Vorbemerkung des Herausgebers

Wolfgang Borchert (20. Mai 1921  20. November 1947) war zwölf Jahre alt, als die Nazis die Macht übernahmen, 18 Jahre, als der Zweite Weltkrieg begann, und 24, als er zum Schriftsteller wurde. Literarisch lag hinter ihm – symbolisch gesprochen – nichts. Nur Frontkämpfe, Kriegshorror, Verwundungen und Krankheiten. Und nach ihm kam ein Heinrich Böll, sein gesättigter literarischer Nachfahr, wenn man so will. Borchert musste die Literatur im frühen Nachkriegsdeutschland für sich (und andere) neu finden und erfinden. Das macht sein Werk so besonders.

Heraus aus der naiven Schreiberei der Pubertät – seit dem Alter von 15 Jahren hatte er Gedichte verfasst –, über verstörende und entlarvende Kurzgeschichten aus der Endzeit des Krieges, bis hin zum erschütternden Drama ›Draußen vor der Tür‹ – das wie kein anderes literarisches Werk das zerstörte und verstörte Deutschland ins Mark traf: Mit einem schonungslosen Einblick darüber, wie ein junger Mensch unter den Folgen des Naziregimes zerdrückt wurde – ohne Aussicht auf Besserung, auch nicht nach der Befreiung aus dem Sumpf. Denn Schuld, Selbstvorwürfe und Verstörung bleiben für immer.

So wurde auch der Autor Borchert zerdrückt, psychisch und physisch. Als kranker Mann, mit Gelbsucht, Krampfanfällen, Fieberschüben kam er aus dem Kriege heim, nur zwei knappe Jahre blieben ihm, um zu schreiben, oft bettlägrig und fiebernd. Er starb auf dem Weg zu einer Genesungs-Kur in die Schweiz am 20. November 1947 an Leberversagen – im Alter von nur 26 Jahren. Und nur einen Tag vor der Premiere seines Theaterstücks ›Draußen vor der Tür‹.

Das junge Magazin ›Der Spiegel‹, gerade gegründet, resümierte nach der Uraufführung: »Selten hat ein Theaterstück die Zuschauer so erschüttert.«

© Redaktion eClassica, 2018

 

 


Essays, Rezensionen, Fragmente, Vermischtes

 

Helmuth Gmelins 50. Geburtstag

Goethe hatte einmal den Auftrag, sich im Süden Deutschlands eine große Gesteinssammlung anzusehen: Die Gmelinsche Mineraliensammlung. Begreiflicherweise, geriet die Hausfrau darüber so in Aufregung, dass sie dem hohen Gast den ganzen Kaffee über die Hose goss. Von diesen Gmelins stammt Helmuth Gmelin vom Staatlichen Schauspielhaus in Hamburg, der Bruder des feinsinnigen, leider viel zu früh gestorbenen Dichters Otto Gmelin.

Also eine weit verzweigte Gelehrtenfamilie von Wissenschaftlern, Forschern, Physikern, Chemikern und Ärzten bringt als letzten Spross zwei Künstler hervor? Das ist weniger erstaunlich, wenn man weiß, dass Helmuth und Otto Gmelin denkende Menschen und Psychologen geblieben sind.

Das hätte auf der Bühne seine Gefahr, wenn nicht die große Gabe des Gefühls und des Temperamentes hinzukäme, wie es bei Helmuth Gmelin der Fall ist. Wir brauchen seine Rollen nicht aufzuzählen, wir haben sie noch alle in der Erinnerung, so wie sie die Braunschweiger noch immer im Gedächtnis haben, wo er lange als Regisseur und Schauspieler tätig war.

Helmuth Gmelin ist ein Künstler, ein Schauspieler der Vornehmheit, der inneren und der äußeren. Sein Denken ist kein Prunk, sein Gefühl keine laute Sentimentalität und sein Temperament kein billiger Lärm – es ist alles verhalten, verinnerlicht und leuchtet nur sparsam aus den kargen Gesten.

Ein hauptsächlicher Wesenszug des Künstlers, alles Schöpferische überhaupt, ist die Sehnsucht, sich zu vertiefen in alle anderen Gebiete der Kunst – kann man sich eine glücklichere Bereicherung und Ergänzung zum Schauspieler denken?

Stundenlang redet er über einen Farbton bei Botticelli, eine Gebärde der Hände von Grünewald – ebenso lange wirft er architektonische Stilfragen und Probleme auf, wobei die mathematische Anlage der Väter durchblickt. Zeugt es nicht von einer ungeheuren Intensität und Vitalität des Geistes, wenn ein Fünfzigjähriger sich hinsetzt und Griechisch lernt, und zwar so, dass er bald darauf aus sämtlichen griechischen Tragikern sprechen kann? Und endlich können wir ihn treffen, wenn er oft einen ganzen Abend bis spät in die Nacht am Klavier sitzt und sich über Bach, Tschaikowsky und Chopin ganz in ein inneres Reich vertieft.

So können wir ihm nichts Besseres zu seinem 50. Geburtstag wünschen, als weiterhin auch diese große Kraft, ganz der Kunst, diesem höchsten Ziele, zu leben. Sapphos Vers an die Musen möge immer über seinem Leben stehen: »Doch für euch, ihr Schönen, wird mein Gedächtnis sich verwandeln.«

Helmuth Gmelin

Wie es die hohe Stirn umbebt; das letzte, große Maskenspiel, das lautlos in der Szene schwebt, umklungen leise vom Gefühl, dem sich Komödiengeist verwebt zum feingetönten Kammerspiel.

 

 


Stalingrad

Das ist kein gutes Buch. Das ist kein Kunstwerk und auch keine Dichtung. Das ist vielleicht nicht einmal Literatur. Aber das ist ein Dokument und ein Denkmal. Das ist Rechnung und Quittung zugleich. Und für uns alle. Und deswegen ist es ein notwendiges Buch. Es ist die nüchterne nackte Fieberkurve einer überlebten korrupten Kaste, eines blinden Volkes. Fieberkurve aus sechs Jahren des 20. Jahrhunderts. Fieberkurve eines Massensterbens. Fieberkurve der Agonie von ein paar hunderttausend zu Lemuren und todwunden Würmern verkommenen menschlichen Lebewesen.

Das Buch heißt: »Stalingrad« (Aufbau-Verlag, Berlin).

Der Verfasser, Theodor Plievier, ist ein gewissenhafter, gnadenloser, unerbittlicher Sammler. Er sammelt die Mosaiksteinchen dieses grauenhaftesten apokalyptischen Gemäldes der menschlichen Geschichte. Aber er ordnet die Mosaiksteine nicht zu einem harmonischen Ganzen. Er kann es nicht und er darf es nicht. Aus diesem Chaos, aus diesem Inferno, diesem Spukspektakel eine Harmonie zu machen, würde Frevel an der Wahrheit und an der Wirkung sein. Hier muss alles bleiben wie es war: nackt, wirr, sinnlos, formlos, wahrhaftig. Plievier schüttet seine Mosaiksteine in einem grandiosen Durcheinander von Szenen, Menschenuntergangsszenen, vor uns hin. Und die Steine heißen Hunger, Schrei, Schmerz, Tod. Heißen Eissturm, Eiter, Einschlag. Heißen Heldentum und Kannibalismus, Elend und Qual, Lüge, Selbstmord und Gehorsam. Und sie heißen Blut und Kot und Schnee, Preußens Gloria und Viehtreiben. Und alle zusammen heißen: Hitler! Heißen Stalingrad! Heißen Krieg!

