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Über das Buch

Als die 17-jährige Caroline dem weißen Wal zum ersten Mal im Traum begegnet, kann sie nicht wissen, wie sehr sich ihr Leben dadurch verändern wird. Sie flieht vor ihrem aufdringlichen Verehrer und ihrer tyrannischen Mutter und folgt dem Ruf des Wales auf die sagenumwobenen Queen Charlotte Islands. Auf den nebelverhangenen Inseln vor der Westküste Kanadas kommt sie einem dunklen Geheimnis auf die Spur, das ihr den Weg in eine neue Zukunft weist. Und sie lernt das Glück der großen Liebe kennen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

1

»Was soll ich?«, rief Caroline entsetzt. »Ich kann diesen Mann nicht heiraten, Mutter! Ich liebe ihn nicht! Ich finde ihn nicht mal sympathisch! Um ehrlich zu sein, er geht mir auf die Nerven! Das ganze Jahr ist er schon hinter mir her! Er will einfach nicht einsehen, dass ich nichts mit ihm zu tun haben will! Nein, das kannst du nicht von mir verlangen!« Sie wandte sich vom Fenster ab und blickte ihre Mutter verwundert an. »Wie kommst du überhaupt darauf? Hat er … hat er etwa um meine Hand angehalten?«

»Nein, noch nicht«, antwortete ihre Mutter. »Aber ich bin mir sicher, er wird bald den Mut dazu aufbringen. Dein Vater und ich hoffen sehr, dass du seinen Antrag annimmst. Einen besseren Mann als Charles findest du nicht. Er gehört zu einer der reichsten Familien des kanadischen Westens, er ist gebildet und hat Humor und er sieht, wie ich meine, auch sehr gut aus. Die meisten jungen Damen, die wir kennen, würden alles dafür geben, seine Bekanntschaft zu machen. Verbau dir diese Chance nicht, Caroline!«

»Aber ich liebe ihn nicht, Mutter! Wie kann ich einen Menschen heiraten, den ich nicht liebe? Und warum überhaupt diese Eile? Ich bin noch nicht mal volljährig! Willst du mich unbedingt unter die Haube bringen?«

»Charles King ist der Neffe des reichsten Eisenbahnaktionärs in ganz Kanada. So ein Mann wartet nicht gern. Und er hat keine Zeit, sich mit den Launen eines unentschlossenen Mädchens zu beschäftigen. Ergreife diese einmalige Chance, Caroline!« Ihre Stimme wurde sanfter. »Und wegen der Gefühle mach dir keine Sorgen. Liebe kann man lernen. Ich war auch nicht in deinen Vater verliebt, als er mir den Heiratsantrag machte. Wir haben uns im Laufe der Jahre arrangiert. Viel wichtiger ist der Respekt, den man seinem Partner entgegenbringt.« Sie ging ein paar Schritte und rückte das Spitzendeckchen auf dem ovalen Tisch zurecht. »Oder gibt es da etwas, das ich wissen müsste?« In ihren Augen glomm Misstrauen. »Du hast doch keinen anderen Freund … ich meine … ich muss mir doch keine Sorgen machen?«

»Einen anderen?« Caroline lachte. »Wie denn? Auf dem Internat, der Lehranstalt für höhere Töchter …«, sie sprach den Namen ihrer ehemaligen Schule mit deutlichem Missfallen aus, »… konnte ich doch keinen Schritt tun, ohne dass mir eine Lehrerin auf den Zehen stand! Und seitdem ich zu Hause bin, lässt du mich Tag und Nacht von Rosalyn bewachen!« Sie unterdrückte mühsam ihre Wut. »Wozu brauchen wir überhaupt ein Dienstmädchen?«

»Ich dachte, das wüsstest du«, erwiderte ihre Mutter vorwurfsvoll. »In der gehobenen Position deines Vaters schickt es sich einfach, ein Dienstmädchen zu beschäftigen. Das war in England so und das ist hier in Kanada ganz genauso. Dein Vater leitet eines der größten und vornehmsten Hotels der Westküste. Wir haben einen gewissen Ruf zu verteidigen …«

»Ich hab aber keine Lust, mich wie eine Prinzessin zu benehmen«, wehrte sich Caroline. Der Hochmut ihrer Mutter forderte ihren Eigensinn heraus. »Warum können wir nicht wie andere Leute leben? Warum lässt du mich nicht arbeiten? Warum soll ich einen Mann heiraten, für den ich nichts empfinde?«

»Weil wir vor zwanzig Jahren nicht nach Kanada ausgewandert sind, um hier das gleiche armselige Leben zu führen wie in England! Dein Vater hat hart gearbeitet, um sich seine jetzige Stellung zu sichern. Und ich bin stolz darauf, dass wir von der höheren Gesellschaft in Vancouver akzeptiert werden. Oder willst du so leben wie die Arbeitslosen, die auf dem Güterbahnhof kampieren? Sei lieber dankbar, dass dir die Wirtschaftskrise nichts anhaben kann. Du stehst auf der richtigen Seite, Caroline, und deshalb hast du auch die Verpflichtung, einen Mann zu heiraten, der unserem Stand entspricht.«

»Niemals!«, widersprach Caroline. Sie reckte trotzig ihr Kinn nach vorn und verließ den Salon, bevor ihre Mutter sie zurückhalten konnte. Ohne sich nach ihr umzudrehen, stieg sie die gewundene Treppe hinauf und verschwand in ihrem Zimmer. Sie schloss die Tür, lehnte sich einen Augenblick dagegen und erwartete beinahe, dass ihre Mutter nach ihr rufen würde. Aber es blieb still. Erleichtert ließ sie sich auf ihr Bett fallen.

