lip­pen zog sich ein lei­ser Zug von Iro­nie. Aber er be­zwang sich. Er steck­te sich eine Zi­ga­ret­te an und ver­such­te die in­ner­li­che Er­re­gung, die ihn ge­packt, mit ein paar Zü­gen Ni­ko­tin her­un­ter­zu­schlu­cken. Es war ein Er­eig­nis in sein Le­ben ge­tre­ten, das aus der glat­ten Bahn, die er bis­her sanft ge­rutscht war, ein Hin­der­nis dar­stell­te.

Nun wohl, er woll­te se­hen.

Aus der heu­ti­gen Pat­sche war er wie­der her­aus.

Das eine Loch konn­te er mit des On­kels Scheck wie­der zu­stop­fen.

Und die Hei­rat?

Gott! Er hat­te so man­ches­mal sein Letz­tes aus eine Kar­te ge­setzt!

Glück? – – Kar­ten­glück? – – Le­bens­glück? …

2. Kapitel.

Man war in aus­ge­zeich­ne­ter Stim­mung. Das Di­ner, vom Di­rek­tor des Ho­tel Ad­lon für Ge­ne­ral­kon­sul Kunz­mann, den alt­ge­wohn­ten Gast, be­son­ders zu­sam­men­ge­stellt, hat­te die Er­war­tun­gen über­trof­fen. Aber der Ge­ne­ral­kon­sul woll­te die­sem Abend, an dem sein Nef­fe und Erbe sei­nen Lieb­lings­wunsch er­füll­te, ein per­sön­li­ches Ge­prä­ge ge­ben. Sei­ne Note war das Epi­kurä­er­tum. Gut Es­sen und Trin­ken, ein Le­ben­s­ide­al ne­ben der schwe­ren und ver­ant­wor­tungs­vol­len Ar­beit, die ihn zu großem Ver­mö­gen und An­se­hen ge­bracht hat­te.

Man trank einen vor­züg­li­chen Grand Mar­nier1 – zur Ver­dau­ung von dem »gan­zen Zeug«, wie der Ge­ne­ral­kon­sul sag­te und Fräu­lein Lid­di Leit­ner lach­te wie ein Was­ser­fall, der in gluck­sen­den Kas­ka­den von der Höhe kul­ler­te.

»Wie ein Was­ser­fall – – ja« mein­te Wer­ner »oder wie eine ver­lieb­te Nach­ti­gall im Busch … ge­ra­de so klingt Dein La­chen, Lid­di.«

»Gott, wie poe­tisch!« hän­sel­te ihn Lid­di. »Das hast Du doch jetzt nicht mehr nö­tig, wo wir nun ehr­sam Braut und Bräu­ti­gam sind, Wer­ner! Das hät­te Dir beim Flir­ten ein­fal­len müs­sen, da­mals, als Du noch kei­ne so­ge­nann­ten re­el­len Ab­sich­ten hat­test …«

Mit ih­rem brei­ten me­lo­disch aus­klin­gen­den rhei­ni­schen Ak­zent schi­en sie eine At­mo­sphä­re von sorg­lo­ser Fröh­lich­keit um sich her­um zu zau­bern. Ein ge­wand­tes Men­schen­kind, ge­recht in al­len Sät­teln ge­sell­schaft­li­cher Kunst, nicht auf den Kopf ge­fal­len, ge­scheit und schlag­fer­tig. Sie lieb­te Wer­ner mit der Lei­den­schaft, die jun­ge Mäd­chen aus gu­ter Fa­mi­lie für den ers­ten, der aus dem In­stru­ment ih­rer See­le lei­se Ak­kor­de an­zu­schla­gen ver­steht, eben lie­ben. Sie glau­ben, dass die­ser ers­te der letz­te sein wür­de, und dass da­mit das männ­li­che Ide­al er­schöpft blie­be.

Lid­di blick­te aus mun­te­ren graublau­en Au­gen in die Welt wohl­ge­sit­te­ter Kul­tur­mög­lich­kei­ten, sie war, un­ter nor­ma­len An­sprü­chen, ein schö­nes Mäd­chen mit schlan­ken Hüf­ten, et­was zur Fül­le nei­gen­der Büs­te und pracht­vol­lem, gold­blon­dem Haar.