Es ist ein unerfreuliches Buch. In der äußeren Aufmachung (und das ist schon eine Quittung) und im Inhalt.

Aber es ist ein notwendiges Buch. Jeder von uns ist durch Stalingrad gegangen, durch ein großes oder ein kleines. Und so ein Buch ist Rechnung und Quittung für uns alle.

Rechnungen und Quittungen sind unerfreulich. Aber sie sind notwendig. Und deshalb ist das Buch von Stalingrad doch ein gutes Buch.

 

 


Tucholsky und Kästner

Wir können sie gut gebrauchen, die Tucholskys, die Kästners und Rowohlts. Möglichst gleich ein paar hundert von ihnen. Aber was haben wir gemacht? Tucholsky wurde vertrieben, Kästner durfte nicht schreiben und Rowohlt nicht verlegen. Das war dumm von uns. Wir hätten sie jeden Tag lesen sollen, abends vor dem Einschlafen, als Kommentar sozusagen zu »Mein Kampf« und zum »Mythos«. Dann hätte das alles nicht passieren können. Der Rowohlt-Verlag hat zwei Bücher herausgebracht: »Gruß nach vorn« von Kurt Tucholsky und »Bei Durchsicht meiner Bücher« von Erich Kästner. Tucholsky ist tot und deswegen hat Kästner sein Buch betreut. Sie gehören auch zusammen, die beiden. Wenn man diese gepfefferten Prosaskizzen von Tucholsky und die warmherzigen Verse von Kästner heute liest, dann ist man betroffen von ihrer Lebendigkeit, von ihrer Offenheit, von ihrer Ahnung. Mag oft das Journalistische, Kabarettistische, Zeitkritische auf Kosten des Dichterischen überwiegen, beide, sowohl Tucholsky wie auch Kästner, haben einen tiefen Blick in den Menschen und in den Unmenschen getan und ihre leidenschaftliche Anteilnahme am Menschlichen macht alle anderen Mängel wett. Kästner lebt und wirkt und man kennt ihn. Tucholsky ist tot. Wie wichtig es aber noch heute ist, Tucholsky zu lesen, das mag die folgende Probe zeigen.

 

 


Bücher – für morgen

Hans Harbeck hat in Hamburg als eigenwilliger Kabarettist und scharfblickender Humorist einen guten Namen. Kurz vor Toresschluss machte er noch die Bekanntschaft mit den Gefängnissen des Dritten Reiches. Er schrieb in der Haft eine Reihe von Versen (190), von denen nun 50 in Buchform vorliegen (»Verse aus dem Gefängnis«, Hammerich und Lesser). Harbeck ist Kabarettist, nicht zufällig, sondern von innen her. Und diesem Schicksal kann er auch in der Zelle nicht entfliehen. Seine Verse – er gebraucht die für einen Wortartisten verführerische Form der Siziliane – bleiben auch unter diesen Umständen kabarettistisch. Der Poet spottet grimmig über sich und die Welt. Das hat einen Nachteil und einen Vorteil. Der Nachteil ist ein Mangel an Wärme und Tiefe – der Vorteil ist unbestechliche närrischweise Sachlichkeit.

Einen ganz anderen Niederschlag fanden dieselben Umstände in dem Buch »So war es« von H. Chr. Meier (Phönix Verlag, Hamburg). Dort reimt und spottet ein Poet, hier berichtet ein Journalist nüchtern, aufzählend und aufklärend. Der unpoetische, sachliche Bericht aus dem KZ Neuengamme lässt Völker und Individuen an uns vorüberziehen. Er nennt die menschlichen und die unmenschlichen. Meier klagt nicht an, keine Nation, keine Gruppe, keine Organisation. Er zeigt uns zwischen den Zeilen den Menschen nackt, ausgeliefert, groß, erbärmlich, erschütternd, brutal – den Menschen, abgeschminkt und ohne Maske, in ein System eingegliedert, das ohne Beispiel ist.

Beide, das Buch von Harbeck und das von Meier, sind Zeugnisse von gestern. Für heute? Noch sind die Wunden der jüngsten Vergangenheit weit offen und die Schreie der Opfer und die Flüche ihrer Henker noch nicht verhallt. Wir wehren uns heute noch gegen diese Bilder von gestern, aus Angst, aus Scham, aus Schmerz. Aber morgen werden wir vielleicht die Bücher hersuchen und fragen: Wie war es noch? Ja so war es! Und wir wollen es nicht vergessen!

 

 


Neues aus Hamburger Verlagen

Mit vierzehn Jahren schrieb Flaubert die Erzählung »Der Büchernarr«. Mit neunzehn Jahren schrieb er den »November«. Und weil er jung war, als er schrieb, deswegen ist das Buch auch für uns heute noch jung. Die Lebensbeichte eines chaotischen, sensiblen, leidenschaftlichen jungen Menschen, der aller Qual und Süße des Lebens preisgegeben ist, wann wäre das lesenswerter als heute? Das ist nicht der besonnene, korrekte, weise Flaubert – nein, das ist ein junger Mensch, der ein blutendes Herz hat, der ein geniales Gefühl in sich trägt, der mit einem ungestümen Temperament durch die Welt stürmt. Ein anderer Flaubert, als der bekannte, aber nicht ein schlechterer, nur ein jüngerer.

Es gibt zahlreiche Übertragungen der Sonette Shakespeares. Streng exakte, rein wissenschaftliche und ganz dichterische, neu- und nachgedichtete. (Die Georgesche ist wohl die eigenwilligste). Die Übertragung von Gottlob Regis, erstmalig 1836 erschienen, hält das goldene Mittelmaß. Weder Shakespeare noch die deutsche Sprache werden vergewaltigt, und man kann sich ganz diesen intimen Bekenntnissen des größten aller Dramatiker hingeben. Ein Buch für die wenigen stillen Stunden, die uns heute bleiben.

Beide Bücher zeigen eine besonders geschmackvolle und für jeden Bücherfreund erfreulich gute Aufmachung: Selbstverständlich nur Pappeinbände, aber künstlerisch und buchtechnisch so ausgezeichnet gemacht, dass man die Bücher gern in die Hand nimmt, dafür ist in beiden Fällen dem Marion v. Schröder Verlag zu danken.

 

 


Kartoffelpuffer, Gott und Stacheldraht – KZ-Literatur

»Heute habe ich einen Fußtritt bekommen – Luzifer liegt auf der Lauer. Heute habe ich keinen Fußtritt bekommen – Michael steht bei mir. Heute konnte ich ungestört Kartoffelpuffer backen – Jesus leiht mir seinen Schutz. Heute durfte ich Pastor Niemöller sehen – Gott ist barmherzig, ich bin in Ihm.« Und so weiter.