»Charles King!«, meinte sie abfällig. Er war der erste Mann, der sich für sie interessierte, abgesehen von dem halbwüchsigen Sohn des Gärtners, der ihr im Internat nachgestiegen war und immer so dämlich gegrinst hatte, wenn sich ihre Blicke zufällig getroffen hatten. Sie dachte gar nicht daran, Charles’ Werben nachzugeben. Sie wollte so aufrichtig empfinden wie die jungen Heldinnen in den Romanen, die sie im Internat heimlich unter der Bettdecke gelesen hatte. Diese Frauen wurden vor Sehnsucht beinahe ohnmächtig, wenn sich der Mann ihres Herzens zu ihnen herabbeugte und sie küsste. Caroline wollte keine dieser langweiligen Ehen führen wie ihre Eltern und die Bekannten, die zu den Wohltätigkeitsbällen kamen. »Niemals!«, schwor sie laut und schlug mit ihren kleinen Fäusten auf die seidene Bettdecke.

Sie ging zum Frisiertisch und blickte in den Spiegel. Sie war eine Schönheit, so sagten jedenfalls die Bekannten ihres Vaters, wenn sie zu Besuch kamen und sie mit einem Handkuss begrüßten: »Der Mann, der Sie einmal heiratet, darf sich glücklich schätzen!« Ihr Gesicht wies eine gesunde Bräune auf, obwohl sie bei jedem Spaziergang einen breitkrempigen Hut trug, und ihr langes lockiges Haar glänzte so schwarz wie das Gefieder eines Raben. Über ihrer leichten Stupsnase leuchteten dunkle Augen. Wer sie wütend erlebt hatte, wusste um das lodernde Feuer, das darin brennen konnte, und wer ihr in einem stillen Augenblick begegnet war, schwärmte von dem Glanz, der sie romantisch und verträumt aussehen ließ. Ihr Hals war schlank und um ihre Figur beneideten sie alle jungen Damen der besseren Gesellschaft. Sie konnten nicht wissen, wie streng Rosalyn darüber wachte, dass sie keine Süßigkeiten aß. »Das schickt sich nicht für eine junge Dame«, betonte sie. Das Dienstmädchen, die Tochter eines Eisenbahnarbeiters, hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die Worte ihrer Herrin nachzuplappern, und Elizabeth Burke war eine sehr ehrgeizige Frau, der das Ansehen ihrer Familie über alles ging.

Caroline streckte sich die Zunge heraus und wandte sich von dem Spiegel ab. Was nützte ihr die ganze Schönheit, wenn sie in einem goldenen Käfig lebte? Schon die Lehranstalt für höhere Töchter war ihr wie ein Gefängnis vorgekommen. Den Lehrerinnen war es mehr darum gegangen, ihre Schülerinnen auf das gesellschaftliche Leben an der Seite eines wohlhabenden Mannes als auf ein eigenständiges Berufsleben vorzubereiten. Sie hatte sich stets dagegen aufgelehnt und aus lauter Trotz die wenigen freien Stunden über ihren Büchern verbracht. »Ich hab keine Lust, für irgendeinen Angeber das schöne Püppchen zu spielen!«, hatte sie den anderen Schülerinnen gestanden. Und die hatten nichts Besseres zu tun gehabt, als sie bei der Direktorin zu verpetzen. An die Worte der strengen Frau konnte sich Caroline noch genau erinnern: »Wir Frauen sind dazu geschaffen, dem Manne zu dienen, das steht schon in der Bibel! Es ziemt sich nicht für ein Mädchen, sich gegen die gesellschaftlichen Normen aufzulehnen. Schon gar nicht in unseren Kreisen!«

Und sie hatte heftig geantwortet: »Wir haben das Jahr neunzehnhundertzweiunddreißig, Frau Direktorin! Wir leben nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert! Und ich bin keine Prinzessin im alten England, die zu allem Ja und Amen sagen muss!« Natürlich hatte es für diesen Widerspruch einen strengen Tadel gegeben, und sie hatte von Glück sagen können, dass sie nicht von der Schule verwiesen worden war. Sie musste jetzt noch lächeln, wenn sie an das entsetzte Gesicht ihrer Mutter dachte, als sie den Brief der Direktorin gelesen hatte. »Was für eine Schande!«, hatte Elizabeth Burke ausgerufen.