Die bei­den al­ten Her­ren am Tisch mach­ten ab­wech­selnd der jun­gen Dame den Hof. So­dass selbst Wer­ner, der frisch­ge­ba­cke­ne Bräu­ti­gam, einen schwe­ren Stand hat­te, sei­ner Galan­te­rie den rich­ti­gen Aus­druck zu ver­lei­hen. Es war bei­na­he ko­misch, wie der Papa Kom­mer­zi­en­rat sei­ne Toch­ter, die ein­zi­ge Ge­fähr­tin nach dem Tode sei­ner Frau, nicht wie ein Kind, son­dern wie eine ver­eh­rungs­wür­di­ge jun­ge Dame be­han­del­te, der man je­den Wunsch und jede Lau­ne von den Au­gen ab­zu­le­sen sich be­eilt. Da­bei be­han­del­te Lid­di den ar­men Papa mit sou­ve­rä­nem Über­mut, den der gute Kom­mer­zi­en­rat, in sei­nem Groß­be­trieb ein stren­ger Len­ker von vie­len tau­send Ar­beiter­schick­sa­len, mit Ge­duld er­trug. Der Ge­ne­ral­kon­sul aber war ganz aus dem Häu­schen. Er hat­te Lid­di mit kost­ba­ren Ge­schen­ken über­schüt­tet und die bei­den Tage, seit­dem sie mit ih­rem Va­ter in Ber­lin weil­ten, zu wah­ren Stun­den des Glückes ge­macht.

Wer­ner, nach­dem er ein­mal die Not­wen­dig­keit ein­ge­se­hen, hat­te sich von Lid­dis Le­bens­freu­de, von ih­rer zü­gel­lo­sen Lust nach der Schön­heit, von ih­rem Hun­ger nach Sen­sa­ti­on und Ab­wech­se­lung mit­rei­ßen las­sen. Wie in ei­nem Mahl­strom wur­de er wil­len­los um­her­ge­schleu­dert durch Lid­dis spru­deln­des Tem­pe­ra­ment. Manch­mal glaub­te er so­gar, dass er sie lieb­te. Je­den­falls war sie ihm nicht un­sym­pa­thisch und das ver­süß­te ihm im­mer­hin die bit­te­re Pil­le, die ihm die Auf­ga­be sei­ner Frei­heit be­deu­te­te.

»… es bleibt ein an­ge­bro­che­ner Nach­mit­tag …« sag­te der Ge­ne­ral­kon­sul, »man müss­te noch ir­gen­det­was un­ter­neh­men?«

Zum Thea­ter war es zu spät. Also woll­te man eine Bar auf­su­chen.

»Ach ja, Mu­sik und Tanz!«

Lid­di warf die Zi­ga­ret­te auf den Tel­ler und klatsch­te in die Hän­de, wie ein klei­nes Kind, das mit die­sem Hän­de­klat­schen sei­ne Freu­de aus­drücken will.

»Das habe ich mir schon längst ein­mal ge­wünscht, so ganz nahe die­se Nacht­bum­me­lei mit­an­zu­se­hen – – so ganz nahe dem Sün­den­fall!«

Sie zeig­te ein Spitz­bu­ben­ge­sicht, als wenn sie sich über die drei Her­ren lus­tig ma­chen woll­te.

»Ei­gent­lich müss­test Du da­mit war­ten, bis Du ver­hei­ra­test bist« warn­te der Ge­ne­ral­kon­sul.

»Wie alt­mo­disch, On­kel Kunz­mann!«

Lid­di zuck­te mit­lei­dig mit ih­ren schö­nen Schul­tern, die perl­mut­ter­sil­bern un­ter dem elek­tri­schen Licht schil­ler­ten.

Sie er­hob sich und den Her­ren blieb nichts an­de­res üb­rig, als ih­rer Ty­ran­nin zu fol­gen.

Das Auto brach­te sie hin­aus auf den Kur­fürs­ten­damm. In der Die­le der Ka­ba­rett­bar dräng­ten sich die Men­schen Tisch an Tisch. Der Sekt perl­te in den Glä­sern und die dick­bäu­chi­gen Fla­schen guck­ten wie schel­mi­sche Ko­bol­de mit ih­ren ro­ten, gol­de­nen und sil­ber­nen Köp­fen aus den Kü­beln. In den Korb­ses­seln sa­ßen ele­gan­te Her­ren im Abend­an­zug, jun­ge und ver­leb­te alte Frau­en in kunst­vol­len Haar­fri­su­ren, in fal­ten­rei­chen sei­de­nen Klei­dern, die den Ober­kör­per fast nackt dem Be­schau­er dar­bo­ten, lehn­ten sich in wei­chen Kis­sen zu­rück, blick­ten mit kal­ten, welt­ge­wöhn­ten Au­gen um sich oder lie­ßen die­se Au­gen, hin­ter de­nen sie das Int­ri­gen­spiel ih­rer See­le ver­bar­gen, für kur­ze Au­gen­bli­cke die­se See­le ver­ra­ten, wenn sie wie Schlan­gen das Op­fer ei­ner neu­en Be­gier­de er­späh­ten.

Ein Mu­si­kor­che­s­ter schi­en einen be­täu­ben­den Lärm her­vor­zu­brin­gen. Es schi­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­