In dieser Form geht es zwischen Luzifer und Michael, mit Gott und Jesus durch zwei dicke Bände mit zusammen über sechshundert Seiten. Titel: »2000 Tage Dachau« und »Fünf Minuten vor Zwölf«. Verfasser: K. A. Gross (Neubauer-Verlag).

Dass man mit dem Christentum Geschäfte machen kann, ist eine schon seit Längerem bekannte Tatsache. Dass man das auch mit dem Konzentrationslager machen kann, ist erst neu. Der Verleger und gleichzeitige Verfasser der beiden genannten Bücher kann noch mehr. Er kann beides, das heißt: Christentum und Konzentrationslager in schmackhafter, kühn kombinierter Mischung zu einem Geschäft vereinigen. Das Rezept ist so: In einem schnodderig-geschwätzigen Stil plaudert und betet er munter drauf los, mixt ungeniert die intimen Dinge der Religion mit einem ganz erstaunlich soliden Kartoffelpuffermaterialismus und ergeht sich in wenig schamhafter Weise in frömmelnden Hymnen auf Gott und die (durch »Kirchenkapitän« Niemöller vertretene) Geistlichkeit, wobei er nicht versäumt, das Wort Gott, Jesus oder Er jedesmal und auf jeder dritten Seite mit großen Buchstaben zu drucken. (Dazu ist man ja auch schließlich Verleger, um der Druckerei solche Order erteilen zu können). Wenn man nun noch bedenkt, dass K. A. Gross außer diesen beiden Bänden, die den stattlichen Preis von 8.50 RM kosten, zwei weitere dicke Werke über seine Abenteuer im KZ verfasst hat, so muss einem ungewollt der Verdacht kommen, dass es hier nicht um die große menschliche Tragödie der letzten zwölf Jahre geht, sondern um ein christlich getarntes, zuletzt aber höchst irdisches Geschäft.

Der Leser von 1947 wird sich auch nicht in dem Maße entsetzen, wie er es eigentlich soll, wenn er hört, dass der Verfasser und Erdulder der 2000 Tage Dachau bis kurz vor Kriegsende immer noch Gelegenheit und Kartoffeln genug hatte, um täglich Puffer backen zu können, und der Leser von 1947 wird auf die Klage, dass es zum Schluss nur noch ein Achtel Brot im Lager gab, nur erstaunt fragen können: Na und?

Die fortwährend anwachsende Flut der KZ- und Gefängnisliteratur, die mit Wolfgang Langhoffs »Moorsoldaten« (im Zinnenverlag) so hoffnungsvoll begann, zeigt bisher nur wenige positive und tatsächlich wertvolle Erfolge. Ja, man kann beinahe sagen, dass Langhoffs bereits 1934 in der Schweiz erschienenes Buch noch immer das beste geblieben ist. Vielleicht ist das Erlebnis des Konzentrationslagers so ungeheuer und aufwühlend, so unfassbar in seiner fürchterlichen Gewalt, dass eine vollendete Gestaltung einen wirklich ganz großen Dichter verlangt. Die Versuche, die in dichterischer Form an das KZ-Erlebnis herangehen, bleiben jedenfalls noch so sehr im Ansatz stecken, dass man die andere mögliche Form der Überlieferung, den sachlichen journalistischen Bericht, eine unpersönliche Chronik, unbedingt vorziehen möchte.

Ernst Wiechert (sein Buch »Der Totenwald« erschien ebenfalls im Zinnenverlag Kurt Desch), der in seinem Vorwort selbst sagt, sein Bericht sollte nur eine Einleitung zu seiner Dichtung sein, bleibt leider nicht konsequent. Er hat nicht den Mut, in der Ich-Form zu erzählen, sondern er nennt sich selbst Johannes (in sinnvoller Beziehung zu seinem biblischen Namensvetter – sonst wäre er ja nicht Ernst Wiechert!), und er berichtet in einem etwas pastoralen, dichterisch verklärten Ton über sein und seiner Mitgefangenen Leid.

Mit müder, kraftloser Melancholie tönt seine weltschmerzliche Klage aus dem Totenwald bei Weimar und wenn man am Ende der Wiechert-Johannis-Passion angelangt ist, legt man das Buch etwas enttäuscht aus der Hand. Man sieht nicht ganz ein, warum der Dichter sich hinter dem Pseudonym Johannes versteckt, wo andererseits in jeder Zeile der aller persönlichste Ernst Wiechert zu erkennen ist, und der Kompromiss zwischen Bericht und Dichtung erscheint wenig glücklich. Eigentlich hätte man von Wiechert mehr erwartet – oder hat die Mühle des tausendjährigen Reiches ihre Opfer so unbarmherzig zermahlen, dass dieser Vorwurf ungerecht ist?

Als Bericht gibt auch Luise Rinser ihr Gefängnis-Tagebuch (Zinnenverlag) heraus, und ihre Arbeit zeichnet sich durch eine erfreuliche Sachlichkeit aus. Das Buch erschüttert nicht eigentlich, dazu sind wenigstens die körperlichen Leiden zu gering, zu gering im Verhältnis des Frontsoldaten oder des Großstadtmenschen im Luftschutzkeller, aber es zeigt mit eindrucksvoller, grauenhafter Deutlichkeit, dass die Lynchjustiz des Dritten Reichs vor nichts, vor gar nichts halt machte – nicht einmal vor der Frau, vor der Mutter und dem Mädchen. Die Frau war im unritterlichen Reich der Ritterkreuzträger ebenso zum nummerierten Häftling geworden wie der Mann, und in der männlichen Bezeichnung »Häftling« für eine Frau offenbart sich der ganze Tiefstand, den unser Volk erreicht hatte – und das der Öffentlichkeit klar gemacht zu haben, ist das Hauptverdienst des Gefängnis-Tagebuches der Luise Rinser.

Noch ein Bericht von einer Frau liegt vor: »Reise durch den letzten Akt« von Isa Vermehren (Christian Wegner Verlag). Das Buch hätte auch heißen können: Prominenz hinter Stacheldraht. Dieser Bericht aus dem Lager Ravensbrück ist ungewöhnlich interessant und spannend – eben weil die Verfasserin von ihren Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten des In- und Auslandes erzählt. Aber das ist auch zugleich die Schwäche des Buches. Vor lauter berühmten Namen gerät das Leid des namenlosen KZ-Häftlings, der es in der Regel außerordentlich viel schlechter hatte als die prominenten Gefangenen, etwas ins Hintertreffen. Isa Vermehren versucht mit feiner weiblicher Psychologie in das Wesen und hinter die Motive ihrer Wärterinnen zu dringen, aber die oft sehr klugen Sätze, die sie zu dem allgemeinen, menschlichen Problem findet, können leider die etwas auf die Sensationsgier des Publikums zugeschnittenen Details über den Grafen oder die Freifrau von Soundso nicht ganz verdecken. Doch sind beide Bücher, das von Luise Rinser und das von Isa Vermehren, weitaus objektiver und wertvoller als die Aufzeichnungen der männlichen Autoren.