Caroline stand auf und trat ans Fenster. Ihr Zimmer lag im zweiten Stock der viktorianischen Villa, die etwas abseits der Straße stand und von einem wuchernden Garten umgeben war. Die Burkes waren stolz auf ihre Rosen und hatten einen Gärtner aus dem Okanagan Valley eingestellt, der zweimal die Woche kam und sich um die Blumen kümmerte. Mit einer Rose hatten sie auf einer Ausstellung einen Preis gewonnen. Ein schmiedeeiserner Zaun trennte das Grundstück von der gepflasterten Straße. Es dämmerte bereits und der trübe Schein der Straßenlaternen spiegelte sich in den Fenstern der umliegenden Häuser. Sie wohnten in einer ruhigen Gegend, nur wenige hundert Meter vom Stanley Park entfernt, einer gepflegten Anlage mit dichten Zedernbeständen, einem Swimmingpool, öffentlichen Stränden und einer felsigen Küste, die steil in den Pazifik abfiel. Im Zentrum des Parks lag ein üppiger Rosengarten.

Jeden Sonntag nach dem Mittagessen gingen die Burkes im Stanley Park spazieren, so wie die meisten anderen Leute im Westend. Rupert Burke in einem dunklen Sonntagsanzug mit silberner Nadel in der aufgebauschten Krawatte und Elizabeth Burke in einem vornehmen Kleid und einem eng anliegenden Hut mit dunkelgrüner Schleife. Caroline trug meist ihr geblümtes Kleid und den weißen Hut mit der künstlichen Blüte, die ihre leicht gebräunte Haut besonders wirkungsvoll zur Geltung brachte. Sie war stolz auf ihre gesunde Bräune, auch wenn ihre Mutter sie stets dazu überreden wollte, ihr Gesicht ausgiebig zu pudern. Sogar das Schwimmen wollte sie ihr nicht erlauben, besonders nicht in einem der neumodischen Badeanzüge, die »unanständig viel« von ihrer Haut zeigten.

Im Erdgeschoss klingelte Rosalyn zum Abendessen. Ihre Eltern saßen bereits an dem festlich gedeckten Zederntisch, der fast das halbe Esszimmer einnahm, und ihr Vater verzog geringschätzig den Mund, als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. »Entschuldige, Vater!«, sagte sie schnell und setzte sich ihrer Mutter gegenüber. Nachdem Rosalyn die Suppe serviert hatte, faltete Rupert Burke die Hände und sprach ein kurzes Gebet. »Ich habe gehört, du hast deiner Mutter widersprochen«, sagte er gleich anschließend. »Weißt du nicht mehr, was sich gehört?« Seine strenge Miene entspannte sich ein wenig. »Versteh mich nicht falsch, Caroline. Wir wollen dir keine Vorschriften machen. Natürlich sollst du glücklich werden in der Ehe. Aber du bist noch zu jung, um wissen zu können, welcher Mann es wirklich gut mit dir meint. Charles King ist eine glänzende Partie, glaub mir das! Ich kenne keinen anständigeren und gebildeteren Mann in unseren Kreisen als ihn.« Er gestattete sich ein leichtes Lächeln. »Und soweit ich das beurteilen kann, sieht er auch ganz passabel aus.«

»Ich liebe ihn nicht, Vater«, entgegnete Caroline mutig, »und ich denke gar nicht daran, einen Mann zu heiraten, für den ich nichts empfinde.«

Rupert Burke brauchte seine ganze Willenskraft, um nicht loszupoltern. Er lächelte gezwungen. »Kann sein, dass deine Mutter und ich ein wenig zu plötzlich davon angefangen haben. Du brauchst sicher etwas Zeit, um dich an den Gedanken einer Ehe zu gewöhnen. Aber glaube mir, einen besseren Mann als Charles King wirst du nicht finden.« Er blickte seine Frau an. »Habe ich nicht recht, Elizabeth?« Und wieder zu Caroline: »Schlaf ein paar Nächte darüber, Caroline! Dann wirst du selbst einsehen, welche Vorteile eine Ehe mit Charles King bringt, glaub mir das!«

Doch alles, was Caroline in dieser Nacht erlebte, war ein böser Traum, der sie noch vor Mitternacht aus dem Schlaf riss und sie so verwirrte, dass sie mehrere Augenblicke kerzengerade im Bett saß, bis sie sich wieder in der Wirklichkeit zurechtfand. Sie rieb sich den Schweiß von der Stirn und hörte plötzlich Stimmen. Erstaunt schlug sie die Decke zurück. Ein Stockwerk tiefer unterhielten sich ihre Eltern. Sie sprachen so laut und aufgeregt, dass Caroline rasch in ihre Hausschuhe schlüpfte, nach ihrem Morgenmantel griff und die Zimmertür öffnete. Auf der Treppe blieb sie stehen. »Dass es so schlimm steht, hast du mir nie gesagt!«, hörte sie die aufgebrachte Stimme ihrer Mutter. »Was soll das heißen, wir können das Hotel schließen, wenn wir den Kredit nicht bekommen?«

»Ist das so schwer zu verstehen?«, erwiderte ihr Vater gereizt. »Wir sind bankrott! Pleite! Am Ende! Wenn uns die Canadian Pacific Railway kein Geld gibt, können wir zusperren! Oder hast du geglaubt, die Wirtschaftskrise geht spurlos an uns vorüber? Es gibt keine Touristen mehr. Die Leute, die aus den anderen Provinzen kommen, sind arbeitslos und übernachten im Dschungel am Güterbahnhof!« Seit der Börsenkrach in New York die ganze Welt in eine tiefe Krise gestürzt hatte, waren mehrere solcher Zeltlager, von den besser gestellten Bürgern verächtlich »Dschungel« genannt, in Vancouver entstanden. »Von diesen Leuten können wir nicht leben! Wir brauchen die Eisenbahn! Wir brauchen einen weiteren Kredit, der uns über die nächsten zwei Jahre bringt! Die Canadian Pacific ist das einzige Unternehmen, das noch schwarze Zahlen schreibt. Oder kennst du eine Firma, die uns einen sechsstelligen Betrag leihen würde? Die Banken sitzen auf ihrem Geld. Nein, meine Liebe, wir brauchen das Geld der Eisenbahn.«

Rupert Burke hatte sein ganzes Vermögen in das Hotel investiert und war auf Gedeih und Verderb mit ihm verbunden. Der Verlust, den ein Verkauf des Hotels mit sich gebracht hätte, hätte ihn für immer ruiniert. »Vielleicht sollten wir etwas kürzer treten!«, sagte er nach einer Weile. »Wir könnten in ein kleineres Haus ziehen und den Chevrolet verkaufen. Vielleicht sollten wir in diesem Jahr auch auf den Sommernachtsball verzichten … ich halte es sowieso nicht für sinnvoll, während einer solchen Krise …«

»Kommt gar nicht infrage!«, unterbrach Elizabeth Burke ihren Mann. »Was sollen denn die Leute von uns denken, wenn wir mit der Straßenbahn durch die Stadt fahren! Nicht auszudenken! So schlimm kann es doch nicht um uns stehen! Sobald wir Caroline mit Charles King verheiratet haben, bleibt der Eisenbahn doch gar nichts anderes übrig, als uns den Kredit zu geben! Oder meinst du, Charles King senior lässt seinen Sohn in eine bankrotte Familie einheiraten? Sie geben uns den Kredit, und ewig kann diese dumme Krise doch nicht dauern, was meinst du?«

»Aber sie liebt ihn nicht, du hast es doch gehört!« Die Stimme ihres Vaters klang verzweifelt. »Caroline ist ein ungewöhnliches Mädchen, das solltest du doch langsam begriffen haben. Sie hat ihren eigenen Kopf. Ich bewundere ohnehin Charles’ Geduld. Ein anderer Mann hätte längst das Weite gesucht. Er muss sie sehr lieben, wenn er ihr immer noch den Hof macht. Aber was ist, wenn Caroline nicht will? Wir können sie nicht zwingen, Elizabeth! Falls sie sich weigert, sind uns die Hände gebunden.«

»Unsinn!«, widersprach Elizabeth Burke. »Wenn es sein muss, werde ich sie zwingen! Es geht nicht an, dass sie die Existenz unserer ganzen Familie aufs Spiel setzt, nur weil sie unbedingt ihren Kopf durchsetzen will! Jedes andere Mädchen würde weiß Gott was für einen Antrag von Charles King geben! Ich lasse es nicht zu, dass sie den jungen Mann demütigt!«

Caroline hielt sich nicht länger zurück. Sie lief in den ersten Stock hinab und öffnete die Schlafzimmertür ihrer Eltern. »So ist das also!«, rief sie aufgebracht. »Ihr wollt mich wie altes Silber verhökern! Ich denke gar nicht daran, mich verkaufen zu lassen! Eher stürzt die neue Burrard Bridge ein, als dass ich diesen eingebildeten Schnösel von Charles King heirate! Ich brauche diesen Reichtum und dieses ganze vornehme Getue nicht! Gebt euch keine Mühe – ich heirate ihn nicht!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte sie die Treppe hinauf und in ihr Zimmer zurück. Sie verschloss die Tür und warf sich weinend aufs Bett.

2

Den Rest der Nacht machte Caroline kaum ein Auge zu. Sie lag auf dem Rücken, starrte auf den hellen Fleck, den die Straßenlaterne durch das Fenster und auf die verschlossene Tür warf. Wieder und wieder musste sie an die Worte ihrer Eltern denken. Der Gedanke, dass ihr Vater und ihre Mutter bereit waren, sie für einen Kredit zu opfern, und dabei in Kauf nahmen, dass ihre Tochter vielleicht eine unglückliche Ehe führen würde, trieb ihr die Tränen in die Augen. Wie konnten sie nur so herzlos sein? War es so wichtig, zur besseren Gesellschaft zu gehören? Caroline hatte diesem Leben nie etwas abgewinnen können. Natürlich war es angenehm, wie eine Prinzessin aufzuwachsen und kaum Sorgen zu haben, aber der Wunsch, diesem goldenen Käfig zu entfliehen und ein normales Leben zu führen, war in letzter Zeit immer stärker geworden.