Den tiefsten und finstersten Punkt der bis jetzt geschriebenen KZ-Literatur erreicht der »aktuelle Entwicklungsroman« von Wittman und Hunter: »Weltreise nach Dachau« (Kulturaufbauverlag Stuttgart). Und dass er gleich zwei Autoren hat, macht ihn nicht besser. Dieses Buch ist in seiner plump-naiven Geschmacklosigkeit gefährlich für den Leser und gefährlich für den, der sich mit Ehrlichkeit und Abstand bemüht, etwas Entscheidendes über diese Erlebnisse zu sagen. Die Geschmacklosigkeit und damit die Gefahr für das Publikum beginnt bereits mit dem Einband des Buches: Eine stilisierte Südsee-Landschaft mit einem silbrigen Mond, mit drei einsamen Palmen und einer schwarzhaarigen, schlanken, exotischen Schönheit, die mit sehnsuchtsvoller Gebärde nach dem fernen Geliebten Ausschau hält. So wie der Umschlag ist auch der Inhalt. Ein junger Weltenbummler, ausgerechnet aus Thüringen, globetrottet über Land und Meer, bis er endlich nach abenteuerlichen, Karl May-geschwängerten Szenen im Dschungel, in Tahiti landet und hier dem Traum seines Lebens, der Frau Tete, begegnet. Diese Liebesgeschichte, und noch zwei vorangehende Liebeserlebnisse, sind in ihrer Gestaltung derart oberflächlich und primitiv, dass man den Eindruck gewinnt, es handle sich bei diesem »Entwicklungsroman« um eine billige Schundliteratur für die reifere Jugend. Zuletzt gerät der Held aus Thüringen und Tahiti dann noch in die Hände der Gestapo, er macht das durch, was Millionen durchmachten, bringt es dann aber, weil er so ganz besonders tüchtig ist im KZ, zum Küchenkapo und hält es auf diesem nahrhaften Posten bis zum Ende doch noch ganz gut aus.

Miss- und Molltöne in der KZ-Literatur. Leider haben die Misstöne bei Weitem die Oberhand über die echten Töne und man muss die rein sachlichen Berichte doppelt hoch werten. Hierzu gehört vor allem das schon genannte Buch von Langhoff »Die Moorsoldaten«. Langhoff, der jetzt Intendant in Berlin ist, versteht es, bei aller Nüchternheit seiner Aussage, am meisten zu erschüttern. Unvergesslich ist das ergreifende Bild aus der Moorlandschaft nahe der Nordsee: Die Häftlinge veranstalten einen bunten Nachmittag, einen kleinen Zirkus in dem großen Zirkus, und ihre Zuschauer sind die Wachmannschaften der SS. Die Stimmung der Landschaft, die unüberhörbare Stimme des Leides und des Heimwehs der Gefangenen macht die SS-Leute einen Augenblick verwirrt – der Mensch steht sich gegenüber, im Zuchthauskittel der eine, der andere in der Uniform des Herrn, beide nicht nur gut, aber gewiss auch beide nicht nur böse. Langhoffs Bericht aus Börgermoor widerlegt nebenbei die Behauptung, es sei erst in den letzten Kriegsjahren in den Konzentrationslagern so schlimm geworden. Was der Verfasser hier 1933 erlebte, steht den Geschehnissen von 1944/45 – Dachau oder Buchenwald – in nichts nach, höchstens an Ausmaß.

Ein wohltuender, sauberer Klang ist ferner der ganz unpersönliche und sehr objektive Bericht des Hamburger Schriftstellers H. Ch. Meier aus dem KZ Neuengamme: »So war es« (Phönix-Verlag Hamburg). Meier bleibt so erfreulich sachlich, ebenso wie Langhoff, dass sein Buch aus der Masse der anderen, die zu Ausflügen in dichterischen Schmus neigen, hoch herausragt.

Dem Phönix-Verlag kommt das Verdienst zu, außer dem Bericht von Meier das ausgezeichnete Buch von Walter Poller: »Arztschreiber in Buchenwald« herausgebracht zu haben. Während Meier eine allgemeine große Überschau gibt, auf Details verzichtet und selbst ganz zurücktritt, hat Poller eine breit angelegte Chronik des KZ Buchenwald geschrieben, sehr genau und sehr gründlich. Der Verfasser konnte als Schreiber des Lagerarztes tief hinter die Kulissen des teuflischen Systems sehen, dessen Zweck die Ausrottung aller Menschen war, die aus irgendeinem Grunde nicht der Norm des braunen Massenroboters entsprachen. Poller schreibt die Geschichte von der organisierten Vernichtung, von der unmenschlichen Methode, Mensch gegen Mensch zu hetzen, von der Hölle des Idealstaates von Himmlers Gnaden, in der selbst die Todesanwärter uniformiert wurden und bis zum grausigen Ende in der Gaskammer die Segnungen des preußischen Drills über sich ergehen lassen mussten. (Richard Grünes vier Steindrucke sind gleichsam das Siegel zu diesem Dokument der Ungeheuerlichkeit.)

Diese drei Zeugnisse der jüngsten Vergangenheit sind ohne Zweifel die wertvollsten. Ein kleiner Gewinn bei so viel Aufwand! Sie verderben nicht den Geschmack eines leider häufig sensationslüsternen Lesepublikums und sie fordern auch nicht zu der oft berechtigten Abwehr gegen die KZ-Literatur heraus, die sich dann bei Erscheinen eines neuen Buches mit dem Ruf: Ach Gott, schon wieder KZ! zu erkennen gibt. Diese drei Bücher, das von Langhoff, das von Meier und das von Poller, gehören zu dem Notwendigen, das wir heute brauchen, um die Zukunft besser gestalten zu können.

Am Rande sei noch ein Buch vermerkt, das durch seinen Inhalt nur für einen ganz kleinen Leserkreis gedacht ist. Es handelt sich um die Predigten aus Dachau, die unter dem Titel »Das aufgebrochene Tor« eine Reihe von Andachten vereinigen, die sich die Geistlichen, die in Dachau streng getrennt von den übrigen Gefangenen waren, für sich selbst bereiteten. Manches mutige Wort ist hier gesprochen worden – aber oft von einer Lebensfremdheit, die fast bestürzt. Flucht in eine andere Welt, vielleicht in eine bessere, sicher aber nur eine tote Welt des theologischen Begriffs. Trotzdem hat dieses Buch seine Berechtigung und seinen Wert – es ist der Bericht von der Flucht in den Geist, er möge nun Gott oder Kosmos heißen.