Manchmal beneidete sie sogar die Töchter der Eisenbahnarbeiter, die nichts dabei fanden, auf der Straße zu tanzen und ihre Fahrräder über den Bahndamm zu schieben. Wie ungezwungen benahmen sich diese Mädchen doch. Obwohl sie kaum etwas besaßen und in den schäbigen Mietwohnungen der Canadian Pacific wohnten, schienen sie glücklich und zufrieden zu sein. Selbst sonntags tollten sie in ihren Badeanzügen am Kitsilano Beach umher oder streunten durch die benachbarten Wälder. Caroline fühlte sich mit diesen Mädchen verwandt, obwohl ihre Mutter immer wieder betonte, dass sie von englischen Edelleuten abstammten und über einige Ecken sogar mit dem englischen König verwandt waren.

Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen, öffnete Caroline blinzelnd die Augen. Sie fühlte sich wie gerädert und hatte das Gefühl, keine halbe Stunde geschlafen zu haben. Sie wusch sich mit kaltem Wasser und kleidete sich an, bevor Rosalyn auf die Idee kommen konnte, ihr dabei zu helfen. Ihre Eltern saßen bereits beim Frühstück und blickten sie unsicher an, als sie sich setzte und ihnen einen guten Morgen wünschte. Anscheinend war es ihnen peinlich, dass Caroline ihnen auf die Schliche gekommen war. »Auch ohne unsere Geldsorgen wäre ich der Meinung, dass Charles King der richtige Mann für dich ist«, sagte ihr Vater nach einer Weile. »Natürlich würde uns die Verbindung auch geschäftlich helfen, das gebe ich gern zu. Ich glaube kaum, dass uns die Eisenbahn ohne jegliche Perspektive einen Kredit geben würde. Charles ist der kommende Mann bei der Canadian Pacific!«

»Und auch für dich wäre es von Vorteil, Caroline«, fügte ihre Mutter rasch hinzu. Ihre Augen glänzten eifrig. »Ihr beide wärt ein hinreißendes Paar und du würdest eine führende Rolle in der Gesellschaft übernehmen! Stell dir vor, der Gouverneur würde euch einladen, und wenn König George V. nach Kanada kommt, dürftet ihr auf den großen Empfang gehen … Diese Gelegenheit darfst du auf keinen Fall verpassen, Caroline!« Sie zögerte einen Augenblick. »Charles ist doch kein Unhold!«

Caroline stellte ihre Tasse so ungestüm ab, dass sie Kaffee verschüttete. »Ihr versteht mich nicht! Ich weiß, ich habe immer ein sorgenfreies Leben geführt, und dafür bin ich euch auch dankbar. Aber niemals werde ich einen Mann heiraten, den ich nicht liebe! Lieber verbringe ich mein restliches Leben in Armut. Mir ist es vollkommen egal, ob ich mit dem Gouverneur oder dem englischen König diniere!«

Ihren Worten folgte ein Augenblick der Stille, und sie hatte beinahe den Eindruck, dass ihr Vater sie verstand. Aber ihre Mutter begann zu weinen und erwiderte hysterisch: »Caroline! Was haben wir nur getan, dass du so mit uns redest! Das ist undankbar! Du solltest dich darüber freuen, dass wir uns Gedanken über deine Zukunft machen und es einen jungen Mann in gehobener Position gibt, der sich für dich interessiert! Es gibt Augenblicke im Leben, in denen man die eigenen Wünsche dem Glück der Gemeinschaft unterordnen muss! Oder willst du etwa, dass wir Bankrott gehen? Willst du das wirklich, Caroline?«

»Nein«, wiederholte Caroline ehrlich. »Aber ich bin nicht bereit, mein eigenes Glück dafür zu opfern. Ich werde Charles King nicht heiraten! Niemals! Und wenn ihr euch auf den Kopf stellt … ich heirate ihn nicht!«

Sie stand auf, griff im Vorbeigehen nach ihrem Mantel und war schon an der Haustür, als sich ihre Mutter von ihrem Schrecken erholte und rief: »Was fällt dir ein, Caroline? Du kannst doch nicht einfach weglaufen! Das ist ungehörig! Es ist deine verdammte Pflicht …« Mehr hörte Caroline nicht. Sie war auf die Straße getreten und rannte nun ziellos nach Norden, nur weg von ihren Eltern. Sie brauchte Luft zum Atmen, wollte allein sein, um in Ruhe über alles nachzudenken. Weinend überquerte sie die Straße und lief beinahe in ein Automobil. Der Fahrer beschimpfte sie wütend.

Vor ihr tauchten die dunklen Zedern des Stanley Parks auf. So früh am Morgen eines Werktags war dort kaum etwas los, und am Second Beach war lediglich ein junges Liebespaar zu sehen, das kaum Notiz von ihr nahm. Sie überquerte den asphaltierten Park Drive und rannte am Waldrand entlang, drehte sich immer wieder um, weil sie Angst hatte, ihre Eltern könnten sie mit dem Automobil verfolgen. Sie wollte niemand sehen, ging selbst einigen Wanderern aus dem Weg, die ihr mit geschulterten Rucksäcken entgegenkamen. Zwischen den Bäumen verschnaufte sie zum ersten Mal und ließ die frische Waldluft auf sich wirken. Der würzige Zedernduft war Balsam für ihre Seele.

Caroline lief weiter in nördlicher Richtung und verließ nach einigen hundert Metern den Wald. Sie wechselte auf die andere Straßenseite und ging an der felsigen Küste entlang. Über der Bucht wölbte sich ein fast wolkenloser Himmel und die Sonne ließ das Meer wie flüssiges Silber glitzern. Die leichte Brandung schlug gegen die zerklüfteten Felsen und verfing sich in den Schlingpflanzen der Uferböschung. Der frische Wind brachte den Geruch von Salz und Algen vom offenen Meer mit. Im hellen Schein der Morgensonne leuchtete ein Frachter. Möwen stritten um einige Brotkrumen, die Spaziergänger ins Wasser geworfen hatten. Außer ihrem Kreischen, dem Tuten eines Frachters und dem leisen Rauschen des Meeres war kaum ein Laut zu hören.

An der Uferböschung oberhalb eines kegelförmigen Felsens, der wenige Meter entfernt aus dem Wasser ragte und dunkel in der Sonne glänzte, blieb Caroline stehen. Sie hielt ihr Gesicht in den kühlen Wind und atmete die salzige Luft. Der Anblick der sanften Wellen und des Frachters, der unbeirrt seine Bahn zog, löste ihre Anspannung. Sie liebte das Meer. Jedes Mal wenn ihre Gedanken in Aufruhr waren, lief sie zur Küste und ließ die unendliche Weite und den Geruch des Meeres auf sich wirken. Ihre Eltern würden sich beruhigen, sagte sie sich, sie würden einsehen, dass sie in einer Ehe mit Charles King nur unglücklich werden konnte, und sie nicht mehr zu dieser Heirat überreden wollen. Die Eisenbahn würde ihrem Vater trotzdem einen Kredit geben und alles würde gut werden.

Eine plötzliche Bewegung auf dem Meer ließ sie nach Westen blicken. Ungefähr zweihundert Meter vom Ufer entfernt schossen drei Wale aus dem Wasser. Ihre mächtigen Körper lösten sich scheinbar spielerisch aus dem vertrauten Element und glänzten schwarz in der Sonne, bevor sie ins Meer zurücktauchten und in einer gewaltigen Fontäne aus ihrem Blickfeld entschwanden. Caroline war diesen Anblick gewöhnt. Im Frühsommer kamen die Wale auf ihrer Wanderung dicht an der Westküste von Kanada vorbei und doch faszinierte sie die majestätische Anmut dieser dunklen Kolosse immer wieder.

Ein vierter Wal tauchte aus dem Meer, größer und gewaltiger als seine Artgenossen – und schneeweiß. Caroline hatte noch nie einen weißen Wal gesehen, wohl aber Geschichten, Legenden und Lieder gehört, die von diesen seltenen Tieren handelten, und auch Moby Dick gelesen, den bekannten Roman von Herman Melville, der in der Bibliothek ihres Vaters stand. Man sagte weißen Walen eine magische Macht nach und eine beinahe menschliche Intelligenz. Der weiße Wal in Moby Dick hatte sich an dem einbeinigen Kapitän gerächt und sein Boot zerstört, und ein Lied, das sie von einer Mitschülerin im Internat gehört hatte, erzählte von einem der Meeresgiganten, der sich in ein Mädchen verliebte.

Staunend blickte Caroline auf den mächtigen Wal. Er schwamm in ihre Richtung und sie glaubte, selbst auf diese weite Entfernung in seine Augen sehen zu können. Sie waren dunkel und unergründlich und die Sonne ließ winzige Funken aus ihnen sprühen. Die Haut des Wals glänzte im morgendlichen Sonnenschein so rein und weiß wie der jungfräuliche Schnee auf den Bergen im Winter. Die Bewegungen des riesigen Tieres waren geschmeidiger und eleganter als bei seinen Artgenossen, und als sein Kopf unter Wasser verschwand und seine Schwanzflosse auf die Wellen peitschte, ergoss sich strahlende Gischt über das graue Meer.