Kein Schwerkranker wird sich auf dem Krankenbett damit beschäftigen, Fieberkurven zu studieren, und es ist durchaus begreiflich, dass in dem Deutschland von 1947, wo der Hunger und die Kälte nahe Nachbarn geworden sind, die KZ-Literatur keine große Anhängerschaft gewinnen kann. Hatten die Häftlinge Hunger? Den haben wir auch. Haben die Häftlinge gefroren? Das tun wir auch. Häuften sich die Toten vor den Krematorien? Wenn es so weitergeht, werden sie das bald wieder tun. Waren die Häftlinge eingesperrt? Das sind Tausende von Kriegsgefangenen auch. Und so weiter – das ist die Begründung der Ablehnung der KZ-Literatur. Ob sie zu Recht oder Unrecht besteht, kann heute keiner entscheiden. Notwendig aber ist, dass die Menschen, die die ungeheure Gesetzlosigkeit des vergangenen Regimes erdulden mussten, diese Kapitel aus der dunkelsten Zeit unserer Geschichte aufschreiben, zur Warnung und Mahnung, für die Toten und die Lebenden.

Der Mensch steht allein auf der dunklen Bühne und ruft nach Gott – kommt Antwort? Der vorletzte Akt der Tragödie des Menschen ist zu Ende gegangen. Ob der letzte Akt die Vernichtung oder Auferstehung bringen wird, das ist die Frage, die wie ein riesiger Schatten über uns allen liegt.

 

 


Sechzig Jahre Hamburg

Adolph Wittmaack: »Konsul Möllers Erben«

Das sind sechzig Jahre Hamburger Geschichte, die Adolph Wittmaack hier in einem guten, etwas unpersönlichen Deutsch aufgeschrieben hat. Sie beginnen im Jahre 1888 mit Konsul Möllers Tod und enden mitten im letzten Krieg mit dem Untergang der großen Stadt Hamburg, deren Trümmer die letzten Erben der Familie Möller unter sich begraben.

Vielleicht waren gerade die letzten sechzig Jahre etwas zu vollgestopft mit großen Ereignissen, und es würde eine ungeheure Leistung sein, diese in einem Roman zu einem Ganzen zu verdichten. Wittmaack schreibt mehr eine Chronik als einen Roman. Die Menschen spielen trotz ihrer großen Lebendigkeit nicht die Hauptrolle. Die Hauptrolle spielt die Zeit, und die Menschen sind nur Akteure in ihr, die auftreten und abtreten, wie ihr Leben es für sie bestimmt. Vielleicht ist der Bogen über diese sechzig Jahre (mit ihren gewaltigen Geschehnissen) etwas zu weit gespannt, sodass das Schicksal des einzelnen Menschen etwas blass bleiben muss.

Die jüngste Vergangenheit ist noch zu lebendig in uns, als dass wir ihr nun objektiv und gefasst in Form eines Romans begegnen können. Wittmaack weicht ihr nicht aus und lässt seine Menschen mitten durch sie hindurchgehen, aber es gelingt ihm nicht – und das mag an dem kühlen Chronikstil des ganzen Romans liegen – unser Herz bis in seine Tiefen anzurühren.

 

 


Von des Glücks Barmherzigkeit

Auf jeden Fall hat Wolfgang Weyrauch Mut. Und er hat viel Walt Whitman gelesen. Beides kann nur gut sein. Aber es hat auch seine Nachteile. Man sieht es an diesen Gedichten.

Weyrauch spricht die Gegenwart an. Das ist großartig. Aber manchmal missglückt es. So wie hier: Gewiss hat Hitlers Höllenatem eine Welt in Flammen aufgehen lassen, und man kann ihn darum einen Drachen nennen. Weyrauch tut das und schreibt:

 

Es kam einmal ein Mann ins Land, der hob die Hand, die rechte Hand, da war das Land im Banne.

Aus seinem Munde fuhr ein Schrei, doch, was er schreit, ist einerlei, das Land willfahrt dem Manne.

Der Mann, der war dem Schimmel gleich, da faulte uns das Heilige Reich, und alles ist verloren.

 

So etwas zu schreiben, dazu gehört Mut. Literarischer Mut. Aber Gedichte dieser Art sind im »Ulenspiegel« (der übrigens ausgezeichnet ist) besser aufgehoben als in einem Gedichtband.

Auffällig ist der Gegensatz von einfacher Whitmanscher Hymnensprache zu Rilkeschen Bildern und Wortspielereien, von volksliedhafter echter Dichtung und symbolisierendem Intellekt. Schönes und Schlechtes steht in diesem Gedichtband dicht nebeneinander. Aber man fühlt: Hier ist einer auf dem Weg. In der Prosa ist Weyrauch sehr viel weiter. Da steht er in vorderster Linie und kann in Stil und Inhalt Vorbild sein.

Der Aufbau-Verlag, Berlin, lieferte als Einband ein geschmackloses Wahlplakat: Ein menschliches Paar. Sie hat die treudeutsche Herbheit eines BDM-Mädchens, er hat die bemerkenswert niedrige Stirn eines Hilfsschülers. Schade um die Gedichte.

 

 


Disteln und Dornen

Verharret im glücklichen Spiel!

Sicherer ist eure winzige Welt.

Todgeweihte wissen, wieviel

Glück mit dem Stern der Kindheit fällt.

Rufet die Mütter ans Bett, wenn im Geäst

der Tapetenblumen plötzlich der Unhold erscheint.

Später, ach wenn euch alles verlässt,

Hört keiner mehr, dass ihr weint.

 

Wer schreibt das? Wenn ein Fünfzigjähriger das tut, dann ist es natürlich. Es ist die Trauer um das verlorene Paradies. Wenn aber ein knapp Zwanzigjähriger das schreibt, dann erschüttert es. Ist er frühreif, früh vollendet? Nein. Aber er muss es schreiben. Er muss es schreiben, denn er sitzt in einer Gefängniszelle und der Tod ist so nah gerückt, dass er ihn fast greifen kann.

Zweistimmig sagen mir zu jeder Stunde die Glocken meinen Tod voraus.

Was ist geschehen? Nicht viel. Nur das Bekannte. Die Generation, die den kleinen Weltkrieg furchtbar an sich erlebte, war unfähig, den großen zu verhindern. Das ist noch nicht alles. Dieselbe Generation, die vor Hitler kapitulierte, war gewissenlos genug, der Jugend in kriegsverherrlichenden Langemarckfeiern den Massenmord der »Stahlgewitter« legal zu machen. Dieselbe Generation saß dann im großen Weltkrieg über diese Jugend zu Gericht, wenn sie sich auflehnte, und verurteilte sie wegen Pazifismus und Hochverrat. Dieselbe Generation sitzt nun wieder auf dem Katheder und macht dieser von ihr selbst verführten Jugend den Vorwurf der Respektlosigkeit, des mangelnden Vertrauens und der Passivität. Dieselbe Generation, die einen Zwanzigjährigen soweit brachte, dass er, fast selbst noch ein Kind, schreiben musste:

 

Wozu sich daran erinnern,

wenn ein Kind dort draußen lacht. 

Schatten wachen auf im Innern 

und dann wird es endlich Nacht.