Caroline stand wie gebannt. Sie war noch immer geblendet von dem leuchtenden Schneeweiß seiner Haut, als er ein zweites Mal aus dem Wasser tauchte, ähnlich elegant wie beim ersten Mal und so nahe, dass Gischt auf ihren Mantel spritzte. Caroline wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Wal war keine zwanzig Meter von ihr entfernt, schien sekundenlang in seiner Bewegung innezuhalten und sie anzustarren, als habe er eine Botschaft für sie. Seine Schwanzflosse klatschte gleich mehrfach auf die aufgewühlten Wellen, ehe er unter der Wasseroberfläche verschwand und weiße Schaumkronen zurückließ.

Ein böiger Windstoß verwischte die Spuren auf dem Wasser und zerzauste Carolines sorgfältig frisierte Locken. Erst jetzt merkte sie, dass sie keinen Hut aufgesetzt hatte. Sie trat von den schroffen Felsen zurück, die steil ins Meer hinabfielen, und betrat wieder den Spazierweg, der an der Küste entlang um die Insel führte. Ihre Gedanken wurden immer noch von dem geheimnisvollen Tier beherrscht, das seine Artgenossen verlassen hatte, um ihr eine Botschaft zu übermitteln. So war es ihr jedenfalls vorgekommen. Aber das war natürlich Unsinn. Sobald sie wieder klar denken konnte, gestand sie sich ein, dass es solche übernatürlichen Wesen nur in Büchern wie Moby Dick gab. Nicht einmal ein weißer Wal tauchte aus dem Wasser, um einer Spaziergängerin etwas zu sagen. Es war reiner Zufall gewesen, dass der Wal in ihre Richtung geschwommen war und sie angestarrt hatte. Und doch …

Sie blieb stehen und blickte zu der Stelle zurück, an der sie den Wal gesehen hatte. Ein leichter Schauer lief über ihren Rücken. Es war etwas Besonderes an diesem Wal gewesen. Nicht nur seine weiße Haut war außergewöhnlich, auch seine ganze Art, seine eleganten Bewegungen und das seltsame Blitzen in seinen Augen, als er sie entdeckt hatte. Unsinn, schoss es Caroline durch den Kopf. Hatte sie nicht in einem Buch gelesen, dass Wale kaum etwas sahen? Sie benutzten andere Sinne, um sich in ihrer nassen Welt zurechtzufinden, sollten sogar eine eigene Sprache entwickelt haben. So behaupteten jedenfalls manche Wissenschaftler, die sich ihr Leben lang mit Walen beschäftigt hatten.

Hinter ihr heulte der Motor eines Automobils auf. Sie drehte sich erschrocken um und sah Charles King in seinem Sportwagen an den Straßenrand fahren. Er war wahnsinnig stolz auf seinen cremefarbenen Chrysler Roadster mit den roten Ledersitzen und den Weißwandreifen, und sie musste widerwillig zugeben, dass er in dem offenen Wagen einen imponierenden Anblick bot. Charles King war ein breitschultriger Mann mit dichtem lockigen Haar, das auch mit Gelatine kaum zu bändigen war. Sein Gesicht war kantig, beinahe etwas zu knochig, und in seinen blauen Augen lag die leichte Arroganz, die für viele reiche Menschen typisch war. Er trug einen sportlichen Anzug nach der neusten Mode und eine Fliege, die im selben Rot wie die Ledersitze des Roadsters strahlte.

»Caroline!«, rief er besorgt. »Endlich hab ich dich gefunden! Ich bin die ganze Gegend nach dir abgefahren! Was ist denn los mit dir? Deine Eltern haben mir gesagt, dass du schlecht geträumt hast und gleich nach dem Frühstück spazieren gegangen bist. Ich war gerade auf dem Weg zum Golfplatz«, er deutete auf den Golfsack auf dem Rücksitz, »und wollte dich eigentlich mitnehmen. Was ist denn, Caroline! Bleib doch stehen!«

Caroline dachte gar nicht daran. Sie hatte ihm nur einen flüchtigen Blick geschenkt und war stetig weitergelaufen, wollte sich nicht auf eine Unterhaltung mit ihm einlassen. Schlecht geträumt! Warum hatten ihre Eltern ihm nicht die Wahrheit gesagt? Warum hatten sie ihm nicht gestanden, dass sie ihn nicht heiraten wollte und es sinnlos war, ihr weiter den Hof zu machen? »Lass mich in Ruhe, Charles!«, rief sie ihm missgelaunt zu. »Ich hab nicht geträumt. Ich will heute nur allein sein!«

Sie hörte, wie er aus dem Wagen stieg und die Tür zuschlug. »Aber du kannst doch nicht allein im Park spazieren gehen, Caroline!«, klang seine Stimme in ihren Ohren. »Was sollen denn die Leute denken! Keine Frau, die etwas auf sich hält, geht ohne männliche Begleitung durch den Stanley Park!« Sie hörte, wie er seine Schritte beschleunigte und neben ihr auftauchte. »Sei doch vernünftig, Caroline! Komm, wir fahren zum Golfplatz. Bis meine Geschäftspartner kommen, haben wir viel Zeit. Im Clubhaus gibt es frischen Lachs! Du weißt doch, wie gut sie dort kochen.«