 

Der Hansische Gildenverlag bringt in einem schmalen Heft diese Gedichte von Karl Ludwig Schneider heraus und erwirbt sich damit ein Verdienst. Denn was ein junger Mensch hier in einem ein und einem halben Dutzend Gedichten sagt, ist weit mehr als das Resultat eines bitteren Erlebnisses und steht hoch über der augenblicklichen Konjunktur von Gefängnisschrifttum.

 

 


Unter der Laterne

Sie ergreifen so einfach von mir Besitz! Geh doch mit den Mädchen, die zu dir gehören, die so alt sind wie du. Ich habe eine Tochter von neunzehn Jahren!«

»Du, das will ich alles überhaupt nicht wissen! Bitte, Eis, komm mit.«

»Sie – Du bist unverschämt!«

»Siehst du, Eis, jetzt sagst du doch du zu mir.«

»Weil du ein Flegel bist!«

»Dann mach du mich besser.«

»Was willst du von mir?«

»Nichts. Ich will dich liebhaben dürfen und du sollst mich ertragen – darum bitte ich dich.«

»Deine einundzwanzig Jahre sind weiß Gott kaum zu ertragen. Du vergisst, dass ich sechsunddreißig bin.«

»O wie entsetzlich. Wie bist du alt und kümmerlich und runzelig! Ja, du nähst sicher schon an deinem Totenhemd. Glaubst du, du bist mit deinen sechsunddreißig Jahren soviel weiser als ich mit meinen einundzwanzig Jahren?«

»Nein, das weiß ich. Sonst würde ich hier nicht mitten in der Nacht mit dir auf der Straße stehen und über solche Dinge reden. Aber es geht doch nicht, wirklich nicht, du.«

»Wenn du natürlich nicht willst, dann ist’s gut. Ich kann nichts dafür, dass ich dir nachgelaufen bin. Du bist für mich nicht sechsunddreißig oder die Mutter einer neunzehnjährigen Tochter – für mich bist du Eis – ich habe dich lieb und alles andere hatte ich vergessen. Aber wenn du mich natürlich absolut – «

»Sei still, du unverschämtes Kind. Ich komme mit!«

 

 


Die Blume

Ich träumte, – rings war Vernichtung und Tod – sinnlos sank das Leben in das Nichts, zu keiner Auferstehung. Wo ist der Sinn der Welt – fragte ich in das All. Ist kein Sinn?

Verzweifelt und ohnmächtig wanderte ich von Zeit zu Zeit, aber immer war es Krieg. Voll Grauen und Größe brach diese Vision des Untergangs auf mich nieder – wo ist Gott? Fragten die sterbenden Augen. Wo ist das Leben – fragten die welkenden Münder – wo ist der Sinn und die Liebe – fragten die verirrten, verwirrten Seelen! Das Nichtwissen um die Dinge ist die Antwort auf alles. Blutend und klagend rissen die Religionen auseinander und in viele Fetzen und das unbarmherzige, wahre Antlitz des Nichts schwieg durch den Raum – wo ist der Trost? Flehten die Herzen. In Schmerzen lächelnd sank der Genius auf dem Schlachtfeld des Chaos – er war ohne Frage. Die letzten Säulen der großen Kunst trauerten verwittert durch eine Ewigkeit, bis auch diese verging. Oh, es war soviel Klage und soviel Frage umher – und alles verhallte in dem Schweigen der Unendlichkeit.

»Hominem quaero!« Kein Schrei aus der Einsamkeit, aus dem Untergang und Verfall – nur geflüsterte Bitte, die das Entsetzen, die Mächte um Mitleid und Gnade anfleht. Mein letztes Gebet wurde vom Nichts als ein leeres Phantom verworfen. Es war alles so spukhaft und nur die Sonne war voll unsäglicher Ruhe über dem Grauen des Abends. Schon floh auch sie – wann wird die Nacht kommen? O Sonne –

Es war eine große Stille über die Natur gekommen, aber sie war unheimlich, kalt und ohne Versöhnung. Ich rufe Gott – und ewig – als eine Antwort? – atmet das All der Natur mit seinen Welten, Monden und Sternen – ewig kreist auch die heilige Sonne. Ein leiser Hauch von einem Gott machte mich erzittern, als ich aufblickte in den Tempel des Alls – hier vereinigte sich das Chaos zu der letzten Harmonie? – O Mensch, hier suche nicht – hier bete und träume von den Wundern des Himmels.

Erschüttert vor der unbekannten Größe und von der eigenen Kleinheit fand ich mich wieder auf dem Schlachtfeld und der Wüste des Grauens – aber der Gott des Alls, der Geist der Natur, hatte mir den Glauben wiedergegeben. Und ich fand – fand Genesung und Trost: Umtost von den Wirrnissen der Welt stand bebend den Traum Gottes träumend eine zarte, lichte Blume – ihre Blüte war voll unendlich liebender Hingabe der gütigen Sonne zugeneigt. O Natur, freie und allgewaltige, bist Du der Gott – die Göttin – die ich suchte? Bist Du die Erfüllung der Dinge, die sich in einer Blume dem Irrenden offenbart? All, bist du der Gott?

Anbetend hatten meine Knie sich vor der Blume gebeugt und alles Hässliche versank nun vor mir und eine unendliche Schönheit tat sich mir auf – der Tod war voll Auferstehung und Linderung, das Leid voller Lächeln und das Glück ohne Ende. O Unendlichkeit des Seins in Dir, Blume Gottes. In Dir fand ich den Sinn und das verlorene Leben! – Wie die unberührte Seele eines Mädchens zitterte die Blume leise vor meinem Atem – und ich erkannte in ihr die Allmacht der Liebe und fand heim in das Leben, das ich verloren. Und ich fragte nicht mehr nach Gott, denn ich fand ihn in der Blume – in einer Blume, die morgen schon welkte, abertausend und abertausend werden wieder blühen in der ewigen Liebe der Sonne von dem großen, unbekannten Gott geküsst und vom Hauch des unendlichen Alls gekost – durfte ich nun noch zweifeln und klagen?

Die Blume blühte, lebte und starb. Ich aber betete vor ihr. – So war mein Traum.

Wir wollen wieder da gehen, wo die Kastanien lagen. Wie Igel lagen sie und innen war alles Mahagoni.

Wir wollen wieder durch die Vorstadt gehen. Da machen die Pferde manchmal einen leisen Schritt zwischendurch, weil soviel Gras zwischen den Steinen ist. Und die Leute gehen unter Bäumen, die tief herunterhängen und sie sehen, dass wir fremd sind. Wir kommen uns auch sehr fremd vor. Wie verreist. Dabei hört man leise die Stadt.

 

 


Fahrt zu dem Töpfer Grimm

Ich möchte wieder um eine Ecke biegen. Nicht um eine Häuserecke. Nein, wie damals. Um eine Gartenecke. Die Straße war überraschend krumm und dörflich. Das Haus war viel kleiner und längst nicht so grau wie unseres. Und ringsum war der Garten. Da musste man um die Ecke biegen. Dann fassten einen die Zweige zaghaft ins Haar. Und hinter dem Holzgitter stand manchmal ein blasser einsamer Pilz. Damals war mein Arm noch etwas zu kurz, und der Pilz blieb weiter in seinem überlaubten Schatten.

Nachher, als wir nach Hause kamen, sahen mich die anderen verächtlich an. Einer, der mit seiner Mutter ging, der büßte alle Achtung ein. Aber sie wussten ja nichts von den Igeln und dem Mahagoni inwendig. Davon wussten nur wir beide.

 

 


Unser Pusteblumendasein

Wir bringen unser Leben hin zwischen den Stundenschlägen der Uhren, zwischen November und März, zwischen mürbeduftenden birnenschweren Herbsten und den erdigfeuchten Frühlingsstürmen, zwischen Bett und Bett, zwischen Geburt und Tod, Ja und Nein, Gott und Nicht-Gott.

Wir bringen es hin zwischen Süße und Bitterkeit, und wir bringen es damit zu, Lust aufzustöbern in allen Minuten und finden Leid an allen Nachmittagen und in allen Nächten, auch wenn die Dämmerung es mildert.

Wir leben dahin, sicher, selbstgefällig, singend, als gäbe es nichts, was uns nach einem Herbst den Frühling verweigern könnte. Wir gehen in den Abend hinein, als hätte uns jemand den Morgen mit all seiner Helle versprochen. Wir nehmen das Leben auf uns, ohne den Ausgang zu kennen, dies Pusteblumendasein: denn wenn irgendwas pustet, ist alles vorbei.

Wir sind ausgesetzt an die Gestade des Nichts, an die Schutthalden der Welt, an die Grenzenlosigkeit von Raum und Zeit. Ausgesetzt aus unergründlichen, unertauchbaren Dunkelheiten, verkauft an die kaltweiße abstrakte Helle der anteilslosen Gestirne, durch Betten gewühlt, Kinderbetten, Krankenbetten, über moorschwarze, schwankige, sumpfverdächtige Straßen geschleift. Ausgeliefert an Brücken und Bahnhöfe mit unserer Abschiedsangst, an die Straßenbahnen, an den traurigen Regen, an die Synkopen nächtlicher Musiken, an Vulkane, Gehirnschläge, Irrsinne, Worte und Morde, an Gespenster und Tote und die ewige Unruhe geliefert, verraten, verloren.

Wir: klein, kläglich, königlich, kurzlebig, krank, kolossal. Wir mit unserem sehnsüchtigen Herzen, verraten an verdämmernde diesige Ungewissheiten, ausgesetzt auf die grundlosen Wasser der Welt, kurslos, ohne Küste und Kompass, ausgesetzt auf die zufällige, schmale, schaukelnde Planke des Seins zwischen den schweigenden Uferlosigkeiten von Gestern und Morgen. –

Gestern und Morgen, unser Leben liegt dazwischen, kükenfederleicht, katastrophenträchtig, kostbar und kurz: Dies Pusteblumendasein.

 

 


Der Schriftsteller

Der Schriftsteller muss dem Haus, an dem alle bauen, den Namen geben. Auch den verschiedenen Räumen. Er muss das Krankenzimmer »Das traurige Zimmer« nennen, die Dachkammer »Das windige« und den Keller »Das düstere«. Er darf den Keller nicht »Das schöne Zimmer« nennen.

Wenn man ihm keinen Bleistift gibt, muss er verzweifeln vor Qual. Er muss versuchen, mit dem Löffelstiel an die Wand zu ritzen. Wie im Gefängnis: Dies ist ein hässliches Loch. Wenn er das nicht tut in seiner Not, ist er nicht echt. Man sollte ihn zu den Straßenkehrern schicken.

Wenn man seine Briefe in anderen Häusern liest, muss man wissen: Aha. Ja. So also sind sie in jenem Haus. Es ist egal, ob er groß oder klein schreibt. Aber er muss leserlich schreiben.

Er darf in dem Haus die Dachkammer bewohnen. Dort hat man die tollsten Aussichten. Toll, das ist schön und grausig. Es ist einsam da oben. Und es ist da am kältesten und am heißesten.

Wenn der Steinhauer Wilhelm Schröder den Schriftsteller in der Dachkammer besucht, kann ihm womöglich schwindelig werden. Darauf darf der Schriftsteller keine Rücksicht nehmen. Herr Schröder muss sich an die Höhe gewöhnen. Sie wird ihm guttun.

Nachts darf der Schriftsteller die Sterne begucken. Aber wehe ihm, wenn er nicht fühlt, dass sein Haus in Gefahr ist. Dann muss er posaunen, bis ihm die Lungen platzen!

 

 


Das ist unser Manifest

Helm ab Helm ab: – Wir haben verloren!

Die Kompanien sind auseinandergelaufen. Die Kompanien, Bataillone, Armeen. Die großen Armeen. Nur die Heere der Toten, die stehn noch. Stehn wie unübersehbare Wälder: dunkel, lila, voll Stimmen. Die Kanonen aber liegen wie erfrorene Urtiere mit steifem Gebein. Lila vor Stahl und überrumpelter Wut. Und die Helme, die rosten. Nehmt die verrosteten Helme ab: Wir haben verloren.

In unsern Kochgeschirren holen magere Kinder jetzt Milch. Magere Milch. Die Kinder sind lila vor Frost. Und die Milch ist lila vor Armut.

Wir werden nie mehr antreten auf einen Pfiff hin und Jawohl sagen auf ein Gebrüll. Die Kanonen und die Feldwebel brüllen nicht mehr. Wir werden weinen, scheißen und singen, wann wir wollen. Aber das Lied von den brausenden Panzern und das Lied von dem Edelweiß werden wir niemals mehr singen. Denn die Panzer und die Feldwebel brausen nicht mehr und das Edelweiß, das ist verrottet unter dem blutigen Singsang. Und kein General sagt mehr Du zu uns vor der Schlacht. Vor der furchtbaren Schlacht.

Wir werden nie mehr Sand in den Zähnen haben vor Angst. (Keinen Steppensand, keinen ukrainischen und keinen aus der Cyrenaika oder den der Normandie – und nicht den bitteren bösen Sand unserer Heimat!) Und nie mehr das heiße tolle Gefühl in Gehirn und Gedärm vor der Schlacht.

Nie werden wir wieder so glücklich sein, dass ein anderer neben uns ist. Warm ist und da ist und atmet und rülpst und summt – nachts auf dem Vormarsch. Nie werden wir wieder so zigeunerig glücklich sein über ein Brot und fünf Gramm Tabak und über zwei Arme voll Heu. Denn wir werden nie wieder zusammen marschieren, denn jeder marschiert von nun an allein. Das ist schön. Das ist schwer. Nicht mehr den sturen knurrenden Andern bei sich zu haben – nachts, nachts beim Vormarsch. Der alles mit anhört. Der niemals was sagt. Der alles verdaut.