»Ich hab keinen Hunger, Charles! Ich hab gerade erst gefrühstückt, und auf den Champagner, den du mir heimlich unter die Limonade mischst, hab ich auch keine Lust, damit du’s gleich weißt! Golf ist langweilig. Spiel lieber mit deinen Freunden, die wissen das blöde Spiel wenigstens zu schätzen! Ich würde in diesem Männerverein doch nur stören.«

Charles ließ sich seine gute Laune nicht nehmen. »Weißt du, dass du wunderschön aussiehst, wenn du so wütend bist?«, wiederholte er eine Plattheit, die er in einem der neuen Tonfilme gehört hatte. »Deshalb liebe ich dich ja so! Weil du deinen eigenen Kopf hast und dich nicht verbiegen lässt.« Sie beschleunigte ihre Schritte und versuchte vergeblich, ihn abzuschütteln. »Wann verloben wir uns endlich? Ich möchte, dass du meine Frau wirst! Ich liebe dich, Caroline! Ich gehöre zu den reichsten Männern der Provinz! Es wird höchste Zeit, dass ich meinen Geschäftsfreunden eine standesgemäße Partnerin vorstelle. Wir würden gut zusammenpassen, Caroline. Das sagen auch meine Eltern. Ich kann dir doch nicht gleichgültig sein. Wollen wir uns am Wochenende verloben?«

»Am Wochenende?«, erwiderte sie laut. Sie blieb stehen und blickte ihn entsetzt an. »Wie kommst du denn darauf?« Ihr fiel ein, dass am Samstagabend ein großer Wohltätigkeitsball im Haus seines Onkels stattfand, und sie fuhr fort: »Ach, du meinst wohl den Ball! Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich hingehe. Ich finde diese Bälle sterbenslangweilig.«

»Aber du musst kommen! Hör zu, ich verstehe ja, wenn du noch ein bisschen Zeit brauchst, obwohl ich der Meinung war, dass wir uns längst einig sind, aber auf dem Ball müssen wir unbedingt gemeinsam erscheinen. Ich hab es meinem Onkel versprochen. Er hält große Stücke auf dich. Er hat mir verraten, dass er selbst um deine Hand anhalten würde, wenn er dreißig Jahre jünger wäre.« Er lächelte amüsiert. »Ich hole dich am Samstagabend ab, einverstanden? Und verloben können wir uns auch später. Auf dem Sommernachtsball deiner Eltern oder dem Gartenfest meiner Eltern.«

Sie wollte eine längere Auseinandersetzung umgehen und widersprach ihm nicht. Wenn ich ihn auf den Ball begleite, dachte sie plötzlich, bekommt mein Vater vielleicht den Kredit. »Also gut«, gab sie nach, »ich gehe mit dir auf den Ball. Aber das ist noch kein Heiratsversprechen. Schwöre mir, dass du keine dummen Gerüchte verbreiten wirst!«

»Großes Ehrenwort!«, erwiderte er siegessicher. Er griff nach ihrem Arm. »So, und jetzt komm! Ich bringe dich zu deinen Eltern zurück.«

Sie stieg widerwillig in den Chrysler Roadster und vermied es, ihn während der Fahrt anzusehen. Stattdessen blickte sie auf das Meer hinaus und dachte an den weißen Wal, der irgendwo in der Tiefe schwamm.

3

Ihre Eltern waren außer sich vor Freude, als sie von der Einladung zum Wohltätigkeitsball berichtete. »Dann hast du es dir doch noch mal überlegt«, strahlte Elizabeth Burke. »Und ich hatte schon Angst, du würdest Charles den Laufpass geben. Na, jetzt ist ja alles gut. Wenn ihr zusammen auf den Wohltätigkeitsball geht, kann nichts mehr schiefgehen. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Charles eure Verlobung bekannt gibt.« Sie seufzte erleichtert. »Ich dachte schon, dein Vater und ich müssten allein auf den Ball gehen! Du machst mir wirklich eine große Freude! Und was gestern Nacht und heute Morgen vorgefallen ist, vergessen wir am besten. Viel wichtiger ist, welches Kleid du auf dem Ball tragen wirst! Ich mache gleich einen Termin bei Brooks aus …«

Ihre Mutter war so aufgeregt, dass sie ohne Unterlass redete und Caroline keine Gelegenheit gab, Einspruch zu erheben. »Gleich morgen Früh, dann haben sie noch Zeit für die Änderungen.« Brooks war eines der führenden Modehäuser in Vancouver. Elizabeth Burke kaufte seit Jahren in dem Geschäft ein und auch Caroline hatte dort ihr erstes und bisher einziges Abendkleid erstanden. »Für den Ball brauchst du unbedingt ein neues Kleid! Ich möchte, dass du alle anderen jungen Damen ausstichst.«

Caroline mochte festliche Kleider und freute sich auf den Termin bei Brooks. Sie würde wie eine Prinzessin