Jetzt ist unser Gesang der Jazz. Der erregte hektische Jazz ist unsere Musik. Und das heiße verrückttolle Lied, durch das das Schlagzeug hinhetzt, katzig, kratzend. Und manchmal nochmal das alte sentimentale Soldatengegröhl, mit dem man die Not überschrie und den Müttern absagte. Furchtbarer Männerchor aus bärtigen Lippen, in die einsamen Dämmerungen der Bunker und der Güterzüge gesungen, mundharmonikablechüberzittert:

Heldischer Männergesang – hat keiner das Schluchzen der Herzen gehört, wenn sie Juppheidi sangen, die Verdreckten, Krustigen, Bärtigen, Überlausten?

Unser Juppheidi und unsere Musik sind ein Tanz über den Schlund, der uns angähnt. Und diese Musik ist der Jazz. Denn unser Herz und unser Hirn haben denselben heißkalten Rhythmus: den erregten, verrückten und hektischen, den hemmungslosen.

Wer schreibt für uns eine neue Harmonielehre? Wir brauchen keine wohltemperierten Klaviere mehr. Wir selbst sind zuviel Dissonanz.

Für Semikolons haben wir keine Zeit und Harmonien machen uns weich und die Stilleben überwältigen uns: Denn lila sind nachts unsere Himmel. Und das Lila gibt keine Zeit für Grammatik, das Lila ist schrill und ununterbrochen und toll. Über den Schornsteinen, über den Dächern: die Welt: lila. Über unseren hingeworfenen Leibern die schattigen Mulden: die blaubeschneiten Augenhöhlen der Toten im Eissturm, die violettwütigen Schlünde der kalten Kanonen – und die lilane Haut unserer Mädchen am Hals und etwas unter der Brust. Lila ist nachts das Gestöhn der Verhungernden und das Gestammel der Küssenden. Und die Stadt steht so lila am nächtlich lilanen Strom.

Wovon unser Herz rast? Von der Flucht. Denn wir sind der Schlacht und den Schlünden erst gestern entkommen in heilloser Flucht. Von der furchtbaren Flucht von einem Granatloch zum andern – die mütterlichen Mulden – davon rast unser Herz noch – und noch von der Angst.

Dann versuche zu sein über deinen Ulanen Abgründen. Denn der Morgen, der hinter den Grasdeichen und Teerdächern aufsteht, kommt nur aus dir selbst. Und hinter allem? Hinter allem, was du Gott, Strom und Stern, Nacht, Spiegel oder Kosmos und Hilde oder Evelyn nennst – hinter allem stehst immer du selbst. Eisig einsam. Erbärmlich. Groß. Dein Gelächter. Deine Not. Deine Frage. Deine Antwort. Hinter allem, uniformiert, nackt oder sonstwie kostümiert, schattenhaft verschwankt, in fremder fast scheuer ungeahnt grandioser Dimension: Du selbst. Deine Liebe. Deine Angst. Deine Hoffnung.

Nein, unser Wörterbuch, das ist nicht schön. Aber dick. Und es stinkt. Bitter wie Pulver. Sauer wie Steppensand. Scharf wie Scheiße. Und laut wie Gefechtslärm.

Und wir wollen den Müttern versprechen:

Und dafür, nein, dafür haben die Toten ihr Blut nicht in den Schnee laufen lassen, in den nasskalten Schnee ihr lebendiges mütterliches Blut: Dass dieselben Studienräte ihre Kinder nun benäseln, die schon die Väter so brav für den Krieg präparierten. (Zwischen Langemarck und Stalingrad lag nur eine Mathematikstunde.) Nein, Mütter, dafür starbt ihr nicht in jedem Krieg zehntausendmal!

Sag deinem Kumpel die Wahrheit, beklau ihn im Hunger, aber sag es ihm dann. Und erzähl deinen Kindern nie von dem heiligen Krieg: Sag die Wahrheit, sag sie so rot wie sie ist: voll Blut und Mündungsfeuer und Geschrei. Beschwindel das Mädchen noch nachts, aber morgens, morgens sag dann die Wahrheit: Sag, dass du gehst und für immer. Sei gut wie der Tod. Nitschewo. Kaputt. For ever. Parti, perdu und never more.

neinJaNeins

Wir wollen diese Mütter lieben, die Bomben füllen mussten – für ihre Söhne. Wir müssen sie lieben um dieses Leid.

Und die Helden, die Hölderlinhelden, für die kein Tag zu hell und keine Schlacht schlimm genug war – wir wollen sie lieben um ihren gebrochenen Stolz, um ihr umgefärbtes heimliches Nachtwächter Dasein.

und den, der seinen Enkeln noch erzählt von einunddreißig Toten nachts vor seinem, vor Opas M.G. – sie alle, die Angst haben und Not und Demut: Die wollen wir lieben in all ihrer Erbärmlichkeit. Die wollen wir lieben wie die Christen ihren Christus: Um ihr Leid. Denn sie sind Deutschland. Und dieses Deutschland sind wir doch selbst. Und dieses Deutschland müssen wir doch wieder bauen im Nichts, über Abgründen: Aus unserer Not, mit unserer Liebe. Denn wir lieben dieses Deutschland doch. Wie wir die Städte lieben um ihren Schutt – so wollen wir die Herzen um die Asche ihres Leides lieben. Um ihren verbrannten Stolz, um ihr verkohltes Heldenkostüm, um ihren versengten Glauben, um ihr zertrümmertes Vertrauen, um ihre ruinierte Liebe. Vor allem müssen wir die Mütter lieben, ob sie nun achtzehn oder achtundsechzig sind – denn die Mütter sollen uns die Kraft geben für dies Deutschland im Schutt.

Und wir wollen den großen Uuh-Wind wieder lieben, unseren Wind, der immer noch singt in den Wäldern. Und der auch die gestürzten Balken besingt –

Denn das ist Deutschland. Und das wollen wir lieben, wir, mit verrostetem Helm und verlorenem Herzen hier auf der Welt.

 


Sechs Fragen an Wolfgang Borchert

Die gegenwärtige deutsche Literatur hat jetzt ihre große Chance. Es scheint so, dass die jüngere Generation das begreift.

Haben Sie den Eindruck, dass Deutschland den Nationalismus und Militarismus überwinden wird?

 

Mit Themen über Gott oder Nicht-Gott, mit Themen über Brot oder Nicht-Brot – das kommt auf den Leser an.

Wie definieren Sie die Begriffe »Demokratie« und »persönliche Freiheit«?

 

Natürlich bin ich ein religiöser Dichter. Ich verberge es nicht. Ich glaube an die Sonne, an den Walfisch, an meine Mutter und an das Gras. Genügt das nicht? Das Gras ist nämlich nicht nur das Gras.

Ihr Drama »Draußen vor der Tür« behauptet im Vorspruch, nicht aufgeführt zu werden. Was sagen Sie dazu, dass jetzt gleich mehrere große Bühnen dieses Stück zur Aufführung erworben haben?

 


Dann gibt es nur eins!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sag NEIN!

Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!

In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und muschelüberwest den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben –

eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen, gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig, unaufhaltsam –

in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln – in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und Kirschsaft verkommen – das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Felde wird neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln – zerbröckeln – zerbröckeln –